Moritz August von Thümmel
Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich
Moritz August von Thümmel

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Dritter Teil

Nimes

Den 1. Januar

. . . Es ist eine herzerhebende Empfindung für einen Mann, der an seiner Vervollkommnung arbeitet, wenn er sich beim Erwachen klüger wieder findet, als er sich den Abend vorher verließ . . .

Der gute Junge, den ich gestern mietete – ich hatte ihn ganz aus der Acht gelassen – trat seinen Dienst bei mir an, und pflanzte sich, da ich mich seiner am wenigsten versah, schön gekräuselt und in die Livrei gekleidet, die sein Schwager ehrlich getragen und glücklich abgelegt hatte, vor mein Bette. Die Sache ging sehr natürlich zu, und doch kam sie mir als eine unerwartete Erscheinung vor, und erregte Ideen bei mir, die meiner armen Philosophie nichts weniger als zuträglich waren. – Urteile nun selbst, wie es mit einem solchen Kopfe aussehen mag, den so gleichgültige Dinge schon aus seiner Fassung bringen. Das reisefertige Ansehen Bastians, sein freundlicher Glückwunsch zum neuen Jahre, und seine überraschende Frage: ob er das Anspannen bestellen solle, machten mich, eins wie das andere, mit mir selbst irre. – Ich blickte ihm ungewiß in das Gesicht, als ob mir eine dunkle Erinnerung von ihm vorschwebte, und runzelte, statt ihm zu antworten, die Stirn. Endlich merkte ich, was mir war. – »Keinen Gruß von Margot?« sagte ich heimlich zu mir; »das heißt deine Befehle fast zu pünktlich befolgt!« und legte mich unwillig auf das andere Ohr. Er mußte mich noch ein paarmal mit der sonorischen Stimme seiner Schwester und mit den Ähnlichkeiten ihres lieben Gesichtchens erschrecken, ehe ich gefaßt genug war, ihn mit einem grämlichen Ja! abzufertigen. – Er verließ mich – und ich – nicht halb mehr so zufrieden mit mir, als vor einigen Minuten, stand lässig auf; meine Morgenbetrachtungen blieben unvollendet in der Nachtmütze hängen, die ich abwarf, und ich trat mit einer Art von Trotz in das Nebenzimmer, wo eine Kleinigkeit, die meiner wartete, mich vollends und ebenso geschwind verstimmte, als sie mir in die Augen fiel.

Es war eine Rose, die mir Bastian von seiner Schwester mitgebracht, und auf den Bogen, woran ich jetzt schreibe, gelegt hatte. Ich erkannte sie sogleich, wie ich ihrer ansichtig ward. Es war die oberste von den dreien, die gestern noch als Knospen an dem Stocke hingen, den Margot täglich in die Sonne trug und begoß. – »Die erste, die sich entfalten wird,« sagte immer das liebe Kind, »soll niemand bekommen als Sie, mein gütiger Herr!« und wie wird sie sich freuen, daß sie mir noch Wort halten konnte! Ich hob die Blume zitternd in die Höhe, und die Tränen traten mir in die Augen. Alle die frohen Erinnerungen der ländlichen Stunden, wo sie mit aufgestreiften Ärmeln vor ihrem Blumenstocke stand, ihn genau musterte, und bald eine summende Mücke, bald eine näschige Wespe davon verjagte, schienen jetzt mit dem Geruche dieser lieblichen Blume in mich überzuströmen, und ich konnte mich an der frischen Farbe dieser Erstlingin des Jahres nicht satt sehen.

Du kennst doch die Provencer Rosen, trauter Eduard? Viel kleiner als die unsern, röter, elastischer und konzentrischer, als es bei weitem unsre Zentifolien sind, scheinen sie dem Auge eines Deutschen nur desto reizender – und nun vollends so früh im Jahre, und in der feierlichen Nacht entfaltet, die mich, ach! auf immer, von dem nachbarlichen Bette meiner guten Margot entfernt hat! Wäre es ein Wunder, wenn ich, trotz einem Brokes und seinem irdischen Vergnügen in Gott, über die Betrachtung dieser Blume zum Kinde würde? Ich habe sie zwischen meinem Busenstreifen verborgen, nahe bei meinem pochenden Herzen, und würde es für Sünde halten, wenn ich sie mit prahlendem Leichtsinn auf meinen Reisehut stecken wollte. Nein! sie soll durch ihren sanften Gegendruck – durch den Aushauch ihres Wohlgeruchs, mir nur fühlbarer machen, daß ich noch atme und ein Mensch bin; und selbst über ihre sterbenden Blätter will ich eine gewissenhafte Rechnung halten, sie, wie sie abfallen, in meine Brieftasche sammeln, und sie nur empfindsamen Freunden, als kostbare Reliquien aus dem heiligen Caverac, zeigen . . .

