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In den Mauern Calwas herrschet
Pestilenz und Tod und Elend.
Wo vor kurzem noch die Tage
Schwanden still in ems'ger Arbeit,
Liegt jetzt bleiern Angst und Grausen
Auf den Menschen. Keiner wagt es
Mehr, den neuen Tag zu grüßen,
Denn vielleicht wird es der letzte.
Wo der Webstuhl hell geklappert,
Klingt das Stöhnen eines Kranken;
Wo die Spindel lustig schnurrte,
Da verhallt ein letzter Seufzer.
Unten, wo am Nagoldufer
Hütte sich an Hütte reihet,
Ist nicht eine, drin der finstre
Gast nicht Einkehr hat gehalten,
Besser ist's am Berg, wo luft'ger,
Trockener die kleinen Häuser
In den steilen Gärtchen stehen.
Doch auch hier verblühn die Rosen
Ungesehn, und dumpfes Elend,
Bang Entsetzen lähmt die Menschen.
Kaum drei Tage sind verflossen,
Seitdem Trautwein jäh erschrocken
Vor dem Wort: Er hat die Krankheit.
Nicht mehr nötig ist es, heimlich
Dies von Ohr zu Ohr zu flüstern.
Gellend schreit die Not zum Himmel.
Bang, in öder Todesstille
Liegen alle Gassen Calwas.
Doch, wie sich die Toten mehren,
Thut es not, daß die Lebend'gen
Ihren starren Schrecken zwingen,
Und so kommen denn die Männer
Bleich und schweigend aus den Häusern.
Schweigend graben sie die Gruben,
Bringen nächtlich ihre Toten
Zu der letzten Ruh'. Die Fackeln
Leuchten qualmend zu der Arbeit;
Und auf manchen Totengräbers
Angesicht sind schon die Spuren
Schrecklich deutlich abzulesen,
Daß auch ihm die andern müssen
Bald den Liebesdienst erweisen.
Wie so lange sind die Tage
Solchen Grauens! Geht die Sonne,
Die mit glüh'ndem Strahl den Pesthauch
Gierig allerorts hervorlockt,
Nicht mehr unter hinterm Berge?
Und die Nacht, in der der Karren,
Die so grause Lasten führen,
Dumpf Geräusch die Menschen schrecket, –
Geht sie nimmermehr zu Ende?
Immer größer wird das Sterben. –
Sinnlos, irr vor Angst und Grauen,
Rottet eine Schar von Männern
Sich zusammen, um sich nächtlich
Ohne Weiber, ohne Kinder
Treulos aus der Stadt zu flüchten.
Andre streuen Staub und Asche
Auf das Haupt und ziehen büßend
Psalmensingend durch die Gassen.
Frau'n und Mädchen kommen bebend,
Schreckensbleich vor die Altäre
Und thun schweigend ihr Gelübde.
Andere entzünden Feuer
Um dem Pesthauch so zu wehren;
Und nur wenige versuchen
Mit beherrschtem Geist den Schrecken
Dieser Zeit die Stirn zu bieten.
Zu dem kleinen Häuflein dieser
Zählen die Beguinen Altburgs.
Dort die Große, die soeben
In das Haus tritt, wo zwei Knechte
Berthold Trautweins fiebernd liegen,
Scheut sich nicht, auf die entstellten,
Tiefgeröteten Gesichter
Ihre kühle Hand zu legen.
Still reicht sie den Labetrank hin,
Der die aufgeschwollnen Zungen
Kühlet und die Schmerzen lindert.
Und als einer von den beiden,
Klaus, die Glieder reckt in letztem
Krampf, da hält sie seine Hände,
Betet leis und drückt dem Armen
Segnend zu die starren Augen.
Und im Judenviertel drunten
Gehet unbeirrt und ruhig
Bruder Simon aus der Höhle
In die toderfüllten Hütten.
Mit stets gleicher, stiller Miene
Mischt er Tränke, kochet Salben,
Leget Tücher auf und reibet
Mit den kräftigen Essenzen
Diese armen, schmutzbedeckten,
Pestgeschüttelten Gestalten.
Dann und wann sieht eine Kutte
Man auch in die Häuser schleichen;
Doch es ist nicht die von Hirsau;
Nur die Priester der Altäre
Von Sankt Niklas und Maria
Ueben lautlos fromme Werke.
