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Kaum als Ignaz und Graf Krafto
Heute mittag weggegangen,
Schlüpfte zu der Klosterpforte
Konrad und sein Luchs hinaus.
Ungebahnte Wege suchen
Hund und Knecht, sie nehmen Zeit sich,
Klettern durch den Wald, ob zähes,
Dorniges Gestrüpp den Weg hemmt.
Brombeerranken, die sich klammern
An das Wams, ans Fell des Tieres,
Schneidet mit dem scharfen Messer
Konrad durch. Der Tannen Aeste,
Die oft bis zum Boden hängen,
Biegt er kraftvoll auseinander,
Durch die Farne, deren prächtig
Uepp'ge Wedel ihm bisweilen
Bis zur Brust gehn, sucht er fröhlich
Einen Weg. An manchen Stellen
Quillet unter seinen Tritten
Klar das Wasser, daß die schweren
Schuhe fast darin versinken.
Doch dies stört nicht Konrads Frohsinn,
Stört auch nicht des Hundes Laune;
Unentwegt durchklettern beide
Kreuz und quer den Wald, sie wissen
Bald nicht Weg mehr und nicht Richtung.
Aus des Reitknechts Mund entströmet
Lied um Lied, er kann's nicht hemmen.
Was er singt, es atmet Minne,
Die ihm jäh ins Blut gefahren.
Grüner Tann und blum'ger Hag,
Sonnenheller Sommertag,
Der mein Herz bezwungen.
Wald'ger Berg und Wiesenthal,
Muntrer Fluß, euch allzumal
Hab' ich oft besungen.
Etwas andres lob' ich heut,
Etwas, was mich mehr noch freut,
Mögt nicht mit mir rechten:
Klarer als das Sonnengold
Sah ich lieb und wunderhold
Heut zwei blonde Flechten.
Nehmt's nicht übel, Flur und Wald,
Wenn mein Lied heut widerhallt
Nur vom Lob der Einen.
Linder als der Sommertag,
Süßer als die Blüt' im Hag
Will sie mir erscheinen.
Wisset, Strom und Thal und Flur,
Daß ihr schön seid, dankt ihr nur,
Wie ich mich besinne,
Jener hohen, guten Stund',
Da des Herrgotts Will' und Mund
Schuf die süße Minne. –
Kaum verhallt der letzte Ton jetzt,
Taucht der Klausner aus den Tannen.
Sein durchfurchtes Greisenantlitz
Glänzet freundlich, und er strecket
Seine runzelvolle Rechte
Konrad hin, wie seinesgleichen;
Dieser bückt sich drauf und küßt sie:
Seit des Alten gute Salben
Ihm den Herrn so rasch kurierten,
Fühlt er eine tiefe Ehrfurcht
Vor dem Manne aus der Höhle.
Dieser wieder ist dem jungen,
Frohen Sänger herzlich gut.
»Sagt mir, Vater,« fängt da Konrad
Schüchtern an, »Ihr haust ja lange
Hier und kommet sicher oftmals
Zu der großen Mess ins Kloster.
Saht Ihr nie da eine Alte,
Weiß von Haaren, hoch von Wuchse;
Stattlich sah sie vor den andern
Weibern, die die Halle füllten,
Hatte auch zwei helle Augen
Und ein freundlich Angesicht.«
Wie der Blitz huscht da ein Lächeln
Schelmisch um des Alten Lippen:
»Wohl kenn' ich des Trautwein Muhme,
Eva Demmlerin mit Namen.
Also dieser galt dein Singsang?
Sicher hat ein freundlich Liedchen
Sie verdient, und goldne Flechten
Hast du ihr wohl angedichtet,
Wie Spielleute gern es machen!
Wohl ist sie ein stattlich Weib noch,
Nur die Füße wollen manchmal
Nicht so recht mehr, und dann stützt sie
Sich auf Margrets junge Arme.
Da, wo an der Mauer Calwas
Gegen Mitternacht das obre
Thor die stumpfe Ecke bildet,
Haust die Muhme bei dem Trautwein,
Den du von der Reise kennst.
Grüße sie, sollt'st du sie sehen,
Und vermeld' ihr, daß die Salbe,
Die sie braucht für ihre Füße,
Bis zum übernächsten Vollmond
Gegen Ende des Oktober
Ausgegoren hab' im Kruge,
Und die Margret soll sie holen.«
Listig lachend blickt der Klausner
Auf den Knecht, der seltsam dreinschaut,
Als hätt' ihn bei einem schlimmen
Bubenstreich der Greis erwischt.
Doch nicht lang ist er verlegen,
Jauchzt dann laut, pfeift seinem Hunde:
»Werde alles wohl bestellen!« –
Und ist schon im Busch verschwunden.
