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Pará. Dienstag, den 26. Juni.
Die ganze Nacht lagen wir im Strom vor Anker. Bei Tagesanbruch, 5½ Uhr, begann die Weiterfahrt, welche sich zwischen flache, bis zum Wasserrande waldbedeckte Inseln hindurchzog. Da letztere immer näher zusammen- und somit auch unserem Dampfer näherrückten, liess sich bald die sie schmückende Vegetation unterscheiden. Zunächst umgab die Inseln ein Gürtel von Mangroven. Dahinter erhob sich bei manchen kranzartig ein Aningal, d. h. ein Wäldchen von Montrichardia arborescens Schott, einer am Amazonas ihre Südgrenze findenden, bis zu 3 m hohen Aracee mit Holzstamm und grossen, pfeilförmigen Blättern. Hinter dieser Ufervegetation ragten ausser verschiedenen Bäumen noch allerhand Palmen empor. Dutzende von Mirití (Mauritia flexuosa L.) mit ihren malerischen Fächelblättern, einzelne Cocospalmen, schlankstämmige, graziös geneigte Assaï (Euterpe oleracea Mart.), die beliebten Weinpalmen (Oenocarpus Bacaba Mart.) und endlich eine vierte Fiederpalmenart, die am Amazonas weit verbreitete Tucumá (Astrocaryum Tucumá Mart.). Im Festlandwald sah man vereinzelte, die Palmen an Grösse bedeutend übertreffende Sumaumeiras (Ceiba Samauma Schum.) in die Lüfte steigen, bis hoch hinauf ohne Aeste, dann aber ihre Kronen wie riesige Dächer weithin horizontal ausbreitend. Sie befanden sich gerade in ihrer fast laublosen Periode und stachen dadurch sehr von ihren Nachbarn ab, da es in der Hylaea nur wenig Bäume giebt, welche ihren Blätterschmuck während einer Zeit des Jahres abwerfen. An menschlichen Ansiedlungen zeigten sich, und zwar am Festlandsufer, nur einzelne Ziegeleien und palmenbeschattete einstöckige Landhäuser. Es war auch eine kleine Niederlassung zu bemerken, neben welcher das hellgrüne, leicht aufgebaute Laub und die hellen, schlanken Stämme etlicher Seringeiras oder Kautschukbäume (Hevea Brasiliensis Müll. Arg.) Die zwei einzigen für den untersten Amazonas in Betracht kommenden Heveaspecies sind Hevea Brasiliensis Müll. Arg. und H. Guyanensis Aubl. Letztere ist zwar vor Allem in Guyana heimisch, doch lässt sich ziemlich sicher annehmen, dass ihr Verbreitungsbezirk auch den unteren Amazonas einschliesst. Siehe Martius: Flora brasiliensis, XI. p. 304. sichtbar wurden. Der tropische Wald, sowohl der Festlands- wie der Inselwald, der sich zu unserer Rechten und Linken, vor uns und hinter uns dehnte, erschien uns als ein vollständiges Pflanzengewirr, als eine undurchdringliche grüne Wand. Südostwärts in der Ferne theilten sich endlich die sich fortwährend vor- und zwischeneinander schiebenden, das Fahrwasser scheinbar versperrenden Inseln und es glänzte uns das weissschimmernde Santa Maria de Belém do Grão Pará entgegen. Es ist dies eine flach hingestreckte, gewöhnlich kurzweg Pará genannte Stadt von ungefähr 70 000 Einwohnern, welche unschöne Kirchthürme und unschöne öffentliche Gebäude hat.
Unsere »Manauense« musste wegen der hier geringen Tiefe des Stromes in ziemlicher Entfernung von Pará vor Anker gehen. Wir blieben zwar an Bord wohnen, da wir Billette bis Manáos hatten, beeilten uns aber, gleich unseren hier endgiltig landenden Reisegefährten, in einem gemietheten Boot an das Ufer hinaus zu fahren, wie begreiflich fiebernd aus Ungeduld, die neue Welt endlich zu betreten. Unmittelbar am Hafen begrüsste uns die Tropenvegetation in Gestalt einer prachtvollen Allee Westindischer Königspalmen (Oreodoxa regia Humb. Bonpl. et Kth.), und auf dem nahen Markte wurden Tropenfrüchte, wie Bananen, Ananas und Cocosnüsse, feilgeboten. Aus verschiedenen Läden und Häusern kreischten uns allerhand Papageien entgegen. Vor Allem waren es Kurzschwanz-Papageien (Psittacidae), und zwar Repräsentanten der am häufigsten nach Europa gebrachten Arten Chrysotis aestiva L. und Chrysotis amazonica Briss. Erstere Species, der Amazonenpapagei mit rothem Flügelbug, bewohnt das Innere Südamerikas von Argentinien bis Mittelbrasilien und vorwiegend das Camposgebiet, letztere, der Amazonenpapagei mit grünem Flügelbug, ist mehr in den Waldungen und findet sich am Amazonas wie über das ganze nördliche Südamerika verbreitet. Mit entsetzlicher Stimme empfing uns auch ein zahmer Ara macao L., einer jener prachtvollen, roth-blau-gelben Araras, welche in Brasilien nicht südlicher gehen als der Amazonas, aber bis Mexiko hinauf angetroffen werden. Auf den Vorstadtstrassen, namentlich den etwas verwilderten Plätzen, hüpften Rabengeier (Catharistes atratus Bartram) um unsere Füsse mit einer Vertraulichkeit, man möchte sagen Frechheit, welche sich nur dadurch erklärt, dass diesen ekelhaften Vögeln, ihrer strassenreinigenden Eigenschaften wegen, nie etwas zu Leide gethan wird. In einem Privathause, in welchem unsere Wiener Ueberfahrtsgefährtin abgestiegen war, fanden wir eine grosse Boa constrictor L., welche in einer Kiste gehalten wurde und uns unwirsch anzischte. Wir machten dort auch die Bekanntschaft eines kaum 15 cm langen, bräunlichen Eichhörnchens (Sciurus gilvigularis Natt.), Farbe des Pelzes, Grösse etc. stimmten auf Sciurus gilvigularis Natt.; da ich aber das Thier zu flüchtig gesehen, kann ich die Species nicht mit Sicherheit bestimmen und wäre auch Sciurus aestuans L. nicht ausgeschlossen. mit buschigem Schweif, kurzer Schnauze und kleinen, nicht von einem Haarkranz umgebenen Ohren. Das niedliche Thierchen war so wenig scheu, dass es ganz zutraulich an uns auf und nieder lief. Es gab in diesem Hause noch ein drittes Thier, einen Coatí oder Rüsselbär (Nasua socialis Wied); derselbe schlich an uns heran, beschnupperte uns mit seinem langen, fingergleich greifenden Riechorgan, stieg mit den Vorderpfoten an uns herauf und liess sich bereitwillig streicheln.
Nicht nur Thiere und Pflanzen mutheten uns in der neuen Welt fremdartig an, auch die Menschen, von den Weissen abgesehen, boten uns manch unerwartetes Studium. Die Neger und Negerinnen mit ihren charakteristischen Krausköpfen waren hier weit zahlreicher vertreten, als wir dachten. Zwischen ihnen bewegten sich einzelne Cafuzas, Mischlinge von Negern und Indianerinnen, welche sich namentlich durch ihren fusslang abstehenden, nicht krausen, aber verfilzten schwarzen Haarwuchs hervorthaten. Die Indianer hingegen fielen auf durch ihr straffes, pechschwarzes Haar, ihre Adlernasen und weit in das Gesicht zurückgreifende Nasenwurzeln.
Die Stadt selbst, welche all diese Menschen, Thiere und Pflanzen beherbergt, ist unschön, unelegant. Die Strassen und Plätze sind ungepflegt, theils von Rasen überwuchert, die Kirchen zopfig und äusserlich nicht anziehend, die Häuser stillos, hellgemalt, ein-, höchstens zweistöckig und die Treppen im Innern der Häuser über alle Beschreibung halsbrecherisch. Einzig annehmbar schienen uns einige Verkaufsläden, welche unerwartet elegante Auslagen hatten. In dem von einem Franzosen gehaltenen Hôtel Central, dem einzigen von Damen frequentirbaren Gasthaus Parás, lernten wir die innere Eintheilung tropischer Häuser kennen. Die Zimmer sind sämmtlich ohne Decke, nur mit dem Dachstuhl über sich und nur durch eine etwa 3-4 m hohe Bretterwand vom Nachbarzimmer getrennt, so dass man von einem Raum in den anderen jedes Wort versteht und jeden sonstigen Lärm im ganzen Hause mitanhören muss. Anfangs erscheint diese Einrichtung dem Neuangekommenen sehr lästig und stört ihn auch in der Nachtruhe, doch bald lernt er den Segen derselben dankbarst anerkennen. Diese Bauart, vermittelst welcher eine ständige Ventilation durch das ganze Gebäude geschaffen wird, bietet die einzige Möglichkeit, die namentlich des Nachts in den Häusern unerträgliche Tropenhitze einigermaassen zu mildern.
Von der Temperatur der Aequatorialgegenden erhielten wir schon heute einen guten Begriff. Indessen früh 6 Uhr am Schiff das Thermometer 25° C. zeigte, hatte es zu Mittag in der Stadt 31º C, in der Sonne bis zu 37° C. Wir konnten nur im Schatten der Häuser dahinschleichen und in die Sonne uns nur mit dichtem, weissem Schirm, und das nur auf einige Minuten, wagen. Auch warnten uns die Eingeborenen vor der Einwirkung der Sonnenstrahlen, durch welche man sich leicht das hier endemische gelbe Fieber zuziehen kann. Das sich der Nachtluft Aussetzen hingegen hat häufig Malaria zur Folge, Ich gebe hier die Ansicht der Eingeborenen wieder, nach der wir unsere Lebensweise richteten. – Neuerdings wird von ärztlicher Seite die Schädlichkeit der Nachtluft resp. der Bodenausdünstung zur Nachtzeit in Frage gestellt. Siehe Schellong: Die Malariakrankheiten unter spezieller Berücksichtigung tropenklimatischer Gesichtspunkte 106 u. ff., 117 u. ff., 136, und Martin: Aerztliche Erfahrungen über die Malaria der Tropenländer. 19. 20. die hier am Amazonas, äusserst gefährlich, oft einen rasch tödtlichen Verlauf nimmt. Wir sind wenig erfreut über diese unangenehme Alternative, ebenso über die hieraus sich ergebende Beschränkung unserer Bewegungsfreiheit, welche dadurch noch erhöht wird, dass wir uns dem Beispiel der Einheimischen nach, von 10 bis 4 Uhr möglichst ruhig in irgend einem schattigen Winkel, vor Allem einem Hause, aufhalten sollen. Rechnet man, dass die Sonne in diesen Strichen um 6 Uhr erst auf und um 6 Uhr schon wieder untergeht, so bleibt, wenigstens in den Städten, ungemein wenig Zeit zu Unternehmungen. Auf dem Lande, im Wald und unter dem schützenden Sonnensegel eines Bootes gestalten sich die Verhältnisse indessen etwas günstiger.