An dem Hause an der Mauer
Ist der wilde Gast bis heute
Schonend noch vorbeigegangen.
Trude und die Muhme schleichen
Still umher mit blassen Lippen.
Ihr vereinigt leises Beten
Steiget oft gar heiß zum Himmel.
Trautwein hat den beiden Frauen
Streng verboten, ihres Hauses
Schwelle je zu überschreiten.
Nicht zur Kirche, nicht zum Bittgang,
Nicht zur Beichte dürfen beide.
Trautwein selbst, so sehr die leise
Kunde von dem nahnden Uebel
Ihn erschreckte, schaut jetzt männlich
Und gefaßt ihm in das Auge.
Seine Art ist nicht, zu jammern
Thatenlos in blindem Schrecken.
Ob die arbeitsharten Hände
Keine Kranken pflegen können,
Sind sie allezeit doch offen
Und bereit, mit allen Mitteln
Not und Elend mild zu lindern;
Doch was nützt's? Ein Wassertropfen
Ist's, auf heißen Stein geträufelt.
In dem Erker, drin der Starmatz
Läßt sein fröhlich Lied erklingen,
Sitzet Berthold auf der Truhe.
Heut' zum erstenmal blickt mutlos,
Hoffnungslos er vor sich nieder,
Und sein Antlitz ist gealtert.
Sollte wahr sein, was in dunkeln
Und verschwommenen Gerüchten
An sein banges Ohr gedrungen?
Wären denn der Krankheit Qualen
Nicht der Gipfelpunkt der Schrecken,
Und ein Andres, Ungeheures
Sollte noch im Finstern lauern?
Kann es sein, kann Gott es dulden,
Daß die Lippen nicht gelogen,
Die entsetzt die Kunde brachten:
»König Philipp ist ermordet!«
Trautwein springet auf, er greift sich
Wie in jähem Weh zum Herzen:
Jene süße, bleiche Fraue,
Jene stille, weiße Rose,
Die am Stauferherzen ruhte,
Jene griechische Irene
Nun allein? Das Liebesleben
Jäh zerstört, vom Sturm zerrissen?
Ja, dann will es Trautwein glauben,
Was durch viele bange Herzen
Fliegt in dieser Zeit der Schrecken:
Daß der Tage letzter nah' ist
Und die Welt im Brand vergehe.
Auf stößt er den Fensterladen.
Dämmrung deckt das Thal; am Himmel
Dort im Süden überm Waldrand
Steht mit seinem fahlen Glanze
Der Komet, der Menschen Schrecken.
Ueber Calwas niedern Häusern
Liegt der Rauch der vielen Feuer,
Und dort drüben überm Flusse
Qualmen einzeln schon die Fackeln,
Die zur nächtlich grausen Arbeit
Dieser Jammertage leuchten.
Trautweins Auge bleibet haften
Dort, wo mit dem großen Schuppen
Und dem Wohngemach der Knechte
Sein Besitztum einsam daliegt.
Deutlich kann er noch im Zwielicht
Den verbrannten Stumpf der Linde
In des Hofes Mitte sehen.
Und des Blitzstrahls muß er denken,
Der den lieben Baum versengte,
An dem Tag, an dem ein andrer
Wetterstrahl im fernen Bamberg
Eine königliche Eiche
Meuchlings blutig niederstreckte.
Ist's der Rauch, der aus dem Garten,
Darin Konrad und die Margret
Eben hell ein Feuer schüren,
Aufsteigt, der so scharf ins Auge
Trautweins beizt, daß er jetzt langsam
Drüber fährt? – Wer will es sagen!
In der Peterskirche Hirsaus
Brennen Tag und Nacht die Kerzen.
Marquard hat in seinem Dorment
Lange mit sich selbst gekämpfet,
Was zu thun. Sein starr Entsetzen
Vor der Pest und ihrem Schrecken
Rang in ihm mit des Gewissens
Stimme; denn den Mönchen Hirsaus
Und dem Abt voran, gebührt es,
Liebeswerke fromm zu üben.
In des unglücksel'gen Calwa
Mauern wär' ein Feld der Arbeit;
Aber Marquard fühlt ein Grauen,
Wenn er denkt, wie leicht ein Bruder
Tod und Pest gen Hirsau schleppte.
Endlich, seinen innern Zweifeln
Leichter zu entrinnen, ruft er
Nachts noch den Konvent zusammen
Und eröffnet seinen Patres
Nathans Botschaft und Begehren.
