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Der Herr, den Beatrix erwählt hatte, war fast zwanzig Jahre älter als der Oberst, dem sie sein hohes Alter vorzuwerfen pflegte. Aber dieser war ein namenloser Abenteurer, jener einer der großen Herzöge von Schottland, der unter Umständen auf einen noch höheren Titel Anspruch machen konnte. Der Herzog hatte alle Eigenschaften eines großen Herrn, hatte auch Zeit gehabt, alle seine Gaben auszubilden, denn er näherte sich den Fünfzigern, als Beatrix ihn zum Bräutigam erkor. Herzog Hamilton, damals Graf von Arran, war an der berühmten schottischen Universität Glasgow ausgebildet, und als er nach London kam, wurde er ein Liebling Karls des Zweiten, der ihn zum Kammerherrn und später zum Gesandten beim französischen König machte, dem er in zwei Feldzügen als Adjutant diente. Jakob der Zweite verlieh ihm neue Würden, machte ihn zum Intendanten der Garderobe und zum Obersten der Königlichen Reiterei, und er gehörte zu der kleinen Schar, die dem König treulich folgte, bis er Englands Boden verlassen mußte. Zu jener Zeit, im Jahr 1688, schloß er die Freundschaft mit dem Obersten Francis Esmond, die in beiden Familien immer mehr oder weniger aufrechterhalten wurde.
Der Herzog, damals noch Graf von Arran, war ein aufrichtiger Bewunderer König Wilhelms, hatte sich ihm aber nie unterwerfen wollen. Er war an mehreren Verschwörungen gegen den großen Oranier beteiligt, saß zweimal unter seiner Regierung im Tower gefangen und hatte jedesmal sein Ehrenwort, sich künftig von Verschwörungen gegen den König fernzuhalten, mit der Begründung verweigert: er sei sicher, daß er sein Wort nicht halten könne. Trotzdem war er beide Male freigelassen worden, und der großmütige Herrscher zürnte seinem edlen Feinde so wenig, daß er ihm nach dem Tode seines Vaters, als die Herzogin von Hamilton auf ihre Ansprüche verzichtete, durch ein in Loo unterzeichnetes Patent vom Jahre 1690 zum Herzog von Hamilton, Marquis von Clydesdale und Earl von Arran zu noch höheren Würden erhob. Seine Gnaden legte 1700 den Eid ab und nahm seinen Sitz im schottischen Parlament ein. Er war berühmt durch seinen Patriotismus und seine Beredsamkeit, besonders in den Debatten über das Gesetz der Personalunion von Schottland und England, dem sich Herzog Hamilton mit aller Kraft widersetzte, obgleich er nicht so weit gehen wollte wie der schottische Adel, der für den bewaffneten Widerstand war. Man sagte, er habe seine Opposition ganz plötzlich aufgegeben infolge der Briefe aus Saint-Germain, worin der König ihn beschwor, seiner Schwester, der Königin, in dieser Maßnahme nicht entgegenzutreten. Und der Herzog, der immer bestrebt war, die Rückkehr des Königs auf seinen Thron durch eine Versöhnung zwischen Seiner Majestät und der Königin Anna zu erreichen und ganz gegen eine bewaffnete Landung mit französischen Truppen war, blieb neutral, verließ Schottland, als die Expedition des Chevaliers St. George von Dünkirchen aus geplant war, und hielt sich während der Zeit auf seiner großen Besitzung Staffordshire in England auf.
Als 1710 die Whigs aus der Regierung ausschieden, begann die Königin Seiner Gnaden die allergrößten Beweise ihrer Gunst zu zeigen. Er wurde zum Herzog von Brandon und in England zum Baron von Dutton ernannt. Da ihm der Distelorden schon von König Jakob dem Zweiten verliehen worden war, erhielt Seine Gnaden jetzt die Ehrung des Hosenbandordens – eine sehr hohe und glänzende Auszeichnung, da noch nie ein Untertan beide Orden gleichzeitig getragen hatte. Als man Ihrer Majestät diesen Einwand vorhielt, geruhte sie zu bemerken: »Ein solcher Untertan wie der Herzog von Hamilton hat einen hervorragenden Anspruch auf jede Auszeichnung, die ein gekröntes Haupt verleihen kann. Ich selbst will von nun an die beiden Orden tragen.«
Sie ernannte ihn im Oktober 1712 zum außerordentlichen Gesandten in Paris, und Equipagen, Silbergeschirr und Livreen von der kostbarsten Art wurden nicht nur für Seine Exzellenz den Gesandten, sondern auch für Ihre Exzellenz die Gesandtin bestellt, die ihn begleiten sollte. Ihre Wappen prangten schon an den Kutschenschlägen, und ihr Bruder sollte zum vereinbarten Tage nach England herüberkommen, um die Braut dem Gatten zuzuführen.
