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Manáos – Corarezinho. Mittwoch den 11. Juli.
Gestern Abend versprach Roberto, statt zu den Crichaná, uns zu einer, vom Südufer des Solimões landeinwärts gelegenen Mura-maloca zu bringen. Heute jedoch war ihm die Lust hierzu vergangen. So sahen wir uns des besten, vielleicht einzigen Führers zu wilden oder halbwilden Indianern beraubt und mussten nun versuchen, ob es uns gelingen würde, allein unsere Reisepläne zur Ausführung zu bringen. Es war letzteres um so schwieriger, da sämmtliche Karten, sowohl die deutschen, wie die französischen und brasilianischen sich als sehr mangelhaft, zum Theil sogar als vollständig unrichtig erwiesen und man somit auch nicht, wie in anderen Ländern, nach diesen reisen konnte. So blieb nichts zu thun übrig, als sich auf gut Glück dem Zufall anzuvertrauen und sich von Fall zu Fall bei den Eingeborenen durchzufragen. Es war ein Reisen in's Blaue.
Bis heute Mittag hatte uns João eine neue, etwas grössere, »Jovitha« genannte Dampflancha mit 5 Mann Besatzung, Portugiesen und Mestizen, verschafft und sich selbst mit einem Gefährten au Bord eingefunden. Uns lag es ob, für den Proviant zu sorgen, welcher nach Anzahl Menschen und Tage genau berechnet werden musste. Um 1 Uhr waren wir reisefertig und steuerten zunächst Rio Negro abwärts und an der Nordseite der Insel Marapatá vorüber, der letzten Insel im Schwarzen Strom. Unmittelbar vor der Vereinigung des Rio Negro und Solimões fuhr unser kleiner Dampfer rechts in den Chubrena genannten Igarapé hinein, auf kürzerem Wege den Hauptstrom zu erreichen. Hier wurde die Mischung der verschieden gefärbten Wasser sichtbar; das dunkelbraune des Rio Negro drang zackenförmig in das gelbe des Solimões ein. Der Igarapé war namentlich anfangs ganz reizend. Die Vegetation erstreckte sich bis an, ja bis über die Ufer herein und erging sich in den phantastischsten Draperien und Schlingpflanzenlauben. Es war wieder eine jener unbeschreiblich malerischen Uferwaldscenen, wie wir deren am unteren Amazonas häufig beobachtet und welche wir am Rio Negro vollständig vermisst hatten. Ziemlich viele Indianerhütten, manche nur aus einem Dach bestehend und vermuthlich von Mura bewohnt, lagen einzeln am Waldesrande halb verborgen. Eine Schildkröte tauchte neben unserem Schiffe unter. Kleine, braune Affen Sicher Rollschwanzaffen (Cebiden), deren es hier mehrere Arten giebt, und zwar vermuthlich Cebus gracilis Spix. turnten unter wildem Geschrei von Baum zu Baum, mit dem Greifschwanz sich haltend und schwingend. Bem-te-ví (Tyrannidae), Guarda-rios (Crotophaga) und grüne Periquitos, welche kurz und dick waren und die mir Schmalschnabelsittiche (Brotogerys) zu sein schienen, belebten die zauberhaft schöne Wasserstrasse. An manchen Stellen erweiterte sich dieselbe seenartig und immer neue Igarapés zweigten sich nach allen Seiten von ihr ab. Faulthierbäume (Cecropia), welche im Landschaftsbilde des Rio Negro fehlten, stellten sich hier wieder in Menge ein.
Endlich hatten wir auf unserem Furo das in einem Winkel von 25-30° zulaufende Tiefland, welches zwischen dem Zusammenfluss der beiden Ströme eingekeilt ist, durchquert, und waren in den insellosen, seegleichen, durch ganz flache Ufer charakterisirten Solimões eingelaufen. Wieder gellte Affengeschrei an unser Ohr. Sehr dunkelgefärbte Delphiniden, Steno Tucuxi Gray, sprangen auf. Die Sonne näherte sich dem Horizont und ihr Untergang hinter der weiten Wasserfläche erinnerte ganz an ähnliche schöne Naturschauspiele auf dem heimischen Bodensee.
