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Schon hörte ich Wehklagen und Jammern im Zelt. Ich bückte mich beim Eingang und sah Blutspuren im Sand. Ich drang ein. Zela lag wie eine Leiche. Ihr triefendes Haar hing blutig, wirr über den Busen wie ein dunkles Sterbehemd. Augen, Mund waren halb geschlossen. Sie war ohne Bewußtsein und Empfindung. Die malaiischen Mädchen knieten zu beiden Seiten, schluchzten, rauften sich das Haar, zerrissen ihre Kleider. Ich wollte näher treten – sprechen; aber im Herzen getroffen, wankte ich und wäre gefallen, hätte ich mich nicht an die Zeltstange gehalten. Ich sammelte meinen Blick, – bewegte sie nicht die Lider? Bald drang mir ihre Stimme durch und durch und brachte mich zur Vernunft, – dabei waren es bloß unverständliche Laute. Ich kniete nieder und lockerte ihr das Kleid, legte ihr die Hand aufs Herz und spürte, daß es noch klopfte. Ich drückte meine Lippen auf die ihrigen; sie waren weiß, aber lebenswarm. Ich hob ihr den Kopf und rieb ihr die Hände. Nun füllten sich die bläulichen Adern auf Stirn und Hals, eine leichte Röte überflog sie. Verstört schlug sie die Augen auf. »Zela, Zela mein«, stammelte ich, »was ist dir?«
Sie schaute mich an, als ob sie ihren Geist sammeln müsse, und antwortete langsam, leise, aber deutlich: »Nichts, Liebster, du bist ja da! Mir geht's gut, ganz gut. Aber du bist krank, – sehr krank siehst du aus!«
Dann suchte sie sich auf die Seite zu legen, wimmerte, sank ohnmächtig zurück. Eine Minute hielt sie die Lider geschlossen, blickte wieder auf: »Ach ja, nun weiß ich – ich bin gefallen – hab mich ein bißchen zerkratzt – sonst nichts. Wo ist Aduh? Sie ist auch gestürzt, sieh doch nach ihr! Mir wird bald wieder wohl sein.«
Nun erst sah ich nach dem Mädchen, das sie stützte. Gesicht und Hände waren blutüberströmt. Ohne einen Gedanken an sich bewachte sie ihre Herrin ebenso ängstlich wie ich. Sie trocknete sich die Augen mit dem Haar, ihr dunkles Gesicht hellte sich auf, als sie von ihr erkannt wurde. Ich fragte sie nach Zelas Verletzungen. Sie deutete auf den Kopf und verschiedene andre Stellen. Ärgerlich, auch nur einen Augenblick versäumt zu haben, zugleich gespornt von frischer Hoffnung, untersuchte ich die Wunden mit bebender Hand. Ich ließ sie etwas Wein mit Wasser trinken. Sie bat mich – zum ersten Male vergebens –, zunächst für Aduh zu sorgen. Aber selbst wenn ich hätte gehorchen wollen, – die treue Wilde wäre lieber klaglos verblutet, als daß sie mir erlaubt hätte, ihr Blut zu stillen, solange das ihrer Gebieterin floß. Die Schäden an Zelas Körper, an Haupt, Beinen, Armen waren zahlreich, doch – soweit ich's verstand – ungefährlich. Schuld an der Bewußtlosigkeit war der Stoß an den Kopf und der Blutverlust. Starke Quetschungen an Seite und Rücken schmerzten sie heftig, ließen mich vor den Folgen zittern. Nun war sie aber wieder ganz bei sich und mühte sich, geistesgegenwärtig wie immer, mich zu ermutigen.
Ich beschäftigte mich mit Aduh, auf die Zela weinend deutete. Die arme Kleine, die ich kaum beachtet hatte, knickte betäubt zusammen. Die Beine und eine Hand waren fast durchschnitten, der Sand unter ihr durch das verlorne Blut breiig. Ich zerfetzte den Rest meines Hemds, verband sie und brachte das Blut zum Stehen. Erst nach langer Mühe gab sie Lebenszeichen.
Schon eine ganze Weile drängten sich die Matrosen besorgt um das Zelt. Sie hatten die Haie längs der Bai verfolgt, wußten nichts von dem Geschehenen. Ich trat hinaus und befahl, ungesäumt das Boot zur Rückfahrt zu rüsten. Der Führer zeigte auf die See: »In solch Wetter kann sich das Boot nicht halten!«
»Wetter? Was? Es ist ja Windstille!«
Ich schaute nach der Bucht: eine Tropenbö war aufgesprungen! Rasend über das neue Mißgeschick und die schrecklichen Weiterungen des Verzugs, lief ich zu der Landspitze. Beim Anstieg wäre ich um ein Haar von dem ersten Windstoß runtergeschleudert worden, – knapp daß ich mich mit den Händen festhakte. Ein richtiger Wirbelsturm! Die Sonne hatte sich verhüllt. Die Nacht brach vorzeitig ein. Der schwarze Himmel hing tief herab. Die See war eine schäumende Fläche.
Wir konnten uns unmöglich hinauswagen. Das Gewölk schien mit Donner und Regen überladen. Ich eilte zurück. Mit vereinten Kräften zogen wir das Boot vollends ins Trockne und befestigten das Zelt, so gut wir konnten: Segel, Tauwerk wurden herumgehäuft, der Sand mit Abflußrinnen versehen, Felsbrocken auf die Pflöcke gelegt, dürres Holz für ein Feuer gesammelt. Zum Glück hatten wir ein Tönnchen Wasser und Zwieback mit, einige Gebrauchsgegenstände, ohne die ich das Schiff nie verließ, und eine Laterne. Mit der Dunkelheit nahm der Sturm zu und toste die Bucht herauf mit einer Gewalt, daß die Hügel zu schwanken schienen.
Nachts blieben wir munter, damit nicht unser Obdach vom Sturm entführt und wir in die See gespült würden. Laut, ununterbrochen rumpelte der von den Hügeln gefangballte Donner; es war wie der Zündschlag gesprengten Gesteins in einem Tunnel oder tiefen Bergwerk. Schwermütig wandelte ich am Ufer auf und ab und wünschte, die Blitze spalteten die Felsen auf beiden Seiten, bis sie niederbrächen, die Bucht füllten, uns alle begrüben. Den Anruf hab ich nie zurückgenommen, – hätte er sich doch erfüllt!