*

Avignon

Abends

Kaum hatte ich mich heute morgens mit meiner Provencer Rose in den Wagen, und Bastian sich mir gegenüber zurechte gesetzt; so sah ich schon, daß ich eine Torheit begangen hatte, ihm diesen vornehmen Platz anzuweisen. Sein Anblick war mir sonderbar im Wege, daß ich beinahe an seine Stelle meinen alten schnarchenden Begleiter aus seiner Verwesung zurückgewünscht hätte, der mir, wie du weißt, immer zu einem guten Gedanken verhalf. Doch da der Mensch einmal da saß, mußte ich ihn nun auch schon sitzen und mir gefallen lassen, daß sein spähendes Auge, manchmal zu einer ganz ungelegenen Zeit, den freien Ausblick der meinigen hinderte.

Ich ließ mir nicht einfallen, als ich durch die Stadt rollte, nur nach einem Fenster meiner Bekannten in die Höhe zu fahren, oder die römischen Altertümer, so gewiß ich auch bei ihnen zum letzten Male vorbeikam, nur eines Abschiedsblickes zu würdigen. Dagegen zog ich mein Fernglas aus der Tasche, wie ich ins Freie kam, und hob es immer mechanisch vor die Augen, so oft mir die Wendung meines Wagens die Turmspitze von Caverac zu Gesichte brachte. Welche bittersüße Erinnerungen wehten mir immer noch von dorther entgegen! Einigemal wurden sie so lebhaft, daß ich im Begriffe stand, den Postknecht umlenken zu lassen; so groß war der Kampf meiner Nachwehen: ja, ich verzweifelte, daß die Zeit jemals imstande sein würde, dieses nagende Gefühl zu zerteilen.

Indes tat ich der Zeit Unrecht, Eduard, und ich hätte mir diese Sorge ersparen können; denn ich will Dir es nicht verschweigen, daß mir eine Stunde nachher die Sache lange nicht mehr so unmöglich schien. Mein Herz ward müde, länger für ein Mädchen zu pochen, das so weit hinter mir war, und meine sympathetische Rose verlor nach und nach immer etwas mehr von ihrer anziehenden Kraft. Ich fühlte nur noch, daß sie welkte, daß sie mir die Haut rieb, daß sie mir beschwerlich ward – schob sie ein paarmal seitwärts – und steckte sie endlich, da sie mir es zu arg machte, ohne mich weiter mit ihr einzulassen, in die Weste. Nun ging es, zu meinem Erstaunen, auch mit jeder andern Beruhigung so geschwind, daß ich mich selbst darüber mit mir hätte verfeinden mögen. Ich machte mir Vorwürfe über Vorwürfe – nannte mich den Wankelmütigst unter dem Monde; aber es fruchtete wenig. Je weiter ich mich von dem guten Dörfchen entfernte, je näher ich dem Gebiete des Papstes kam, desto mutwilliger ward mein Blut, und ich betrat endlich das Komtat mit Ahndungen, die mir angst und bange für mich selbst machten.

Als ich über die französische Grenze hinaus war, steckte ich mein Fernglas ein, das mir zu nichts weiter dienen konnte, schlug munter meine Arme ineinander, ließ meine Blicke einige Zeit mit Wohlgefallen auf dem hübschen Jungen ruhen, der mir gegenüber saß, ward bald nachher seines ehrerbietigen Stillschweigens müde, und forderte ihn, indem ich zugleich mit Verwunderung nach meiner Uhr blickte, endlich selbst auf, mich von seiner Schwester zu unterhalten. Er schien nur auf meinen Befehl gewartet zu haben. Ich erfuhr von ihm, daß er das Haus in den großen Anstalten zu ihrer Hochzeitfeier verlassen habe, hörte es ohne merkliche Bewegung, und, indem mir mancher im Geschmack des Ostade gelungener Zug seines Gemäldes ein gutmütiges Lächeln abnötigte, rührte es mich öfter noch durch die feinsten Züge, die selbst ein Poussin zu seinen arkadischen Bildern, oder ein Berghem zu einem Stilleben nicht würde verschmäht haben.

Nachdem ich die Kunst seiner Darstellung lange genug bewundert hatte, und mancher verstohlne Blick, den ich mitunter dabei in mein Herz tat, mich hoffen ließ, daß ich mich noch angenehmer mit mir selbst unterhalten würde, drückte ich meinen Hut um einen Zoll tiefer in die Augen und legte mich in die Ecke des Wagens. Bastians Takt war auch fein genug, mich zu verstehen. Er besah den Aufschlag seines Rocks – blies eine Feder davon ab und schwieg. Ungesucht legte sich nun das Glück so vieler guten Seelen, das ich nur aus dem Vorhergehenden deutlich genug vorstellen konnte, als der reichhaltigste Text meinen Betrachtungen unter: er stand, samt allen seinen möglichen Folgen, in einem so sonderbaren Zusammenhange mit dem heillosen Schnupfen, den mir die Bise zu Nimes an die Nase warf, daß ich nicht genug den Zufall bewundern konnte, der so heterogene Dinge zu vereinigen wußte, um, wie es nur vorkam, durch den systematischsten Gang von der Welt, am Ende auch noch meine eigene Zufriedenheiten bewirken.