Pará. Mittwoch, den 27. Juni.
Gestern besuchten wir die Stadt, heute wollten wir uns in die wunderbare Igapówelt vertiefen. Zu diesem Zwecke hatten wir aus Pará ein Segelboot an unsere »Manauense« herausbestellt und fuhren um 7 Uhr früh bei 28° C. Wasser- und 25° C. Lufttemperatur in das Insellabyrinth des Amazonas hinein. Zunächst gewannen wir die Nordspitze der Ilha das Onças, einer westlich von Pará gelegenen, nordsüdlich gestreckten, fast flachen Insel. Hier öffnete sich uns ein Ausblick in die weitere Inselwelt. Waldeiland hinter Waldeiland, soweit das Auge reicht, alle von einem Gürtel von Rhizophora Mangle L. umsäumt, oder von Aningães, d. h. Wäldchen von Montrichardia arborescens Schott umkränzt. Hinter diesem Gebüschgürtel wiegten sich hoch in den Lüften die Kronen zarter Assaï- (Euterpe oleracea Mart.) und stämmiger Miritípalmen (Mauritia flexuosa L.) und drängte sich eine unbeschreibliche Fülle allerhand schlingpflanzenbehangener Laubbäume. Sämmtliche Inseln und Inselchen schienen wie auf dem Wasser schwimmende Boskette und zeigten sich in reizender Lichtwirkung. An dem Westufer der Ilha das Onças, bei der Olaria oder Ziegelbrennerei Nuguez, stiegen wir an das Land und suchten eine Strecke weit in den Wald vorzudringen. Indessen draussen am Wasserrande früchtetragende, echte Cocospalmen (Cocos nucifera L.) standen, traten uns hier hohe Mucajá (Acrocomia selerocarpa Mart.) und Urucuri (Attalea excelsa Mart.), letztere eine buschige Fiederpalme, deren Früchte zur Kautschukbereitung dienen, zuerst in den Weg. Mehr im Waldinnern erhoben sich Ubussúpalmen (Manicaria saccifera Gärtner) und dazwischen schlingpflanzenumstrickte, riesig hohe Wollbäume (Bombaceen), welche mit feiner Wolle dichtgefüllte Kapseln trugen und uns durch ihre mächtige Erscheinung überraschten. An den sumpfigen Gründen hatten sich die grossblätterigen Montrichardien mit über 3m hohem, holzigem Strunke angesiedelt.
Reich wie die Flora, war auch die Fauna dieser äquatorialen Insel. Im Walde tönte Papageiengeschrei. Als wir im Dickicht streiften, schwirrten rothbraune Colibris mit röthlich schillerndem Schweife (Pygmornis pygmaeus Spix?) an unseren Köpfen vorbei, am Waldrande flog ein Bem-te-ví (Pitangus sulphuratus L.) auf, ein häufig anzutreffender, bräunlicher Vogel. Und von Baum zu Baum wechselten Schaaren der gelb und schwarzen Japims (Cassicus persicus L.), welche ihre merkwürdigen Beutelnester an die Bombaceen gehängt hatten und dieselben eifrig umflatterten, bald der eine, bald der andere in den kunstreichen Bauten verschwindend. An sonnigen Stellen gaukelten allerhand Schmetterlinge. Es waren grosse, grellrothe, scheinbar mit weissen Querstreifen über der Spitze der Vorderflügel, vermuthlich Repräsentanten einer der beiden Danaisarten der Amazonasfauna; Prepona Demophon L., am ganzen Amazonas gemeine, grosse, graubraune Nymphalinen mit glänzend blauem, breitem, senkrechtem Streifen über Vorder- und Hinterflügel; und Catopsilia Philea L., an Grösse letztgenannten Lepidopteren nicht viel nachstehende goldgelbe Pierinen, die sowohl in Brasilien, wie in Guyana vorkommen. Zwischen diesen grösseren Schmetterlingen spielten um die Blüthen noch sehr viele kleinere, welche den Grössenverhältnissen nach mehr den europäischen entsprachen. Im Schlamm an den Montrichardiawurzeln tummelten sich zahllose kleine, braungraue Winkerkrabben (Gelasimus) herum, die Männchen ihre grosse Scheere beim Laufen hoch erhoben. Endlich nach langem Bemühen gelang es uns, eines der drolligen, blitzschnell in Erdlöchern sich bergenden Thiere zu fangen. Es zeigte sich, dass es ein Exemplar der Spezies »Bissige Winkerkrabbe« (Gelasimus mordax Smith) war, welche bisher nur bei Pará beobachtet worden ist. Auch mit Erhaschen von Schmetterlingen gaben wir uns eine Zeitlang ab, doch jagte uns die sengende Tropensonne nach wenig Minuten immer wieder in den Schatten zurück. Die durch die Sonnenstrahlen sogar auf der kleidergeschützten Haut hervorgebrachte Empfindung war geradezu die einer Verbrennung, und gerade in der glühendsten Sonne fing es schon nach kurzer Zeit an, uns zu frösteln. Umsomehr bewunderten wir die Neger, welche, wie z. B. hier und im Hafen von Pará, in der äquatorialen Mittagssonne barhaupt arbeiteten; denn letzteres ist ein Verfahren, das Europäer einfach tödten würde, die Afrikaner aber gar nicht zu belästigen scheint.
In der Olaria waren ungefähr achtzig Schwarze aus den verschiedensten Stämmen, bärtige und bartlose, beschäftigt. Die Männer, welche wie aus Bronze gegossen schienen, hatten meist nur ein Beinkleid angethan. Die Weiber trugen Röcke und Brustlatz, liessen jedoch den Rücken unbedeckt. Als die Sklavenemancipation verkündet wurde, waren diese Leute schon sämmtlich freie Arbeiter. Die Neger bezogen jetzt einen Taglohn im Werth von 5 Mark, die Negerinnen im Werth von 3 Mark. Während sich die Erwachsenen bei der Arbeit befanden, wurde der kleine schwarze Nachwuchs von einer alten Negerin gehütet – eine Kleinkinder-Bewahranstalt für Schwarzhäute. Die Wohnhäuser dieser Neger bestanden in länglichen, einstöckigen Gebäuden, welche zu mehreren Räumen abgetheilt waren. Die innere Einrichtung beschränkte sich auf Hängematten; die Kleidungsstücke hingen, an Stricken befestigt, frei im Zimmer umher.
Nach unserer Jagd im Walde und auf den Wiesen wurden wir, ohne darum gebeten zu haben, im Hause der Olariabesitzerin bewirthet. Hier lernten wir zum ersten Male die auch ganz Fremden gegenüber übliche brasilianische Gastfreundschaft kennen, welche nicht einmal nach Namen und Herkunft der Bewirtheten fragt. Die Hausfrau war eine Brasilianerin, die Wittwe eines Franzosen, der Werkführer ein Sachse. Nach dem einfachen Male, bei welchem die Leute sich ungemein freundlich gegen uns zeigten, wurden wir in den Garten geführt, einzelne tropische Pflanzen in Augenschein zu nehmen. Neben einer Alocasia indica Schott mit Riesenblättern wuchs eine uns als Tajá bezeichnete, kleinblätterige Aracee, vermuthlich Caladium bicolor Vent., blühte das Centratherum punetatum Gass., eine durch ihre Bracteen merkwürdige, in Brasilien häufige Composite, und zitterte im geringsten Lufthauch eine wunderbar zarte Eragrostisart. Ein paar Schritte weiter erhob sich unter Anderem ein Codiacum variegatum Müller Arg. var. genuinum M. A., eine in Strauchform wachsende Euphorbiacee Indiens, der Molukken und der Fidschiinseln, ferner eine zweite strauchförmige Euphorbiacee, die in Brasilien beheimathete Acalipha macrostachya var. sidaefolia Müller Arg. und als namentlich interessant für uns der Ipadú oder Cocastrauch (Erythroxylon Coca Lam.), dessen pulverisirte Blätter den Indianern als narkotisches Genussmittel dienen. Wir fanden da auch den wegen seiner Früchte sehr geschätzten, eleganten, im ganzen tropischen Amerika wildwachsenden Goldblattbaum (Chrysophyllum Cainito L.). von welchem wir uns einige der durch ihre goldig glänzende Unterseite merkwürdigen Blätter mitnahmen. An besonders wichtigen Nutzpflanzen fehlten hier aber auch nicht der Ceylonische Zimmtbaum (Cinnamomum ceylanicum Breyn.), der auffallend hellgrün belaubte Gummibaum (Hevea Guyanensis Aubl.) und der Echte Chokoladebaum (Theobroma cacao L.), der nur in den heissesten Erdstrichen gedeiht. Letzterer wurde uns noch dadurch bemerkenswerth, dass ihm die grossen gelben Früchte am Stamm sitzen, eine Eigenschaft, welche allen, schwere Früchte tragenden Bäumen gemeinsam ist, die wir aber hier zum ersten Male zu Gesicht bekamen.
