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Die Vorigen. Robert erscheint in der Kammertür. (Alle wiederholen das Hoch zweimal)
Frau Heinecke (erschrocken). Da is er! (Verlegenes Schweigen.)
Michalski (frech). N' Morgen, Schwager!
Robert. Willst du mir nicht erklären, Mutter, wie kommen diese beiden Leute dazu, sich an unsern ehrlichen Tisch zu setzen?
Michalski. Oho!
Heinecke. Sei nich so ungemietlich!
Frau Heinecke (geht zu ihm nach links). Robertchen, der Mensch soll nich stolz sein, am wenigsten gegen sein Fleisch und Blut.
Robert. Hm – Alma, was ist das? Wer hat dir gestattet –
Heinecke. Und damit du's weißt: Auf Indien mach dir keene Hoffnungen. ich zieh es vor, meine Jelder in Deutschland zu verzehren.
Robert (fassungslos). Was ist hier vorgegangen?
Frau Heinecke. Rede du, Vater, denn dir ist der Schein gegeben worden.
Robert. Welcher Schein?
Heinecke (sich in Positur setzend). Mein Sohn! – Man sieht es manchem Mann nich an, was er is... Er trägt es gewissermaßen in sich... Darum soll man Achtung vor ihm haben, denn man kann nie wissen, was unter so einem schlichten Rocke verborgen ist... Biberpelze kann jeder tragen.
Robert. Willst du mir nun endlich erklären – –
Heinecke. Erklären? – Wat is da viel zu erklären... Sieh mir nich so an. Wat sieht er mir so an, Mutter...? Das brauch ich mir nicht mehr gefallen zu lassen...
Frau Heinecke. Nu rede doch schon.
Heinecke. Also, wie gesagt, janz einfach: der Kommerzienrat war hier.
Robert. Der – – Warum habt Ihr mich nicht geweckt?
Heinecke. So?... Erstens: Weil's nicht der junge Herr Mühlingk war. Wenn dein Freund kommt, kannst du ihn ja in Empfang nehmen. Der alte Herr ist mein Freund... Wir haben versprochen, uns künftig zu besuchen... Und zweitens: Weil ick mir von meinen Sohne keine Vorschriften machen lasse... Jetzt ist's aus damit!... Verstanden?
Frau Heinecke. Aber Vater!
Heinecke. Komm mir nich zu nahe, wenn ich meinem Sohne väterliche Ermahnungen gebe. Ick lasse jetzt nich mehr mit mir spaßen. –
Michalski (hinter ihm). So ist's recht!
Robert. War von Alma die Rede?
Heinecke. Erstens war von dir die Rede. Du bist aus seinen Dienst entlassen – wegen ungebührlichen Benehmens. Offen gesagt, ich hatte andern Dank erwartet.
Robert. Du?
Heinecke (strenge). Ja, ich, dein alter, braver Vater... Mir ist es nicht egal, wenn meine Söhne als stellenlose Commis in de Welt rumloofen. Und bis vier Uhr nachmittags sollst du ihm die Abrechnung schicken, sonst jeht's dir schlecht!
Robert (will auffahren, bezwingt sich aber). Sprechen wir von Alma! Hat er uns Genugtuung angeboten?
Heinecke. Natürlich! Vollständigste!
Robert (zögernd, wie einer, der fühlt, daß er eine Dummheit sagt). Also – die Heirat?
Heinecke. Welche Heirat?
Robert. Zwischen seinem Sohne – und –
Heinecke. Bist wohl doll!
Robert (auffahrend, angstvoll). Was sonst?
Heinecke (schlau, leise, nach seinem Ohre hin). Volle 40 000 Mark! (Laut.) Nobel – was?
Robert (mit gellendem Aufschrei). Geld?
Frau Heinecke (erschrocken). Jesus, ich hab's mir gedacht!
Robert. Geld!
Heinecke. Jawohl! Hier steckt's! So gut wie bar.
Robert. Wie? Du hast es genommen?
Heinecke (verwundert). Na?