Der Herzog war Witwer. Er hatte sich im Jahre 1698 mit einer Tochter des Lord Gerard verheiratet, die ihm große Güter zubrachte. Durch diese Güter entstand zum Teil der traurige Hader, der die Laufbahn des Herzogs endete.
Vom Verlust eines Zahnes bis zum Verlust einer Geliebten gibt es keinen Schmerz, den ein Mensch nicht ertragen kann. Die Erwartung des Verlustes ist viel grausamer als die Gewißheit, und wir finden uns in das Unglück, sobald ihm nicht mehr abzuhelfen ist, trennen uns von unserem Quälgeist und kauen unsere Brotrinde auf der anderen Seite. Ich glaube, Oberst Esmond war recht erleichtert, als das herzogliche Gespann seine Zauberin in eine höhere Sphäre entführte, wie im Theater am Schluß der Oper die schöne Nymphe von einer Maschine in die Wolken zu Mars, Bacchus, Apollo und allen Olympiern gehoben wird und ihre letzte Arie als Göttin aus der Höhe herunterschmettert. Wenn ich mich recht erinnere, so behandelten wir alle die göttlich gewordene Beatrix mit ausgezeichneter Hochachtung, wenigstens trug die freche kleine Schönheit ihren Kopf sehr hoch und nahm eine gebieterische, überlegene Haltung an, der ihre Freunde sich gutmütig fügten.
Ein alter Kriegsgefährte von Oberst Esmond, der brave Tom Trett, der sein Offizierspatent verkauft, eine Frau genommen hatte und in London Kaufmann geworden war, lebte in einem schönen Hause an der Themse und ließ es sich allem Anschein nach an nichts fehlen. Trotzdem war er schon lange in düsterster Stimmung. Eines Tages entdeckte Esmond den Namen seines Freundes in der Gazette. Sein Bankerott wurde angekündigt. Eine Woche später erschien Herr Trett mit strahlendem Gesicht in Esmonds Wohnung und so sorglos und fröhlich wie vor zehn Jahren, als sie zusammen von Southampton nach Vigo segelten. »Dieser Bankerott«, erklärte Tom, »hat mir seit drei Jahren gedroht. Der Gedanke daran hat mir den Schlaf geraubt; ich mußte immer die arme Polly ansehen, deren Kopf auf dem Kissen neben mir lag. Dann vertiefte ich mich in den Anblick des Rasiermessers auf dem Tisch und dachte daran, meinem Leben und meinen Sorgen ein Ende zu machen. Jetzt aber sind wir bankerott; Tom Trett zahlt soviel Schillinge aufs Pfund, als er irgend aufbringen kann; seine Frau hat ein kleines Landhaus in Fulham und ihr eigenes sichergestelltes Vermögen. Ich habe keine Angst mehr vor Gläubigern und Gerichtsvollziehern und habe seit einer Woche herrlich geschlafen.« So kam es, daß der ehrliche Tom, als das Glück seine Flügel spannte und davonflog, sich, in seine ärmliche Tugend gehüllt, zum Schlaf niederlegte.
Esmond teilte seinem Freund nicht mit, wie merkwürdig die Geschichte seiner eigenen glich; aber er lachte darüber, zog sich seine Lehre daraus und beschloß, seinen Bankerott mit heiterer Miene zu ertragen. Beatrix war vielleicht etwas gekränkt durch seine Heiterkeit. »Ist das die Art, mein Herr, wie Sie Ihr Unglück tragen?« sagte sie. »Lächelnd erscheinen Sie vor mir, als seien Sie froh, mich los zu werden?«
Esmond wollte sich seine gute Laune nicht verderben lassen und erzählte ihr die Geschichte von Tom Trett und seinem Bankerott. »Ich habe mich nach den Trauben gesehnt«, sagte er, »und habe mich gegrämt, daß sie zu hoch für mich hingen. War das zu verwundern? Jetzt sind die Trauben fort; ein anderer hat sie sich geholt, ein größerer Mann als Ihr ergebener Diener«, und der Oberst machte dem schönen Mädchen eine tiefe Verbeugung.