Und nun, nachdem wir uns wieder eingeschifft hatten, folgte eine Bootfahrt durch einen breiten und dann einen schmalen Igarapé Igarapé ist tupí und heisst Bootweg. Am Amazonas versteht man darunter einen Bach oder kleinen Fluss oder Flussarm, der sich in das Festland oder in eine Insel hineinzieht resp. dieselbe kanalartig durchquert, überhaupt jede schmale, von einer Canoa befahrbare Wasserstrasse. quer durch die Insel, eine so wunderbare, alle Erwartungen, alles nur je Geträumte übertreffende Fahrt, dass diese allein die ganze weite Reise über den Ocean gelohnt hätte. Es war eine sinnberauschende, sinnverwirrende Ueppigkeit an Pflanzen, die uns umgab. Zu höchst breiteten sich die Kronen riesiger Bombaceen, ragten einige Cajú bravo (Spondias purpurea L.) In Martius: Flora brasiliensis, XII. 2, p. 374, ist Cajú als Vulgärname dieses Baumes angeführt, was mit meinen Reisetagebuch-Notizen stimmt. In Barboza Rodrigues: Hortus fluminensis, p, 103, sind für Sp. purpurea andere Vulgärnamen genannt; für die zwei übrigen brasilianischen Spondiasarten jedoch ist der Name Cajá angegeben, so dass auch eventuell der Sp. purpurea der Name Cajá und nicht Cajú zukommen dürfte. mit ihren rothen Früchten heraus und wiegten sich die gefiederten, luftigen Blattbüschel zarter Laubbäume, an welchen eine ganze Schlingpflanzenwelt emporkletterte. Um Einiges niedriger trachteten die Palmen im Dickicht sich Platz zu schaffen, zu oberst die schlanken Assaï mit wenig Wedeln und weissen, rispigen Blüthenständen, daneben die mächtigen, edelgeformten Mauritien, etwas tiefer die Inajá (Maximiliana regia Mart.), deren bis zu 12 m lange Fiederblätter in dichten, buschigen Mengen, dem kurzen Stamm entquellen. Ueber das Wasser herein legte sich breit das massige, dunkelglänzende Laub einer Mangueira (Mangifera indica L.), verschiedene Mimoseen, unter welchen Pentaclethra filamentosa Benth., In mein Herbarium gesammelt. zeichneten sich daneben durch feingefiederte Blätter aus, und ein Baum mit ganz glattem, dünnem Stamm strebte vollständig senkrecht, etwa 15 m hoch, astfrei in die Lüfte, oben ein kleines, reizend zierliches Blattbouquet aussendend. Unterhalb der Palmenregion drängten sich Heliconienhaine und Montrichardiawäldchen. Inmitten letzterer ragten, an den Blüthenstand der Colocasia erinnernd, glänzend weisse Spatha mit gelbem Spadix in die Höhe, indessen die feuchten Gründe die blaublüthige Pontederia cordata L. In mein Herbarium gesammelt. bedeckte. Das üppige Grün durchzogen, wohl den Sterculiaceen zugehörige, weisse Blüthen, gelb- und andersfarbig blühende Ranken, die ich für Bignonien gehalten, auch rothblühende Trichterwinden, und zwar die über Centralamerika und den nördlichen Theil von Südamerika verbreitete Ipomoea fastigiata Sw. In mein Herbarium gesammelt. All diese Pflanzen hingen, kletterten, strebten, wuchsen in unentwirrbarem Durcheinander, keines Fusses Breite am Boden unbenützt lassend, und bildeten ein undurchdringliches Dickicht, das sich in die malerischsten Laubgruppen auflöste, namentlich hoch oben, wo sich das Laub fast freischwebend, pinienförmig lagerte, von unzählbaren Lianen mit herabgesenkten Luftwurzeln erstiegen. Weithin dehnte sich das Wasser unter der in allen Schattirungen von Grün wechselnden Pflanzenwelt aus, ja, ziemlich der ganze Grund war eine Wasserfläche, aus welcher der Tropenwald sich emporrang. Durch diese Wachsthumsfülle, eine Fülle, in welcher die Natur sich selbst übertroffen zu haben schien, zogen sich die kanalartigen Flussarme, bald schmäler, bald breiter und so gewunden, dass vor und hinter dem Canoafahrenden sich die Waldwände immer wieder schlossen, und man auf einem Teiche zu schwimmen glaubte. Bald da, bald dort hing ein Busch, ein Baum, eine Palme weit auf den Igarapé über. Japimnester, Siehe S.30. von ihren schöngefiederten Erbauern umflattert, zierten als lange, kunstvolle Beutel in luftiger Höhe die wagerechten Aeste. Mit dem poetischen Namen Guarda-Rio Flusswächter. belegte, glänzend stahlblaue Madenfresser (Crotophaga major Gm.) mit langem, prächtigem Fächerschwanz flogen in Schaaren vorüber. Ein Eisvogel, in Gestalt wie unserer, doch in Färbung verschieden, vermuthlich Ceryle americana Gm. sass versteckt im Laube. Blaue und rothe Schmetterlinge, Danaïs und Prepona Demophon L., gaukelten von Ufer zu Ufer. Aus dem Walde erschallten allerhand Vogelstimmen und klang der eintönige Ruf einer Kröte, vielleicht des Bufo marinus L., der zuweilen auch bei Tag sein schnarchendes Bellen hören lässt. Dieses Waldkonzert vervollständigte das schrille Zirpen der Cicadiden und Feldheuschrecken, welch letzteres namentlich gegen 3 Uhr nachmittags immer lauter und lauter wurde.
Hier und da öffnete sich die uns zu beiden Seiten begleitende, undurchdringliche Pflanzenwand, in welcher man vor Laubfülle keine Stämme unterscheiden konnte, und irgend ein verstecktes Plätzchen wurde sichtbar, auf welchem am Ufer, im tiefsten Waldesschatten eine Palmblatthütte lag. Eine solche Hütte war entweder nur auf einer Seite oder nur auf zwei Seiten, oder nur bis auf Brusthöhe durch Matten geschlossen, oder bestand sogar nur aus einem auf Pfählen ruhenden Dache. Hier verbrachte eine Indianerfamilie ihre einförmigen Tage, urwüchsig, ohne Sorgen, ohne Bedürfnisse, in paradiesischem Frieden – das Urbild der menschlichen Existenz, das sich durch Tausende und Tausende von Jahren in diesen gottbegnadeten Länderstrichen erhalten. Einige neben der Hütte gereifte Bananen, ein paar den todbringenden Pfeilen zum Opfer gefallene Vögel, etliche in Fischreusen gefangene oder mit Harpunen erlegte Fische bilden die ganze Nahrung dieser Waldmenschen, Hängematten, ein paar Thongeschirre und Palmstrohkörbe die ganze Einrichtung dieser primitiven, luftigen Wohnstätten. Wozu arbeiten, wozu sich mühen, wenn die Natur mühelos bietet, was zu solch anspruchslosem Leben genügt? Diese Menschen wissen es nicht besser, und wer sagt uns, ob ihnen nicht der glücklichere Theil geworden?
Ein rascher Blick auf die Urwaldidylle, ein blitzschneller Eindruck dieser ursprünglichen Lebensweise – dann schliesst sich wieder vor dem vorüberziehenden Boote der bewohnte Erdenwinkel, und die Landschaft sinkt zurück in ihre märchenhafte, ungestörte Pflanzenherrlichkeit. Dort taucht eine Montaría auf, ein winziger Nachen mit niederem Bord; einige Schwarze hocken darin und führen geschickt die Pagaias, diese malerischen Ruder, welche man zum Rojen nicht in Dollen legt. Dann wird es wieder menschenöde, und Thiere und Pflanzen scheinen von Neuem unbestritten die Herrschaft zu führen.
Im engen Igarapé ist es noch weit bezaubernder. Das Laub wölbt sich über dem fast lautlos dahingleitenden Nachen zu einem Blätterdach zusammen, die Wasserstrasse in dämmerige Kühle hüllend. Umgestürzte Baumstämme hemmen den Lauf der Canoa; hereinragende Laubmassen nöthigen zu einem Umweg; von allen Seiten rankt, strebt, blüht Alles gegen- und durcheinander in feenhafter Pracht. Indessen im weiten Igarapé der Wald wie zwei riesige, reichgegliederte Wände an beiden Ufern des Wassers emporsteigt, ist hier das Rechts und Links mehr verwischt. Der Wald greift zu beiden Seiten über, die Zweige von hüben und drüben umschlingen und verflechten sich, und wenn man nach oben blickt, sieht man vor grünem Laub kaum mehr des Himmels Bläue. Grün ist es zu Häupten, grün zu den Seiten, grün allüberall. Hier fliesst das Gewässer nicht mehr stolz und ungehindert durch den Wald, es windet sich mühsam in unzähligen Krümmungen hindurch, noch eingeengt durch üppig wuchernde Araceen, geknickte, gefällte, in den Fluthen gebettete Bäume und deren vermodernde Stämme. Es ist hier stiller als dort, manchen Thieren scheint es zu eng und sonnenarm. Die maasslos wuchernde Pflanzenwelt hat sie verdrängt und freut sich hier des fast unbestrittenen Alleinbesitzes. Wir sehen dem Tropenwalde ins Herz, und wenn wir auch auf dem Wasser sind, wir sind doch mitten im Wald, und über uns breiten sich die hohen Laubbäume mit den in ihren Astwinkeln nistenden Bromeliaceen, als ob wir auf fester Erde ständen. Diese Kahn-Waldfahrt ist traumhaft schön, man könnte immer fahren und träumen und träumen und fahren – endlos – endlos! –
Plötzlich öffnet sich der enge Igarapé, und in grellem Sonnenlichte liegt der grosse breite Arm des Pará vor uns mit der gleichnamigen Stadt und unserem verankerten Dampfer. Der Traum hat ein jähes Ende gefunden.
Um halb fünf Uhr waren wir an Bord zurück, und nun gab es stundenlange Arbeit mit Ordnen und Unterbringen der erbeuteten Pflanzen und Thiere. Auch das Flusswasser wurde noch gemessen und ergab um 5 Uhr 30° C.
Pará. Freitag, den 29. Juni.
Den gestrigen heissen Tag – früh 7 Uhr hatte es 25° C., Nachmittags 30° C. Luftwärme – verbrachten wir möglichst ruhig im kühlen Hotelzimmer, da sich bei mir eine Fiebermahnung zeigte, welche jedoch rasch abgeschnitten wurde. Heute hingegen ging es früh 7 Uhr bei 24° C. Luftwärme und 27° C. Wasserwärme mit frischen Kräften vom Dampfer in die Stadt hinein. Auf dem Wege dahin fuhren wir am Schlachthaus vorüber, dessen Dächer förmlich schwarz bespickt waren mit Urubús (Catharistes atratus Bartram). Aber nicht nur die Dächer, auch den Boden und die umstehenden Bäume hatten die nackthalsigen schwarzen Geier bedeckt, von denen manche als verkörperte Wappenadler mit ausgespannten Flügeln unbeweglich da sassen.