Wir nahmen den Kurs quer über den Riesenstrom und auf dem rechten Ufer in einen Igarapé hinein, in welchem wir zum Uebernachten Anker warfen. Hier befanden sich zwei primitive Hütten von Muraindianern. Die eine war nur aus einem einseitigen Bretterverschlag und grossem Dache zusammengesetzt und diente der Indianerfamilie als Wohnung, die andere war auf Holzpfeilern, etwa 2-3 Meter oberhalb des Bodens errichtet, ringsum über Brusthöhe mit Palmstrohmatten geschlossen, ausserdem aber bis zum hohen Palmstrohdache nach allen Seiten offen. Die Einrichtung beschränkte sich auf etliche der Wand entlang laufende Bänke und einen altarartigen Tisch, was uns auf die Vermuthung brachte, dass diese Hütte den Wanderpriestern gelegentlich als Kirche dient. Die Treppe zu diesem hochgelegenen Indianerpalaste war eine sehr primitive, breite Leiter, zu deren Erkletterung Affengeschicklichkeit gehörte. Unsere Bitte um Nachtquartier wurde von den Mura sehr ungnädig aufgenommen und mit der Bemerkung beantwortet: »O branco tem dinheiro, o tapuio tem casa.« Der Weisse hat Geld, der Tapuio hat Haus. Nach einigem Zögern wiesen sie uns jedoch den auf Pfählen ruhenden, luftigen Palmstrohbau an, indessen unsere Leute für die Nacht an Bord zurückkehrten. In einer jeden der vier Ecken wurde eine der mosquitonetzumhüllten Hängematten aufgeknüpft, auf einer der Bänke zum Abendtrunk unsere Flasche portugiesischen Landweines niedergestellt. Die spielenden Murakinder warfen jedoch in der Dunkelheit die Flasche zu Boden, und das ganze köstliche Nass floss zwischen den Dielen in die Tiefe hinab. Da wir in Brasilien, nach der bisher giltigen Ansicht über die Factoren bei Malariainfection, niemals einen Schluck ungemischten Wassers trinken sollten, Nach Einigen ist die Annahme, dass der Genuss schlechten Trinkwassers Erkrankungen an Malaria verursache als gründlich, nach Anderen als noch nicht endgiltig widerlegt zu betrachten. (Siehe Schellong: Die Malariakrankheiten S. 108. – Martin: Aerztliche Erfahrungen über die Malaria der Tropenländer S. 20 u. ff.). – Erfahrungen am Amazonas (Moreira Pinto: Apontamentos para o Diccionario geographico do Brasil I 236) bestätigen jedoch die alt überkommenen Ansichten, ebenso Berichte aus Afrika (Globus LX. 127.) mussten wir nun in der entsetzlichen Hitze bis zum anderen Morgen dursten. Etwas herabgestimmt krochen wir in unsere schwingenden Netzbetten und ein lautes Froschlurchconcert wurde unser Schlummerlied.
Corarezinho – Providencia. Donnerstag, den 12. Juli.
Noch niemals bisher hörten wir so viele verschiedene Thierstimmen, eine solche Urwaldsymphonie wie diese Nacht. Sogar ein Jaguar (Felis onça L.) soll, wie fernes, tiefes Glockengeläute, in dem Concert mitgewirkt haben, doch war sicher der von uns unterschiedene Laut nur der Ruf des Schmiedenden Baumfrosches (Hyla faber Wied). Wenn es auf Wahrheit beruht, was die Indianer Wallace erzählten (Wallace: Travels on the Amazon and Rio Negro, 455), nämlich dass der Jaguar fast jede Thierstimme nachäffen kann, dann ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass wir doch einen Jaguar gehört haben. Vor Tagesanbruch liess sich noch eine Taube vernehmen, welche deutlich in einer Terze nach abwärts sang. Wäre die Scardafella squamosa Temm., welche nördlich und südlich des Amazonas beobachtet worden ist, auch schon am Amazonas selbst gesehen worden, würde ich der Art und der Zeit des Gesanges nach die von uns gehörte Taube unbedingt für diese Scardafella halten. Siehe auch Wied: Beiträge zur Naturgeschichte Brasiliens IV. 412. Um viereinhalb Uhr begannen wir aufzubrechen. Im Urwald, der uns rings umgab und sich über unsere offene Hütte zusammenschloss, war der Thaufall so stark, dass es von den Blättern wie Regen niedertroff. Dies war uns ein neuer Beweis, dass in solch feuchten Aequatorialgegenden ein Uebernachten im Freien, ohne Schutz von oben, gesundheitsschädlich sein muss. Wir warben einen der Muraindianer als Führer zur nächsten Mura-maloca und verliessen um 7 Uhr unseren, Corarezinho genannten Indianersitio. In den Solimões hinausgedampft, hielten wir uns an dessen rechtem Ufer, dem entlang wir aufwärts fuhren. Dasselbe war ununterbrochen mit wundervollem, lianengeschmücktem Wald bedeckt, aus welchem uns ein Morgenständchen befiederter Sänger entgegenschallte. An Thieren fehlte es hier nicht. Kleine Periquitos, welche ich, nach ihrer spatzenähnlichen Art zu schreien und sich zu benehmen, für Sperlingspapageien (Psittacula passerina L.) hätte halten mögen, Ob die Psittacula passerina L. am oberen Amazonas vorkommen, ist nicht gesagt: kommen sie da nicht vor, könnten diese Psittacula die ihnen ähnlichen Psittacula sclateri G. R. Gr. gewesen sein, doch scheint nichts darüber bekannt, ob letztere sich ebenfalls spatzenähnlich benehmen. zankten sich am Waldesrande herum. Schwalben strichen über das Wasser, ein rother Arara Man kennt am Amazonas zwei Arten rother Araras, den Ara macao L. und den Ara chloroptera G. R. Gr. rauschte schweren Fluges auf, die weitverbreiteten Japims kamen geschäftig ab und zu, Uairirambas (Alcedinidae) standen fischend am Ufer und verschiedene Reihervögel, darunter namentlich viele rostbraune mit graulichen Flügeln, welche uns als Japiá-soca (Tigrisoma brasiliense L.) Ich wüsste nicht, welche andere Reihervögel als T. brasiliense unter diesen Japiásoca zu verstehen wären. bezeichnet wurden, gesellten sich ihnen bei der Arbeit zu. In den Zweigen trieben kleine, bräunliche Affen, Macacos de cheiro (Chrysotrix sciurea L.), ihr drolliges Wesen; später zeigte sich ein einzelner Affe mit gelbem Gesicht.