»Ein größerer Mann, Vetter Esmond!« entgegnete sie. »Ein mutiger Mann wäre in die Höhe geklettert und hätte die Trauben gepflückt. Er hätte um sie gekämpft, statt sie mit offenem Munde anzugaffen.«
»Ein Herzog braucht bloß zu gaffen, und sie fallen ihm in den Mund«, sagte Esmond mit einer zweiten tiefen Verbeugung.
»Ja, du hast recht«, erwiderte sie, »der Herzog ist ein größerer Mann als du. Warum soll ich Seiner Gnaden nicht dankbar sein dafür, daß er mir sein Herz und seinen stolzen Namen schenkt? Es sind große Gaben, mit denen er mich ehrt. Ich weiß, daß es ein Handel zwischen uns ist; ich nehme den Handel an und werde mein Äußerstes tun, um meine Verpflichtungen zu erfüllen. Zwischen einem Mann vom Alter des Herzogs und einem Mädchen, das nicht gerade eine zärtliche, anschmiegsame Natur hat, kann von verliebten Seufzern nicht die Rede sein. Warum soll ich nicht zugeben, daß ich ehrgeizig bin, Harry Esmond? Für einen Mann ist es doch keine Sünde, nach Ehren zu streben; warum soll eine Frau es nicht tun? Soll ich offen mit dir sein, Harry? Wenn du nicht immer vor mir auf den Knien gelegen hättest, wenn du nicht so demütig gewesen wärest, dann würdest du es vielleicht besser bei mir getroffen haben. Eine Frau von meinem Temperament gewinnt man durch Kühnheit, Vetter, nicht durch Seufzer und klägliche Mienen. Du streust Weihrauch und singst mir Lobgesänge, und ich weiß ganz genau, daß ich keine Göttin bin, und werde der Anbetung müde. Du hättest die Gottheit auch satt bekommen, wenn sie erst Frau Esmond gewesen wäre und schlechter Laune über ihr kleines Nadelgeld und das alte Kleid, das sie bis zum Überdruß tragen muß. Ja, Vetter, eine Göttin in der Nachthaube, die ihrem Gatten Haferschleim kocht, hört auf, göttlich zu sein; das kannst du mir glauben. Ich wäre mürrisch und zänkisch geworden; von allen stolzen Kopfhängern der Welt aber ist Herr Esmond der allerstolzeste, das laß dir gesagt sein. Du gerätst nie in Wut; aber ich glaube, du kannst auch nicht vergeben. Wärest du ein hochgestellter Mann gewesen, du würdest vielleicht heiterer geworden sein. Da du aber nichts bist, bist du eben ein zu großer Mann für mich. Ich habe Angst vor dir, Vetter, da hast du es! Ich kann dich nicht anbeten, und du wirst nur glücklich mit einer Frau, die dir in Verehrung ergeben ist. Du würdest mich einmal nach einem Ausbruch meiner Launen über Nacht mit dem Kissen ersticken, wie der schwarze Mann in dem Theaterstück, das du so liebst. Wie heißt die Person doch? – Desdemona. Ja, das würdest du tun, du kleiner schwarzäugiger Othello!«
»Ja, das glaube ich auch, Beatrix«, sagte Esmond.
