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Freudig steigt die Weihnachtssonne
Auf am blassen, klaren Himmel,
Doch im Kloster ist die Freude
Nur gering am hohen Fest.
Im Kapitelsaal wird heute
Amt und Gottesdienst gefeiert,
Denn der Chor der Peterskirche
Ist verwüstet und verpestet
Vom Geruch des schlimmen Brandes.
Marquard hat sich in der Frühe
Schon den Schaden angesehen.
Schlaflos hat er lang gelegen
Diese Nacht; mit Mühe hat er
Dumpfes Bangen abgewiesen.
Der gefangne Seckelmeister,
Jetzt der Brand, der die Reliquie
Und den halben Chor vernichtet,
Und des Brandes nächste Folge:
Daß der junge Graf ihn sicher
Als ein Himmelszeichen ansieht,
Nicht dem Kloster sich zu weihen;
Dann des abgesandten Ignaz
Allzulanges Fernebleiben –
All dies leget sich dem Abte
Aufs Gemüt, ja diese Fälle
Scheinen ihm nur finstre Boten
Für noch finsterere Zeiten.
Doch das Licht des Tags malt milder
Und erhellt das trübste Ahnen:
Als am frühen Festesmorgen
Marquard steht im Chor der Kirche,
Dränget seine Lust am Bauen,
Die ihm hier zur Pflicht wird, sogleich
Alles andre weit zurück.
Schon zählt er im Geist die Fliese
Für den neuen, schönern Boden,
Den Altar für das Ciborium
Sieht er prächtiger erstehen,
Die gesprungnen, schwarzen Stufen
Sieht er ausgemerzt durch neue.
Für den Hauptaltar, der wenig
Nur verletzt, was fast ein Wunder,
Plant er neue Flügelthüren.
Ja, schon legt er es im Geiste
Sich zurecht, wie ihm der große
Meister Wilhelm, dessen Name
Immer lauter dringt von Köln her,
Solche selber malen müsse,
Wozu Gott und Sponheim helfe.
Sponheim; – ja, das ist das Nächste,
Darum, Marquard: Wie die Schlangen
Klug sein und die Augen auf jetzt!
Nach dem Gottesdienst im Saale
Tritt der Abt zum jungen Grafen,
Der am Pfeiler lehnt, wo immer
Bruder Ignaz pflegt zu stehen.
Und er lädt ihn ein, ein Stündchen
Mitzugehn ins Refektorium.
Krafto neigt sich, und sie treten
In den Saal, der bis zum Prandium
Leer bleibt, da die Brüder alle
In der nahen Wärmestube
Drüben sich zusammenfinden.
Dämmerig umfängt der weite
Raum mit seinen langen Tafeln
Jetzt die beiden, denn die Fenster
Sind mit grünem Tuch verhangen.
Weiche Teppiche bekleiden
Rings die Wand, nur da, wo Marquard
An dem Tische pflegt zu sitzen
Ist ein Bildnis an der Mauer:
Jenes Mahl des Herrn, da Judas
Mit ihm in die Schüssel tauchet.
Auf den Bänken längs den Wänden
Liegen Teppiche und Kissen.
Schneeig weiße Tücher decken
Alle Tische, und die bunten,
Schöngemalten Eßgeschirre
Stehen schon an ihren Plätzen.
Durch die Thür zur nahen Küche
Dringen der Gerüche manche,
Die auf keinen Fasttag deuten.
Dicke Scheite im Kamine
Mühen sich, die weite Halle
So weit möglich zu durchwärmen.
Marquard schiebt sich mit dem Fuße
Eine Truhe nah' ans Feuer,
Und auf einen Wink läßt Krafto
Sich an seiner Seite nieder.
»O, wie wohl thut diese Ruhe«,
Spricht der Abt, »nach allem, was uns
Widerfahren ist seit gestern!