Eine Maulthier-Trambahn führte uns aus der Stadt zunächst zwischen Villen hindurch. Diese Landhäuser umgaben rosablühende Gesträuche und ebenfalls in Blüthe befindliche Magnoliaceen, deren Brasilien zwei Arten besitzt. Auch Ubussúpalmen (Manicaria saccifera Gärtn.) und hohe Fächerbananen, wohl Ravenala Guyanensis Benth., schmückten ihre Gärten. Eine prachtvolle Allee dunkellaubiger Mangobäume (Mangifera indica L.) beschattete unseren Weg. Unmittelbar nach der Vorstadt Nazareth vertiefte sich die Trambahn in den Wald. Es war hier Capoeira, die wir durchfuhren, das heisst eine auf gerodetem Urwaldsboden sich erhebende Waldvegetation, welche ganz andere Formen und einen ganz anderen Charakter aufweist, als der Urwald mit seinen Baumriesen. Zwar fehlten in dieser Capoeira allerhand Palmen nicht, jedoch herrschten immerhin hohe, schlingpflanzenbehangene Laubbäume der verschiedensten Arten vor und machte sich eine grosse Mannigfaltigkeit des Unterholzes bemerkbar. Man konnte den Wald dicht nennen, wenn auch nicht undurchdringlich, wie die Igapó-Vegetation der Ilha das Onças, und hatte ungefähr den Gesammteindruck, wie von einem üppigen, ungepflegten europäischen Wald mit reichlicher Zugabe von Schlinggewächsen. Der letzte Theil des heute zurückzulegenden Weges bestand aus einem engen Walddurchhau, über welchen sich das Laub gewölbeartig zusammenschloss.
Unser heutiges Ziel war Sacramento, ein kleiner, in einer Capoeiralichtung gelegener sitio, Sitio = kleines Landgut. welcher eine gute Anzahl Kilometer von der Stadt entfernt ist. Daselbst wuchsen unter anderem Musaceen, Cacaobäume, hohe Bromeliaceen und grossblätterige Aroideen tragende Laubbäume und ein Páo Oder Pào? da terra genannter Baum mit grossen, fingerigen, einer Riesenhand gleichen Blättern und ungeniessbaren Früchten. In Braz da Costa Rubim: Vocabulario brasileiro, p. 58, ist ein Páo terra als Urwaldbaum genannt und in Malcher: Estatistica das Arvores Silvestres da Provincia do Pará, p. 1, ein Páo Macaco da terra firme, beide jedoch ohne Angabe der Familie, zu der sie gehören. Sollte es vielleicht Theobroma Mariae Schumann gewesen sein? – Die in Martius (Flora brasiliensis XIII. 2) erwähnten Páo terra stimmen weder in Blattform noch Standort. Die uns schon bekannten Japims (Cassicus persicus L.), glänzend schwarze Anús (Crotophaga ani L.) mit schönem Fächerschwanz und ein María-já-è-dia (Zonotrichia pileata Bodd.), ein kleiner Fringillide, der nur bei Sonnenaufgang sein Lied ertönen lässt, flogen über die Lichtung. Helle Pierinen, von denen hier am Amazonas den Gattungen Catopsilia und Eurema zugehörige vorkommen, blaue Thecla, von welchen verschiedene Arten in diesen Gegenden beobachtet werden, und rothe Schmetterlinge, deren man mehrere, in die Genera Colaenis und Dione eingereihte Species, gerade auf offenen, sonnigen Plätzen wie hier bei Sacramento, in der Amazonasregion anzutreffen pflegt, freuten sich im heissen Sonnenscheine ihres kurzen Lebens. Durch den Wald schlängelte sich ein murmelnder Bach, der bis auf 22° C. erwärmt war, indessen die Lufttemperatur um 1 Uhr 28° C. betrug.
Inmitten der Lichtung erhob sich ein anspruchsloses Haus mit gedeckter Veranda. Hier tanzte eine aus Männern, Weibern und Kindern bestehende Negergesellschaft, welche den Tanz mit eintönigem Gesang, unter Wiederholung derselben Worte, in portugiesischer Sprache begleitete. Als einziges Musikinstrument dienten Trommeln, die primitiv aus einem langen, ausgehöhlten, am Querschnitt fellüberspannten Baumstamm hergestellt waren und von den auf dem Instrumente rittlings sitzenden Musikanten mit den Fingern geklopft wurden. Der Tanz selbst liess an Wildheit nichts zu wünschen übrig. Bald hatten die Schwarzen die Arme hoch in die Lüfte gereckt, bald rührten sie nur dieses oder jenes Glied, bald sprangen sie auf und setzten sich dann fast zu Boden oder warfen sich gar ganz auf die Erde, um hierauf mit doppelt verzerrten Bewegungen in die Höhe zu schnellen. Man hatte vollständig den Eindruck, eine Bande Verrückter vor sich zu sehen. Endlich liess sich die schwarze Schaar, welche allerlei Negertypen repräsentirte, an langen Tischen zum einfachen Mahle nieder. Manche langten sich die Speisen mit den Händen aus dem Teller, Manche assen zu zwei aus einer Schüssel.
Auf der Rückfahrt von Sacramento hielten wir uns in einer Taverne in dem kleinen Oertchen Marco da Legoa auf, woselbst wir im Garten des pflanzenkundigen Tavernenbesitzers an Palmen, die uns neu waren, nur Pupunhas (Guilielma speciosa Mart.) entdeckten, die wichtigsten Nährpalmen der Amazonasniederung. In Nazareth endlich suchten wir in patriotischen Gefühlen einen halbblinden deutschen Priester auf, welcher, wie alle ausländischen Priester in Brasilien, im Gegensatz zu vielen einheimischen, grosse Achtung geniesst.
Pará. Samstag, den 30. Juni.
Der heutige Tag war dazu bestimmt, den Caá-Eté, den niemals überschwemmten Urwald des Festlandes, Siehe weiter oben S. 21. kennen zu lernen. Bei einer Flusstemperatur von 27° C. und einer Lufttemperatur von 24° C. gingen wir kurz nach sechs ein halb Uhr früh ans Land und fuhren per Trambahn neuerdings nach Marco da Legoa. In Begleitung eines eingewanderten Portugiesen und eines Mischlings begann nun eine mehrstündige Fusswanderung durch den tropischen Hochwald. Anfangs führte unser Pfad über eine sumpfige, palmenbedeckte Strecke, auf welcher Batagueiras (Conobea scoparoides Benth.), in der nördlichen Hälfte Brasiliens verbreitete, krautförmige Scrophularineen, wuchsen, und die Nymphea Rudgeana G. F. W. Meyer, eine gelbe, südamerikanische Seerose, sowie die zartblühende Barba de Paia (Nepsera aquatica Naud.) Diese drei Pflanzen in mein Herbarium gesammelt. die stehenden Gewässer bedeckten. Dann mussten wir uns durch das Pflanzengewirre einer Capoeira Siehe weiter oben S. 37. durchschlagen, wo unter Anderem echte Ananas (Ananas sativus Schult.) und ein Bärlapp (Selaginella Parkeri Hook. Grev) den Boden schmückten, Syngonium Vellozianum var. Poeppigii Schott, eine in Brasilien nur am Amazonas zu findende Aracee, im Gestrüpp emporkletterte und der Surinam'sche Giftbaum (Tephrosia toxicaria Pers.), Letztere drei Pflanzen in mein Herbarium gesammelt. ein akazienartig gefiederter Strauch, welcher uns als Timbó coca bezeichnet wurde, unsere Aufmerksamkeit fesselte. Eine Unmenge Eidechsen huschten über sonnenbeschienene Plätze. Unfern unserem Pfade wuchs eine Sambabaia da pluma (Lycopodium cernuum L.), ein in den Tropen gemeines Moosfarn, und ein Sabdariffe-Eibisch (Hibiscus sabdariffa L.), welchen die Brasilianer seines säuerlichen Geschmackes wegen Vinagreira nennen. Beide in mein Herbarium gesammelt. Irgend ein grösseres Thier, das wir nicht zu Gesicht bekamen, brach durch das Capoeiragestrüpp. Unsere Führer vermutheten anfangs, dass es ein Veado (Coassus rufus F. Cuvier) sei, dann aber entschieden sie sich dem verursachten Geräusche nach für einen Dickhäuter. Einige Roças, das heisst Pflanzungen, lagen am Wege, kleine, dem Walde abgerungene Fleckchen Erde. Eines war bebaut mit Baumwolle (Gossypium), Am Amazonas wird das Gossypium religiosum L. kultivirt. das andere mit Mandiocasträuchern (Manihot utilissima Pohl), jener wichtigen Nährpflanze des tropischen Brasilien, deren Wurzel den dortigen Bewohnern unser Getreidemehl ersetzt.
Endlich hatten wir den Urwald erreicht, dessen unentweihtes Gebiet wir zum ersten Male betreten sollten. Es geschah dies in jener feierlich-erwartungsvollen Stimmung, welche den noch nicht ganz in der Prosa des Lebens untergegangenen Menschen jedesmal beseelt, wenn ein Traum seiner Jugend oder auch seiner reiferen Jahre nach langem, vergeblichem Wünschen endlich der Verwirklichung entgegengeht. Eine Picada, das will sagen ein schmaler Waldweg, führte uns in den jungfräulichen Tropenwald, welcher uns bald mit all seiner märchenhaften Pracht umfing.
Wandeln wie in Traumgedanken
Durch des Urwalds einz'ge Pracht,
Wo sich die Lianen ranken
In des Dickichts kühler Nacht.
Palmen heben stolz und edel
Ihren schlanken Stamm empor,
Breiten ihre mächt'gen Wedel
Aus der Krone Dach hervor.
Blaue Schmetterlinge gaukeln
Schillernd in der klaren Luft,
Colibris um Blüthen schaukeln,
Trinken Orchideenduft.