Jawohl, Eduard, meine eigene Zufriedenheit! denn ich ging hier nicht so leer aus, als Du dem ersten Ansehn nach wohl denken könntest. Wolltest du wohl das wiedererlangte Vermögen – um ein Mädchen seufzen, und den Glücklichen beneiden zu können, dem ihr Besitz zuteil ward – für nichts achten? Wie wäre mir noch vor vier Wochen in Berlin so etwas eingefallen? – Der ganze Hof, von dem vornehmsten bis zum geringsten, hätte sich zwei- und dreimal verheiraten mögen – ich würde mich wenig um das Glück ihrer ersten Nächte bekümmert, noch weniger daran geglaubt, oder nur einen Augenblick gewünscht haben, in ihrer Lage zu sein. Zu solchen menschlichen Wünschen gehört eine gewisse Spannkraft des Herzens, von der ich schon langeher keinen Begriff mehr hatte, und ohne die doch selbst ein Monarch – zwar groß und bewundert, so viel Du willst – aber für seine Person nie so glücklich sein wird, als der Tagelöhner, dem sie die Natur, vielleicht zur Entschädigung für alle andre ihm versagte Herrlichkeiten, in vollem Maße geschenkt hat. In welchem wohltätigen Lichte mußte mir also nicht der Zufall erscheinen, der mich zwar mit einer kranken Nase nach Caverac brachte, mich nun aber dafür mit jenem männlichen Bewußtsein in die offene und mädchenreiche Welt weiter schickte! Diesen schnellen Übergang von Kleinmut zu einem edeln Selbstvertrauen, das über den erschlafftesten Geist Wohlbehagen verbreitet – wem habe ich es zu verdanken, als allein dem mächtigen Zufalle?

»So sollst du mich denn, du Freund aller der Weisen, die ohne Anmaßung, ohne Rechnung und Forderung, ihr Leben durchschlendern, auch fernerhin leiten,« rief ich andächtig aus, stieß all die überklugen Aussprüche, die mir seine Wirklichkeit verdächtig machten, mit Gewalt von mir, und fand ihn, bei zunehmendem Nachdenken, auf allen Blättern der Menschengeschichte, unwiderleglich bewiesen. Ich übersah den Umlauf irdischer Dinge – ihre Anlagen, ihre Absichten und ihren Erfolg in einigen ernsten Minuten. Das Feuer der Ode ergriff mich. – Ich warf bedeutende Blicke bald auf das päpstliche Gebiet, das, wie ein Ball des Ungefährs, vor mir lag – bald auf Bastian, der seine Augen von dem Brande der meinigen wegwandte und zitterte. Es flogen mir mehr Gedanken zu, als mein Gehirn auffassen konnte. – Ich knetete nur die zusammen, die sich am nächsten wagten, und überließ den übrigen Vorrat größern Dichtern, die, wenn sie wollen, ihn zu einem dicken Gesangbuche von Klag- und Trostliedern verarbeiten mögen, das gar auch wohl einmal – wer kann dafür stehen? seine Gemeinde findet . . .

Ich hätte dem Zufall auf keine tätigere Art mein unbegrenztes Zutrauen beweisen können, als daß ich die bedenkliche Wahl meines Quartiers [in Avignon] einem jungen Flüchtlinge überließ, der nur seit wenig Stunden in meinen Diensten stand, meinen Geschmack nicht kannte, und die erste Probe des seinigen in einer ihm ganz fremden Stadt ablegen sollte – in einer Stadt, wo der Vorzug, den man einer von den vier Klassen ihrer Einwohner gibt, seine eigene Gefahr hat, und wo es nicht gleichgültig ist, ob man sich bei einem Orangenhändler, bei einem Juden, neben einem geistlichen Herrn, oder bei einer Seidenspinnerin einmietet.

Ich machte unterdes einen Spaziergang nach der Burg des Legaten, die, wie fast alle Prälatenschlösser, ihre demütige Lage auf dem höchsten Flecke der Stadt hat. Der Hausknecht, der mich dahin führte, schwatzte mir unterweges viel von einem dort befindlichen offenen Platze vor, auf welchem man das ganze päpstliche Gebiet übersehen könne. Ich nahm seine Versicherung in dem eingeschränktesten Sinne, den er vermutlich nur darein legen wollte, und fand daher die Ansicht der herrlichsten Gegend, die, wie ein ausgebreitetes großes Gemälde dalag, für mein leibliches Auge so erquickend, als ein Ermüdeter nur wünschen kann. Auf diesem schönen Vorplatze des geistlichen Palasts soll zu Zeiten ein gewaltiger Zugwind herrschen, der über die französische Grenze herkommt, und dem Legaten, der nie viel Gutes von daher erwartet, oft den Atem versetzt. Heute, zu meinem Vergnügen, ruhte er in dem Abglanze der Sonne, die gerade über ihm stand, als ob sie meiner erwartete. Mit welcher Freundlichkeit begrüßte sie hier den ersten Tag des Jahres, den sie höchstens nur matt bei euch überschimmert! . . .