Träumend steht der Greis noch lange,
Hört die Jauchzer fern verhallen.
»Jugend, süßer Mai des Lebens,
Minne, – Blume du des Maien!
Was die Welt an Schätzen bietet
Kauft euch nimmermehr zurück!«
Also gehen die Gedanken
Jetzt des stillen, alten Mannes.
Trüb, wie tiefe Wehmut zieht es
Ueber seine falt'gen Züge,
Und des Walds grüngoldne Lichter
Fallen auf sein fromm Gewand.
Ei, wie ist der Konrad plötzlich
Doch so wild und ungebärdig!
Hängt ein Brombeerstrauch am Wams ihm,
Reißt er, daß die Nähte krachen,
Will ein Tannenast ihn hemmen,
Hui, wie fliegt er auf die Seite!
Schlüpft der Luchs durch Busch und Sträucher,
Heißt es: »Dummer Kerl, wie magst du
Nur die schlecht'sten Wege wählen!
Such' die besten, ich hab' Eile!«
Ja, als gar ein tiefer Hohlweg,
Steil von Rand und grundlos schmutzig
Quer des Knechtes Pfad durchschneidet,
Kann man deutlich einen derben
Fluch aus Konrads Munde hören.
Und dies alles nur, um schnelle
Klausners Simon wicht'gen Auftrag
An die Muhme auszurichten.
Endlich auf gebahnte Wege
Kommen Herr und Hund mit Mühe,
Finden bald das obre Thor.
Konrad bringt sein Wams in Ordnung
Und steht an der Gartenthüre.
Ei, wie klug doch solch ein Hund ist:
Luchs scharrt schon aus Leibeskräften
An der Pforte, bis sie nachgiebt,
Springt in freudig langen Sätzen
Dann zur Hausthür, schnubbert, winselt,
Just, als wüßte er, daß drinnen
Konrad Wicht'ges muß besorgen.
Eben will dem Ungebärd'gen
Konrad auf dem Sandweg folgen,
Da sieht er in grüner Laube,
Hinter dichten Heckenrosen
Ein Gewand von blauer Farbe,
Das ihm will bekannt erscheinen.
Sachte durch die schmalen Beete,
Wo bei Bohnen und bei Rüben
Lustig Minz und Salbei duften,
Schleicht er wie ein Dieb sich näher.
Richtig, auf dem niedern Bänkchen,
Mit dem Rücken nach der Thüre
Sitzt die Maid von heute Morgen.
Wieder glänzen ihre Flechten
Nahe vor des Knechtes Blicken,
Wieder sieht er selbst das kleine
Mal in dem gebeugten Nacken,
Der jetzt so verdächtig rot wird.
Konrad, sonst so wenig schüchtern,
Weiß sich da nicht recht zu fassen.
Endlich kommt ein kleiner Husten
Ihm, Gott sei's gedankt, zu Hilfe.
Margret wendet sich zum Knechte,
Nicht erschrocken und nicht zornig,
Daß sie also aufgestört wird.
Fragend blickt sie auf den Fremdling,
Fragend dieser auf die Dirne,
Keines weiß ein passend Wörtlein, –
Schwerer Fall, ohn' alle Frage.
Konrad pflückt vom Rosenstrauche
Sich ein Blatt, führt es zum Munde,
Und solch sinniges Beginnen
Giebt der Maid die Sprache wieder,
Die ihr selten pflegt zu stocken.
»Eßt Ihr gerne Rosenblätter?«
Fragt sie, und aus tausend Ecken
Blitzt der Schalk; »hier findet Ihr sie
Frisch und auch in guter Menge,
Falls Euch solch Begehren herführt.«
Blitz! denkt Konrad, hat am Ende
Dich das nette Ding zum besten?
Doch sie soll dich kennen lernen!
»Ab und zu,« entgegnet keck er,
»Ist dies gut, Du mußt's erproben.
Sonderlich hilft es für böse,
Spitze Zungen, wie die Deine!
Nimm und koste, 's kann nicht schaden.«
Damit reißt er eine Ranke
Von dem Strauch und wirft's dem Mägdlein
Zu, daß sie erschrocken aufspringt.
»Ei, wie seid Ihr dreist, Herr, merket:
Hütet Euch vor mir, ich beiße!«
»Bin nicht furchtsam,« fährt mit Gleichmut
Konrad fort, »und was dann weiter
Noch Dein »Herr« betrifft, so spar es!
Bin der Knecht vom Grafen Sponheim,
Du die Magd von Muhme Eva, –
Also stimmt es, will mir scheinen.«
Margret schaut mit großen Augen
Auf den Frechen. Selbst ihr flinkes
Zünglein stockt bei solcher Keckheit.
