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Neuntes Kapitel
Das Original des Porträts kommt nach England

Es wurde im Hause bekannt, daß Mylord einen ihm vertrauten französischen Herrn mitbringen werde, der Sekretärdienste bei ihm verrichtete. Er war katholisch und von guter Familie, wenn auch jetzt in dienender Stellung, und sollte in seinem eigenen Zimmer und nicht mit der Dienerschaft des Hauses zusammen essen. Mylady gab ihr Schlafzimmer auf, das neben dem ihrer Tochter lag, und in einem daranstoßenden Kabinett wurde für Monsieur Baptiste, den Franzosen, ein Bett aufgestellt. Freilich, wenn die Türen sich hinter dem Grafen und seinem Sekretär schlossen, so wurden die Rollen vertauscht. Mylord wurde der Diener seines fürstlichen Gastes und überließ ihm freudig das luftigere Zimmer und bequemere Bett. Fräulein Beatrix zog sich auch in die oberen Regionen zurück. Ihr Schlafzimmer wurde in ein Wohnzimmer für Mylord verwandelt. Um den Betrug vollkommen zu machen, heuchelte sie vor der Dienerschaft Ärger und Eifersucht und schalt darüber, daß man sie wegen Mylord aus ihrem Zimmer jage.

Die Herzen der beiden Damen klopften in zitternder Erwartung, als die Ankunft der Herren, die ihr Haus beehren wollten, endlich nahe bevorstand. Man hatte große Vorbereitungen getroffen. Das Zimmer war mit Blumen geschmückt, das Bett, das die Damen selbst bereitet hatten, mit dem feinsten Linnen bedeckt. Sie hatten niederkniend die Bettücher geküßt, deren Gewebe die geheiligte Person eines Königs berühren wollte. Das Toilettengerät war aus Silber und Kristall. Auf dem Schreibtisch lag ein Exemplar des Eikon Basiliké. Ein Porträt des königlichen Märtyrers hing seit jeher über dem Kamin, darunter ein Degen des armen Grafen Castlewood und ein kleines Bild oder Emblem, das die Witwe beim Erwachen stets vor Augen zu haben liebte; das Haar ihres Gatten und ihrer beiden Kinder war darin verflochten. Da ihre Andachtsbücher alle der englischen Kirche zugehörten, nahm Mylady sie mit sich in die oberen Zimmer. Als alles fertig war, zeigten die Damen Herrn Esmond ihre liebevollen Vorbereitungen. Da war es, als Beatrix niederkniete und die Bettücher küßte. Lady Castlewood dagegen verneigte sich an der Tür, wie sie sich beim Betreten einer Kirche vor dem Altar verneigt haben würde, und gestand, daß sie das Zimmer gewissermaßen als geheiligt betrachte.

Die Dienerschaft dachte nicht einen Augenblick daran, daß diese Vorbereitungen jemand anders gelten könnten als dem jungen Herrn des Hauses, den seine zärtliche Mutter so lange Jahre nicht gesehen hatte. Die beiden Damen waren sehr geschickt in feiner weiblicher Hausarbeit, in der Zubereitung von Süßigkeiten und wohlriechenden Wassern und führten eine tätige Herrschaft über die Küche. Es wurden, wie es Esmond schien, Kälber genug geschlachtet, um eine Armee verlorener Söhne zu sättigen. Es erheiterte ihn sehr, als er am Tage, da die Gäste erwartet wurden, zwei Paar der schönsten und rundesten Arme Englands – denn auch Myladys Schönheit war in diesem Punkte bemerkenswert – bis über die Ellbogen mit Mehl bedeckt fand und die beiden Damen beschäftigt sah, in der Küche Kuchen auszurollen. Die Gäste konnten nicht vor Abend eintreffen, und Mylord würde es wohl vorziehen, in seinem eigenen Zimmer zur Nacht zu essen. Das beste Silberzeug war dort aufgedeckt, und man wird begreifen, warum die Damen darauf bestanden, den jungen Herrn ihres Hauses eigenhändig und allein zu bedienen.

Esmond ritt in raschem Trabe nach Rochester hinunter und erwartete den König in derselben Stadt, wo einst sein verbannter Vater zum letztenmal den Fuß auf englischen Boden gesetzt hatte. In einem Gasthof war ein Zimmer für Lord Castlewood und seinen Diener belegt. Oberst Esmond hatte seine Ankunft so gut berechnet, daß er noch nicht eine halbe Stunde im Hause war, als er vom Balkon aus zwei Reisende in den Hof reiten sah. Er lief hinunter und hielt im nächsten Augenblick seinen lieben jungen Vetter in den Armen.