»Und ein solches Ende will ich nicht nehmen. Ich will hundert Jahre alt werden und will auf zehntausend Bällen tanzen und jede Nacht Karten spielen bis ins Jahr eintausendachthundert. Ich bin auch gern die Hauptperson in meinem Kreis, Vetter; ich liebe Schmeicheleien und schöne Komplimente, die aber versagst du mir; ich habe es gern, wenn man mich zum Lachen bringt; wer soll denn aber über deine grämliche Miene lachen, das möchte ich wissen. Ich fahre auch gern sechsspännig oder besser noch achtspännig. Die Leute sollen sagen: ›Das ist die Herzogin‹ – ›Wie gut Ihre Gnaden aussehen‹ – ›Platz für Madame l'Ambassadrice d'Angleterre‹ – ›Ruft die Dienerschaft Ihrer Exzellenz‹ – solche Sachen höre ich gern. Du aber, du brauchst eine Frau, die dir Pantoffeln und Nachtmütze bringt, die dir zu Füßen sitzt und ›O caro! O bravo!‹ ruft, wenn du Shakespeare und Milton und solches Zeug vorliest. Mama würde die rechte Frau für dich sein, wenn du ein bißchen älter wärest. Du siehst aber eigentlich zehn Jahre älter aus als sie; ja, das tust du, du finsterer, blaubärtiger, alter kleiner Mann! Ihr hättet wie Philemon und Baucis zusammensitzen können; ihr hättet euch schnäbeln und angirren können wie zwei alte Tauben auf der Stange. Ich aber will meine Flügel brauchen, Vetter!« Sie breitete ihre schönen Arme aus, und es schien, als könne sie wirklich davonfliegen wie die Schwanenjungfrau, in die sich der Mann im Märchen verliebte.
»Was aber wird dein Freier sagen, wenn du davonfliegst?« fragte Esmond, der das schöne Geschöpf am heißesten bewunderte, wenn sie gegen ihn tobte und über ihn spottete.
»Eine Herzogin kennt ihre Stellung«, entgegnete sie lachend. »Denke doch, ich habe ja schon einen fix und fertigen Sohn von dreißig Jahren, Mylord Arran, und vier Töchter! Wie werden sie schäumen, wenn ich komme und mich zuoberst an die Tafel setze! Ich lasse ihnen aber nur einen Monat Zeit zum Grollen; dann sollen sie mich alle lieben – Lord Arran und Seiner Gnaden schottische Vasallen und seine Gefolgsleute aus dem Hochland. Ich will es, und wenn ich mir etwas in den Kopf setze, so geschieht es auch. Seine Gnaden ist der vornehmste Edelmann Europas, und ich will versuchen, ihn glücklich zu machen. Wenn der König zurückkommt, so kannst du auf meine Protektion zählen, Vetter Esmond. Der König wird und muß zurückkommen, und ich werde ihn schon aus Versailles fortbringen, wenn er mir unter die Fuchtel gerät.«
»Ich hoffe, die große Welt macht dich glücklich, Beatrix«, sagte Esmond seufzend. »Du bleibst Beatrix, nicht wahr, bis du Frau Herzogin bist? Dann werde ich Euer Gnaden meine allertiefste Verbeugung machen.«
»Laß die Seufzer und den Spott, Vetter«, entgegnete sie. »Ich nehme des Herzogs große Güte dankbar hin und werde die Ehren, die er mir schenkt, mit Anstand zu tragen wissen. Ich will nicht behaupten, daß er mein Herz gerührt hat. Aber meine Dankbarkeit, mein Gehorsam, meine Bewunderung gehören ihm. Ich habe ihm das gesagt, kein Wort mehr, und sein edler Sinn gibt sich damit zufrieden. Ich habe ihm alles erzählt, sogar die Geschichte von dem armen Jungen, mit dem ich verlobt war und den ich nicht liebhaben konnte. Ach, ich habe ihm sein Wort so gern zurückgegeben und habe Freudensprünge gemacht, als ich meines zurückbekam. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt.«
»Sechsundzwanzig, meine Liebe«, warf Esmond ein.