Riesenbäume, wie sie der Caá-Igapó niemals hervorbringt, ragten in die Lüfte, der die Paránuss liefernde Castanheiro (Bertholletia excelsa Humb.), die himmelanstrebende Sapucaia (Lecythis amazonum Mart.) und die in der Neubelaubung begriffene Sumaúma (Ceïba Samauma Schum.), der grösste Baum der Amazonasflora. Ebenfalls durch ihre Höhe fiel die Sapubira (Bowdichia virgiloides H. B. K.), eine rosablühende Die Bowdichien haben zwar meist blaue, manchmal weisse, rothgestreifte Blüthen, doch mögen diese, vor Allem die weissen und roth gemischten, namentlich wenn sie noch nicht ganz geöffnet sind, aus der Ferne rosa erscheinen. Papilionacee, in die Augen und machten sich, wenn auch die bisher genannten Waldriesen an Grösse keineswegs erreichend, die Almecega vermelha (Protium heptaphyllum March., var. brasiliensis Engler) und die Cupiubeira (Spondias [lutea?] Linn.), ein schlanker Baum mit breiter Krone, bemerkbar. Neben diesen erhob sich die Timborana, Ein wissenschaftlicher Name war für diesen Baum nicht ausfindig zu machen. Es könnte allenfalls eine Verwechslung mit Imbú-rana (Bursera leptophloeos Mart.) vorliegen, doch ist diese letztere nur für die Camposregion verzeichnet, so dass man billig zu zweifeln berechtigt ist, ob sie am Amazonas vorkommen kann. welche mit ihrer föhrenartig horizontal ausgedehnten Laubmasse aus der Ferne täuschend einem Nadelbaum glich. Doch all diese Bäume liessen sich nur vom Waldrande aus übersehen. Einmal in den Urwald eingedrungen, raubte das dichte Unterholz den freien Blick auf die Baumkronen, und fast nur die Palmen, weil sie niedriger waren, konnte man im Dickicht unterscheiden. Da fehlte nicht die mittelgrosse, fiederblätterige, stachelbewehrte Mumbáca (Astrocaryum Munbaca Mart.), die auf Luftwurzeln stehende Pachyúba oder Stelzenpalme (Iriartea exorrhiza Mart.), die Bacába (Oenocarpus Bacaba Mart.) Die Oenocarpus Bacaba Mart. soll zwar nach Wallace (Martius: Flora brasiliensis. III., 2., p. 470) bei Pará nicht vorkommen, doch wüsste ich nicht, welche Species sonst die uns als Bacaba bezeichnete hohe Palme hätte sein können, umsomehr, da sie ganz verschieden war von der hier einzig noch in Frage kommenden Bacabaart, der Oenocarpus minor Mart., welche wir später zu sehen Gelegenheit hatten. – Siehe auch Martius: Beitrage zur Ethnographie etc., II. 386. Pará als Standort für Oenocarpus Bacaba Mart, genannt ist. und die wohlbekannte Assaï (Euterpe oleracea Mart.). Zum ersten Male zeigten sich uns einige Desmoncus und eine andere Kletterpalme, die dem Blatte nach ziemlich genau mit der jedoch nicht kletternden, bisher nur in Peru gefundenen Chamaedorea fragrans Mart. übereinstimmte. In mein Herbarium gesammelt; nicht bestimmbar. In dem Laubdach zu unseren Häupten glänzten die hellgrünen Blätter einiger Kautschukbäume (Hevea Brasiliensis Müll. Arg.), und unfern der Picada fiel uns ein als Almecega branca bezeichneter Baum durch sein Luftwurzelgestell in die Augen. Sicher war unter diesem Namen einer der am Amazonas in vielen Arten verbreiteten Elemibaume (Protium Burm.) zu verstehen. An Sträuchern bemerkten wir unter anderen die Urena lobata L. var. reticulata Gürke, In mein Herbarium gesammelt. eine weit verbreitete Malvacee, und den Trebú comarú, eine Acanthacee mit röthlichen, lanzettförmigen Blättern, welch letztere in der Nervatur den Blättern der Gattung Beloperone nahe standen. Weder der einheimische Name noch das mitgebrachte Herbarium-Exemplar haben Aufschluss über die Species dieser Pflanze gegeben. Den Boden schmückten die dunkelrothen Blüthen der Amasonia punicea Vahl, In mein Herbarium gesammelt. eines nur in den Tropen vorkommenden Eisenkraut-Gewächses (Verbenacee), und bedeckten in dichtem Teppich allerhand Araceen und Farne. An letzteren will ich nur erwähnen das in den brasilianischen Urwäldern häufige Nephrodium villosum Presl. var. subincisum Baker und das Polypodium macropterum Kaulf var. connexus Baker, In mein Herbarium gesammelt. ein bisher nur in Mittelbrasilien gefundenes Tüpfelfarn. Die Araceen hatten ihren Standort nicht nur in den niedersten Waldregionen. Manche unter ihnen strebten vom Waldesgrunde empor nach Luft und Licht, und auf den Bäumen wuchsen schöne langblätterige Arten, so zum Beispiel Stenospermatum Spruceanum Schott, In mein Herbarium gesammelt. in Brasilien die einzige Vertreterin ihrer hauptsächlich auf Peru beschränkten Gattung. Unter den zahllosen Lianen that sich vor Allem die riesige Jabutí-Mutá-Mutá (Bauhinia [Sprucei Benth.?]) Ausser Bauhinia Sprucei Benth. wären hier, von einigen anderen Arten abgesehen, vor Allem Bauhinia longipetala Walp u. Bauhinia splendens H. B. K. in Betracht zu ziehen, letztere namentlich, sofern sie nicht, wie es scheint, ihren Standort mehr in den Capoeiras hätte. hervor, deren bandförmig flacher, welliger Stamm eine wahrhaftige, über 10 cm breite, feste Treppe bildete, auf der man hätte hinaufklettern können. Luftwurzeln von Schlinggewächsen und Epiphyten hingen gleich Schnüren und Seilen aus den Baumkronen herab.
In dieses Pflanzenchaos nun vertiefte sich unser Pfad. Wir mussten über gestürzte, den Weg versperrende Stämme klettern, welche ganz von Parasiten überwuchert waren; wir verfingen uns in Lianenschlingen, strauchelten über allerhand Wurzeln und abgebrochene Aeste, und glitten auf moderndem Laube aus. Es war manchmal mehr ein Sichdurchkämpfen als ein ruhiges Dahinwandern. Hoch über uns in den Lüften ertönte das ohrenzerreissende Gekreisch von Sittichen und Kurzschwanz-Papageien, neben uns waren da und dort im Waldboden von Armadillen (Dasypus) gegrabene Höhleneingänge. Riesenameisen (Dinoponera grandis L.), einsam im Walde umherstreifende blauschwarze Thiere von zweieinhalb Centimeter Länge, welche von den Eingeborenen wegen ihres, heftigen Schmerz und Fieber verursachenden Stiches sehr gefürchtet werden, liefen über die Picada. Heuschrecken sprangen umher. Ein Mamangão (Pepsis heros Fabr.), eine wundervolle, schwärzlich-blaue Wegwespe mit dunkelröthlichen Flügeln Der Körper ist 6 cm lang, die Spannweite der Flügel beträgt 10 cm. schwirrte durch das Dickicht. Ein seltener und schöner schwarzer Rüsselkäfer mit weisspunktirten Flügeldecken, Cratosomus bufo Dejean, wagte sich über den Weg. Reizende blaue Thecla, auch rothe Schmetterlinge, vielleicht Temenis Laothea var. Ariadne Cram., Diese Temenis wurden bisher nur am Amazonas und in Guyana beobachtet. flatterten vorüber. Morpho Achilles L., ein schwarzer Riesenfalter (Morphidae) mit breitem, silberblauem, atlasglänzendem Querband und einer Spannweite von 12 cm, ein Weibchen von Papilio Hippason loa var. Paraensis Bates, ein ebenfalls schwarzer Edelfalter mit weissem Fleck auf den Vorderflügeln und mehreren prachtvoll karminrothen Flecken auf den gezähnten Hinterflügeln Diese Papilionine gehört einer auf Guyana und das Amazonasdelta beschränkten Art an und ist eine Varietät, welche ausschliesslich in der Umgegend Parás vorkommt. und ein kleiner, unansehnlicher, dunkel und hellbraun gebänderter Hesperide, der Achlyodes Bromius Stoll, Ist nur für die Fauna Guyanas erwähnt. flogen der Picada entlang. Helicopis Cupido L., eine weitverbreitete Lemoniine mit hübsch gezahnten silberfleckigen Hinterflügeln und Eunica Eurata Cram. Es ist etwas zweifelhaft, ob wir diese Ennica-Species wirklich hier beobachtet und gefangen haben., eine kleine Nymphaline mit entzückendem, sattblauem Atlasschimmer auf der Flügeloberseite, wagten sich indessen mehr an die Sonne heraus.
Wir arbeiteten fleissig mit dem Schmetterlingsnetz und mit Nikotin, und sicherten unserer entomologischen Sammlung eine reiche Beute. Dann setzten wir unsere Wanderung nach einem Cacaoal, d. h. einer Cacaopflanzung fort, wo Baum an Baum das dunkle, massige Laub aneinanderfügte. Am Boden raschelte ein grosses Reptil und schlängelte sich durch das Gebüsch. Unsere Leute meinten, es könne eine Jararáca (Lachesis lanceolatus Lacép.), die 1,4-1,7 m lange, gemeinste und überaus gefürchtete Lochotter Brasiliens, sein. Es wäre dies nicht die erste Schlange des heutigen Tages gewesen, denn kurz vorher war, als wir nach einem hochsitzenden Schmetterlinge schlugen, unter der Rinde eines Stammes heraus eine Baumschlange knapp neben uns zur Erde gefallen. Hinter dem Cacaoal trafen wir auf ein Stück Vargem, Siehe weiter oben S. 18 und Anmerkung daselbst. welches ein reizender Igarapé Siehe weiter oben S. 33 und Anmerkung daselbst. durchzog. Auf dem stillen Wasser wiegten sich zwei Canoas, und über dasselbe waren als primitive Brücke einige morsche Baumstämme gelegt. Träumerisch schloss sich der hier ungemein üppige Urwald über dem friedlichen Bilde. Mauritien und andere Palmen strebten empor. Einige Kautschukbäume leuchteten durch ihr helleres Grün aus dem übrigen Laub heraus; sie waren angezapft und unter ihren Wunden hingen, an den Stamm befestigt, kleine Thongefässe zum Auffangen des herausfliessenden kostbaren Saftes. Ein Apuhy (Clusia insignis Mart.), ein, wie unser Führer behauptete, milchsaftspendender Waldriese, Nach dem Botaniker Barboza Rodrigues (Pacificação dos Crichanás 164) ist unter Apuhy eine Clusia, und nach Martius: Flora brasiliensis (XII. 1. S. 424) zweifellos die Clusia insignis zu verstehen, welche auf den von uns gesehenen, jedoch nicht näher beachteten Baum, wohl dem Standort, aber weder der Grösse noch dem Enthalten von Milchsaft nach stimmt. Die letzteren beiden Punkte betreffend besteht nur die Möglichkeit anzunehmen, dass wir ein besonders altes und daher ungewöhnlich grosses Exemplar von Clus. insign. antrafen, ferner dass unser Führer den gummiharzigen Saft der Guttibäume mit Milchsaft verwechselte. Andererseits ist aber auch möglich, dass wir in Bezug auf die Species des Baumes ganz falsch berichtet wurden und es ein Abiú (Chrysophyllum L.) (siehe Malcher: Estatistica das Arvores Silvestres da Provincia do Pará, p. 4) oder eine andere Sapotacee, nämlich die Massarandúba (Mimucops elata All.) war, welch letztere, obwohl in Flora brasiliensis (VII. p. 43) nicht für den Amazonas erwähnt, doch in anderen Werken (Souza: Valle do Amazonas, p. 278. – Malcher I. c. p. 2. – Bates: The Naturalist on the River Amazon, p. 30. – Wallace: Travels on the Amazon and Rio Negro, p. 28, 436. – Spruce: Botanical Excursion on the Amazon [Hooker's Journal of Botany, II. 74]) als dort vorkommend genannt wird. – Uebrigens stimmt der von Spruce in Hooker's Journal etc. (II. 230) ohne wissenschaftlichen Namen angeführte Uapui im Habitus vollständig mit unserem Apuhy oder Apui überein, und dürfte somit letzterer nicht die Massarandúba sein, da Spruce die Mass. und den Uapui als zweierlei Bäume anführt. daneben ein in Brasilien ziemlich verbreiteter, Ucuúba (Myristica sebifera Swartz) genannter Baum, dessen Stamm beim Anschneiden reichlich Saft entquillt und dessen Früchte zur Kerzenfabrikation dienen, endlich eine im Amazonasthal häufige Meliacee, die Andiroba (Carapa Guianensis Aubl.), deren Samen Oel liefern, fielen uns im Dickicht in die Augen. Doch merkwürdiger als alles Andere erschienen uns die Tafelwurzeln einer ausserordentlich grossen Sumaúma (Ceïba Samauma Schum.); sie glichen den Riesenfalten einer ungeheuren Schleppe und bildeten eine Art Nische, aus welcher ein ziemlich umfangreicher Cacaobaum herauswuchs. Leben auf Leben, Ueppigkeit, kolossale Verhältnisse, wo man nur hinblickte!