Der Begleiter von Mylord stieg vom Pferde und machte Miene, in seiner Rolle als Diener dem Grafen die Steigbügel zu halten; aber Oberst Esmond rief seinen Reitknecht herbei, der im Hofe war, hieß ihn, die Pferde besorgen und die Bezahlung mit dem Burschen von der Post zu regeln, der die Herren begleitet hatte. Er heuchelte Unwillen darüber, daß Mylord einen Franzosen zum Diener habe, der weder das Geld noch die Gewohnheiten des Landes kenne, und rief ihm in barschem Ton auf französisch zu: »Mein Diener sieht nach den Pferden, Baptiste! Verstehst du Englisch?« – »Sehr wenig.« – »So! Komm hinauf in Mylords Zimmer und bediene ihn beim Essen.« Der Wirt und seine Kellner erschienen alsbald mit den dampfenden Schüsseln. Es war gut, daß ihr Nahen sich durch Lärm und Unruhe im Treppenhaus ankündete; sie hätten sonst den Obersten Esmond gefunden, wie er vor dem Diener des Grafen Castlewood kniete, ihm die Hand küßte und ihn als König in seinem Lande willkommen hieß. Dem Wirt wurde bedeutet, der Franzose werde seinen Herrn bedienen, und Esmonds Reitknecht wurde als Schildwache in dem Gang vor der Tür aufgestellt. Der Prinz aß mit gutem Appetit, sprach und lachte fröhlich und forderte die beiden Herren gnädigst auf, mit ihm am Tisch Platz zu nehmen. Er war in besserer Stimmung als der arme Frank Castlewood, von dem Esmond annehmen mußte, daß der Abschiedsschmerz von seiner göttlichen Clotilda ihn so schwer darniederdrücke. Aber als der Prinz nach dem Essen sich zu einer kurzen Ruhe in ein inneres Gemach zurückzog, wo ein Bett stand, zeigte es sich, daß die düstere Stimmung des armen Frank andere Ursachen hatte. Er brach in Tränen aus, und vermischt mit Ausdrücken der Liebe, der Demut, der Freundschaft kam das Geständnis zutage, daß er jetzt um all die Opfer wisse, die Esmond für ihn gebracht habe. Da Esmond es nicht für gut hielt, Frank mit dem Geheimnis vertraut zu machen, hatte er seine Herrin gebeten, es ihrem Sohn nicht zu enthüllen.

Doch der Prinz hatte dem armen Jungen während ihres Rittes von Dover herüber alles erzählt. »Mir wäre es ebenso lieb gewesen, er hätte mich erschossen, Vetter«, sagte Frank. »Ich wußte, daß du der beste, der tapferste, der gütigste aller Männer bist; aber ich habe nie geahnt, daß du soviel für mich getan hast. Ich kann die Last einer solchen Dankesschuld kaum ertragen.«

»Ich bin dein zweiter Vater«, sagte Herr Esmond freundlich, »ein Vater hat das Recht, zugunsten seines Sohnes auf einen Titel zu verzichten. Sei kein Tor und weine nicht. Du bist ein viel schönerer und stattlicherer Graf, als ich es gewesen wäre.« Aber der weichherzige Knabe war nicht zu bewegen, auf Esmonds scherzenden Ton einzugehen. Mit Beteuerungen, Flüchen und unzusammenhängenden Ausbrüchen leidenschaftlicher Erregung kniete er vor ihm nieder und küßte seine Hand. Er flehte ihn an, ihm irgendeinen Auftrag zu geben, ihm zu befehlen, sich das Leben zu nehmen oder jemand anderes umzubringen, etwas, wodurch er seine Dankbarkeit für Esmonds Großmut zeigen könne.

»Der König, der lachte«, sagte Frank leise und zeigte nach der Tür, hinter der der Prinz schlief. »Ich finde, er hätte nicht lachen dürfen, als er mir die Geschichte erzählte. Als wir von Dover herüberritten, sprach er über dich und deinen Aufenthalt in Bar. Wir sprachen französisch. Er nannte dich ›le grand sérieux‹, Don Beh'anis von Griechenland, und ich weiß nicht, was sonst noch für Namen – und machte deine Art nach.« Hier fing Castlewood selbst an zu lachen. »Und er machte es sehr gut«, fuhr er fort. »Er scheint über alles zu spotten. Er ist gar nicht wie ein König. Irgendwie scheint mir, du bist eher wie ein König, Harry. Er macht sich gar nicht klar, was für uns alle auf dem Spiel steht. Er hatte Lust, in Canterbury zu bleiben, um einem Schankmädchen nachzulaufen. Ich habe ihn anflehen müssen, sich nicht aufzuhalten. Er hat ein Haus in Chaillot. Dort hat er sich manchmal wochenlang vor der Königin verborgen und sich mit der allerschlechtesten Gesellschaft begraben. Du lächelst«, sagte Frank mit ehrbarem Ausdruck, »aber ich bin der wilde Geselle nicht mehr, der ich war. Nein, nein, man hat mich Besseres gelehrt«, fügte er andächtig hinzu und machte das Zeichen des Kreuzes auf seiner Brust.