Ignaz, den mit Sorg' und Mühe
Klaus aus seiner Ohnmacht weckte,
Steht an seinem Platz am Pfeiler.
Ob die andern bei des Abtes
Worten voller Schreck erbleichen, –
Er bleibt ruhig; ja auf seinem
Antlitz liegt ein stiller Frieden.
Was ihm lang, ein düster Nachtbild,
Durch die ahnungstrübe Seele
Huschte, ein verschwommner Schatten, –
Es ist da, es tritt ins Leben.
Wie vor bösen Wetters Stürmen
Angstvoll und verstört die Schwalbe
Scheu umherirrt, also war es
Ignaz stets ums Herz gewesen.
Jetzt ist es in diesem Herzen
Ruhiger als je geworden,
Denn nichts ist so schlimm, so furchtbar,
Daß die Angst davor, das Ahnen
Nicht entsetzlicher noch wäre.
Marquard spricht heut' leis; die Worte
Fallen stockend ihm vom Munde.
Und als er geendet, bleibt es
Lange still noch im Konvent.
Endlich tritt mit einem Antlitz,
Darauf feige Angst zu lesen
Der Herr Prior zu dem Abte:
»Domine, wir alle wissen,
Daß es unnütz ist und sträflich,
Wider Gottes Hand zu kämpfen.
Nur beflecken mit Verderbnis
Dieses Leibes und der Seele
Würde sich, wer den Gerichten,
Die Gott schickt auf jene Juden,
Hemmend träte in den Weg.
Frommer Klosterleute Arbeit
In den Zeiten solcher Nöte
Ist Gebet, ist Messelesen,
Beichte hören, Psalmen singen. –
Laßt uns also thun, so wird es
Gott im Himmel wohlgefallen!«
Marquards scharfes Auge flieget
Auf den Prior hin, doch heute
Ist's nicht spöttisch: scheu, verlegen
Blickt es fast. – Der Abt, er schämt sich,
Daß mit diesem feigen Heuchler
Er der gleichen Ansicht sein soll;
Und doch findet er den Mut nicht,
Sein Entsetzen abzuschütteln
Und den Weg der Pflicht zu wandeln.
Zu den Patres jetzt gewendet
Fragt er: »Und ihr, meine Brüder,
Was bedünkt euch, laßt es hören!«
Eine Welle warmen Blutes
Steiget da in Ignaz' Antlitz:
»Domine, wir alle wissen,
Daß uns Jesus Christus lehrte,
Mild sein wie der Samariter.
Der ritt nicht mit müß'gem Beten
An dem wunden Mann vorüber.
Eines soll man thun, doch deshalb
Auch das andere nicht lassen.
Nicht in Gottes Weg sich stellen
Heißt es, so die Klosterleute
Suchen schwere Not zu lindern.
Domine, o laßt die Brüder
Ausziehn! Ob der Leib verderbe,
Wenn die Seele nur entrinnet
Dem Gericht, das hart und drohend
Durch die Welt geht!« Marquard blicket
Schnell jetzt auf: »Es ist dein Wille,
In die pestbefleckten Mauern
Einzugehn zu Gottes Ehre?
Wohl, dann sei dein Amt, die Bulle
Auf den Kanzeln zu verlesen.
Mag's den Zorn des Höchsten stillen,
Und der Frevel Sühne werden,
Was Papst Innocenz beschlossen!«
Schnell in Ignaz' dunkeln Augen
Löscht der Strahl aus, der fast freudig
Drin geflammt bei seiner Rede.
Doch er faßt sich rasch: des Mönches
Pflicht ist allezeit gehorchen.
Tief neigt er sich vor dem Abte
Und nimmt aus den Händen Marquards
Die verhängnisvolle Rolle.
Bittend heftet er die Augen
Auf den Abt: »Und wenn geschehen,
Was Ihr Eurem Knecht befohlen,
Mag er dann, wozu ihn's treibet,
Thun mit Eurem vollen Willen?«
Marquard nickt, ihm schnürt ein seltsam
Fremd Gefühl von Scham und Schwäche
Vor dem Mönch die Brust zusammen.
Er ermannt sich: »So ein Bruder
Dich will auf dem Gang begleiten,
Sag er's an. Und in der Frühe,
Bei der Prim mögt ihr zusammen
Vor dem Hochaltar die Hostie
Nehmen und im Segen ziehn.