Wir landeten an einer Indianerhütte, deren Besitzer mehrere grosse Lurchschildkröten (Podocnemis expansa Schw.) und einige zahme Manguepapageien (Chrysotis amazonica Briss.) besassen. Die alte Hausfrau wollte mir den auf ihrem Finger sitzenden dieser Vögel schenken, ein Geschenk, das ich wegen Transportschwierigkeiten jedoch nicht annehmen konnte. Vom Hausherrn, welcher Spuren blauer Bemalung im Gesichte trug, erhandelten wir einen kleinen, grob gearbeiteten Bogen und einen 1,19 m langen Pfeil mit widerhakenloser, glatter Holzspitze; Siehe rückwärts Tafel II. N. 1. u. 2. sowohl Pfeil wie Bogen hatten ihm zum Fischschiessen gedient. Als wir weiterfuhren, sprang ein Botó (Delphinide) aus den gelblichen Fluthen auf. Wollbäume, sowohl Ceiba Samauma wie Bombax Munguba, auch Páo mulato (Calycophyllum Spruceanum Hook, fil.) wuchsen am Ufer.
Unser Dampfer lenkte an der Südseite des Solimões in den Paraná de Janauacá ein, um zum See gleichen Namens zu gelangen. Dort sollte die gesuchte Mura-maloca liegen. Wieder zeigten sich Japiá-socas und auch ein Cigano (Opisthocomus hoazin Müll.) hatte sich eingefunden. Den Waldsaum schmückten Marí-marí (Cassia leiandra Benth.), Bäume mit paariggefiederten Blättern aus der Familie der Caesalpiniaceen, und Capitahi, lila blühende, blattlose Sträucher, welche, nach der Art des Blühens zu schliessen, wohl Bignoniaceen, und, der Blüthenfarbe nach, vermuthlich irgend eine Species Jacarandá gewesen sind. Ein sich abzweigender Igarapé hierzu eine auf Pfählen stehende Tapuiohütte boten ein vollendet malerisches Bild. Auf unserem Paraná, der durch seine nahe aneinander gerückten Ufer mit ihren üppigen Waldwänden besonders anziehend war, drangen wir unaufhaltsam südwärts in das Innere des Waldes vor, bis ein dichtes Gewebe von Cana-rana uns gebieterisch Halt zurief. Der Wasserpflanzenteppich versperrte hier den Weg dermaassen, dass die Schraube unseres Dampfers nicht mehr arbeiten konnte. Dieses unvorhergesehene Hinderniss stellte uns vor die Wahl, entweder umzukehren oder zu suchen, in einem kleinen Ruderboot der Fahrschwierigkeiten Herr zu werden. Da wir von der nächsten Hütte flussaufwärts sieben oder auch mehr Stunden entfernt waren, erschien ein Nachtquartier in unserem winzigen Nachen, unter freiem Himmel und inmitten des Sumpfes, als unvermeidlich. Ein solches Uebernachten wäre aber in der jetzigen Fieberzeit ein womöglich noch unsinnigeres Beginnen gewesen, als das Im-Freien-Schlafen auf der »Cortaagua«. So gaben wir mit schwerem Herzen den Besuch der Maloca am Janauacásee auf und kehrten in den Solimões zurück, eine andere Muraniederlassung zu suchen.
Unser »Jovitha« nahm wieder den Kurs längs des rechten Ufers aufwärts. Ein weisslicher, rosa schimmernder Zahnwal, Steno pallidus Gervais, Der Steno pallidus Gerv. ist vielleicht nur eine Farbenvarietät von Steno Tucuxí Gray, Siehe Gray: Catalogue of Seals and Whales in the British Museum, 237. – Pelzeln: Brasilische Säugethiere, 95, 96. – Flower: On the Delphinidae (Proceedings of the Zoological Society, London, 1883, p. 488). – Goeldi: Os mammferos do Brazil, 117. tauchte in unserer Nähe auf, Araras mit farbenprächtigem Gefieder flogen vorbei und ein wundervoller weisser Reiher, Ardea egretta Gm., stand philosophirend am Ufer. Dem Aussehen nach aus Lehm gefertigte Nester einer kleinen, Alles zerfressenden Termitenart Da es in Brasilien, wie schon weiter oben, S. 51, Anmerkung 3, erwähnt, zum mindesten drei, vielleicht aber sogar bis zu 12 Arten baumnesterbauende Termiten giebt, ist es schwer zu ergründen, welcher Species diese Nestbauten zuzuschreiben waren. Die Wahrscheinlichkeit spricht für Termes Rippertii Rambur, da diese, entgegen anderen Arten, sowohl speziell als baumnestbauend wie als Alles zerstörend und als weit verbreitet erwähnt ist und sich überdies entschieden unter die Termiten mit geringerer Körperlänge einreiht. Siehe Hagen: Monographie der Termiten. (Linnaea Entomologica, X. 289. XII. 187, 219, XIV, 85 ff., 122.) waren an den Bäumen befestigt, und von einem Aste hing der weisse, netzförmige Nestbau einer Biene, welch letztere, da ihr Honig als Arzneimittel dient, vermuthlich Trigona pallida Latr. Es ist nicht sicher zu sagen, welcher Art von Bienen oder socialen Wespen dieses Nest angehörte, da es z. B. von letzteren allein mindestens 85 Species in Brasilien und Guyana giebt, welche ähnliche Nester bauen, und auch verschiedene Species von ersteren, entgegen unseren Bienen, solche Nester verfertigen und sie an Baumzweigen aufhängen. Doch da die Apiden- oder Vespidenart, welcher das Nest zugehörte, nach Aussage der Eingeborenen einen als Arzneimittel Verwendung findenden Honig liefert, vermuthe ich, dass dies ein Nestbau der Munbucá (Trigona pallida Latr.) gewesen ist, einer kleinen, hellgefärbten, stachellosen Biene. Diese Trigona ist nämlich, wie es scheint, die einzige aus den vielen Bienen- und Wespenspecies Brasiliens, deren Honig regelmässig zu Heilzwecken dient, ausserdem gehört sie zu denjenigen Apiden, welche ihr Nest aussen an den Bäumen befestigen. Siehe namentlich Perty: De Insectorum in America meridionali habitantium vitae genere. moribus ac distributione geographica observationis nonullae, p. 28, und Andere. Smith führt in Transactions of the Entomological Society of London, Third Series, la, p. 504 u. 509, ebenfalls eine Mombuca an und nennt sie Trigona Mombuca Smith, doch unterscheidet sich seine Mombuca von der in Piso (De Indiae Utriusque re naturali etc. 112) beschriebenen Mumbucá (T. pallida Latr.) in der Färbung etc. wesentlich. gewesen sein dürfte.
