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Aus der Falle.

Als ich wieder zu mir kam, rieb mir Aston Gesicht und Brust mit Essig und Wasser. Erst nach einiger Zeit erkannte ich, wo ich war; sein Antlitz erinnerte mich an den Streich, bei dem ich fast abgesoffen wäre. »Ich hab geträumt. Sind Sie's, Aston? Wo bin ich?«

»Da, wo ich Sie mit Kummer finde. Jede andere Flagge hätt ich Ihnen verzeihen können!«

Das sammelte meine irrlichternden Gedanken: »Die alte Flagge war mir gründlich verleidet, das werden Sie zugeben. Jetzt fecht ich unter de Ruyter. Zeigen Sie mir einen bessern Mann, und ich verlaß ihn! Aber keiner ist tapfrer und edler.«

»Ja, er ist als schneidiger Kämpe weit und breit bekannt, und ich hab ihn so gefunden. Aber das steht nicht zur Rede.«

»Sie kennen meine damalige Lage, Aston. Was konnt ich sonst tun? Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan?«

Er besann sich kurz, nahm meine Hand und erwiderte freundlich: »Beim Himmel, ich glaube, dasselbe! Aber – in Ihrem Alter.«

»Ach, wenn er Ihnen bekannt wäre wie mir, gingen Sie weiter und sagten: in jedem Alter. Ich weiß, ich tät es. Drum schweigen wir davon! Die Nacht scheint finster zu sein, und wir sind hier in einem höllisch fragwürdigen Winkel. Schlägt die Brandung so gegen das Schiff?«

»Nein, gegen die Klippen. Wer sonst hätte gewagt, hier zu ankern? Offensichtlich wollte er uns nicht ranlassen. Herrlich! Mir hätte genau so gut einfallen können, bei einem Wirbelsturm auf 'ner Sandbank zu ankern!«

»Er weiß, was er tut, verlassen Sie sich drauf! Er liegt auch nicht zum erstenmale hier ... Aber heda, Junge, Grog her und was zu beißen! Ich muß den verlornen roten Saft wieder ersetzen, bin trocken wie 'n Schwamm. – Was, Teufel, hat der olle Scolpvelt nur mit meiner Seite gemacht? Der Druck seiner verfluchten Krallen wühlt in meinem Fleisch. Der Bursche ist zum Oberfolterknecht des Satans geschaffen. Lassen Sie doch Ihren Bader holen, Aston, der Kerl hat mir den Hunger verdorben!«

Aston schickte und bemerkte: »Ihr Doktor hat wirklich ein auffallendes Gesicht. Ich kann nicht behaupten, daß mir der Schnitt seines Vordersegels liegt.«

»Nicht halb so schlimm wie seine Klauen! Sie brennen wie Höllenstein.«

Astons Arzt kam. Diese Leute tadeln ihre Zunft nie offen, es sei denn durch offnes Schweigen, indem sie nämlich immer das Entgegengesetzte tun. Auch hier. Lindernde Salbe wurde angewandt, die zwei verwünschten Stopfer entfernt. Das erleichterte mich so, als hätte man mir einen lange eiternden Knochensplitter ausgezogen. Ich nahm meine Plauderei mit Aston wieder auf und fragte, warum er unsern alten Kasten verlassen habe.

»Ein Freund hatte eben erst die gegenwärtige Fregatte bekommen und mich als ersten Leutnant angestellt. Wir wußten von zwei französischen Fregatten und waren nach Madras geeilt, um dem Admiral zu melden. Der befahl uns und einer zweiten, danach zu suchen und sie nicht aus den Augen zu lassen. Wir entdeckten, daß sie in Port Louis lagen, und riegelten es mehrere Tage ab. Außerdem war uns bekannt, daß de Ruyter mit seiner Korvette unterwegs sei; wir sollten ihn bei seiner Rückkehr zum Hafen abschneiden. Nicht im Traume hatten wir ihn hier auf der Grab vermutet, wir hielten sie fälschlich für einen Araber. Ich glaubte sie schon irgendwo gesehn zu haben, dachte aber nicht an Bombay. Damals konnte ich wirklich nicht erraten, daß de Ruyter oder gar de Witt in Beziehung zu ihr stünden, geschweige, daß sie ein- und derselbe seien. Er hat dem Handel der ›Gesellschaft‹ mehr geschadet als alle französischen Kriegsschiffe; sein Kopf wiegt das Lösegeld einer Fregatte auf. Wunderbar, wie er so lange allen Schlingen ausweichen konnte, – so geschickt er auch ist!«

De Ruyter kam herab und drückte Aston die Hand: »Daß Sie uns ins Netz gegangen sind, wird kein großer Schade sein. Jedenfalls können Sie ihn leichter verwinden als ich. Welche Gnade hätte ich zu gewärtigen, wenn diese Krämerrichter mich beim Kanthaken faßten! Lieber den Fuß eines wütenden Elefanten auf der Brust! – Um es Ihnen nun möglichst angenehm zu machen, überlasse ich die Verfügung über Ihre Mannschaft ganz Ihrem Ermessen, begnüge mich mit Ihrem Ehrenwort. Wieviel hatten Sie in den Booten?«

»Mit Offizieren und Seesoldaten 60 oder mehr.«

»Gut! Solange Ihr Schiff nahe ist, werden Ihre Leute vielleicht ungeduldig sein. Am Morgen ist es auf einer Höhe mit uns, Sie können dann den Arzt mit den Schwerverwundeten rüberschicken. Dort sind sie besser aufgehoben; hier sind wir beengt und unvorbereitet auf so unverhoffte Gäste. Ich ahnte ja nicht, daß einer Ihrer Kreuzer sich hier rumtreibt. Wenn Sie Briefe haben, machen Sie sie fertig!«

Er kehrte an Deck zurück, Aston schrieb, ich schlief bis zum Morgen. Ich konnte mit einem Stock raufhumpeln. Ein Posten auf einem Felsgrat zeigte uns die Bewegungen der Fregatte an. Kurz nach Tagesanbruch segelte sie bis an die Gefahrengrenze heran. Unsre Pinasse setzte die Unterhändlerflagge und beförderte die Verletzten unter Obhut ihres Arztes nebst Briefen Astons hinüber.

Der Kapitän dankte, drohte aber, de Ruyter unbeschadet seiner Ritterlichkeit aus seinem Schlupfwinkel herauszustöbern. Hierfür setzte er auch alle Mittel ein. Aber de Ruyter ersah aus den Zeichen für die andre Fregatte, die ihm nach den Geheimschlüsseln bekannt waren, daß sie keinesfalls die Blockung von Port Louis aufgeben dürfe. Sie hatte ihre Boote verloren und durfte sich nicht der Grab auf Schußweite nähern. Es blieb ihr nichts übrig, als de Ruyter eingeschlossen zu halten. Infolge der Stürme gelang ihr's aber nicht nachdrücklich genug, und de Ruyter fühlte sich nicht sonderlich beunruhigt.

Hier ein Auszug aus seinem Tagebuch:

»Zehn Uhr nachts. Dunkel, wolkig. Blitz, schüttender Regen. Anker gelichtet. Vom Ankerplatze verholt. Frischer Wind vom Land her. Durch die Blitze von der Brandung freigehalten. Ein Uhr morgens abgesegelt. Nach der Windseite der Insel gedreht, die unsere Zuflucht gewesen war.«

Das war am dritten Tage nach unserm Scharmützel. Wir liefen mit vollen Segeln nach Diego Garcia und kamen aus dem Fahrwasser der Fregatten, Freund Aston und 26 seiner Leute bei uns.


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