Doch nicht, eh' die Pest verschwunden,
Dürft ihr in des Klosters Mauern
Wieder eingehn, daß nicht unrein
Werde dieser Ort des Friedens!«
Marquard blickt sich um: »Ist keiner,
Der mit Bruder Ignaz zöge?«
Bleichgeworden stehn die Mönche,
Einer schauet auf den andern.
Endlich aber tritt Medardus
Vor, des Klosters wackrer Hüne.
Sigbert mit dem Höcker drückt sich
Schüchtern her. – Die andern alle
Stehen unbeweglich abseits.
Marquard wartet lang. Die Stille
Wird beänstigend; da steht er
Auf vom Stuhl, und wie versteckter
Hohn klingt es aus seiner Stimme:
»Wer mit Beten und mit Fasten
Will die Pest zu Calwa bannen,
Trete zum Herrn Prior über!«
Alsofort in dichter Reihe
Geht die Schar auf jene Seite;
Als der Erste Bruder Othloh
Und zuletzt der Kellermeister,
Und auf dessen rundem Antlitz
Liegt ein helles Rot. Worüber?
In des nächsten Tages Frühe,
Als die Prim mit sieben Psalmen
Ist beendet, treten langsam
Vor den Hauptaltar vier Männer,
Aus des Abtes eignen Händen
Christi Leib und Blut zu nehmen.
Ignaz als der Erste knieet
Hin und nimmt die heil'ge Speise.
Dann Medardus, dessen große
Hände zittern beim Gebete.
Sigbert blicket scheu und schüchtern
Auf den Abt, der ernst und bleich ist,
Wie man nie ihn sah. Als Vierter
Tritt ein hoher, jugendschlanker
Mann jetzt zum Altare: Krafto
Im Gewande des Novizen.
Marquard zaudert mit der Hostie:
Kein Novize soll sie nehmen.
Doch es geht der Pest entgegen;
Und er reicht sie auch dem Letzten.
Fahler Dämmer füllt die Kirche,
Als die Viere durch das Langschiff
Schreiten zu dem großen Westthor.
Keiner blicket um. Der Tritte
Hall tönt laut und klappernd wieder,
Und an den Altären brennen
Kerzen trüb dem Tag entgegen.
Marquard stehet unbeweglich
Noch am Hauptaltar. Sein Auge
Starrt das Schiff entlang, bis endlich
Jene Viere sind entschwunden.
Dann bewegen sich die Lippen,
Doch kein Wort ist laut geworden.
Wie an großen Fasten Sitte,
Treten außer Abt und Prior
Jetzt vier Patres zu den Stühlen,
Um den Laien, die von ringsum
Zu der Klosterkirche kommen,
Bis zur dritten Mittagsstunde
Ihre Beichte abzunehmen.
Lautlos liegt die weite Kirche,
Nur verschwommen dringt bisweilen
Dumpf Geräusch herein von außen,
Wo im Hof des Tags Hantierung
Jetzt beginnt. Die frommen Patres
In den grünverhangnen Stühlen
Nicken ein und niemand stört sie.
Marquard aber legt im Beichtstuhl
Vor sich selbst ab strenge Beichte.
Wider seinen Willen ist es.
Läßt er doch, was ihm Beschwer macht,
Sich nur ungern nahe kommen;
Heute kann er es nicht wehren.
Vor das innre Auge tritt ihm
Vieles, was verblaßt, vergessen
In dem Schoß der Jahre ruhte.
Vieles, was seitdem verhüllt war,
Tritt so nackt, so häßlich deutlich
Vor die Seele. Marquard ächzet:
Kommt denn niemand, um zu beichten?
Fremde Schuld ist so viel leichter
Zu vernehmen, zu vergeben! –
Gegenüber von dem Abte
Sitzt der Prior dort im Beichtstuhl,
Und auch er blickt gar verdüstert
Vor sich hin. Seit sieben Jahren
Ist er Prior jetzt zu Hirsau.
War die Ware ihren Preis wert?
Einstmals, ja! Es waren lust'ge
Tage, die im Kreis der Gäste
Man verlebt bei Jagd und Gastmahl.
Nicht zu schwer war das Gelübde,
Abt und Brüder weiten Herzens.