Inmitten des Cacaoals stand eine Seringueirohütte, d. h. die bescheidene Palmstrohbehausung eines Kautschuksammlers. Wir traten in dieselbe ein. Sie umfasste einen einzigen Raum und hatte die vordere Hauswand nur bis zur Brusthöhe aufgeführt. Das Dach war mit Ubim-, d. h. Geonoma- oder Erdpalmblättern, und zwar vermuthlich der Species Geonoma baculifera Kth., Diese Geonoma-Art wird in den schattigen, trockenen Waldungen um Pará häufig angetroffen. gedeckt. Die innere Einrichtung bestand aus Hängematten, einem Altärchen und einigen anderen Habseligkeiten. Neben dem Hause erhob sich unter Anderem ein Fructa-pão oder Brotbaum (Artocarpus incisa L.); er beschattete ein auf Pfählen ruhendes, niederes, blättergedecktes kleines Satteldach, unter welchem der Kautschuk bereitet wurde. Zu Mittag kam der Seringueiro, ein Mestize, reichbeladen nach Hause. Er hatte im Walde den Milchsaft aus den an den Gummibäumen aufgehängten kleinen Thongefässen in ein grösseres Gefäss aus Fruchtschale zusammengesammelt und schüttete nun denselben in eine grosse Metallschüssel, ihn über dem offenen Feuer zu erwärmen. Einige Zeit nachdem dies geschehen, tauchte er eine Holzschaufel, welche schon mit der Kautschukmasse der vorhergehenden Tage überklebt war und an die mit Glasmasse bedeckte Pfeife eines Glasbläsers erinnerte, in den inzwischen erwärmten Milchsaft und drehte sie darin um. Unfern der Metallschüssel stand ein irdenes Geschirr in Form eines Bienenkorbes oder einer breiten Flasche ohne Boden, darunter brannten getrocknete Früchte der Urucurípalme (Attalea excelsa Mart.). In dem ihnen, beziehungsweise dem Flaschenhals entströmenden Rauch wurde nun die aus der Schüssel gezogene und mit frischem Saft überlaufene Holzscheibe gehalten und fortwährend gewendet, bis die Flüssigkeit, gerinnend, sich verdickt hatte. Dieses Verfahren wiederholte sich so lange als noch Milchsaft im Metallgefäss vorhanden war.
So weit konnten wir das Verfahren verfolgen. Den Schluss desselben, der nach etlichen Tagen eintreten sollte, liessen wir uns erzählen. Erst nachdem die nach und nach dunkel werdende Kautschukmasse, welche täglich Zuwachs erhält, ein Gewicht von 2-5 Kilo erreicht hat, wird sie vom Holz herabgeschnitten. Sie gelangt, als erste oder zweite Qualität, nach dem Gewicht in den Handel. Der in Gestalt einer Haut täglich in der Schüssel zurückbleibende Rest wird abgekratzt, zusammengeballt und als dritte Qualität, vom halben Werth der ersten, verkauft. Es kommen aus den beiden Provinzen Amazonas und Pará jedes Jahr 15 Millionen Kilogramm Kautschuk zum Export; der Preis des Kilogramms schwankt, nach Qualität und Nachfrage, zwischen 2,5 und 8 Mk. Santa-Anna Nery: Le Brésil, 217. 223. 224. 455. Da die, ursprünglich von den Omaguaindianern erlernte Kautschukgewinnung ziemlich mühelos und sehr einträglich ist – man rechnet einen Durchschnittsverdienst von mehr als 20 Mk. pro Tag –, drängen sich, zum Schaden der Landwirthschaft, alle Arbeitskräfte ihr zu und beschäftigte sie um das Jahr 1880 an 40 000 Menschen. Uebrigens ist die Arbeit des Seringueiro wegen der Enchente, Siehe weiter oben S. 18. der durch sie verursachten Ueberschwemmungen und Fieber, grösstentheils auf die Zeit von Juni oder Juli bis Januar beschränkt. José Verissimo: Revista Amazonica, II. 81 e. seg. – Souza: Valle do Amazonas, 155. 220. 295. – Couto de Magalhães: O Selvagem, II. 89.
Nachdem wir die Gewinnung des Haupt-Ausfuhrartikels von Pará hiermit kennen gelernt, traten wir bei einer Temperatur von 28° C. unseren Rückweg durch den Urwald an. Wieder umfing uns der Zauber dieser einzigen Waldlandschaft, dieser unerreichten Pflanzenüppigkeit. Baum reihte sich an Baum, ein jeder mit grossen Parasiten und überhaupt verschiedenen Arten von Epiphyten über und über bewachsen, behangen und erklettert. Der Riesenstamm einer Caruba (Caesalpinia brasiliensis Sw.?), In Malcher (Estatistica das Arvores etc., p. 1, 2, 3) ist für Pará unter dem Vulgärnamen Guaryuba die Caesalpinia brasiliensis erwähnt, unter dem Namen Quarúba die Vachyria (soll zweifellos heissen Vochysia) acida, für Manáos unter dem Namen Caroba die Bignonia brasiliensis. In Silva Araujo (Diccionario do Alto Amazonas, p. 19, 20) ist sowohl eine Guariúba wie eine Guarijúba unter den Bauhölzern genannt. Alles ohne nähere Beschreibung. – In Martius (Flora brasiliensis, XIII. 2 und XV. 2) findet sich weder eine Caes. bras. noch eine Voch. ac. angeführt, und die Bignoniaceen sind in diesem Werk bisher noch nicht erschienen. – Da die Quellen so mangelhaft sind, ist es schwer, die Species des von uns gesehenen Baumes sicher zu bestimmen. einer Leguminose, deren Holz zu Canoabauten verwendet wird, lag quer über den Weg, und es musste mühsam darüber hinweggeturnt werden. Am Waldrand begrüssten uns Colibris, Japims (Cassicus persicus L.) und andere Vögel, von welchen ein Rouxinol (Icterus cayanensis L.) und ein dem Dendrexetastes temminckii Lafr. sehr nahe stehender Pica-páo oder Baumhacker Dieser Vogel stellte sich später als eine vermuthlich neue Species von Dendrexetastes heraus, welcher den Namen Dendrexetastes paraënsis erhalten hat. [Siehe Lorenz: Ueber einen vermuthlich neuen Dendrocolaptiden (Annalen des K. K. naturhistorischen Hofmuseums. Jahrgang 1896).] das Opfer unserer Flinte wurden.
Pará. Sonntag, den 1. Juli.
Um 7 Uhr früh zeigte das Thermometer 27° C. im Amazonaswasser, 23° C. in der Luft. Wir fuhren an das Land, die Militärmesse in der Igreja de S. Anna zu hören. Während der heiligen Handlung spielte die Regimentsmusik lustige Weisen, im feierlichsten Augenblick ein äusserst lärmendes Stück. Die Mannschaft kniete am Boden von der Präfation bis nach der Kommunion. Als der Gottesdienst vollendet war, stellte sich die Truppe, unter welcher wir Mulatten und Neger bemerkten, vor der Kirche auf, brachte dies aber so unbefriedigend zu Stande, dass der Offizier die Aufstellung wiederholen liess. Der Offizier selbst sass von der rechten und nicht, wie bei uns üblich, von der linken Seite auf. Die Uniformirung dieser ersten Probe brasilianischen Militärs – es war Artillerie – erinnerte etwas an die der griechischen Armee. Der Eindruck, welchen uns die Truppe hinterliess, war, sowohl was Ausbildung als was Montur betraf, ein keineswegs günstiger.
Nachmittags 1 Uhr maassen wir 28° C. Fluss- und fast 30° C. Lufttemperatur. Das Barometer stand unverändert auf schön.
Abends an Bord wurde eine Calliomma Nomius Boisd. gefangen, ein sehr seltener, rehfarbiger Schwärmer (Sphingidae) mit dunkelrostbraunen, silbergezeichneten Flügeln, der bisher nur in Brasilien beobachtet worden ist.
Pará. Montag, den 2. Juli.
Eine kleine Steamlaunch, welche wir gemiethet hatten, brachte uns des Morgens in zwei Stunden nach der Insel Araparý. Dortselbst sollten wir den gleichnamigen Engenho Unter Engenho versteht man eine mit Zuckerfabrik verbundene Zuckerplantage. der Familie Laroque besuchen, von welch letzterer ein sehr liebenswürdiges Mitglied einer unserer Reisegefährten auf der Ueberfahrt nach Brasilien gewesen war. Der Weg zur Insel führte zunächst Pará entlang, dessen Westende mit seinen bis an das Wasser hinunterreichenden Gebäuden an Venedig erinnerte. Marinearsenal und Fort boten einen ganz malerischen Anblick. Von da ab vertiefte sich unsere Launch in die Inselwelt des Rio Pará. Stellenweise erstreckte sich die Wasserfläche seebreit zwischen den ausgedehnten, ganz flachen Inseln, dann wurde das Fahrwasser wieder enger. Der Charakter der Eilande war derjenige der bisher gesehenen: ein Saum von Mangroven oder Montrichardien, dahinter hohe, schön abgetönte Laubbäume, wundervoll gruppirt, darüber noch das Schirmdach riesiger Bombaceen.