Ich stand lange ganz unbeweglich auf diesem Sonnenplatze [und] sog ihre wohltätigen Strahlen ein, wie die Säule des Memnon . . .

Bastian war mir schon eine Weile unter die Augen getreten; aber ich blinzte in das majestätische Licht, und er mußte mich anreden, um mir seine Gegenwart bekannt zu machen. »Wollten Sie wohl,« lispelte er mir endlich zu, »einen Ihrer feurigen Blicke auf die Wohnung werfen, die ich Ihnen ausgemacht habe?« –

»So! mein Herr Abgesandter,« erwiderte ich, »ich höre du bist wieder zurück, denn sehen kann ich dich durchaus nicht.« – Wirklich war ich in diesem Augenblicke in so hohem Grade geblendet, daß ich glaube, Paulus und Schwedenburg haben nur einige Minuten länger in die Sonne gesehen, um jene unaussprechlichen Dinge zu entdecken, die unsere gemeine Vorstellungkraft so weit übersteigen.

»Ich hoffe,« fuhr Bastian fort, »das Quartier wird Ihnen gefallen, wenn Sie nur Ihres Gesichts erst wieder mächtig sind. – Wie? Sie suchen mich ja auf der Gegenseite. – Sehen Sie mich denn noch nicht? Mein Gott, wie angst machen Sie mir! Ach, mein Herr, mit der hiesigen Sonne ist nicht zu spaßen.« –

»Oh, mit der hiesigen habe ich es auch nicht getan, mein lieber Bastian,« antwortete ich und rieb mir die Augen; »wenn mir die Berliner Sonne nur nichts nachträgt! Doch führe mich in meine Miete; denn meine Blindheit, Gott sei Dank! fängt an zu vergehen.« –

»Der Weg dahin ist nicht weit,« fuhr Bastian nun in seinem Hauptberichte fort, indem er, stolz auf seine gute Verrichtung, ziemlich anmaßlich neben mir hertrabte. »Sie werden das Quartier gewiß lieb gewinnen, denn zufälligerweise liegt es an der Mittagsseite. Ein helles freundliches Haus – eine schöne, bequeme Stiege, die in einen großen Vorsaal führt, wovon Sie in ein weitläufiges Zimmer treten, an das eine Kammer mit dem artigsten Bette, und an diese wieder ein Verschlag stößt, der eine kleine Bibliothek enthält. Unter dem Spiegel in dem Hauptgemache ein schlafender Amor von Marmor – und Rousseaus Büste von Gips gegenüber auf dem Gesimse des Kamins – und das alles, mein Herr, in dem ersten Stockwerke! Aber, das beste kommt noch: Sie sind, solange es Ihnen gefällt da zu wohnen, Herr allein im Hause; denn es gehört einer toten Hand zu – dem Hospitale der Probstei, dem eine andächtige Seele die Einkünfte davon gemacht hat. Ein einzelnes altes Weib, die man für nichts rechnen kann, ist auf der Seite der großen Stube Ihre Nachbarin, aber wie hier durch die Mauer, so auch auf dem gemeinschaftlichen Vorsaale, ganz von Ihnen geschieden. Das Weib ist aus der Kommun des Hospitals genommen und in dies Haus gesetzt, um es in Aufsicht und Beschluß zu halten, und sie macht ihrem Amte Ehre. Zufällig traf ich es so glücklich, daß sie eben aus der Messe kam, als ich vor ihrer Türe stand, und das logement à deux lous par sémaine nicht so recht herausbringen konnte; denn vermutlich ist das Haus schon für sich in zu gutem Rufe, als daß es einer leserlichen Aufschrift bedürfte.«

»Ich fand,« fuhr mein geschwätziger Geschäftsträger fort, »die Zimmer, das Geräte und die ganze Gelegenheit artig genug für einen einzelnen Herrn; aber den Mietzins bei alledem zu hoch. Doch konnte ich es nicht über das Herz bringen, dem alten Mütterchen ein geringeres Gebot zu tun, da jeder Liard, wie sie mir sagte, den das Haus abwirft, unter Notleidende verteilt wird. Dieser Umstand, dachte ich, ist gewiß deinem guten Herrn mehr wert, als die paar Livres, die er vielleicht zuviel bezahlt! Doch das ist seine Sache, der Handel ist ja noch nicht so fest abgeschlossen, daß es nicht bei ihm stände, ihn fallen zulassen, wenn ihm die Wohnung, die Wirtin oder der Preis nicht gefällt . . .«