Seh' es wohl in Euren Mienen,
Daß auch Euch die heut'ge Christnacht
Wenig Schlaf und Ruhe brachte,
Kann mich wahrlich des nicht wundern.«
Krafto will etwas entgegnen,
Doch der Abt fährt fort mit Salbung:
»Wohl erregt es uns, zu sehen,
Wie Gott eingreift, wenn wir Menschen
Thun, was unsern blöden Augen
Recht erscheint, indes der Höchste
Es für Trug und Schuld erachtet.«
Kraftos Augen blicken helle
Auf den Abt voll jäher Freude,
Und er öffnet schon die Lippen;
Aber ernster fährt der Abt fort:
»Nur den Auserwählten sendet
Gott ein sichtbar deutlich Zeichen;
Nur den Auserwählten fällt er,
Um ein weltlich Bild zu brauchen,
In die Zügel, wenn verdeckter
Abgrund gähnt in Weges Mitte.
Daß er also Euch behütet,
Wollen wir ihm brünstig danken.«
Marquard achtet auf die Funken
Im Kamin, die rötlich zucken
An den halbverkohlten Scheiten.
Krafto, dessen Augen sinnend,
Wie in stiller Andacht blicken
Sieht den Zug nicht, der jetzt lauernd
In des Abtes Antlitz auftaucht.
Fromm spricht er, aus leichtem Herzen:
»Ja, er meint es gut, und täglich
Will ich ihm in Demut danken,
Daß er, ob mit rauhen Mitteln,
Mir den rechten Weg gewiesen!«
Marquard fähret fort, und leiser
Hohn zuckt ihm um seine Lippen:
»Da es denn für Eure Seele
War, wie ich stets besser sehe,
Ist der Preis mir nicht zu teuer,
Und die Flammen will ich segnen,
Die Euch vom Altar getrieben.
Klar ist gestern mir geworden,
Was die Schrift sagt, da es heißet:
Menschen sehen, was vor Augen,
Doch der Herr sieht in das Herz!
Alldieweil wir Blinden glaubten,
Daß die rechte Zeit gekommen,
Da Ihr Euch der Welt begeben
Möchtet ohne Fehl und Reue,
Hat Euch Gott, der Herzen prüfet,
Offenbar nicht reif gefunden.
Suchet, forscht in Eurem Innern,
Ob nicht sündhaft ird'sche Wünsche,
Ob nicht Pläne darin wohnen,
Die dem Mönch zur Sünde werden.
Sicher findet Ihr dergleichen.
Prüfet, sucht und schafft geduldig
An der inneren Vollendung,
Und zu Ostern tretet wieder
Zum Altar, dann wird kein Feuer
Euch davon zurücke treiben!«
Hastig hat der Abt gesprochen,
Als befürcht' er Unterbrechung
Und als wolle er die Worte
Möglichst schnell vom Herzen haben;
Denn wie Scham beschleicht es Marquard,
Solche Netze auszuwerfen.
Krafto blickt mit großen Augen
Zu ihm auf, ein schmerzlich Staunen
Malet sich in seinen Zügen.
Anderes hat er erwartet
Beim Beginn der langen Rede,
Anderes, was er viel lieber
Angehöret und befolget:
Daß er frei sei, daß Gott selber
Ihm ein ander Los beschieden.
Und nun legen sich die Fesseln
Enger um sein frommes Herz.
Marquard tritt jetzt mit der Miene
Eines Manns, der schwere Arbeit
Gut vollbracht, zu seinem Platze,
Doch der Graf schleicht sich ins Freie,
Ihm ist plötzlich eng geworden.
Zu dem schneebedeckten Garten
Lenket er den Schritt, um einsam
Seinem Denken nachzuhängen.
Hat Abt Marquard wahr gesprochen?
Ja, wenn ehrlich er gestehn will:
Hat er nicht mit Widerstreben
Und nur aus verfehlter Minne
Sich zum Klosterdienst gegeben,
Statt aus heißer Liebe Gottes?
Würde er nicht auch noch heute,
Stünde Kaspar nicht dazwischen,
Mehr sich um die Trude mühen,
Um das Glück der schönen Erde,
Als um stillen Klosterfrieden,
Um ein gottgeweihtes Leben?
Konrad tritt jetzt in den Garten:
»Herr, es läßt mir keine Ruhe:
Gestern Abend ist das Mägdlein
Schwer erkrankt am bösen Fieber.
Wollet Ihr mir nicht erlauben,
Daß ich Bruder Simon bitte,
Einen Trank ihr zu bereiten?«
Krafto, der des Knechtes Minne
Lang schon kennt, er fragt voll Mitleid:
»Kümmerst dich wohl um die Dirne?