Nach heisser Fahrt, welche nur das Sonnensegel erträglich gestalten konnte, erreichten wir den am Ende eines Igarapé gelegenen Engenho. Im Garten und der nächsten Umgebung dieser Ansiedlung waren verschiedene Kulturpflanzen, bemerkenswerthe brasilianische Pflanzen und tropische Gewächse aus anderen Erdtheilen bunt durcheinander gewürfelt. Neben dunkellaubigen Cacaobäumen erhoben sich kleine und unschöne Baumwollsträucher (Gossypium), unansehnliche Kaffeebäumchen (Coffea arabica L.) mit reifen und unreifen, gelben und rothen Beeren; eine Tamarindus indica L. mit ihren reizenden Fiederblättchen; Inga ingoides Willd., Es könnte auch gut die der Inga ingoides sehr nahe stehende, bei Pará kultivirte Inga edulis Mart. gewesen sein, doch stimmte die Länge der Frucht mehr mit derjenigen von Inga ingoides. eine sehr merkwürdige baumförmige Mimosee mit einen guten Centimeter breiten, nahezu einen Meter langen Früchten; birntragende Goiababäume (Psidium piriferum L.), deren Fruchtfleisch die bekannten Gelées liefert; ein Assacú oder gemeiner Streusandbüchsenbaum (Hura crepitans L.), eine stachelbewehrte, giftige Milch gebende Euphorbiacee; ein gewaltiger, vielverzweigter, indischer Banyanenbaum (Fictis indica Roxb.) mit unzähligen Säulenwurzeln, einige Ambaúba (Cecropia leucocoma Micq.), In mein Herbarium gesammelt. schlanke, baumförmige Artocarpaceen mit gefingerten Blättern und weisslicher Blattunterseite; ein Echter und ein Glanzblätteriger Brotbaum (Artocarpus incisa L. und Artocarpus integrifolia L.), welch letzterem die cocosnussgrossen Früchte am Stamme sitzen; Kalabassenbäume (Crescentia Cujete L.), In mein Herbarium gesammelt. denen die riesigen Früchte ebenfalls dem Stamm entwachsen und welche hauptsächlich die, Cuias genannten, am Amazonas gebräuchlichen Gefässe liefern; eine nicht hohe Genipa americana L., an der uns die hellgrüne Farbe des Laubes, die magere Blattentwicklung und die an diejenige unseres Nussbaumes etwas erinnernde Form der Blätter in die Augen fiel, und welche ferner auch unser Interesse erweckte, da aus ihren Beeren die Indianer eine blauschwarze, zum Tätowiren verwendete Farbe bereiten; endlich ein Strauch mit rothen Blüthen und kleinen Früchten, welch letztere zur Herstellung des berühmten, überaus gefährlichen Uirari oder Pfeilgiftes dienen. Es dürfte der Grösse und Blüthenfarbe nach wohl das am Japurá wachsende Guatteria veniticorum Mart. gewesen sein, dessen Früchte von den Jurí-Indianern zur Uiraribereitung verwendet werden; s. Martius: Flora brasiliensis, XIII. 1, p. 34. – Martius: Zur Ethnographie Amerikas, S. 659 Anmerk., und Martius: Ueber die Bereitung des Pfeilgiftes Urari etc. Repertorium für die Pharmacie, XXXVI. S. 344). Auch Palmen waren in reicher Auswahl vertreten, so die Pupunha (Guilielma speciosa Mart.) mit ihrem stacheligen Stamm, die Inajá (Maximiliana regia Mart.), die imposante Königspalme (Oreodoxa regia Humb. Bonpl. et Kth.), die Mucajá (Acrocomia sclerocarpa Mart.), die schlanke Assaï (Euterpe oleracea Mart.), die schöne Mirití (Mauritia flexuosa L.) und andere mehr, als einzig neue für uns die Murúmurú (Astrocaryum Murumuru Mart.).
Nach der belehrenden Inaugenscheinnahme all dieser tropischen Pflanzen begaben wir uns in das Haus, woselbst eine halbzahme Cutiá (Dasyprocta Aguti Erxl.) in grossen Sätzen behende und blitzschnell dahinsprang. Es war dies ein fast hasenartiges Nagethier mit gelblich und braunem, länglichem rauhen Haar, spitzem kleinen Kopf und nach den Vorderfüssen zu, wie bei einem Känguruh, schmäler werdendem Körper. Auch eine Katze belebte das Haus, welche uns deshalb bemerkenswerth wurde, weil sie nicht den Typus unserer deutschen Katzen, sondern denjenigen der griechischen trug, nämlich sehr hohe Beine und auffallend grosse Ohren hatte. Von den im Engenho hausenden Königsschlangen (Boa constrictor L.) kam uns leider keine zu Gesicht. Jedoch erhielten wir in Weingeist eine der in der Umgegend häufigen, Diese Wickelschlange scheint hauptsächlich in Guyana vorzukommen. von den Eingeborenen kurzweg Cobra coral genannten Korallenrollschlangen (Ilysia scytale L.) geschenkt, prachtvoll roth und schwarz quergestreifte, ungiftige Thiere, welche meist in Erdlöchern leben und durch ihren walzenförmigen Körper auffallen. Als eine wahre Landplage schilderte man uns die im Haus herumwimmelnden winzigen gelben Ameisen, vor welchen nichts sicherzustellen ist. Es könnten dies der Färbung und Grösse nach Monomorium pharaonis (L.) Mayr oder auch M. floricola (Jerd.) Em. sein, letztere, sofern auch sie, was nicht ganz sicher festgestellt ist, gleich dem M. pharaonis Alles zusammenfressen. Eine sichere Bestimmung ist in diesem Falle ohne ein Individuum der Art vor Augen zu haben, nur nach kurzen Reisenotizen überhaupt unmöglich, da es hier, wie in allen Tropengegenden eine ganze Reihe von Species kleiner, heller, in den Häusern wimmelnder Ameisen giebt. Auch wurde uns von einer hier im Walde lebenden Termitenart erzählt, welche grosse Thon- oder Holznester an die Aeste baut, ebenfalls die Häuser besucht und dort nahezu Alles, sogar die Gebäude selbst, angreift und zu zerstören vermag. Es giebt in Brasilien zum Mindesten drei, vielleicht aber sogar bis zu zwölf, baumnesterbauende Termitenarten, doch ist nur eine Art erwähnt, welche zugleich auch in den Häusern zerstörend auftritt; es ist dies Termes Ripertii Rambur. (Hagen: Monographie der Termiten. [Linnaea Entomologica, XII. 186 ff., XIV. 85 ff.]) Der sehr gefürchtete Termes devastans Kollar würde, was seine Zerstörungsarbeiten betrifft, auch für die hier auf Araparý genannten Termiten passen, doch ist nirgends zu ersehen, ob er gleichfalls Baumnester baut. (Pohl und Kollar: Brasiliens vorzüglich lästige Insecten, S. 13. Hagen: Monographie etc. Linnaea etc., X. 103, XII. 229).
Neben dem Wohnhaus und der Fabrik in Araparý standen die nur halbgeschlossenen Negerhütten. Hinter diesen begannen die jetzt noch hellgrünen Zuckerrohrfelder, von welchen das Zuckerrohr zum Theil auf dem Igarapé mittelst Canoa nach der Fabrik geschafft zu werden pflegt. Im Engenho waren 60 Neger beschäftigt, von welchen die Männer vier, die Weiber drei Mark Taglohn bezogen. Sie waren alle Sklaven gewesen und hatten erst vor wenig Monaten durch die Emancipation ihre Freiheit erhalten, die sie sehr froh zu stimmen schien. Von diesen hiesigen Sklaven soll nie einer entlaufen, aber auch nie einer geschlagen worden sein, obwohl man es an der diesen Leuten gegenüber nöthigen Strenge nicht hatte fehlen lassen. Die Abschaffung der Sklaverei betrachteten die Fazendeiros Gutsbesitzer als empfindlichen Verlust, da jeder Sklave für sie den Werth etlicher tausend Mark repräsentirte.
Im Engenho wurde gerade kein Zucker, nur Cachaça, das heisst Zuckerbranntwein, fabrizirt. Nichtsdestoweniger besichtigten wir sämmtliche Fabrikräume und liessen uns den nicht selbst beobachteten Betrieb, wie folgt, wenigstens berichten. Das vom Felde gebrachte Zuckerrohr wird zunächst auf eine schiefe Ebene geschüttet, von welcher es zwischen zwei Walzen hineinrutscht, die es zerquetschen. Den hierdurch ausgepressten und dann abfliessenden Zuckersaft treibt ein Dampfdruck bis unter das Dach hinauf und in die Sudpfanne hinein. Sobald der Saft, dem Kalkmilch zugesetzt wird, gesotten hat, leitet man ihn in grosse Kessel, in welchen er einkocht, indessen der obenauf sich bildende schmutzige Schaum abgeschöpft werden muss. Endlich bringt man den Zuckersaft in einen Vakuumcylinder, in dem sich die Krystallisation vollzieht. Zum Schluss wird mittelst einer Centrifugalmaschine vom krystallisirten Zucker die Melasse ausgeschieden. Letztere dient zur Cachaçabereitung. Man lässt die Melasse aufkochen und dann in grossen, offenen Bottichen gähren, wozu kaum etliche Tage nöthig sind; hierauf leitet man sie in den Destillationsapparat, wo Zuckerbranntwein verschiedener Stärke gewonnen wird. Je älter die Cachaça, um so mehr nimmt sie eine gelbe Farbe an und an Stärke zu; ihre feinste Sorte ist der Rum. Im Engenho wird sie in grosse Fässer gefüllt, von da in Flaschen und so verwahrt zur Stadt gebracht.