Hätte mich etwas von dem Handel abschrecken können, so wäre es wohl die alte Ausgeberin gewesen, bei der es beinahe unmöglich ist, eine gute Absicht des Zufalls zu vermuten. Sie ist das wahre Gegenbild meiner vortrefflichen Wirtin zu Caverac, für den Anblick sowohl als für das Herz. Da ich nicht so gern Runzeln male als Denner, so scheide ich von ihrem Porträte, selbst ohne näher zu untersuchen, ob sie des Criminis rugarumScilicet ut careat rugarum crimine venter,
Sternatur pugnae tristis arena tuae.
        Ovid. Amor. lib. 2. eleg. 14. v. 7, 8.
so schuldig sei, als es leider! das Ansehen hat. Fromm, wie man es hier zu Lande nennt, mag sie wohl sein: denn sie ist mit soviel Heiligenbildern, Amuletten und Rosenkränzen behängt, daß sie bei der geringsten Bewegung wie ein Skelett im Zugwinde klappert. Als sie mir mein Stubengeräte, zugleich mit dem Verzeichnisse davon, übergab, tat sie mir die freundschaftliche Erklärung, daß sie, außer dem, was sie mir hier zum Gebrauche überließ, sich weiter um keines meiner Bedürfnisse bekümmern könne; und das ist mir auch ganz recht. Mit dem Anfange jeder Woche, fuhr sie fort, würde sie den bedungenen Mietzins abholen, nahm den jetzigen in Empfang und empfahl sich meinem Gebete.

Ich untersuchte nun etwas genauer, was mich umgab, fand alles reinlich und artig, aber ohne Schmuck, wenn ich den schlafenden Amor ausnehme, der aus weißem Marmor und wirklich schön gearbeitet ist. Wie mag sich ein solches Kabinettstück in dieses Haus verirrt haben? Ich begriff es nicht eher, bis ich das Verzeichnis nachschlug, wo ich die Auflösung fand; denn hier stand die Figur als ein heiliger Engel, mit dem Beisatze eingetragen, daß er bei der ersten Besitzerin des Hauses versetzt worden und ihr für aufgelaufene Zinsen verfallen sei. Man ist von Jugend auf an die Abweichungen der Künstler von dem Sprachgebrauche bei dieser Art von Geschöpfen so gewöhnt, daß ich überlaut lachen mußte, hier zum erstenmal einen so dezidierten männlichen Engel zu finden, als seit ihrer Entstehung noch keiner gemodelt und gemalt worden. Wo muß die gute Frau ihre Augen gehabt haben? Ich glaube, man brächte kein Mädchen mehr in die Kirche, wenn sie mit solchen Figuren umgeben wäre, oder am Feste der Verkündigung vor so einem Engel knien sollte! Indes, da Freund Amor in diesem Hause dafür gilt, so mag er es, solange Gott will! Woher mag nun aber in aller Welt dieser konventionelle Verstoß der Künstler, die uns diese Boten Gottes darstellen, wider die Analogie der Sprache wohl herrühren? Er muß doch eine Ursache haben! aber wer weiß sie mir anzugeben? Ich vertiefte mich umsonst in diese artistische Untersuchung, und selbst weit länger, als es mir gut war: denn ich kann fast über nichts mehr kaltblütig nachdenken.

Die Büchersammlung, vor der ich mich anfangs am meisten fürchtete, wird mir hoffentlich kein Kopfweh verursachen. Sie besteht, soviel ich nach einem flüchtigen Blick entdeckt habe, in nichts als in theologisch-moralischen, dialektischen und kasuistischen Abhandlungen und andern dergleichen Meisterstücken des vorigen Jahrhunderts.

Sebastian wohnt eine Treppe höher, steht aber durch einen Schellenzug in gehöriger Verbindung mit seinem Herrn.