»Du bist mein lieber braver Junge«, sagte Oberst Esmond, gerührt durch seine Einfalt, »und solange mein Frank in Castlewood herrscht, wird es einen guten Herrn haben.«

Der ungestüme Knabe machte Miene, in einem neuen Ausbruch von Dankbarkeit vor seinem Vetter niederzuknien. Aber da tönte aus dem Nebenzimmer die Stimme des erlauchten Schläfers, der erwachend rief: »Eh, La-Fleur, un verre d'eau!« Seine Majestät erschien gähnend auf der Schwelle. »Ah, peste«, sagte er, »eurem englischen Bier! Es ist so stark, ma foi, daß es mir ganz den Kopf verdreht hat.«

Die Wirkung des Bieres war ein Sporn für unsere Pferde. Wir ritten rasch nach London hinauf und erreichten Kensington beim Einbruch der Nacht. Esmonds Diener war mit den ermüdeten Gäulen in Rochester zurückgeblieben, während die Herren auf frischen Pferden die Reise fortsetzten. Als Esmond an der Seite des Prinzen die Straße nach London entlang galoppierte, setzte er ihm die Lage der Dinge auseinander, nannte ihm die Freunde, die um sein Kommen wußten und denen er durchaus vertrauen konnte, und flehte ihn an, vor allem das strengste Geheimnis zu wahren, bis der Augenblick gekommen sei, in dem er sich zeigen könne. Die Stadt wimmelte von Anhängern des Prinzen; es gab zahllose Unterhändler von Saint-Germain, von hohem und niederem Rang, überall, am Hof der Königin, im Parlament, unter der Geistlichkeit und unter den Kaufleuten der City. Der Prinz hatte ungezählte Freunde in der Armee, im geheimen Rat, unter den Staatsbeamten. Die Hauptsorge der kleinen Schar, die den kühnen Streich geplant hatte, den Bruder der Königin ins Land zu bringen, war, daß seine Anwesenheit bis zur geeigneten Stunde geheim blieb. Sein Erscheinen sollte Freund und Feind in gleicher Weise überraschen. Die Feinde sollte es so unvorbereitet treffen, daß sie keine Zeit fanden, ihn anzugreifen. Wir fürchteten von seinen Freunden mehr als von seinen Feinden. Die Lügen und das Geklatsch der Agenten von Saint-Germain hatten der Sache der Stuarts unberechenbaren Schaden zugefügt, und diese von dem Prinzen fernzuhalten, war das dringendste Erfordernis für die Eingeweihten Diese waren: der Bischof, der durch Erwähnung seines Namens nicht verletzt werden kann, ein sehr tätiger und loyaler nonkonformistischer Geistlicher, eine Dame, die bei Hof in höchster Gunst stand, und mit der Beatrix Esmond Verbindung hielt, zwei Edelleute von höchstem Rang und ein Mitglied des Unterhauses, das in mehr als ein Unternehmen zugunsten der Stuarts verwickelt war..

Als die Reiter London bei einbrechender Dunkelheit erreichten, ließen sie ihre Pferde im Posthaus gegenüber von Westminster zurück, setzten mit der Fähre über die Themse und bestiegen Lady Esmonds Wagen, der sie bereits erwartete. Eine Stunde später landeten sie sicher in Kensington, und die Herrin des Hauses hatte die Befriedigung, ihren Sohn in die Arme zu schließen, wonach sich ihr Herz seit Jahren sehnte, den Sohn, der trotz allen Eigensinnes immer eine zärtliche Liebe zu seiner Mutter bewahrt hatte.

Sie tat ihren Gefühlen keinen Zwang an, obwohl die Dienerschaft zugegen war und der Begleiter von Mylord wartend im Treppenhaus stand. Esmond sah sich genötigt, diesem zuzuflüstern, er müsse den Hut abnehmen. Monsieur Baptiste vernachlässigte seine Rolle mit dem unbegreiflichsten Leichtsinn. Auf dem Ritt nach London hatten mehr als einmal zufällige Bemerkungen und leicht hingeworfene Worte des Fremden die geschärfte Empfindlichkeit der beiden Engländer verletzt, weil sie die völlige Unwissenheit des Prinzen über ein Land, das er regieren sollte, verrieten. Sie konnten beide den geheimen Wunsch nicht unterdrücken, sein Betragen möchte anders sein. Die lachende Leichtigkeit, um nicht zu sagen, Zügellosigkeit seines Geplauders schien ihnen weder eines großen Fürsten noch einer so feierlichen Gelegenheit würdig zu sein. Aber er war wohl fähig, sich in geeigneten Momenten mutig und würdevoll zu benehmen. Er war im Felde, wie wir alle wußten, sehr tapfer gewesen. Esmond hatte eine Abschrift des Briefes gelesen, den der Prinz mit eigener Hand an seine Freunde in England richtete, als sie ihm nahelegten, seiner Religion abzuschwören. Er hatte die männliche und großherzige Erwiderung nur bewundern können, durch die der Prinz diese Versuchung zurückwies. Monsieur Baptiste nahm seinen Hut ab, errötete über den Wink, den Oberst Esmond ihm zu geben wagte, und flüsterte: »Tenez, eile est jolie, la petite mere. Foi de Chevalier! elle est charmante; mais l'autre, qui est cette nymphe, cet astre qui brille, cette Diane qui descend sur nous?« Er stutzte und drängte vorwärts, als Beatrix die Treppe herunterstieg. Sie hatte zum erstenmal in ihrem eigenen Hause die Trauer abgelegt; sie trug die Diamanten, die Esmond ihr geschenkt hatte. Sie waren übereingekommen, daß sie sich mit den Steinen schmücken solle an dem Tage, an dem der König das Haus betrat. Wie eine Königin sah sie aus, strahlend in ihrem Reiz und von glänzender und gebieterischer Schönheit.