Durch die Mückenlosigkeit des Rio Negro verwöhnt, waren wir unangenehm berührt, heute von Piums gestochen zu werden, kaum 1 mm langen, durch das Blutsaugen ihren Körper roth färbenden Mücken, welche den Simulien sehr nahe zu stehen scheinen. Es ist absolut kein näherer Aufschluss über diese Dipteren zu finden. Wir fühlten ihre Stiche gar nicht, wurden die Verwundung nur durch den an der Stichstelle entstehenden Blutstropfen und an dem nachfolgenden Anschwellen dieser Stelle gewahr, empfanden auch späterhin keinen Juckreiz.
Die unmittelbare Ufervegetation hier war ganz verschieden von der des Rio Negro und theilweise anders als die des Amazonas. Das hohe, sehr malerische Pfeilgras (Gynerium saccharoides H. B. K.), welches sich in dichten Reihen dahinzog, hatten wir schon weiter stromabwärts gesehen, an Stelle der Montrichardien aber, die den untersten Lauf des Amazonas schmücken, standen hier Araceen mit lanzettlichen Blättern von etwa 50-70 cm Länge. Im Uferdickicht erhoben sich kleine Marajápalmen (Astrocaryum gynacanthum Mart.) Da ich in meinen Reisenotizen eigens bemerkte: » Kleine Marajápalmen«, ist anzunehmen, dass es diesmal Astr. gyu. und nicht, wie am 5. Juli, Bactris Marajá Mart, gewesen sind. und dahinter prachtvolle Murúmurú (Astrocaryum Murumuru Mart.). Es ist bezweifelt worden, ob A. Murumuru seinen Standort nach den westlichen Aequatorialgegenden Brasiliens ausdehnt (s. Martius: Flora brasiliensis III a, p. 375), doch möchte ich meinerseits sehr bezweifeln, ob die uns als Murúmurú bezeichnete prachtvolle und, im Vergleich zu Astrocaryum gynacanthum, hohe Palme, das ebenfalls den Namen Murúmurú tragende Astrocaryum minus Trl. der westlichen Amazonasgegenden gewesen sein kann. Ein, Guanambé genannter Vogel mit grau, weiss, blau und schwarz gemischtem Gefieder, sicher irgend ein Blaurabe (Cyanurus), Die Cyanurus tragen den einheimischen Namen Anambé (Wallace: Travels on the Amazonas etc., 361), und verschiedene ihrer Species stimmen im Gefieder annähernd mit fraglichem Vogel, so z. B. C. diesingi Pelz. – Dass die Cyanurus Anambé und nicht Guanambé genannt werden, darf nicht irre führen, da in Tupinamen für die Silbe Guá gern Uá und für Uá ebensogern A gesagt wird. Martius (Beiträge etc., II 436, 484) giebt zwar einen Uanambé und einen Anambé an, doch ist nicht ausgeschlossen, dass sie synonym sind. Uebrigens passt das, was er über den Anambé und den Uanambé anführt, auf das Gefieder und die Art des Vorkommens meines Guanambé. flog in die Höhe. Einige Roças mit Bananeiras, d. h. Bananenpflanzungen, wurden sichtbar.
Wir fuhren in den nach Südwesten sich abzweigenden Paraná Maraquirý hinein. Am Eingang desselben erhob sich ein auf Pfählen ruhendes, vollständig geschlossenes Häuschen, dessen Wände aus Palmstrohmatten bestanden. Der Eigenthümer dieses Häuschens, Senhor Polycarpo da Souza, ein Mulatte, welcher in der brasilianischen Marine gedient hatte, sollte uns Aufschluss geben, wo stromaufwärts eine echte Mura-maloca zu finden sei. Wir begegneten ihm entfernt von seiner Hütte und weit innen auf dem Paraná, im Begriffe zu Canoa von Jagd und Fischfang heimzukehren. Da nach seiner Aussage auf weitem Umkreis keines der gesuchten Muradörfer existirte, traten wir mit ihm den Rückweg nach seinem Heim an, dort die Nacht unter Dach und Fach zu verbringen.