Der Konsum an Cachaça oder Zuckerrohrbranntwein im Lande ist sehr bedeutend, die Ausfuhr hingegen beträgt nur 1,5 Millionen Liter. Sowohl Produktion, wie Export sind übrigens gegen früher sehr zurückgegangen, da auf den grossen Engenhos durch die nun vollkommeneren Maschinen mehr Zucker, dafür aber weniger Branntwein gewonnen wird. Von dem in Brasilien produzirten Zucker wird ebenfalls ein Theil im Lande selbst abgesetzt, das übrige exportirt. 1886/87 belief sich die Ausfuhr auf 226 Millionen Kilogramm im Werthe von ungefähr 33 Millionen Mark. Nach Anderen von über 40 Millionen Mark. Nach dem Kaffee stand unter allen brasilianischen Exportartikeln der Zucker in erster Linie. Die Zuckerrohrkultur, zu welcher sich das Amazonasthal vorzüglich eignen würde, ist, Dank dem leichteren Lebenserwerb durch Ausbeutung der Waldprodukte, daselbst wenig verbreitet, umsomehr aber in den südlichen Landestheilen. Levasseur: Le Brésil, 64, 65, 76. – Souza: Valle do Amazonas, 68, 155. – Santa Anna-Nery: Le Brésil, 223 et s., 456. Diejenige Art der Zuckerfabrikation, in welche wir heute einen Einblick gewannen, ist nicht massgebend für das ganze Land. Der Betrieb solcher Fabriken wechselt meistens, je nachdem sie in kleinerem oder grösserem Stile eingerichtet sind, da hiermit auch gewöhnlich die Anwendung von einfacheren oder vollkommeneren Maschinen verbunden ist.
Nach Besichtigung der Siederei und Brennerei wurden wir im Freien bewirthet, wobei uns zum ersten Male die in der Form kastanienähnlichen, gebratenen Kerne der Brotbaumfrucht, Siehe weiter oben S. 50. deren jede etliche enthält, vorgesetzt wurden. Wir fanden sie mehlig und gut, im Geschmack sowohl an Kartoffel, wie an Kastanien erinnernd. Während wir beim Frühstück sassen, liess der Hausherr einen Mamelucoknaben eine hohe Palme erklettern. Es geschah dies, uns zu zeigen, wie man an glatten, astlosen Stämmen emporklimmt. Der Junge stellte seine Füsse in eine um den Palmstamm gewundene feste Lianenschlinge und stieg oder vielmehr rutschte, Arme und Beine wagerecht gegen den Baum gestemmt, mit seiner Peconha Péconha = Lianenschlinge; aus dem Tupí stammendes Wort. Siehe Verissimo: Revista do Amazonas, I. 135. rasch nach aufwärts, zwischen den Zähnen das grosse Buschmesser haltend, welches ihm dienen sollte, die in höchster Höhe befindlichen Blätter, beziehungsweise Früchte herunterzuhauen.
In der Capoeira, Siehe S. 37. welche den Engenho umgab, wurde heute gerade eine Roça, das heisst ein gerodeter Platz, Unter Roça versteht man sowohl Reutland wie Pflanzung (siehe weiter oben S. 39). hergestellt. Auch dies mussten wir zu unserer Belehrung noch in Augenschein nehmen. Eine winzige Montana, Montaria ist am Amazonas das für Canoa gebräuchliche Wort. Siehe Verissimo: Revista etc., I. 50, II. 10. ein kielloses, primitives Fahrzeug, brachte uns auf dem Igarapé nach der gewünschten Stelle. Guarda-Rios (Crotophaga major Gm.) flogen über das Wasser, Krähenstärlinge (Cassicus persicus L.) umschwärmten kreischend ihre an Bombaceen hängenden Beutelnester, rothe und blaue Schmetterlinge gaukelten den Ufern entlang, und Paranacaché (Pentaclethra filamentosa Benth.), In mein Herbarium gesammelt. – Dieser Baum wird nach Barboza Rodrigues (Hortus fluminensis, 152) entgegen Martius (Flora brasiliensis, XV. 2, p. 263) Parauachy, Parauákochy genannt. baumbildende Mimoseen mit horizontal gestellten Blättern, wiegten ihr zartes Laub über den Fluthen. Das in eine Roça umzuwandelnde Stück Capoeira wimmelte von dunkelhäutigen Arbeitern beiderlei Geschlechtes. Die Leute hantirten mit dem unvermeidlichen Buschmesser, dem Terçado. Das Werk ging ungemein rasch vorwärts, scheinbar widerstandslos fielen die über armsdicken Aningastämme, Stämme von Montrichardia arborescens Schott. auch Palmen und andere kräftige Gewächse zu Boden, und in kurzer Zeit war eine grosse Strecke Capoeira niedergelegt. Es sah aus wie ein Schlachtfeld. Sterbende und todte Pflanzen lagen in wüstem Durcheinander aufgehäuft und in wenigen Tagen sollte das Feuer diese armen Kinder der Tropen vertilgen. Dann war das aschegedüngte Stück Land zur Bebauung vorbereitet. –
An Bord unserer »Manauense« zurückgekehrt, verbrachten wir den Rest des Tages, die erbeuteten Thiere und Pflanzen zu versorgen und unsere in der Capoeira zu Schaden gekommenen Kleider wieder in Stand zu setzen. Mittags zeigte das Thermometer 28° C. Der Himmel war vielfach bewölkt, und abends stellte sich, wie häufig zu dieser Tageszeit, heftiger Regen ein. –
Morgen sollen wir Pará verlassen, da unser Dampfer seinen Kurs stromaufwärts nach Manáos fortzusetzen hat. Die letztvergangene Woche, die erste Woche in der Aequatorialzone, ist nach Wunsch verflossen. Ziemlich regelmässig fuhren wir jeden Tag zwischen 6 und 7 Uhr früh von Bord weg, wozu das Boot schon den Nachmittag vorher im Hafen bestellt werden musste. Es bedurfte nämlich vor nachmittäglichem Schluss des Zollamtes jedesmal eine eigene Erlaubniss für das so frühe Anlegen eines Paraenser Bootes an unseren Dampfer. Die Zollbehörden sind hier ungemein streng, und wir hatten uns täglich, ehe wir die »Manauense« verliessen, durch den Tag und Nacht an Bord befindlichen Mauthbeamten einer Prüfung unterziehen zu lassen, ob wir nicht etwa zollpflichtige Waare mit uns führten. Endlich flott geworden, benutzten wir den Morgen am Land zu Ausflügen oder Besorgungen, trachteten in den unerträglich heissen Mittagsstunden womöglich im Schatten einer Veranda oder in einem Zimmer zu rasten, waren nachmittags zu neuen Unternehmungen bereit und kehrten abends 5 oder 6 Uhr zu unserer schwimmenden Behausung zurück. Für die uns bevorstehenden bescheidenen Expeditionen haben wir uns in Pará fertig ausgerüstet. Unsere aus Europa mitgebrachten Feldbetten, welche sowohl der Decke, wie der Matratze und des Kopfkissens entbehren und bloss aus einem über ein hohes Metallgestell gespannten Segeltuche bestehen, sollen auf den Fahrten in den Amazonasgegenden durch Hängematten ersetzt werden. So sind an letzteren, den unentbehrlichen Begleitern der im äquatorialen Brasilien Reisenden, vier Stück angeschafft worden. Drei bestehen aus Baumwollgewebe, und ihre Verfertiger sind Weisse der brasilianischen Nordküste; die vierte, ein aus den Blättern der Tucúmpalme (Astrocaryum vulgare Mart.) hergestelltes Spagatgeflecht ist eine echt indianische Arbeit. Als Schutz gegen die entsetzliche Mückenplage hat jede Hängematte eine Art Moskitonetz, welches bis zum Boden reicht, beigelegt erhalten. Ferner ist für das Zeltleben noch eine zweite, feste Handlaterne gekauft worden und für die Ausflüge in den Urwald ein Terçado, Die Eingeborenen verderben dieses gut portugiesische Wort in Traçada. eines der unentbehrlichen, grossen Buschmesser; unseres – trägt eine rheinische Firma! Endlich haben wir uns noch Kerzen und Konserven verschafft. –
Bei den hiesigen Deutschen ist uns ein äusserst freundliches Entgegenkommen zu Theil geworden. Im Gefühl der Stammes-Zusammengehörigkeit sind sie uns, wo sie konnten, an die Hand gegangen – ein in solchen Ländern doppelt schätzbares Benehmen, da man oft gänzlich auf die freiwillige Hilfe Ortsangesessener angewiesen ist. Sie haben uns mit vaterländischen Zeitungen versorgt und uns manchen guten Rath auf die Weiterreise mitgegeben. Auch unsere zoologische Sammlung ist durch sie vermehrt worden. Wir erhielten an Reptilien eine junge Arráuschildkröte (Podocnemis expansa Schw.); einen ebenfalls jungen Brillenkaiman (Caiman sclerops Schneid.), eine den Namen Jaburána führende, weiss und schwarze Doppelschleiche (Amphisbaena fuliginosa L.), somit einen in der Erde lebenden Saurier; eine von den Brasilianern Cipó Den Namen Cipó tragen Schlangen verschiedener Art, wohl weil diese sämmtlich ein cipó-(lianen-)artiges Aussehen haben. Siehe Wied: Beiträge zur Naturgeschichte Brasiliens, I. 263, 284. genannte Schlange und zwar Leptophis liocercus Wied, einer jener langen, dünnen unschädlichen Ophidier, welche zu den Baumschlangen (Dendrophidae) gehören, auf den Zweigen nach Beute lauern und namentlich in Guyana gefunden werden; ein Lycognathus cervinus Lavr., ein südamerikanischer Ophidier, welcher als lebhaft und keck geschildert wird; eine zweite Dipsadomorphine, nämlich Oxyrrhopus petolarius L., schliesslich einen Elaps spixii Wagl., eine der prachtvoll rothen Prunkottern, welche wegen ihrer Färbung bewundert und wegen ihres Giftes gefürchtet sind. An Insekten schenkte man uns Telaugis aenescens Burm., einen prachtvoll erzgrün schimmernden Blatthornkäfer, welcher Guyana seine Heimath nennt; Pelidnota laevissima Burm., einen hellbraunen, dem Maikäfer in Gestalt und Grösse ähnlichen Lamellicornier, der bisher nur für Venezuela verzeichnet worden ist; Strategus aloeus L., einen weitverbreiteten Lamellicornier von 5 cm Grösse; Gymnetis hebraica Drapiez, einen graugrün und braun marmorirten, nur für Brasilien erwähnten Käfer derselben Familie; Nyssicus quadriguttatus Sved., einen gelbbraunen, hübschgezeichneten Bockkäfer mit vier gelben Flecken auf den Flügeldecken; eine kleine, defekte Viehbremse (Tabanus); Angocoris sexpunctatus Fabr., eine dicke, schmutzigweiss-graue, charakteristisch mit dunklen Punkten gezeichnete Schildwanze; eine brasilianische Mannacicade (Fidicina mannifera Fabr.), eine in Südamerika ziemlich verbreitete Cicadine, deren lauter Gesang weithin und oft auf lästige Weise hörbar ist; endlich Tympanoterpes gigas Olivier, eine 5 cm lange, grünlichbraune südamerikanische Singzirpe mit hübschgezeichnetem Thorax.