Selbst Castlewood war geblendet von ihrer Erscheinung. Er trat zurück und starrte sie an, als habe er noch nie gesehen, wie vollkommen schön sie war. Es schien mir, als werde er rot, während er sie in die Arme schloß. Der Prinz konnte die Augen nicht von ihr wenden; er vergaß seine dienende Rolle endgültig, obwohl man ihn vorher genau unterrichtet und sogar eine kleine Reisetasche vorgesehen hatte, die er tragen sollte. Er drängte sich vor Mylord, und es war ein Glück, daß die Augen der Dienerschaft nach anderer Richtung hin in Anspruch genommen waren, sonst hätten sie bemerken müssen, daß dieser Mensch kein Diener war oder zum mindesten ein sehr unverschämter, unerzogener Vertreter des Berufes.

Wieder mußte Oberst Esmond einen befehlenden Ton anschlagen. »Baptiste, kümmre dich um den Mantelsack!« rief er. Der eigensinnige junge Mensch knirschte mit den Zähnen, warf einen raschen, mißvergnügten Blick auf seinen Mentor und murmelte etwas, das einem Fluch nicht unähnlich war. Aber da er gemahnt wurde, hob er doch den kleinen Mantelsack auf die Schulter und trug ihn die Treppe hinauf. Vor ihm her gingen Esmond und ein Diener mit brennenden Kerzen. Im Schlafzimmer warf er seine Last unwillig zur Erde. »Ein Fürst, der eine Krone tragen will, muß eine Maske tragen können«, sagte Herr Esmond auf französisch.

»Ah, peste! Ich sehe, wie es ist«, sagte Monsieur Baptiste und setzte die Unterhaltung französisch fort. »Le grand serieux ist ernstlich ...« – »besorgt um Monsieur Baptiste«, unterbrach ihn der Oberst, dem weder der Ton gefiel, in dem der Prinz von den Damen sprach, noch die Blicke, mit denen er sie ansah.

Das Schlafzimmer und die beiden daranstoßenden Räume waren erleuchtet und bereit, ihren Bewohner aufzunehmen; der Tisch war für Mylords Abendbrot gedeckt. Lord Castlewood, seine Mutter und seine Schwester kamen alsbald die Treppe herauf, und sobald die Diener das Zimmer verlassen hatten, nahmen Castlewood und Esmond die Hüte ab, und die Damen knieten vor dem Prinzen nieder, der ihnen beiden huldvoll die Hand reichte. Er spielte seine Rolle als Fürst sehr viel natürlicher als die Rolle, in der er sich eben versucht hatte. Mit edler Würde und Freundlichkeit hob er die Knienden auf. »Gnädige Frau«, sagte er, »meine Mutter wird Euer Gnaden danken für die Gastfreundschaft, die Sie ihrem Sohn erweisen.« Dann wandte er sich zu Beatrix. »Es widerstrebt mir, soviel Schönheit in solcher Stellung zu sehen. Sie werden Monsieur Baptiste verraten, wenn Sie vor ihm knien. Er sollte lieber vor Ihnen knien.«

In ihren Augen strahlte ein Leuchten auf, hell genug, um Leidenschaft in jeder Brust zu entzünden. Es gab Zeiten, da dieses Geschöpf so schön war, als ob Venus selbst mit höchstem Glanz als Göttin sich in ihr enthüllte. So erschien sie eben jetzt, strahlend und mit Augen, die in wunderbarem Licht schimmerten. Ein wütender Schmerz der Eifersucht schoß Esmond durch die Seele, als er den Blick auffing, den sie dem Prinzen zuwarf. Er ballte unwillkürlich seine Faust und sah zu Castlewood hinüber, dessen Augen auch auf der Hut waren und sein Alarmsignal erwiderten. Der Fürst gab seinen Untertanen eine kurze Audienz, und dann verließen die beiden Damen mit Oberst Esmond das Zimmer. Lady Castlewood drückte ihm auf der Treppe die Hand, und die drei gingen in die unteren Räume und warteten dort, bis die Reisenden sich erfrischt hatten und nach ihrer Mahlzeit verlangten.