Auf dem bescheidenen, Providencia genannten Sitio befanden sich, ausser dem Hausherrn, seine sehr indianisch aussehende Gattin, einige Mestizen, eine Muraindianerin vom Purús und ein Mauáindianer Unter Mauá, einem Stammesnamen, der unter dieser Form nirgends zu finden ist, müsste wohl Umauá zu verstehen sein, ein Stamm, welcher zwar nicht im Rio Negrogebiet selbst, aber unmittelbar daran anstossend sitzt. (Ueber Umauá siehe weiter oben S. 95). – Derselbe Indianer wurde uns aber auch als Uaupé, also als einem grossen und geistig entwickelten Stamme zugehörig, bezeichnet (über Uaupé s. weiter oben S. 83, 94 u. 95 Anmerk. 1). Dieses Schwankende in den Aussagen über Stammeszugehörigkeit beweist entweder das geringe Interesse, welches die Leute im Allgemeinen an dieser Frage nehmen, oder bestätigt die weiter oben (S. 97) ausgesprochene Vermuthung. aus dem Rio Negrogebiet. Die junge Mura hatte, entgegen manch anderen Amazonasindianern, keine gelbbraune, sondern eine reinbraune Hautfarbe und war, trotz ihres breiten Mundes und ihrer Nase mit eher aufgestülpter Spitze und breiten Nasenflügeln, in Folge ihres mehr ovalen Gesichtes verhältnissmässig nicht gerade hässlich zu nennen. Um so hässlicher erschien der Mauá mit seiner fast dreieckigen Gesichtsform, ein Typus, welcher sich bei den meisten Indianern der Amazonasniederung wiederfindet. Die Nase war jedoch gut entwickelt und die Augen gerade gestellt. An Thieren des Waldes und der Flüsse, deren jede Ansiedelung in diesen Gegenden verschiedene beherbergt, interessirte uns hier vor allem ein junger Macaco barrigudo (Lagothrix cana Geoffr.), ein ganz grauer, noch sehr scheuer Wollaffe, welcher jedesmal, wenn man sich ihm nähern wollte, entsetzt aufschrie und zu fliehen suchte.
Unser Hausherr, der sich zum Methodismus bekannte und behauptete, viele Glaubensbrüder am Amazonas, ferner am Rio Negro und an einigen anderen Nebenflüssen zu besitzen, schien ein ganz gebildeter Mann zu sein. Gemäss seinen Beobachtungen über Enchente und Vazante am unteren Solimões soll das Fallen des Stromes vom 24. Juni bis in den September hinein währen, zu diesem Zeitpunkt in der Niveauveränderung ein Stillstand bis zum 19. oder 20. Oktober eintreten und von da an mit einsetzendem Regen das Steigen des Wassers bis in den Juni fortdauern. Die Nebenflüsse hingegen sollen eine schon im August beginnende Enchente und einen schon ziemlich hohen Wasserstand haben, wenn der Hauptstrom noch einen niedrigen aufweist.
Merkwürdig lauteten die Berichte über die Sucurijús (Eunectes murinus L.), diese Wasserriesenschlangen, welche bis zu neun und mehr Meter messen und an Grösse von keiner anderen Schlange Amerikas übertreffen werden. Natürlich haben sich ihrer nicht nur die indianischen Sagen, Siehe Haru: Contribuções para a Ethnologia do Valle do Amazonas (Archivo do Museum National do Rio de Janeiro VI, 163). sondern auch die übertriebensten Erzählungen der Eingebornen bemächtigt. Sie sollen hier sehr häufig sein und soll in der Nähe eine erst kürzlich einen Menschen gefressen haben. Es hatte dies zwar Niemand gesehen, doch da der betreffende Mann, der sich allein befand, seither abgängig ist und man durch die an jener Stelle angerichtete Verwüstung weiss, dass eine Sucurijú dort gewesen, schreibt man derselben das Verschwinden des unglücklichen Eingeborenen zu. Wenn man bedenkt, dass diese Boaschlangen sogar Ochsen bewältigen können, Cerqueira e Silva: Corografia paraense 27. Auch Wallace erzählt (Travels on the Amazon and Rio Negro 464), dass ihr Verschlingen von Rindvieh und Pferden eine unbestreitbare Thatsache ist. Ueber ihr Angreifen des Menschen siehe Bates: The Naturalist on the River Amazons, 51, 215 und Cerqueira ect. e. c. 27, Anmerk. 1. so scheint ihr Erdrücken und Verschlingen des kleineren und weit schwächeren Menschen nicht mehr gar so unglaublich. Auch das Entstehen einer Enseada Enseada = Bucht. wurde hier einer Sucurijú zugeschrieben. Letztere soll durch ihr Eingraben in das Ufer und das hierdurch veranlasste Zusammenstürzen der darauf befindlichen Vegetation die Bildung dieser Bucht verursacht haben.
Die Berichte über blutsaugende Fledermäuse, welch letztere ebenfalls hier anzutreffen sind, deckten sich so ziemlich mit den schon früher gehörten. Diese Flatterthiere fallen Hühner und Rindvieh an und sollen eine Art haben, ihr Opfer während des Anbohrens und Saugens mit den Flügeln zu fächeln, dass dasselbe die Wunde erst empfindet, wenn der Angreifer sich wieder empfohlen hat. So erzählten die hiesigen Leute, was mit den Angaben in Wallaces Wallace (Travels etc., 449, 450). so ziemlich stimmt, indessen von anderer Seite Brehm's Thierleben, Säugethiere I. 332. die Unmöglichkeit eines solchen Verfahrens behauptet wird.