Gehe denn, ich wünsche herzlich,
Daß die Liebste bald genese!«
Konrad blicket ganz erschrocken
Auf den Herrn: »Gottlob, die Margret
Ist gesund. Die junge Herrin
Fand man leblos in der Kammer,
Und nun liegt sie schwer darnieder.«
Aus des jungen Grafen Antlitz
Weicht die Farbe; Brand und Kutte
Sind vergessen, und der Schrecken
Füllt ihm jäh sein zagend Herz.
Hastig, rauh befiehlt er Konrad
Eilends sich davon zu machen
Und den Klausner herzubitten
An das Bett der Fieberkranken.
Krafto selbst macht ohn' Verweilen
Auf den Weg sich nach dem Hause
An der grauen Mauer Calwas.
Bald steht er am Gartenpförtlein,
Leise klopft er an die Thüre,
Und verweinten Auges thut ihm
Margret auf. Stroh deckt die Fliesen
In dem Flur, den Schritt zu dämpfen;
Ein unnennbar tiefes Bangen
Fasset Krafto bei der Stille.
Wie, wenn sie dahingegangen?
Sinnlos fast vor Angst, getraut er
Sich nicht, Margret drum zu fragen,
Denn ihm grauet vor der Antwort.
Schweigend folgt auf leisen Sohlen
Er der Magd zur leeren Stube.
Bald kommt weinend Muhme Eva
Und erzählt ihm alles, alles.
Doch er hört nur Eins: sie lebet!
Und mit tiefem Seufzer läßt er
Schwer sich auf die Truhe fallen,
Berthold tritt herein, die Muhme
Eilt zu ihrem kranken Liebling.
Gar einsilbig schleicht die Rede
Zwischen beiden Männern weiter,
Denn wo Sorgen lastend drücken,
Hemmen sie den Fluß der Worte.
In der Kammer liegt die Trude;
Irr, in abgeriss'nen Sätzen,
Oft von Schluchzen unterbrochen
Redet sie nur stets das Eine:
Von dem Feuer, das den Heiland
Fraß und nun sie selbst will fressen.
Eva weiß sich keinen Rat mehr,
Aengstlich ruft sie nach dem Berthold.
Der kommt alsobald herüber.
Hinter ihm tritt Krafto leise
Ins Gemach, er trägt nicht länger
Solch ein angstvoll, müßig Warten.
Durch die dumpfe, niedre Kammer
Fliegt sein Blick auf Trudes Antlitz,
Das dort in den weißen Kissen,
Von dem reichen Haar umgeben,
Glühend liegt in Fieberröte.
Muhme Eva taucht die Tücher
Zitternd in Kamillenwasser,
Berthold hält der Schwester Hände,
Und der junge Graf fleht brünstig
Zu dem Einen, der alleine
Helfen kann in Todesnöten.
Trude liegt jetzt still, die Augen
Hängen an den Zügen Kraftos,
Furchtsam fast ist ihre Miene;
Dann, als woll' sie sich besinnen,
Streicht sie über ihre Stirne,
Und ganz leis spricht sie und ängstlich:
»Herr, wo habt Ihr Eure Kutte?
Holet sie und deckt das Feuer!«
Dann wirft sie mit dumpfem Stöhnen
Sich herum, fährt fort zu murmeln:
»O, Ihr müßt mich nicht verdammen,
Holt die Kutte, deckt das Feuer!«
Krafto ist ganz bleich geworden,
Denn wie überirdisch Mahnen
Klang es aus dem Mund der Kranken.
Er tritt näher an das Lager,
Beugt sich, alles rings vergessend
Auf die Maid, und schluchzend klingt es:
»Gottes Stimme ist mir deine!
Lebe wohl, leb' wohl, du Süße!
Kann dir meine Kutte löschen
Diese Glut, die dich vernichtet,
Wohl, es sei! Gott helf' uns allen!«
Eben will zum erst und letzten
Heißen Kuß auf Trudes Lippen
Er sich, halb von Sinnen beugen,
Da hört er die Kranke stöhnen:
»Kaspar Rust, das Haus am Wasser!«
Schnell fährt er zurück, als habe
Vor ihm sich ein Schlund geöffnet.