Ich dächte, für meine stillen Absichten hätte der Zufall mir keine bequemere Wohnung verschaffen können. Scheint die Sonne die vier Wochen hindurch, die ich etwann hier zubringen werde, mir immer so freundlich wie heute, so wüßte ich in der Tat nicht, was meinen einfachen Gang nach Gesundheit und Seelenruhe stören sollte? Mein Aufenthalt in Avignon wird sonach, lieber Eduard, wie das immer der Fall bei den wahrhaft glücklichen Epochen unseres Lebens ist, einen ganz kleinen Raum in meiner Geschichte einnehmen. Wenn ich Dir nicht täglich aufs neue erzählen will, wie ich nach einem gesunden Schlaf, einer mäßigen Mahlzeit, müde von meinem einsamem Spaziergange, nach Hause komme, um den folgenden Tag denselben Zirkel zu wiederholen; so begreife ich wahrlich nicht, wovon ich Dich unterhalten soll. Bei einem Leser, wie Du bist, Eduard, sollte mir das zwar nicht schaden. Du dürftest mich nur desto gesunder, klüger, zufriedener, und desto näher am Ziele meiner Reise denken, je mehr mein Tagebuch an Interesse abnimmt; aber bei aller deiner Teilnahme, mein guter Freund, fürchte ich, wird es Dir dennoch um nichts merkwürdiger vorkommen. Schreiber und Leser stehen gar zu leicht in Ansehung ihrer Empfindung im umgekehrten Verhältnisse zueinander. Was dem ersten behagt, ist leicht dem zweiten zuwider. Ihr wollt immer nur euren Robinson mit Wetter und Wellen im Streite sehen. – Je trauriger und gefahrvoller seine Lage wird, desto anziehender kömmt sie euch vor. Wehe ihm aber, wenn er nun Land gewonnen hat, und sich einfallen läßt, euch nun auch seine Ruhe nach vollbrachter Arbeit, und seine häusliche Glückseligkeit zu schildern – wenn er endlich seine Amanda heiratet, und von den großen Anlagen seiner Kleinen euch vorplaudern will: dazu habt ihr keine Ohren – ihr fangt an zu gähnen, und schlagt die langweiligen Blätter ohne Barmherzigkeit um. Da bin ich nun zum Beispiele diesen Nachmittag wieder auf meinem Sonnenplatze gewesen, um meinen Spinat recht gemächlich zu verdauen, habe den Himmel ohne Wolken, und die Sonne sich so rosenrot zu ihrem Untergange neigen sehen, daß ich mir morgen einen gleich heitern Tag versprechen darf, als der heutige war. Das ist nun für mich freilich sehr wichtig; aber eben so gut fühle ich, daß, wenn du diese Merkwürdigkeiten ein paar Dutzend Male hintereinander wirst gelesen haben, deine Ungeduld wohl gereizt werden dürfte, mir Hagel und Frost auf den Hals zu wünschen; geschähe es auch nur aus Liebe zur Veränderung.

Nach dieser vorläufigen Erklärung eines schachmatten Schriftstellers, bleibt mir für heute nichts klügeres zu tun übrig, als daß ich mein Bette suche, um die Stunde Schlaf zu ersetzen, die ich mir diesen Morgen abbrach. Du siehst, lieber Freund, wie ich anfange alles in Ordnung zu halten.

*

Da stößt mir noch etwas so drolliges auf, daß ich nicht umhin kann, die Feder wieder aufzunehmen, und es Dir als eine Seltenheit des hiesigen Landes zu erzählen. Indem ich mich auskleide, singt meine veraltete Nachbarin einen Psalm ab, der mir warm an das Herz geht; so volltönend – so einschmeichelnd singt sie ihn! – Wie hätte ich ihr dies Talent zutrauen sollen? Eine solche Stimme in dem Munde einer Margot?– bei allen Heiligen! die Scheidewand sollte uns nicht lange scheiden. Indes wirst du selbst gestehen, daß es schon angenehmer ist, unter dem Gesang eines alten Weibes, als unter ihrem hektischen Husten einzuschlafen, wie es leider! manchem armen Sklaven von Manne geht, der sich von seiner Gebieterin nicht wegbetten darf . . .

*

Den 2. Januar.

. . . Ich war so in Andacht versunken, daß es mir höchst zuwider war, als Bastian, der mir eben mein irdisches Frühstück brachte, mich in diesem Feste der Empfindung störte. Wie hätte ich ihm ansehen können, daß er solches noch erhöhen, ja selbst meinen leiblichen Augen das Wunder der Verklärung versinnlichen sollte, worüber er meinen Geist brütend antraf? Ich hatte ihn kaum aufmerksam auf das erstaunliche Talent unserer Wirtin gemacht, so schlug er seine Hände zusammen, als ob er meine wenige Kenntnis in der Musik bemitleiden wollte. »O, mein bester Herr,« rief er aus, » wie konnten Sie nur einen Augenblick denken, daß der zahnlose, häßliche Rachen unserer Aufseherin diesen Nachtigallenton hervorzugurgeln geschickt sei? Nein, mein lieber Herr! das alte Weib hat einen Engel bei sich, der ihr vorsingt. Ich habe ihn hinter dem Fenster stehen sehen, und erschrak so sehr über seinen Anblick, daß ich bald Ihren Kaffee verschüttet hätte, den ich über die Straße trug. Ohne daß ich geradezu behaupten will, daß er vom Himmel gestiegen sei – denn das müßte in einer mittelmäßigen Stadt, wie Avignon, schon mehrern Lärm machen – so versichere ich Sie doch bei alledem, daß es selbst Ihnen so schwer werden sollte als mir, es nicht zu glauben, wenn Ihnen diese himmlische Figur ebenso unerwartet erschiene.«