Unsere heutige Abendmahlzeit bestand aus dem Jagdergebniss des Hausherrn. Es wurde uns eine Paca (Coelogenys Paca L.) vorgesetzt, ein Nagethier, welches bräunlichen Pelz hat und gleich den Meerschweinchen in die auf Amerika beschränkte Familie der Hufpfötler (Subungulata) gehört. Ausser seinem schmackhaften, an das des Kaninchens erinnernden Fleische, trug man uns auch dasjenige eines Armadills auf. Es war dies ein zweiter, in Brasilien sehr gemeiner Wildbraten, der uns trotz seines etwas süsslichen Geschmackes ebenfalls mundete. Färbung und Panzer des erlegten Thieres nach zu schliessen, stammte dieser Braten vom Langschwänzigen Tatu (Praopus novemcinctus L.), der in Brasilien verbreitetsten Gürtelthierart.
Heute Mittag 2 Uhr hatten wir die höchste der bisher beobachteten Temperaturen erreicht, nämlich über 30° C.
Nach eingetretener Dunkelheit schallte in unsere sehr hörige Strohhütte das allnächtliche Thierconcert herein. Zu den gewohnten Stimmen, unter welchen wir namentlich das Knarren des Hornfrosches (Ceratophrys cornuta L.) unterschieden, gesellte sich heute der laute, eintönige Ruf des Toró (Loncheres armata Geoffr.), einer im Walde lebenden und leicht zähmbaren Lanzenratte. In meinen Notizen steht Coró und nicht Toró, doch da es sich um ein rattenartiges Nagethier handelte, welches etwas kleiner ist als die Paca, kann dies eigentlich nur der Toró gewesen sein. Vergl. Pelzeln: Brasilische Säugethiere 64. 65. – Burmeister: Systematische Uebersicht der Thiere Brasiliens I. 196 u. ff. Wasserschweine (Hydrochocrus Capybara Erxl.), diese grössten sämmtlicher Nagethiere, suchten, von der Nacht begünstigt, die Zuckerplantagen auf, und die beunruhigten Hunde des Hauses schlugen an.
Providencia – Manáos. Freitag, den 13. Juli.
Früh nach 6 Uhr dampfte unsere Lancha den Solimões aufwärts. Heute wollten wir unter Führung des Senhor Polycarpo da Souza die Victoria regia suchen, diese Königin unter den Wasserrosen. Die Ufer hier waren Vargem, ein nur bei besonders hohem Wasserstand überschwemmtes Terrain. Einige graue Delphine tauchten auf, einige schwimmende Caa-piminseln kamen uns entgegen. Jauarýpalmen (Astrocaryum Jauary Mart.) wiegten sich am Waldesrand und Stryphnodendron microstachyum Poepp. Obwohl das hier gesammelte Stryphnodendron meines Herbariums ganz gut mit dem in Kew befindlichen S. microstachyum stimmt, ist, nach Dr. Stapf, doch nicht ausgeschlossen, dass vielleicht eine var. des Stryphnodendron Guianense Beuth. sein könnte., diese reizenden, paarig gefiederten Mimoseen der Amazonasniederung, wuchsen zahlreich dazwischen. Schaaren von Affen trieben ihr Wesen auf den Baumzweigen. Ein paar wohlgezielte Schüsse trafen zwei dieser drolligen Thiere, von denen eines, seine Wunde haltend, langsam abwärts stieg, indessen das andere im Dickicht in das Wasser fiel, so dass die engverwobene Pflanzenwand uns hinderte, die Jagdbeute zu holen.
Hier sollten wir eine der Eigentümlichkeiten der Amazonasniederungen kennen lernen, nämlich die Uferseen, welche vielfach den Strom entlang gelegen sind und zur Hochwasserzeit, wie jetzt, mit dem Strome häufig in eine einzige Wassermenge zusammenfliessen. Ein Ruderboot nach europäischem Muster und eine Montaria nahmen uns auf, und nun ging es durch den Igapó in den Genipapo- und dahinter in den Justinosee. Diese Canoafahrt unter dem überschwemmten Wald hindurch war zauberhaft schön. Wir mussten uns mühsam im Waldesdickicht vorwärts kämpfen, bald von einer Liane umstrickt, bald von stacheligen Ranken bedroht und verwundet. Die auf den Pflanzen hausende Insektenwelt wurde durch unsere Boote aufgestöbert und suchte sich an den kecken Eindringlingen zu rächen. Die männliche Larve einer Brunneria brasiliensis Sauss., einer auf Südamerika beschränkten Fangheuschreckenart, fiel in unseren Kahn herab und wurde die Beute unseres Sammelns. Canarana, lilablühende Sträucher, wohl Vitex triflora Vahl., Jauarýpalmen, Popunba-rana (Cocos speciosa Barb. Rodr.) und hunderte anderer Pflanzen blühten und grünten um uns herum, umschlangen einander in endlosen Abwechslungen vor unserem staunenden Auge und verloren sich in unabsehbaren Höhen in dem hehren Urwalddom, der sich uns zu Häupten wölbte. Die Seeflächen bedeckte ein grüner Teppich von Pistia stratiotis L. var. obcordata Engler und Salvinia auriculata Aubl., zwischen welchen die Eichhornia azurea Kunth. ihre rundlichen Blätter emporhob. Diese 3 Pflanzenarten in mein Herbar gesammelt. Und am Ufer nickten die rothen Blüthen der Cuphea Melvilla Lindl., In mein Herbar gesammelt. einer strauchförmigen, in Brasilien häufigen Lythracee. Hoch über den Seen schillerten im Sonnenschein prächtige, ganz blaue, atlasglänzende Morphiden, sicher die von Pará bis Ega verbreiteten hochfliegenden Morpho Rhetenor Cramer. Japims, Papagaios und Periquitos, Vielleicht Goldflügelsittiche (Brotogerys chiriri Vieill.), eine Schmalschnabelsittichart des oberen Amazonas. flogen hin und her, Tukane (Rhamphastidae) sassen im Laubdickicht, und Piossocas (Parra jaçana L.), reizende schlanke Sumpfvögel mit grüngelben Schwingen, zogen graziös über die Wasserfläche dahin. Ganz verborgen in einer stillen Bucht des Justinosees träumte die Victoria regia ihr vergängliches Blumendasein. Von allen Seiten hingen Zweige und Blätter sonnewehrend auf sie herab und ich gedachte des Liedes von Heine:
Die Lotosblume ängstigt
Sich vor der Sonne Pracht.