Doch dann kam die Zeit, wo dünner
Wurde rasch des Abtes Beutel,
Das verfluchte, tolle Bauen
Fraß das Geld. Die lust'gen Gäste
Wurden seltener geladen,
Mit dem Jagen nahm's ein Ende,
Und je weniger von außen
Kam, was froh die Tage machte,
Desto gründlicher im Innern
Ward das Leben schal und öde.
Dieser düstre Bruder Ignaz!
st es nicht, als ob vor seinem
Blick der Honig würd' zu Galle?
Wohl, jetzt ist er fort. Mög's lange
Diesem milden Samariter
Wohlgefallen, wo der Prior
Ihn nicht täglich braucht zu sehen!
Und vielleicht vermag die Kutte
Nicht vor Pest und Tod zu schützen. –
Seltsam Grauen faßt den Prior:
Was er da in schwarzer Seele
Hat gewünscht, es klingt auf einmal,
Wie von fremdem Mund gesprochen
Als ein Fluch in sein Gewissen. –
Tritte hallen jetzt vom Schiff her:
Jemand nahet, um zu beichten.
Ungleich, matt und schleppend kommen
Diese Tritte langsam näher.
Und ein hohes Weib, dem dunkle
Tücher Kopf und Schultern decken,
Oeffnet mühevoll die Thüre
Und tritt in den Stuhl des Priors.
Auf den niedern Schemel sinkt sie
Hin, als brächen ihr die Füße.
Mit beklemmter Stimme flüstert
Da der Prior, den ein Schrecken
Packt: »Gelobt sei Jesus Christus!«
Doch das Weib dankt nicht dem Gruße.
Den verhüllten Kopf, sie legt ihn
An das Gitter, daß der Atem
Ihres Mundes heiß hinüber
Dringt zum Prior, und sie flüstert,
Leis und dumpf, als red' sie irre:
»Ich verruchtes Weib bekenne
Es vor Gott und allen Heil'gen,
Daß ich, als mein Kind mußt' sterben,
Aus dem Munde eines Pfaffen
Zuchtlos freche Worte hörte.«
Starr und totenbleich vernimmt der
Prior, was das Weib ihm beichtet.
Ja, die üppige Gestalt hier
Ist die Gret vom Alzenberge.
Schon beginnt sie flüsternd wieder:
»Ich verruchtes Weib bekenne,
Daß, berauscht von Wein und Sünde,
Ich mein Kind ließ einsam sterben.«
Ihre Stimme bricht; der Prior
Hört, daß ihre Zähne klappern
Wie im Fieber. Seine Frechheit
Rafft sich auf zu einem: »Weiter!«
»Weiter?« fragt die Gret und krallt sich
An das Gitter an, wie sinnlos,
»Weiter willst du, Pfaffe, wissen?
Komm mir nah, – recht nah, – die Wände
Um uns her, sie könnten hören;
Und doch darfst es du alleine
Wissen, du mein trauter Buhle!«
Ist's der Satan, der den Prior
Herzwingt an das weite Gitter,
Also, daß sein rotes Antlitz
An der Grete Kopf sich presset?
Da, mit einem raschen Griffe
Reißt das Weib ihr Tuch herunter.
Auf den großen, scharfen Zügen
Liegt der Tod, und zischend klingt es.
»Komm! die Gret ist heute willig,
Komm! sollst alles mit ihr teilen,
Auch die Pest, die Pest, die Pest noch!«
In dem Beichtstuhl klingt ein Schrei jetzt,
Gellend, tierisch, unnatürlich.
Aus dem sanften Schlummer fahren
Auf die Patres in den Stühlen.
Marquard selbst stürzt her voll Schrecken.
Seiner starken Hand weicht splitternd
Die von innen wohlverwahrte
Thür, und auf den bunten Fliesen
Liegt ein Weib in Todeskrämpfen.
Hinterm Gitter aber knieet,
Schaum am Munde, starr Entsetzen
In den aufgerissnen Augen,
Aschfahl im Gesicht, der Prior.
Marquard prallt zurück. Ein Blitzstrahl
Des Erkennens, der die Seele
Jäh durchzuckt, zeigt ihm den Finger
Gottes, dem man nicht entrinnet.
Alle Feigheit, alle Härte,
Das erbärmlichste Verstecken
Wehrte nicht dem grausen Feinde:
Er ist da: – Die Pest im Kloster! |