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Dieselbe Szenerie.
Frau Schwartze. Marie.
Frau Schwartze (in Hut und Mantel, an die Tür links pochend). Leopold! – – Jesus, mein Jesus, ich wag es gar nicht, 'reinzugehn.
Marie. Nein, nein, tu es nicht! Wenn du ihn gesehn hättst'
Frau Schwartze. Und seit einer halben Stunde sind sie da drin, sagst du?
Marie. Ja, so lang wird es sein.
Frau Schwartze. Jetzt spricht sie! (Lauscht und erschrickt.) O Gott, wie er sie anschreit! Mariechen, hör zu! Lauf in den Garten. – Dort sitzt der Pfarrer in der Laube – erzähl ihm alles – auch von Herrn von Keller, daß er vorher hiergewesen ist – und bitt ihn, er möchte ganz rasch 'raufkommen.
Marie. Ja, Mamachen! (Eilt zur Flurtür.)
Frau Schwartze (sie zurückrufend). Noch eins, Mariechen! Hat Therese auch nichts gemerkt, damit es keinen Klatsch gibt?
Marie. Ich hab sie gleich fortgeschickt, Mamachen.
Frau Schwartze. O dann ist gut! Dann ist gut!
(Marie ab.)
Frau Schwartze (klopft wieder). Leopold – höre doch, Leopold! (Zurückweichend.) O Gott, er kommt!
Frau Schwartze. Schwartze. Später Magda.
Schwartze (kommt wankend und entstellt hereingestürzt).
Frau Schwartze. Leopold, wie siehst du aus?
Schwartze (in einen Stuhl sinkend). Ja, ja – das ist so – wie mit den Rosen. Kommt so das Messer – und kappt die Geschichte – und man verbindet die Wunde nicht... Was sag ich – da? – was –
Frau Schwartze. Er verliert den Verstand!
Schwartze. Nein, nein, ich verlier nicht den Verstand... Nein. Ich weiß ganz gut, was... ich weiß ganz gut.
Magda (erscheint in der Tür links).
Frau Schwartze (ihr entgegen). Was hast du ihm getan?
Schwartze. Ja – was hast du – was hast du –? Das ist meine Tochter! – Was fang ich jetzt mit meiner Tochter an?
Magda (bescheiden, fast bittend). Ja Vater, wär' es nicht das beste nach allem, was geschehn, du wiesest mir die Tür, du jagtest mich auf die Straße? Lossagen mußt du dich ja doch von mir – wenn dies Haus wieder rein werden soll.
Schwartze. So, so so... Du meinst also, du brauchst bloß zu gehn – da 'rauszugehn! – und alles ist wieder beim alten?... Und das hier? Und wir alle hier?... Was soll aus uns werden?... Ich – ach Gott – ich – ich fahr eben in meine Grube – dann is aus – aber hier – die Mutter und deine Schwester – deine Schwester.
Magda. Marie hat den Mann, den sie braucht.
Schwartze. Man heiratet kein Mädchen, das so eine Schwester hat. (Voll Ekel) Nee, nee, nee. Nicht anrühren so was.
Magda (für sich). Mein Gott, mein Gott!
Schwartze (zu Frau Schwartze). Siehst du – nu fängt sie an zu kapieren, was sie verbrochen hat.
Frau Schwartze. Ja, was –
Magda (in zärtlichem Mitleid, doch immer noch mit einem Rest innerer Überlegenheit). Mein armes, altes Väterchen – hör mich an... Ich kann ja nicht mehr ändern, was geschehn ist... Ich will – Marien mein halbes Vermögen überlassen – ich will alles tausendfach vergelten, was ich euch heut an Schmerz zugefügt hab... Aber jetzt – ich bitt euch – laßt mich meiner Wege gehn.
Schwartze. Oho!
Magda. Denn was wollt ihr von mir? Was hab ich euch getan? Gestern um diese Zeit wußtet ihr noch nicht, ob ich überhaupt auf der Welt war – und heute – Das ist doch Wahnsinn, wenn ihr von mir verlangt, ich solle wieder denken und fühlen wie ihr – aber ich habe Angst vor dir, Vater, Angst vor diesem Hause... Ich bin nicht dieselbe mehr – ich traue mir nicht mehr... (In Qual ausbrechend.) Ich – kann – den Jammer nicht ertragen –
Schwartze. Hahahaha!
Magda. Sieh, lieber Vater, ich will mich gern demütigen vor dir... Ich beklage auch alles von ganzer Seele, weil es euch heute Kummer macht, denn mein Fleisch und Blut gehört ja nun einmal zu euch. – Aber ich muß doch das Leben weiterleben, das ich mir geschaffen hab! – Das bin ich mir doch schuldig – mir und meinem – Lebt wohl!...
Schwartze (ihr den Weg vertretend). Wo willst du hin?
Magda. Laß mich, Vater!
Schwartze. Eher erwürg ich dich mit – (Packt sie.)
Frau Schwartze. Leopold!