Ohne Gruß und ohne Abschied
Wankt er aus der dumpfen Kammer.
Lust'ger als im nahen Calwa,
Lust'ger als im Refektorium
Geht es in der Klosterherberg'
Zu am Abend dieses Tages.
Dort sind, wie es alter Brauch ist,
Alle Klosterpächter Hirsaus
Samt den Weibern froh versammelt,
Um dem Festmahl zuzusprechen,
Das am Weihnachtsfest alljährlich
Von dem Abte wird gegeben.
Marquard war nicht in der Stimmung,
Heute selbst das Fest zu leiten,
Und so führt der feiste Prior
An der Tafel denn den Vorsitz.
Ein leutselig Antlitz zeigt er
Und weiß trefflich die Geladnen
Zu ermuntern, daß die Krüge
Fleißig in der Runde gehen.
Bald ist denn auch recht die Stimmung
Auf der Höhe, die er wünschet,
Und statt frommer Weihnachtslieder
Spielen jetzt die Musikanten,
Die zum Fest herbeigezogen,
Manche weltlich heitre Weise.
Sind die Männer warm geworden,
Sind's nicht weniger die Weiber:
Die Sabine von dem Windhof
Schlägt den Takt mit ihrem Holzschuh,
Dort Agathe wirft mit Nüssen,
Und die Bärbel drückt gar herzlich
Ihrem frommen Wirt die Hände.
Schmunzelnd läßt er es geschehen:
Allzulang in diesen trüben
Zeiten mußte er entbehren,
Was vordem so flott im Schwung war,
Da man auf der Hirschjagd manchmal
Mit den kühnen Amazonen
Streift' im Tannwald und die Worte
Honigsüß vom Munde flossen.
Heute sind nur Pächtersweiber
Bei der Hand, jedoch der Prior
Weiß sich damit zu bescheiden.
Toller werden rings die Gäste;
Eine nur blickt klar und ruhig
In den Lärm und das Getöse,
Und so oft ihr auch der Prior
Eigenhändig will den Becher
Wieder füllen, ist er immer
Voll wie vorher. Sie verschmähet
Standhaft jeden Schluck des schweren,
Ungewohnten, starken Trankes.
Grete ist's vom Alzenberge,
Die zur Rechten sitzt des Wirtes.
Ihr Gesicht zeigt scharfe Züge,
Braun von Regen, Wind und Sonne.
Glatt und schlicht sind ihre Haare
Um die breite Stirn geleget,
Und ein Tuch bedeckt den Scheitel.
Fast um eines Hauptes Länge
Ueberraget ihre hohe,
Ueppige Gestalt den Prior,
Der ihr leise flüsternd zuspricht.
Eben reicht ein Laienbruder
Ihr die kleine, braune Schale
Mit dem bitteren Alantwein,
Der nach einem Festmahl notthut;
Doch sie nippt nur, reicht zurück ihn
Und sitzt regungslos wie vordem.
Schwer wird nach und nach dem Prior,
Seine Ungeduld zu meistern.
Er blickt prüfend in die Runde,
Siehet alle ausgelassen
Und am lustigsten den Emich,
Ihn, den Mann der stummen Grete.
Näher rückt er jetzt der Ernsten,
Blickt sie an mit dreisten Augen,
Hebt dann seinen eignen Becher
Und reicht ihn dem großen Weib.
Solche Ehre anzunehmen,
Darf sich Gret nicht länger weigern:
Zögernd trinkt sie und blickt suchend
Und verstört sich um nach Emich.
Doch, der lacht dort mit Sabine,
Niemand achtet auf die beiden;
Niemand sieht, wie immer wieder
Grete muß vom Prior trinken,
Wie sie sich dagegen sträubt.
Immer näher rückt der Schurke
Zu dem großen Weib, des strenge
Züge sich unmerklich mildern
Nach dem vielen, vielen Trinken.
Ja, als gar des Wirtes Hand jetzt
Ihre schwielig harte Linke
Frech ergreift, läßt wie im Traume
Sie auch dieses noch geschehen.