»Fünfundzwanzig, bitte – ich geruhe fünfundzwanzig Jahre alt zu sein; in einer Zeit von acht Jahren hat mein Herz für keinen Mann geschlagen; für dich einmal – ein ganz klein wenig, Harry –, damals, als du aus Flandern zurückkamst und Frank vor dem Mörder Mohun gerettet hattest. Damals dachte ich, ich könnte dich lieben; Mama hat mich auf Knien gebeten, es zu versuchen; ich habe es auch gekonnt, einen Tag lang. Dann kam die alte Kälte wieder über mich, Harry, und die Angst vor dir und deiner Schwermut. Ich war froh, als du weggingst, und habe mich mit Lord Ashburnham verlobt, um nichts mehr von dir zu hören und zu sehen. Das ist die lautere Wahrheit. Du bist zu gut für mich, ich weiß selbst nicht warum. Ich könnte dich nicht glücklich machen; ich würde vergeblich versuchen, dich liebzuhaben, und mein Herz würde darüber brechen. Hättest du mich damals gefragt, als wir dir den Degen schenkten, dann hätte ich ja gesagt. Dann wären wir jetzt beide unglückselige Menschen. Ich habe den ganzen Abend mit dem dummen Lord geschwatzt, nur um dich und Mama zu ärgern. Das ist mir gelungen, nicht wahr? Wie offen können wir über alle diese Dinge reden! Es ist so lange her; obwohl wir hier im selben Zimmer sitzen, ist eine dicke Mauer zwischen uns. Mein lieber, guter, treuer, verdrießlicher alter Vetter! Ich habe dich jetzt sehr gern und bewundere dich auch; du bist tapfer und gütig und wahrhaftig ein feiner Herr durch und durch, trotz – trotz der kleinen Ungenauigkeit bei deiner Geburt«, sagte sie und schüttelte mutwillig den Kopf.
»Jetzt dürfen wir uns aber nicht länger mehr allein unterhalten«, fuhr sie fort und machte ihm einen Knicks. »Wir müssen immer Mama dabei haben oder Seine Gnaden selbst. Er schwärmt nämlich nicht für dich, Vetter; er ist ebenso eifersüchtig wie der schwarze Mann in deinem Lieblingsstück.«
Gerade weil diese Worte so freundlich waren, fühlte sie Esmond wie einen Stich im Herzen; aber er ließ nichts von dem Schmerz sehen, der in ihm wühlte, wie Beatrix ihm später selbst bezeugte. Mit undurchdringlicher Selbstbeherrschung und einem unbefangenen Lächeln auf den Lippen sagte er: »Erst mußt du noch mein letztes Wort hören, Liebe. Sieh, da kommt deine Mutter.« Sie trat ein mit ihrem sanften, besorgten Gesicht, und Esmond ging ihr entgegen und küßte ihr ehrfurchtsvoll die Hand. »Meine liebe Herrin kann meine letzten Worte auch hören. Sie sind kein Geheimnis; sie sind nur ein Abschiedssegen, der das Hochzeitsgeschenk eines alten Herrn, deines Vormunds, begleitet. Ich fühle mich als euer aller Vormund, als ein alter, alter Geselle, der euer Großvater sein könnte, und als solchem sei es mir erlaubt, der Frau Herzogin ein Hochzeitsgeschenk zu überreichen. Es sind die Diamanten, die mir meines Vaters Witwe hinterließ. Vor einem Jahr schon wollte ich sie Beatrix schenken; aber sie sind auch für eine Herzogin schön genug, wenn auch nicht strahlend genug für die allerschönste Frau auf Erden.« Er zog das Kästchen, in dem die Juwelen lagen, aus der Tasche und reichte es Beatrix.
Sie stieß einen Schrei des Entzückens aus; denn die Steine waren wirklich sehr schön und sehr kostbar, und im nächsten Augenblick schon lag das Halsband da, wo in Herrn Popes wunderbarem Gedicht Belindas Kreuz ruht, und glitzerte am weißesten Hals von England.
Die Freude des Mädchens über das glänzende Spielzeug war so groß, daß sie erst nach dem Spiegel stürzte, um die Wirkung des Schmucks auf ihrer zarten Haut zu bewundern, und dann mit ausgebreiteten Armen auf ihren Vetter zueilte, um ihm vielleicht einen Dank zu spenden, den er nur allzugern von ihren rosigen Lippen empfangen hätte. Aber da öffnete sich die Tür, und Seine Gnaden der Bräutigam wurde gemeldet.
Er warf einen finsteren Blick auf Esmond, machte ihm eine ausgesucht tiefe Verbeugung und begrüßte die Damen feierlich, jede mit einem Handkuß. Er kam von der Königin und hatte die Sterne des Hosenbandordens und des Andreasordens angelegt.
»Sehen Sie, Herzog«, sagte Beatrix und zeigte ihm die Diamanten auf ihrer Brust.
»Hübsche Steine«, sagte Seine Gnaden.
»Es ist ein Hochzeitsgeschenk«, fuhr Beatrix fort.
»Von Ihrer Majestät?« fragte der Herzog. »Das ist sehr freundlich von der Königin.«
»Von meinem Vetter Henry – von unserem Vetter Henry«, riefen die beiden Damen in einem Atem.