Dieses enthusiastische Lob eines Engels, – denn der unter dem Spiegel machte mich nicht irre – dieses Lob sage ich, aus dem Munde eines Menschen, der eine Margot zur Schwester hat, mußte notwendig den Eindruck auf meine Seele machen, den Du Dir denken kannst. Ich winkte ihm zu schweigen, bekümmerte mich um kein Frühstück, setzte mich so nah als möglich an die Scheidewand und ließ nun meine nüchterne Seele auf dem Strome der Harmonie, wie eine Feder, hin und her schaukeln. Ich glaubte in meinem Entzücken, alle die Schönheiten zu hören, die mir zu sehen verwehrt waren – die gewölbte Brust – den kleinen, mit Perlen besetzten Mund – die liebevollen, schmachtenden Augen – ja, es kamen sogar Noten vor, bei denen ich auf die unverletzte Tugend hätte schwören wollen, die mit der Kehle eines Mädchens, wie du wissen wirst, in so sonderbarer Verbindung steht. Meine Einbildungskraft, die, großer Gott! noch vor einer Viertelstunde so ruhig war, geriet in Aufruhr. Ich war heilfroh, als der erschütternde Psalm zu Ende war, und ich nun den Empfindungen Luft machen konnte, die sich indes in meiner beklommenen Brust gehäuft hatten.

»Woher – um aller Barmherzigkeit willen, mag diese reizende Sängerin in dies einsame Haus kommen?« kehrte ich mich gegen Bastian, der während des Gesanges sich mäuschenstill in den Bogen des Fensters gelehnt hatte. »Das«, antwortete er seufzend, »mag Gott und jener kleine verschobene Kerl von Buchhändler wissen, der uns gegenüber wohnt. – Der muß den Diskant so sehr lieben als Sie, mein Herr. Sehen Sie nur, wie verloren er dasteht! Blickt er nicht nach dem Fenster des Engels, wie ein Salamander, der ein Kolibri belagert? Er, mein lieber Herr, möchte wohl am ersten Ihre Neugier befriedigen können.« –

»Wahrlich,« rief ich aus, »du bist ein kluger Kerl, Bastian! Geschwind gib mir meine Schuhe und meinen Frack! Mit der Frisur kann es anstehen, bis ich zurückkomme.« Und so trabte ich denn bald darauf über die Gasse, ohne an die Warnung meines Jeroms eher zu denken, als bis ich mich schon mitten unter der mir verbotensten Ware von allen befand.

Der Name des Mannes, der hier den gelehrten Handlanger machte, stand über der Türe seines Ladens mit großen goldenen Buchstaben geschrieben, und verdiente es auch mehr als ein anderer. Ein Streit der Großmut mit Voltairen hatte mir ihn schon längst rühmlichst bekannt gemacht. Es war, mit einem Worte, wo nicht der berühmte Herr Fez selbst, doch wenigstens sein Sohn, den ich hier, von der Natur zwar ein wenig gemißhandelt, übrigens aber als einen sehr gebildetem Mann kennen lernte . . .

»Ich opfere«, sagte ich mit einer Treuherzigkeit, die den Mann entzückte, »den größten Teil meiner Zeit den keuschen Musen, suche deshalb immer den berühmtesten Buchhändlern in der Nähe zu wohnen, und habe auch hier, wie Sie sehen, die stillste Wohnung bezogen, die in Ihrer Nachbarschaft zu finden war; die alte Dame, deren Mietmann ich bin, wird mich sicher nicht in meinen Studien stören.« –

»Das wohl nicht,« fiel mir Herr Fez ins Wort: »wenn es nur nicht ihre Nichte tut, die das alte Weib bei sich hat!« –

»So?« antwortete ich ganz gelassen, »eine Nichte?«

»Ja,« erwiderte er laut seufzend, »eine gewisse Klara. Gott gebe Ihnen Ruhe vor ihr! Mich jagt sie allemal von meinen Rechnungen auf, so oft in die Kirche geläutet wird; denn zu keiner andern Zeit ist sie mir sichtbar. Eine wahre Heilige! und dabei – denken Sie, mein Herr! – erst funfzehn Jahr alt. Als Kind schon soll ihr ein Marienbild lieber gewesen sein, als alle andere Puppen. Schließen Sie nun, wie groß erst jetzt ihre Andacht für die Gebenedeite sein mag, da sie zu reifern Jahren gekommen! Sie soll, sagt man, alle ihre Gliedmaßen der Mutter Gottes geweiht haben; und es ist zu glauben, wenn man sie gehn sieht, so jungfräulich sind alle ihre Bewegungen. Wollten Sie nur wenige Augenblicke verziehen, und sich einstweilen in meinen Büchern umsehen, so würden Sie sich mit eigenen Augen überzeugen, wie groß die Gefahr Ihrer Wohnung sei. Das Frühamt bei den Minimen wird bald angehen, und da muß sie ganz nahe bei meinem Laden vorbei – da sollen Sie sehen, mein Herr! da sollen Sie erstaunen!«

Inzwischen nun Herr Fez nach Makulatur suchte, um diejenige einzuschlagen, die ich gekauft hatte, las ich, um die Zeit hinzubringen, die Aufschriften seiner Ballen, und zählte gähnend die Bände der Enzyklopädie. Die Minimen ließen uns nicht lange warten; und kaum fingen ihre Glocken, bei dem Einklange meines ungeduldigen Herzens, ihr Spiel an, so warf der Buchhändler geschwind seinen Plunder aus der Hand, und: »Kommen Sie, mein Herr! – hier! – hieher! – Lassen Sie jetzt den Abbadie und den Bourdaloue stehen!« schrie er mir zu, und zog mich mit Gewalt an die Tür seines Ladens. Und in demselben Augenblicke erschien – wie sich ein Frühlingstag an ein Säkulum schließt – Klara, unter Voraustretung der Alten. Je näher sie meinen Augen kam, je stiller und tiefgefühlter meine Bewunderung ward, desto schwatzhafter und lärmender ward Herr Fez in der seinigen.