Doch sie ist ein kluges Mägdlein,
Darum reizt sie nicht den Wilden
Noch durch nutzlos Widersprechen.
Nur kann sie es nicht verhüten,
Daß sie rot wird bis ins kleine
Ohr hinaus, wenn sie jetzt fraget:
»Willst wohl deinen Herrn erwarten?«
Ganz behaglich läßt sich Konrad
Auf das schmale Bänkchen nieder,
Schaut von unten auf zur Margret.
»Meinen Herrn?« sagt er, ein Schatten
Gleitet über seine Züge,
»Nein, seit wir bei Pfaffen hausen
Hat mein Herr mich nicht mehr nötig.
Der sitzt jetzt wohl in der Vesper,
In der Non', – der Teufel selber
Weiß nicht, wie sie's immer heißen.«
»Fehlgeschossen!« lacht da Margret;
»Droben ist er, Berthold Trautwein,
Wie er sagte, heimzusuchen.
Hab' ihm selbst die Thür geöffnet.
Es ist doch der feine Junker
Mit den hellen, blauen Augen
Und dem Wams aus Pelz und Seide?«
Konrad blicket von der Seite
Auf die Magd: »Du hast ihn gründlich,
Wie ich merke, angesehen,
Doch, da kannst du lange schauen,
Der ist nichts fürs Weibervolk,
Sonst hätt' er zu Haus in Sponheim,
Wo die schönsten, edlen Fräulein
Sich um unsre Gunst bemühten,
Längst sich eine wählen können.
Wie der Bruder seines Vaters
Wird er einst, wenn er bei Jahren,
Den Erzstuhl von Köln besteigen.
Und schon jetzt ist von den Mönchen
Er so blindlings eingenommen,
Daß er Weiber nicht mehr anblickt.«
»Ei!« entgegnet Margret schnippisch,
»Werden hoffentlich die Mägdlein
Drüber sich zu trösten wissen!
Also, wenn du nicht den Herrn suchst,
Sag, was führt dich denn nach Calwa?«
»Hm,« meint Konrad und schaut pfiffig
Ueber Salbei und Reseden,
»Wollt mir nur ein Sträußchen holen.
Im Vorbeigehn sah ich üppig
Rosmarin und Malven blühen,
Und du weißt, dies giebt zusammen
Einen Trank für kranke Herzen,
Und den kann ich wahrlich brauchen.
Seit heut Morgen in der Kirche
Fehlt's am Herzen mir, ich weiß nicht,
Was es ist, doch daß es schlimm ist,
Fühl' ich leider allzu sicher.«
Eben treten durch die Pforte
Klaus und Michel, die zwei Knechte,
Die der Konrad kennt von damals.
Doch, so gern er sie auch hatte,
Heute schlüpft er in die Hecke,
Murmelt leise einen Kraftspruch.
Aber Margret, froh der Störung,
Die zu guter Zeit gekommen,
Eilt davon, die beiden Männer,
Wie sie soll, zum Herrn zu führen.
Nicht lang währt's, dann kommt sie wieder.
Pflücket im Vorübergehen
Eilig Rosmarin und Malven,
Reichet lachend und errötend
Sie dem Knecht, der froh sie annimmt.
»Mög' dein Herz recht bald genesen!«
Ruft sie, Konrad nickt gar ernsthaft:
»Wenn du willst, kann es nicht fehlen,
Schon verspür' ich leichte Bessrung.«
Aus dem Hause tritt jetzt Krafto,
Konrad sieht's, doch bleibt er trotzig,
Auch den Hund, der eilig aufsteht,
Hält er fest am zott'gen Felle.
Wie das Gartenpförtlein dröhnet,
Trautwein, der den Gast begleitet,
Wieder ist im Haus verschwunden,
Geht's von neuem an ein Plaudern.
Als nach langer Zeit die Muhme
Aus dem Laden ruft nach Margret,
Klingt es seltsam in der Laube,
Fast wie leises, leises Küssen.
Wie hierauf die Magd zur Thür läuft
Mit gar heißen, roten Wangen,
Ruft ihr Konrad nach voll Eifer:
»Margret, daß ich's nicht vergesse:
Von dem Klausner viele Grüße,
Und die Salbe werde fertig
Bis zum übernächsten Vollmond.«
Dann, befriedigt, daß so pünktlich
Seinen Auftrag er besorgt hat,
Pfeift er Luchs, doch der ist lang schon
Fort auf seines Herren Spuren.
In der Hand den Strauß der Margret
Geht der Fröhliche jetzt heimwärts:
An dem Abend hörte mancher,
Der des Weges kam, im Thale
Helle Jauchzer, deren Echo
Von den Bergen widerklang. |