»Ich habe nicht die Ehre, diesen Herrn zu kennen. Ich dachte, Mylord Castlewood habe keinen Bruder gehabt, und Mylady habe auch auf ihrer Seite keine Neffen.«
»Von unserem Vetter, Oberst Henry Esmond, Mylord«, sagte Beatrix und ergriff mutig die Hand des Obersten, »den unser Vater uns als Vormund hinterließ, und der unserer Familie unendlich viel Gutes erwiesen hat.«
»Die Herzogin von Hamilton nimmt nur Diamanten an, die ihr Gemahl ihr schenkt«, sagte der Herzog. »Ich bitte Sie, diese Steine Herrn Esmond zurückzugeben.«
»Beatrix Esmond darf von ihrem Verwandten und Wohltäter ein Geschenk annehmen, Mylord«, warf Lady Castlewood mit großer Würde ein. »Noch ist sie meine Tochter. Wenn ihre Mutter die Gabe billigt, so hat niemand das Recht, ein Arg darin zu finden.«
»Verwandter und Wohltäter!« sagte der Herzog. »Ich weiß von keinem Verwandten, und ich wünsche nicht, daß meine Frau von einem ...«
»Mylord!« rief Oberst Esmond.
»Ich bin nicht hier, um einen Wortwechsel zu führen«, sagte Seine Gnaden. »Kurz und gut, ich finde, daß Ihre Besuche in diesem Hause allzu häufig sind, und ich wünsche nicht, daß die Herzogin von Hamilton Geschenke von Herren empfängt, die Namen tragen, auf die sie kein Recht haben.«
»Mylord«, fuhr es über Lady Castlewoods Lippen, »Herr Esmond hat auf seinen Namen mehr Recht als irgendein anderer Mensch auf Erden, und sein Name ist ebenso alt und ebenso ehrenhaft wie der Ihrige!«
Der Herzog lächelte und sah Lady Castlewood an, als sei sie von Sinnen.
»Ich habe ihn unseren Wohltäter genannt«, fuhr sie fort, »und das ist er auch, der edelste, treueste, tapferste Wohltäter. Er war bereit, das Leben meines Mannes vor Mohuns Degen zu schützen. Er hat das Leben meines Knaben gerettet und sich zwischen ihn und diesen Schurken gestellt. Sind das keine Wohltaten?«
»Ich bitte Oberst Esmond um Verzeihung«, sagte der Herzog, wenn möglich in noch hochmütigerem Ton als vorher. »Ich möchte nichts gesagt haben, was ihn kränken könnte, und danke ihm für die Dienste, die er der Familie Euer Gnaden erwiesen hat. Mylord Mohun und ich sind durch Heirat verwandt, wie Sie wissen, obwohl weder durch Blutsbande noch durch Freundschaft verbunden. Ich muß aber wiederholen, was ich schon sagte: ich wünsche nicht, daß meine Frau von dem Obersten Esmond Geschenke annimmt.«
»Es steht meiner Tochter sehr wohl an, von dem Ältesten unseres Hauses Geschenke zu empfangen. Sie soll dankbar die Güte hinnehmen, die ihr von dem besten Freund ihres Vaters, ihrer Mutter und ihres Bruders erwiesen wird. Es ist nur eine Wohltat von vielen, für die wir ihm Dank schuldig sind!« rief Lady Castlewood. »Was ist ein Halsband von Diamanten, verglichen mit all der Liebe, die er uns geschenkt hat? Wir danken ihm nicht nur das Leben von Frank, wir schulden ihm alles – ja alles!« Das Blut stieg ihr in die Wangen, und ihre Stimme zitterte, als sie fortfuhr: »Der Titel, den wir tragen, gehört ihm. Er brauchte ihn nur zu fordern. Wir sind es, die kein Recht auf ihren Namen haben. Er hat die Stellung, die ihm zukommt, am Sterbebett meines Mannes geopfert, meinen verwaisten Kindern geopfert. Aus Liebe zu uns hat er Rang und Ehren verschmäht. Sein Vater war Graf von Castlewood und Marquis von Esmond, und er ist seines Vaters ehelicher Sohn und rechtmäßiger Erbe. Alles, was wir sind und haben, ist von seinen Gnaden, und er ist das Haupt eines Hauses, das so alt ist wie das Ihrige. Da er aber seinen Namen nicht trägt, damit mein Sohn ihn tragen kann, so lieben, ehren und segnen wir ihn unter jedem anderen Namen.« Das zärtliche Geschöpf wäre am liebsten wieder vor Esmond auf die Knie gesunken, aber er hinderte sie daran. Beatrix stieß einen Schreckenslaut aus, lief mit bleichem Gesicht zu ihrer Mutter, schlang ihre Arme um sie und sagte: »Mutter, was soll das alles heißen?«