Esmond sah Beatrix an, auf deren schönem Hals die Diamanten funkelten. »Ich habe mein Wort gehalten«, sagte er. »Und ich das meine«, entgegnete Beatrix und sah auf die Juwelen nieder.

»Wäre ich der Großmogul«, sagte der Oberst, »so solltest du alle Steine haben, die in Golconda ausgegraben wurden.«

»Diese sind schon viel zu gut für mich«, erwiderte sie und ließ den Kopf auf die Brust sinken. »Ihr alle seid zu gut für mich, ihr alle!« Als sie wieder aufsah, seufzte sie, und ihre Augen, die sie auf ihren Vetter richtete, hatten den traurigen, undurchdringlichen Ausdruck, der nicht zu enträtseln war.

Ein Klopfen im oberen Zimmer zeigte an, daß die Zeit fürs Abendbrot gekommen sei. Oberst Esmond und die beiden Damen gingen hinauf und fanden den Prinzen und den jungen Grafen Seite an Seite, gleich an Alter und Gestalt und nicht unähnlich an Zügen, obwohl Franks Gesicht das hübschere von den beiden war. Der Prinz setzte sich und bat die Damen, sich auch niederzulassen. Die Herren blieben stehen. Es war noch für eine Person gedeckt. »Wer von Ihnen wird den Platz nehmen?« fragte der Prinz.

»Der Herr des Hauses«, sagte Lady Castlewood und ergriff die Hand ihres Sohnes. Mit einer Verbeugung und zitternder Stimme fügt sie hinzu: »Der Marquis von Esmond wird die Ehre haben, den König zu bedienen.«

»Ich werde die Ehre haben, Seine Königliche Hoheit Zu bedienen«, sagte Oberst Esmond und füllte ein Weinglas. Nach der Sitte der Zeit reichte er es dem Prinzen kniend dar.

»Ich trinke auf das Wohl meiner Wirtin und ihrer Familie«, sagte der Prinz mit etwas mißvergnügter Miene; aber die Wolke verschwand rasch von seiner Stirn. Er unterhielt die Damen mit lebhaftem Geplauder und ließ sich durch das gelbe Gesicht des armen Herrn Esmond, das wohl recht mürrisch dreingeschaut haben mag, nicht stören.

Als die Zeit des Aufbruchs gekommen war, trabte der Oberst heim und traf auf der nächtlichen Straße Herrn Addison, der nach seinem Landhäuschen in Fulham wanderte und dem der Mond in das schöne, heitere Antlitz schien. »Wie geht's, Bruder?« rief Addison lachend. »Ich dachte, es sei ein Straßenräuber, der sich da im Finstern naht, und siehe da, es ist ein alter Freund. Lassen Sie uns im Dunkeln die Hände schütteln, Oberst; das ist besser, als sich bei Tageslicht zanken. Warum sollen wir uns feind sein, weil ich ein Whig bin und du ein Tory? Wende deine Schritte und wandle mit mir nach Fulham. Dort singt noch eine Nachtigall im Garten, und eine kühle Flasche liegt in einem gewissen Keller, den ich kenne. Sie mögen auf den Stuart trinken, wenn es Ihnen Freude macht; ich trinke auf meine Art. Sie meinen, ich habe schon genug getrunken? Nein, niemals! Wenn es sich um guten Wein handelt, dann gibt es das Wort ›genug‹ nicht. Du willst nicht kommen? So komme irgendeinen anderen Tag; komme bald. Sie wissen, ich erinnere mich an Simois und Sigeiea tellus und die prœlia mixta mero, mixta mero«, wiederholte er mit einem ganz leichten Anflug von merum in der Stimme. Er wandte sich und begleitete Esmond ein Stück Weges, und der Herr Unterstaatssekretär wäre ihm vielleicht auch gern in seine Wohnung gefolgt und hätte dort noch eine Flasche getrunken. Aber der Oberst war nicht in heiterer Stimmung; er lud ihn nicht ein, sondern bot ihm an der Tür ein ungastliches »Gute Nacht«.

Ich habe die Tat vollbracht, dachte er und starrte schlaflos in den Mondenschein hinaus. Er ist da; er und Beatrix schlummern unter demselben Dach. Wem habe ich dienen wollen mit meiner Tat? Dem Prinzen oder Harry Esmond? Wäre es nicht besser, ich hätte mich jenem männlichen Glauben von Addison angeschlossen, der die alte Lehre vom Gottesgnadentum verspottet und kühn erklärt, daß Parlament und Volk den Herrscher weihen und nicht Priester, Stammbäume, heiliges Öl und Krönungen? Die eifrigen Blicke, mit denen die Augen des Prinzen jeder Bewegung von Beatrix gefolgt waren, quälten und peinigten Esmond. Die Gestalt des Stuart erschien ihm mehr als einmal in den fiebrigen Träumen dieser Nacht. Er wünschte die Tat ungetan, die ihn so viele Mühe gekostet hatte. Er war nicht der erste Mensch, der sein eigenes Tun bereute und sich sein eigenes Verderben heraufbeschwor. Verderben? Darf ich dieses Wort an meinem Lebensabend niederschreiben? Nein, lieber will ich dem Himmel auf den Knien danken für das, was ich damals für mein Unglück hielt und was doch das Glück meines ganzen späteren Lebens herbeiführte.