Robert. Er bot dir Geld an und du nahmst es? (Er dringt, außer sich, auf ihn zu.)
Michalski (springt dazwischen). Ich rate dir, laß den alten Mann zufrieden.
Robert (taumelt zurück, ohne ihn zu beachten). Mutter! Ihr nahmt?
Frau Heinecke (die Hände faltend). Wir sind arme Leute, mein Sohn!
(Robert sinkt mit verzweifeltem Lachen in den Arbeitsschemel. Michalski und Auguste um den Alten beschäftigt. Alma sitzt lächelnd, mit gefalteten Händen in dem Sessel.)
Frau Heinecke (beiseite). Jott steh ihm bei! Es ist nicht richtig bei ihm! (Legt die Hand auf seine Schulter.) Mein Sohn, nimm eine jute Lehre an von deine alte Mutter. Man soll sein Jlück nicht mit Füßen treten, denn Hoffart stirbt auf dem Stroh!
Robert. Das wäre nicht das Schlimmste, Mutter!... Auf dem Stroh... am Grabenrand will ich sterben... Verrecken will ich, wie ein Hund! – Nur gebt das Geld zurück!... Seht mal, ich will ganz ruhig, ganz vernünftig mit Euch reden. – Ich will Euch an den zehn Fingern beweisen, daß Ihr es tun müßt. – Jene haben uns in Schande gebracht. – Gut. – Aber wir waren ohne Schuld. – Wir brauchten uns vor niemandem zu schämen. – Man kann mir meine Ehre stehlen, wie man mir mein Portemonnaie stiehlt. – Dagegen ist man wehrlos. – Aber wenn wir uns unser bißchen Ehre bezahlen lassen – mit barem Geld – dann sind wir ehrlos gewesen von jeher. Und dann geschieht uns recht – (Heinecke dreht sich nach Michalski um, der zeigt mit dem Finger nach der Stirn). Mein Gott, ich seh ja alles ein. – Ich mach Euch keine Vorwürfe. Wahrhaftig nicht. – Ihr seid arm und wart es von jeher. – So ein elendes Stück Leben, das nichts ist wie Angst ums tägliche Brot, macht Einsicht und Würde zuschanden. Und nun laßt Ihr Euch durch das bißchen Gold verblenden. – Aber das glaubt mir, Freude werdet Ihr nie daran haben. – Nichts wird Euch bleiben, wie der Ekel. – (Würgend.) Ach, der Ekel! – Man erstickt ja darin! –
Frau Heinecke. Einem wird janz kalt bei diesem Gerede.
Heinecke. So is mein Sohn!
Robert. Und glaubt doch nicht, daß es Euer Schade sein wird, wenn Ihr mir folgt. Seht mich an. Ich hab doch was gelernt, nicht wahr?... Ich bin doch gesund, nicht wahr?... Ich bin doch nicht verwahrlost, nicht wahr? Die paar Jahre, die Euch noch zu leben übrigbleiben, könnt Ihr mir doch ruhig anvertrauen, nicht wahr? Seht, ich will ja nichts, wie für Euch arbeiten!... Reich will ich Euch machen!... Reich!... Ihr könnt mit mir tun, was Ihr wollt. Euer Sklave, Euer Packesel will ich sein. Aber gebt das Geld zurück!
Heinecke. Das ist allens janz schön und jut. Aber die Taube in de Hand ist mir lieber, als... Wollt' ich sagen...
Michalski. Stimmt schon, Vater.
Heinecke. Wahrhaftig, et stimmt!... Also, mein Sohn, geh du hübsch auf die Sperlingsjagd, ick behalte meine Taube und werde ihr gleich versilbern jehn!
Michalski. Bravo!
Robert. Und du, Mutter?... (Sie wendet sich ab.) Auch du!... Mein Gott, was kann ich noch?... Alma, es handelt sich um dich!... Ich will dir alles abbitten! Aber hilf du mir! (Ergreift sie bei der Hand, sie sträubt sich, er zieht sie nach der Mitte). Du hast dich verschenkt! Meinetwegen denn!... Mag das dein Recht sein. Aber du verkaufst dich nicht!... Deine Liebe ist nicht dazu da, daß man damit auf die Märkte fährt! Alma, sag ihnen das!