»Es ist ein Familiengeheimnis, Mylord«, sagte Oberst Esmond. »Die arme Beatrix hat nichts davon gewußt, und Mylady hat es erst vor einem Jahr erfahren. Und ich besitze ganz ebenso das Recht, auf meinen Titel zu verzichten, wie Euer Gnaden Mutter es zu Euren Gunsten übte.«
»Ich würde dem Herzog alles erzählt haben«, sagte Lady Castlewood, »wenn Seine Gnaden bei mir und nicht bei Beatrix selbst um ihre Hand angehalten hätte. Ich würde noch heute mit Ihnen allein darüber gesprochen haben, Mylord, wenn nicht durch Ihre Worte diese plötzliche Erklärung heraufbeschworen wäre. Nun soll Beatrix es auch erfahren; sie soll wissen, was ich aller Welt kundtun möchte, daß wir unserem Verwandten und Beschützer alles danken.«
Sie hielt die Hand der Tochter in der ihren, und mehr zu dem Mädchen als zum Herzog gewandt erzählte sie in ihrer rührenden Art die Geschichte, die ihr schon kennt, und erhob Esmonds Verdienste in den Himmel. Esmond seinerseits legte die für ihn zwingenden Gründe dar, warum er die Erbfolge, wie sie jetzt bestehe, nicht stören und bleiben wolle, was er bisher gewesen, nämlich Oberst Esmond.
»Und Marquis von Esmond, Mylord«, sagte Seine Gnaden und verneigte sich. »Erlauben Sie, daß ich Sie um Verzeihung bitte für die Worte, die ich in Unwissenheit gesprochen habe. Auch um die Gunst Ihrer Freundschaft möchte ich Sie bitten; denn es ist eine Ehre, Sir, Ihnen nahe zu stehen, unter welchem Namen auch die Welt Sie kennen mag. Zum Dank für das prächtige Geschenk, das Sie meiner Frau, Ihrer Verwandten, machen, möchte ich Ihnen nahelegen, über meine Dienste zu verfügen, wenn ich irgendwie in der Lage sein sollte, Ihnen solche zu erweisen. Ich werde nicht ruhig sein, ehe ich Ihnen nicht wenigstens einen Teil meiner Verpflichtungen zurückgezahlt habe, und durch das Amt, das Ihre Majestät mir übertragen hat, werde ich vielleicht Gelegenheit dazu haben. Ich würde es als eine Gunst betrachten, Mylord, wenn Oberst Esmond mir meine Braut zuführen wollte.«
»Wenn er den üblichen Lohn dafür im voraus annehmen will, so sei er ihm gegeben«, rief Beatrix und trat zu ihm hin.
Esmond küßte sie, und sie flüsterte ihm zu:
»Oh, warum habe ich dich nicht früher erkannt?«
Dem Herzog stieg das Blut heiß zu Kopf, aber er ließ den Kuß schweigend geschehen. Beatrix machte ihm eine stolze Verbeugung, und die beiden Damen verließen das Zimmer.
»Wann geht Euer Exzellenz nach Paris?« fragte Oberst Esmond.
»So bald nach der Hochzeit als möglich«, antwortete der Herzog. »Die Abreise ist auf den ersten Dezember festgesetzt; eher kann ich nicht fort. Die Ausstattung ist noch nicht fertig, und die Königin wünscht, daß die Gesandtschaft mit großem Glanz auftritt. Ich habe auch noch einen Rechtshandel zu erledigen. Jener unselige Mohun kommt wieder nach London oder ist schon da. Wir haben einen Prozeß über die Besitzungen des verstorbenen Lord Gerard miteinander. Er hat mich um eine Zusammenkunft ersucht.«