Esmonds Diener, der brave John Lockwood, hatte seinem Herrn und dessen Familie sein ganzes Leben gedient. Der Oberst wußte, daß er für Johns Treue bürgen konnte wie für seine eigene. Lockwood kam früh am nächsten Morgen mit den Pferden von Rochester zurück, und Esmond bedeutete ihm, er habe in Kensington, wo er Erlaubnis hatte, mit der Dienerschaft zu verkehren und wo er der Jungfer von Fräulein Beatrix den Hof machte, keinerlei Fragen zu stellen und keine Überraschung zu verraten, sondern unweigerlich zu bezeugen, daß der junge Herr, den er dort in rotem Rock sehen werde, der Graf von Castlewood sei und sein Begleiter in Grau der Franzose Monsieur Baptiste. Er habe seinen Freunden in der Küche alle Geschichten zu erzählen, deren er sich von Mylords Kindheit her erinnere – was er für ein wilder Junge gewesen sei, wie er die Knaben im Dorf zu Soldaten gedrillt und durchgehauen habe, kurz alles, was er über des Grafen früheste Zeiten wisse. John war trotz seines langen Aufenthaltes in Flandern nicht sehr tief in den Geist der Malerei eingedrungen, und es war nicht schwer gewesen, ihn vor Mylords Heimkehr davon zu überzeugen, daß jenes Gemälde, das von Paris gekommen war und jetzt in Myladys Salon hing, ein sprechendes Bildnis ihres Sohnes, des jungen Grafen, sei. Für die Diener des Hauses, die das Gemälde oft gesehen hatten, von den beiden Fremden aber am Abend ihrer Ankunft nur einen ganz flüchtigen, unvollkommenen Eindruck gehabt haben konnten, bestand kein Grund, an der Ähnlichkeit des Bildes zu zweifeln. Als sie am nächsten Morgen das Original genauso erscheinen sahen, wie es auf dem Gemälde dargestellt war, mit derselben Perücke, derselben Schärpe und Uniform, redeten sie es ganz selbstverständlich als Mylord Castlewood an.

Der Sekretär vom vergangenen Abend war jetzt der Graf; der Graf aber trug den grauen Rock des Sekretärs. John Lockwood mußte in der Welt der dienenden Geister die Andeutung fallen lassen, daß der Begleiter von Mylord wohl sein Kaplan aus Brüssel sein könne; denn Mylord sei katholisch und sehr fromm. Wenn der verkleidete Priester mit ihm zusammen esse, so sei das ja weiter kein Wunder. Frank mußte sich bemühen, Englisch mit fremdem Akzent zu sprechen, eine Aufgabe, die er leidlich vollbrachte. Die Vorsicht war um so gebotener, als der Prinz selbst das Englische nicht wie ein Eingeborener sprach. John Lockwood lachte mit der Dienerschaft darüber, daß Mylord nach seiner fünfjährigen Abwesenheit manchmal seine Muttersprache vergesse und wie ein Franzose spreche. »Ich bürge dafür«, rief John, »daß mit dem englischen Rindfleisch und Bier Seine Gnaden auch den gehörigen Gebrauch seines Mundes wiederfindet.« Der Wahrheit die Ehre – der neugebackene Graf fand sich sehr freundlich in Rindfleisch und Bier.

Der Prinz trank so viel und sprach nach dem Trinken so laut und unvorsichtig, daß Esmond manchmal für ihn zitterte. Seine Mahlzeiten wurden ihm so oft als möglich in seinem eigenen Zimmer serviert; aber er erschien recht häufig in Myladys Wohnzimmer und Salon, nannte Beatrix vor der Dienerschaft »Schwester« und Lady Castlewood »Mutter« oder »Madame«. Er fand es gut, seine Rolle bis zum äußersten durchzuführen, und begrüßte Fräulein Beatrix und Mylady manchmal mit einer Freiheit, die seinem Sekretär mißfiel und Oberst Esmond in rasende Wut versetzte.