»Welch ein Gang!« flüsterte er mir einmal über das andere ins Ohr: »was das für ein Wuchs ist! und mit welcher natürlichen Bescheidenheit sie einhertritt! Oh, über das herrliche Madonnengesichtchen! So sanft und glänzend, wie ein Didotscher Druck, und rein, wie in Kupfer gestochen. Ah! sehen Sie nur, wie aller Augen auf ihre niedlichen Schritte geheftet sind, indes sie, nur in sich gekehrt, keinen Blick ausschickt, der nicht Andacht und Ruhe der Seele verrät. Sie weiß es nicht – sie hat es nie gewußt, wie alt und wie reizend sie ist.«

»Gern wiederholt mein Herz die Klagen ihres bangen
Gefühls, zur Zeit als ihr die Blumenhülsen sprangen,
Ein Morgenlied, bei Gott! als ob sie fest geglaubt,
Es hätten in der Nacht Hyänen oder Schlangen
Den reinen Körper angeschnaubt –
Doch waren's Blüten nur, die hier ein Schleifchen zwangen,
Dort einen leeren Raum verdrangen,
Nur Primeln, die vielleicht zum Teil nun abgestaubt,
Erstorben sind und heimgegangen.
Ach! rechnete sie nach, wieviel auf ihren Wangen
Andächtelei uns Ernten schon geraubt!
Begriff' sie nur einmal, welch neidisches Verlangen
Uns quält, wenn sie das Glück an ihrem Hals zu hangen
Nur einem Totenbein erlaubt!
Sie ringt nur um ein Los, das viele wohl errangen,
Die nicht so rein die Metten sangen,
Wünscht sich mit einem Wort bald Strahlen um das Haupt:
Denn eher hofft sie nicht – das nenn' ich unbefangen –
Von einem Pater angeschraubt,
In einem Klostergang zu prangen.«

»Das, mein Herr,« fuhr Herr Fez fort, »ist ihre einzige Sorge; und es ist abscheulich, daß ihre alte Tante ihr solche kindische Einfälle nicht ausredet, und keine gutherzige Seele zu ihr läßt, die ihr den Verstand öffnen könnte. Aber mein bester Herr,« indem er sich nach mir kehrte, ohne darum vor eigener allzu großer Bewegung die meinige zu bemerken, so schlecht ich sie auch verbarg: »Sie sagen ja kein Wort? Wie wünsche ich Ihnen Glück zu der Ruhe Ihres Temperaments! Sie müssen es notwendig in der Gelehrsamkeit hoch bringen, da solch eine Erscheinung Sie nicht einmal zerstreuen kann. So gut wird es mir leider nicht! Die Stunden, die das liebe Mädchen in der Kirche bleibt, sind auch für mich verloren – ich kann an nichts denken, als an den süßen Augenblick, wo sie wieder zurückkommen wird; und dann sehne ich mich gleich wieder auf ihren nächsten Kirchgang. In der Länge muß mein Handel darüber zugrunde gehn – das sehe ich zum voraus! aber ich kann – wahrlich ich kann mir nicht helfen!«

Ich hatte nicht das Herz, über den guten Mann zu spotten, da mir für meinen eigenen Verstand nur zu bange war: doch fand ich auch keinen sonderlichen Beruf, über den Text meiner geheimen Empfindungen einen andern predigen zu hören, als mich. Ich bezahlte also dem Herrn Fez seine Makulatur, ließ sie nach meiner Wohnung tragen, und zitterte so ängstlich hinterdrein, als ob ich sie auch lesen müßte. Ich übergab meinem Bastian den ganzen Ankauf zu beliebigem Verbrauch, ohne daß es mir nur einfiel, wie unmanierlich ich mich gegen Schriftsteller betrüge, denen ich doch im Grunde Dienste verdanke, die mir der gesuchteste – der geschätzteste Autor nicht halb so gut würde erwiesen haben. Die schnelle, aufbrausende, plaudernde Freundschaft des guten Fez, an der mir soviel gelegen war, ist ihr Werk! Ihnen verdanke ich das belohnende Anschauen der liebenswürdigsten Heiligen, und alle die unnennbaren frohen Empfindungen, die es mir zurückließ; und ich glaube, daß selbst der strenge Jerom sie bei den kleinen Diensten für unschädlich erklären würde, zu denen ich sie gegenwärtig noch aufhebe . . .

*


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