Sonderbar wird ihr ums Herze,
Leicht und lustig, wie noch niemals,
Und des Priors leises Flüstern
Jagt ihr ungewohnte Gluten
Durch das Blut, sie kann's nicht hindern.
Wie ein teuflisch Lächeln geht es
Ueber das Gesicht des Wirtes,
Als die Gret, die Sitte höhnend,
Nun ihr Tuch vom Scheitel wegnimmt
Und das rote Halstuch lockert.
Eben tritt der Laienbruder,
Der bedienet, zu dem Prior,
Flüstert etwas, worauf dieser
Einen leisen Fluch läßt hören.
Dann, nach kurzem Sinnen, sagt er:
»Schicke nur zurück den Boten,
Denn die Sache sei besorget!«
Als sei nichts gewesen, fährt er
Fort, mit Grete dreist zu scherzen;
Seine frechen Augen hängen
An dem Weib, das halbbetrunken
Leise lacht bei seinen Worten.
Plötzlich steht mit starren Augen
Sie vom Tische auf: »Ich muß nun
Heim, Herr, denn die Kinder schreien.
Emich komm!« ruft sie hinüber
Zu dem Gatten, der soeben
Klatscht dem Lied der Musikanten.
»Geh du nur!« giebt der zur Antwort,
»Wirst den Weg alleine finden!«
Schon beschließt bei sich der Prior,
Leis der Gret hinauszufolgen,
Da sieht er in ihre Augen,
Die so stier ins Leere blicken,
Und hört ihre Lippen murmeln:
»Ei, ei, wie die Kinder schreien!«
Jäh faßt ihn ein plötzlich Grauen,
Und er sinkt zurück im Stuhl.
Grete geht mit großen Schritten
Ihren steilen, dunkeln Bergweg.
Weggeweht hat ihr die Nachtluft,
Was von Wein und Met wie Nebel
Sich um ihre Sinne legte.
Fröstelnd zieht ihr züchtig Kopftuch
Sie um das Gesicht zusammen,
Daß nur noch die ernsten Augen
Scheu hervor ins Dunkel blicken.
Bald ist aus der kahlen Höhe
Die Erregte angekommen.
Drüben sieht man eine Kate
Dunkel aus dem Schneelicht steigen;
Nun steht sie davor, sie leget
Ihre Hand aufs Herz und lauschet,
Doch es ist kein Laut zu hören.
Zögernd pocht sie an die Thüre,
Und nach peinvoll langem Warten
Kommt die alte Ruth, zu öffnen.
In der Hand trägt sie den Kienspan,
Dessen roter Schein die grauen,
Wirren Haare grell beleuchtet,
Und ein zornig, ja verächtlich:
»Kommst du endlich, Rabenmutter?«
Schallt dem großen Weib entgegen.
Wortlos nimmt den Span die Grete,
Schreitet in die dumpfe Stube,
Leuchtet auf das breite Lager,
Da die vier Geschwister schlafen,
Drei nur liegen da, das Kleinste,
Das kein halbes Jahr noch zählet,
Fehlt. Doch nein, es liegt zur Seite
Auf dem großen, niedern Ehbett.
Graues Linnen deckt die Glieder,
Und so blaß, wie wachsgeformet
Liegt vor der erstarrten Mutter
Das geliebte, stille Antlitz.
Grete steht und hält den Kienspan,
Bis er ihr die Finger senget,
Dann mit einem schrillen Aufschrei
Stürzt sie auf die kleine Leiche.
Heiser klingt des starken Weibes
Schluchzen durch das tiefe Dunkel;
Doch die alte Ruth spricht grollend:
»Wärest du gekommen, als ich
Dir hinab den Boten sandte,
Damals hättest du den Knaben
Wohl noch lebend angetroffen.
Doch die Gichter in dem Halse
Warten nicht, bis euer Festmahl
In der Herberg' ist beendigt.«
Auf steht da die Gret vom Lager,
Stößet Ruth, die an der Thür lehnt,
Weg und tritt hinaus ins Freie.
Dorthin, wo im wald'gen Thale
Hirsau liegt, streckt sie die Arme
In die Nacht, und gellend ruft sie,
Daß es übers Schneefeld hinklingt:
»Fluch dir, Fluch dir, Fluch dir, Prior!
Fluch durch mich, die Gottverfluchte!« |