Die Gäste waren kaum drei Tage im Hause, als der arme Lockwood mit kläglichem Gesicht zu seinem Herrn kam und sagte: »Mylord – ich meine, der Offizier – hat sich mit Fräulein Lucy eingelassen. Er hat ihr Guineen und einen Kuß gegeben.« Lucy war die Jungfer und Lockwoods Schatz. Ich fürchte, Oberst Esmond war nicht betrübt darüber, daß die Wahl des Prinzen auf die dienende Schönheit gefallen war. Man wußte, daß sich sein königlicher Geschmack nach dieser Richtung neigte, und der Prinz ist sich in dem Punkte auch in späteren Jahren treu geblieben. Der Erbe eines der größten Namen, der größten Reiche und der traurigsten Mißgeschicke Europas begnügte sich oft damit, die Würde seiner Geburt und seines Unglücks einem französischen Stubenmädchen zu Füßen zu legen, und nachher – denn er war sehr fromm – in Asche aus der Kehrichtschaufel Buße zu tun. Für solche Sterbliche leiden Völker, kämpfen Parteien, lassen Soldaten Blut und Leben! Ein Jahr später fielen tapfere Häupter, Nithdale auf der Flucht und Derwentwater auf dem Schafott, während der gedankenlose, undankbare Fürst, für den sie alles gewagt und alles verloren hatten, mit dem Harem seiner Mätressen in seiner petite maison de Chaillot zechte.

Esmond war rot vor Scham, als er zum Prinzen gehen mußte, um ihn wegen des Mädchens zu warnen. Er sagte ihm, die Jungfer, die er zu verführen suche, sei der Schatz von John Lockwood, einem ehrlichen, entschlossenen Mann, der in sechs Feldzügen gedient habe und sich vor nichts fürchte und der wisse, daß der Herr, der sich Lord Castlewood nenne, nicht der junge Graf sei. Der Oberst beschwor den Prinzen, zu bedenken, welches Unheil die Eifersucht eines einzigen Mannes herbeiführen könne. Er bat ihn, seine Gedanken anderen Plänen zuzuwenden, die wichtiger seien als die Verführung eines Kammermädchens und die Demütigung eines braven Mannes.

Wohl zehnmal in zehn Tagen mußte Herr Esmond den jungen königlichen Abenteurer wegen irgendeiner Unvorsichtigkeit oder Dreistigkeit warnen. Er nahm diese Predigten sehr mürrisch hin; nur über die Sache des armen Lockwood geruhte er in Lachen auszubrechen und sagte: »Was, die Soubrette hat mich amoureux verraten? Und Crispin ist ärgerlich, und Crispin hat gedient, und Crispin ist Korporal gewesen, nicht wahr? Sagen Sie ihm, daß wir seine Tapferkeit mit einer Regimentsfahne belohnen und seine Treue entschädigen werden.«

Oberst Esmond wagte noch einige Worte der Warnung auszusprechen; aber der Prinz stampfte gebieterisch mit dem Fuß auf und schrie: »Assez, Mylord; je m'ennuye à la prêche. Ich bin nicht nach London gekommen, um zur Predigt zu gehen.« Er beklagte sich später bei Frank, daß »le petit jaune, le noir Colonel, le Marquis Misanthrope«, mit welchen scherzhaften Namen Seine Königliche Hoheit geruhte, den Obersten Esmond zu bezeichnen, ihn mit seinem großartigen Gebaren und seinen tugendhaften Reden ermüde.