Es war eine wunderbare Tropenwelt, die sich da vor uns aufgethan hatte, der einsame, kleine See mit seiner überwuchernden Vegetation, die auf allen Seiten in den malerischsten Gehängen über das Wasser hereindrängte, die leuchtenden Strahlen des Tagesgestirnes, die durch das grüne Laubwerk spielten und auf den stillen Fluthen glitzerten, Alles in ein Meer von Licht tauchend, die buntgefiederten Bewohner der Lüfte und farbenprächtigen Schmetterlinge, welche Leben und Bewegung in das Ganze brachten, endlich die mächtigen, schneeweissen, am Grunde rosa angehauchten Nympheen mit ihren riesengrossen, schwimmenden Blättern, welche in solcher Umgebung zu schauen, wenig Sterblichen vergönnt ist – es war ein Bild, bei dessen Anblick man von dem Gefühle überwältigt wurde, hiermit die Herrlichkeiten der Schöpfung bis auf die Neige ausgekostet zu haben. – – –
Da es Reisende giebt, welche Monate, ja Jahre am Amazonas zubringen, ohne je der Victoria regia Lindl. zu begegnen, konnten wir von Glück sagen, ihrer so bald ansichtig geworden zu sein. Eine war halbgeöffnet, eine andere in Knospe, eine dritte schon verblüht. Wir brachen die erstere und einige der schönen, am Rande tellerförmig aufgebogenen Blätter, welche einen Durchmesser von 1,21 m hatten, und kehrten nach dem Sitio Providencia zurück.
Hier ergaben wir uns der Vogeljagd und dem Schmetterlingsfang. Die Flinte lieferte einen Cassicus persicus L. und ein Weibchen des Pteroglossus humboldti Wagl., eines einzig am oberen Amazonas vorkommenden Tukans. Aus der Schaar der vor dem Hause in sengender Sonnengluth gaukelnden Schmetterlinge erhaschten wir nur eine Catopsilia Argante Fabr., eine orangegelbe, sowohl in Süd- wie in Mittelamerika anzutreffende Pierine und einige Anartia Jatropha L., weisse, hübsch braun gezeichnete und etwas röthlich schattirte Nymphalinen, welche bis Mexico hinauf verbreitet sind. Ganz ergebnisslos aber war der Versuch die hochbeinigen grossen Eidechsen einzufangen, die auf der gleichen, sandigen, mit etwas Gebüsch bewachsenen Stelle umherliefen. Die Art ihres Vorkommens, ihre Länge, ihre Färbung, von der ich nur das Dunkelgrün des Bauches erwähnen will, endlich ihre pfeilschnellen Bewegungen liessen mich schliessen, dass diese Lacertiden die im warmen Amerika häufigen Gemeinen Ameiven (Ameiva surinamensis Laur.) waren. Weit schöner noch als diese und ganz eigenthümlich muthete uns eine in Wassernähe unter einem Busch auftauchende wundervolle Rieseneidechse an, welche durchaus hellgrün war und, uns ihre Vorderseite zukehrend, sich förmlich wie ein Hund mit hoch aufgerichtetem Oberkörper hinsetzte. Ich vermuthete in ihr einen der Gemeinen Leguane (Iguana tuberculata Laur.), die mitunter eine Länge von 1 m erreichen und bei den Eingeborenen als grosse Leckerbissen gelten.
Unser Hausherr schenkte mir einen Ringtragenden Schlinger (Epicrates cenchris L.) eine in ihrer Nahrung und Lebensweise der Boa constrictor sehr ähnliche Boaschlange, welche bis zu zwei Meter und mehr lang werden soll und ebenfalls Giboia genannt wird. Er gab mir ausserdem einen Surinamischen Laternenträger (Fulgora laternaria L.), eine jener nichtleuchtenden Leuchtzirpen mit merkwürdig keulenartigem, buckeligem Stirnfortsatz, welche nach seiner Aussage im Amazonasgebiet überall zu finden sind. Er theilte über sie die unbegründete Meinung der Indianer, dass sie giftig seien und eine durch sie zugefügte Verwundung unverzüglich den Tod herbeiführen müsse. An Pflanzen und Pflanzentheilen erhielt ich den Zweig eines Erythroxylon Coca Lamarck; einige wohlduftende, schotenförmige Früchte einer der Vanilla planifolia Andr. sehr nahestehenden Art von Vanille, welche vermuthlich eine nova species sein durfte; endlich einen Contraveneno das Cobras (Xanthosoma helleborifolium Schott), eine Aracee mit fussförmig getheilten Blättern, welcher die Eigenschaft zugeschrieben wird, durch ihre auf die Wunde aufgelegten Knollen jeden Schlangenbiss zu neutralisiren.
Da unsere, auf nur wenige Tage berechneten Lebensmittel und, was noch ausschlaggebender war, unser Vorrath an Getränken zu Ende ging, mussten wir uns entschliessen, weitere Fahrten zu Mura-malocas aufzugeben und baldmöglichst nach Manáos zurückzukehren. Als Abschiedsgabe wollte mir die Frau des Hauses einen Manguepapageien überreichen, mit den an den Vogel gerichteten Worten: »Vai com a branca« »Gehe mit der Weissen«. Auch hier musste ich dankend ablehnen, nahm aber um so lieber eine von Senhor Polycarpo da Souza angebotene lebende, riesige Tartaruga (Podoenemis expansa Schw.) an. Sie wurde an Bord gebracht und auf den Rücken gelegt, benahm sich auf der Weiterfahrt aber dermaassen ungeberdig und theilte so ausgiebige Fusstritte aus, dass man sie trotz ihrer Rückenlage noch anbinden musste.
Um 3 Uhr zeigte das Thermometer 27,5° C. Auch ungefähr zu dieser Zeit fiel der erste und einzige Regen, welchen wir auf dem Solimões haben sollten.
Wir landeten wieder in Corarezinho, unseren von da mitgenommenen indianischen Führer abzusetzen. Der Typus der hiesigen Mura war ein hässlicher. Sie hatten kleine Augen, stark entwickelte Jochbeine und mongoloiden Bartwuchs, nämlich einen spärlichen Schnurrbart, der aus einigen, nicht bis auf die Lippen herabreichenden, an den Mundwinkeln schief nach abwärts liegenden, kurzen und schlichten Haaren bestand. Immerhin war diese dürftige Bebartung genügend, uns die gelesenen Berichte zu bestätigen, dass, entgegen den anderen, fast durchwegs bartlosen Indianern, die Mura sich eines verhältnissmässigen Bartreichthums erfreuen, vielleicht weil sie weniger beflissen sind als andere, sich die sprossenden Haare auszureissen.
Mit einigen Schwierigkeiten erhandelten wir von diesen Mura eine Sararáca, Siehe weiter oben S. 97. 103. und rückwärts. Tafel II. No. 3. einen Pfeil mit eiserner Spitze, drei Rohre aus den Halmen des Gynerium saccharoides, bestimmt zur Pfeilfabrikation und einen hübschen, 1,69 m langen Pfeil mit Holzspitze und einer einseitig angebrachten Reihe stumpfer Widerhaken. Siehe rückwärts Tafel II. No. 4. Wir erlangten überdies einen langen, aus schwerem, röthlichem Holz gefertigten Harpunenschaft, an welchem je nach dem Zweck, zu dem er gerade dienen soll, ob zu Pirarucú- Siehe weiter oben S. 87. oder Peixeboifang Siehe weiter oben S. 87. oder zu anderer Jagd, verschieden geformte Eisenhaken und Eisenspitzen befestigt werden. An die Mitnahme einer echten, aus einem einzigen Baumstamme hergestellten Indianercanoa war wegen der Transportschwierigkeiten leider nicht zu denken.
Nach Querung des Solimões fuhren wir, wie auf dem Hinweg, durch den Chubrena-Igarapé. Hier fesselte uns neuerdings der Schlingpflanzenbehang des Uferwaldes, welcher ganze Laubschleier, grüne Vorhänge wie das Blätterkleid vermeintlicher Ruinen, bildete. Ein grosser, rosa angehauchter Steno pallidus Gervais sprang aus den Fluthen empor. Auf dem Rio Negro kämpften wir uns am malerischen linken Ufer aufwärts und trafen 7 Uhr abends wieder in Manáos ein.
Unsere Victoria regia, welche des Morgens weiss gewesen, wurde später, als sie ihren Kelch mehr erschlossen, ganz rosa; und gegen Abend, nachdem sich ihre Farbenpracht langsam aber stetig gesteigert, erglühte sie im schönsten, zartesten bläulichen Rosenroth. Der Durchmesser der vollständig entfalteten Blüthe, deren Geruch genau dem einer Wassermelone glich, betrug 25 cm. Ehe sich die Blume abends verwelkend schloss, wimmelte es in ihrem Kelche plötzlich von. Cyclocephala castanea Fabr., dunkel- und hellbraun gefärbten, guyanischen Blatthornkäfern, welche der sterbenden Wasserrose, die sie beherbergt hatte, nun schnöde und treulos entflogen. Die Poesie der Blume war uns durch diesen unschönen Anblick zerstört und ich empfand
Das ist im Leben hässlich eingerichtet,
Dass bei den Rosen gleich die Dornen stehn.