Der Bischof von Rochester und andere Herren, die an dem Unternehmen beteiligt waren, das den Prinzen nach England gebracht hatte, kamen, Seiner Königlichen Hoheit aufzuwarten. Sie ließen sich bei Lord Castlewood melden und wurden vor aller Augen zu dem Prinzen geführt, der sie entweder in Myladys Salon oder in seinem eigenen Zimmer empfing. Alle beschworen ihn, das Haus so wenig wie möglich zu verlassen und zu warten, bis ihm das Zeichen zum Erscheinen gegeben werde. Die Damen unterhielten ihn mit Kartenspiel, bei dem er manche Stunden des Tages und der Nacht zubrachte. Viele andere Stunden gingen mit Trinken hin, wobei er sehr angenehm zu plaudern und zu erzählen pflegte, besonders wenn der Oberst nicht zugegen war, dessen Anwesenheit ihn immer einzuschüchtern schien. Dem armen »Colonel noir« war dieser Wink Befehl, und er zeigte sein düsteres Gesicht nur selten bei den lustigen Trinkgelagen des erlauchten jungen Gefangenen. Außer den wenigen Personen, von denen der Portier eine Liste hatte, wurde niemand von den Freunden des Hauses, die den jungen Lord besuchen wollten, zugelassen. Seine Wunde war infolge der langen Reise zu Pferde wieder aufgebrochen, so hieß es vor der Welt und der Dienerschaft. Sein Arzt Dr. A. hatte angeordnet, daß er sich vollkommen ruhig halten müsse, bis die Wunde ganz geheilt sei. Dieser Mann, ein Arzt der Königin Es kann kein Zweifel sein, daß der von meinem lieben Vater erwähnte Arzt der berühmte Dr. Arbuthnot war. – Rachel Esmond, Warrington., dessen Namen ich nicht nennen will, schottischer Abstammung und bemerkenswert sowohl durch seine Güte wie durch seinen Geist, war einer der Tätigsten und Einflußreichsten in unserer kleinen Schar. Unser Geheimnis wurde so treu gewahrt; die Geschichte, die wir erzählten, war so einfach und natürlich, daß eine Gefahr der Entdeckung eigentlich nur durch die Unvorsichtigkeit des Prinzen selbst entstand und durch seinen abenteuerlichen Leichtsinn, den wir nur mit größter Schwierigkeit in Schranken hielten. Obwohl sie kaum je ein Wort darüber fallen ließ, konnte Mylady ihre tiefe Enttäuschung nicht verbergen, als sie statt des Helden, den sie sich zu lebenslänglicher Verehrung erkoren und dessen Wiedereinsetzung in ihren Gebeten fast die erste und heiligste Stelle eingenommen hatte, nur einen Menschen fand, und keinen guten Menschen. Sie meinte, das Unglück hätte ihn läutern können; aber es hatte ihn verhärtet, statt ihn demütig zu machen. Seine Frömmigkeit, die ganz ehrlich war, konnte ihn doch von keiner Sünde fernhalten, die ihn lockte. Sein Geplauder war heiter und witzig genug; aber es war in seinen Worten und Taten eine Leichtfertigkeit, welche den einfachen, reinen Sinn der englischen Frau, deren Gast er war, beleidigte. Die ungebundenen Sitten der Umgebung, in welcher er aufgewachsen war, hatten die Oberflächlichkeit in ihm großgezogen. Esmond machte Beatrix gegenüber kein Hehl aus der Meinung, die er über den Prinzen hegte, und veranlaßte auch ihren Bruder, sie vor ihm zu warnen. Beatrix war ganz ihrer Ansicht. Sie fand ihn leichtsinnig, sehr leichtsinnig und unbesonnen; sie konnte ihn nicht einmal so hübsch finden, wie Oberst Esmond ihn geschildert hatte. Seine Zähne waren ja schlecht, und er schielte. Hatten sie das denn nicht gesehen, daß er schielte? Seine Augen waren schön, aber es war entschieden ein schiefer Blick darin. Sie neckte ihn bei Tisch mit dem köstlichsten Witz; sie sprach von ihm nie anders als von einem Knaben; sie war von Esmond mehr eingenommen denn je, lobte ihn ihrem Bruder gegenüber, pries ihn vor dem Prinzen, wenn Seine Königliche Hoheit geruhte, über den Oberst zu spotten, und nahm immer seine Partei. »Wenn Eure Majestät dem Marquis von Esmond nicht den Hosenbandorden gibt, den sein Vater gehabt hat, dann hänge ich mich an meinen Strumpfbändern auf oder weine mir die Augen aus.«

»Ihre Augen will ich nicht verlieren«, sagte der Prinz. »Lieber will ich ihn zum Erzbischof oder zum Obersten der Garde machen.«

»Ja«, rief sie und lachte, »ja, er soll Erzbischof von Esmond und Marquis von Canterbury werden.«

»Was aber wollen Sie werden?« fragte der Prinz. »Sie brauchen nur zu wählen.«

»Ich«, sagte Beatrix, »will Oberaufseherin aller Hoffräulein der Gemahlin Seiner Majestät König Jakobs des Dritten sein – Vive le Roi!« Sie machte ihm eine große Verbeugung und leerte ihm zu Ehren ein halbes Glas Wein.

Es war Frank Castlewood, der mir von dieser Unterhaltung erzählte, die beim Abendbrot gepflogen worden war. »Der Prinz ergriff das Glas«, sagte Castlewood, »und trank die andere Hälfte bis auf den letzten Tropfen aus. Meine Mutter wurde unruhig, erhob sich und bat um Erlaubnis, sich mit ihrer Tochter zurückziehen zu dürfen. Wenn Trix nicht meiner Mutter Kind wäre, so würde ich eine gräßliche Angst um sie haben. Ich wünschte, diese Geschichte wäre erst vorüber. Du bist älter als ich, klüger und besser, ich schulde dir alles, ich würde für dich sterben – beim heiligen Georg, das würde ich; aber ich wünschte, diese Sache nähme ein Ende.«

Wohl keiner von uns hatte eine ruhige Nacht; schreckliche Zweifel und Qualen marterten Esmonds Seele. Sein Plan war eine Ausgeburt persönlichen Ehrgeizes, ein tollkühnes Unternehmen für einen selbstsüchtigen Zweck – er wußte es. Was kümmerte es ihn im Grunde, wer König wurde? Waren nicht seine Sympathien und heimlichen Überzeugungen auf der anderen Seite – auf der Seite des Volkes, des Parlamentes und der Freiheit? Er aber hatte sich für einen Prinzen verbürgt, der kaum das Wort »Freiheit« kannte, der das Werkzeug von Priestern und Weibern war, die beide von Natur Tyrannen sind. Der »Misanthrope« war durch die Erzählung von Frank nicht besserer Laune geworden. Sein grimmiges Gesicht war finsterer und gelber denn je.


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