Alma (trotzig). Laß mich los!
Auguste. Er bricht dem Kinde die Arme entzwee.
Alma. Du hast mir gar nichts mehr zu sagen! (Macht sich los.)
Robert. Schwester!
Alma. Und auf den Maskenball geh ich doch! Frag nur die Mutter!
Robert. Mutter?
Frau Heinecke. Warum soll das arme Kind nicht auch einmal ein kleines Vergnügen haben?
Robert (vernichtet). Also so weit sind wir!
Michalski (sich in den Sessel setzend, höhnisch). Ja, so weit sind wir.
Robert. Ah, du Kuppler. Auf von deinem Sitz. (Da Michalski sich nicht rührt, packt er den Sessel an der Lehne.) Auf, sag ich! Und hinaus mit dir! Hinaus Ihr alle beiden!
Michalski (auf ihn eindringend). Nu wird's mir aber zu bunt!
Robert (der den Sessel gepackt hält). Wag's, dich an mir zu vergreifen!
Frau Heinecke (wirft sich dazwischen). Du wirst mir noch den Fotölch zerschlagen.
Robert. Der kommt ja wohl aus dem Vorderhause, da Ihr ihn so in Ehren haltet?
Frau Heinecke. Natürlich!
Robert. Von dem lieben Herrn Curt? Nicht wahr?
Frau Heinecke. Nu ja doch!
Robert (mit wildem Lachen). Da habt Ihr ihn! (Stößt ihn auf den Fußboden, daß er zerschellt, wirft ihnen die Trümmer vor die Füße.)
Frau Heinecke (weinend). Mein schöner Fotölch! (Kniet nieder und sammelt die Stücke, die sie nach links hinüberträgt. Dann sinkt sie auf den Schemel.)
Heinecke. Nu wird's mir aber zu ungemietlich! (Will rechts hinaus.)
Robert (verlegt ihm den Weg). Gibst du den Sündenlohn zurück? Ja oder nein?
Heinecke. Fällt mir nicht ein!
Robert. Dann bin ich fertig mit dir! Und auch mit dir, Mutter... Da ist man also in die Welt gesetzt worden und hat die Ehrlosigkeit gleich mitbekommen wie ein Muttermal. Nun gut!... Wenn ich durchaus geschaffen werden mußte, warum ließt Ihr mich nicht in dem Kote, in den ich hineingehöre?... In dem ich mich wälzen muß mein lebelang, weil meine werte Familie es so verlangt?
Auguste. Hörst du, Mutter! – Das war ja immer dein Lieblingskind.
Robert. Nein, Mutter, hör nicht! (Neben ihr auf den Knieen.) Ich habe nichts gesagt... Wenn ich was sagte, war es Wahnsinn! Mir ist, als lös ich mich heute los von allem, was menschlich und natürlich ist. Mutter, erbarm dich... Du kannst mich und dich retten! Komm mit mir mit!...
Frau Heinecke (schluchzend). Willst du mir in deine blinde Wut nicht auch den Spiegel zerschlagen?
Robert (sendet einen irren Blick nach dem Spiegel hin, dann sich erhebend). Wir reden zwei Sprachen... Wir verstehen uns nicht...
Michalski (der leise mit dem Alten verhandelt hat, packt ihn an der Schulter). Nu haste genug spektakelt... Nu mach, daß du raus kommst.
Robert (stößt ihn von sich). Zurück! (Sieht den Alten und die Schwestern, die ihn mit zornigen Rufen umringen, bricht in gellendes Lachen aus.) Ach so, man wirft mich hinaus!
Michalski (öffnet weit die Tür). Raus!
Die Vorigen. Graf Trast steht auf der Schwelle.
Trast (Michalski auf die Schulter klopfend). Danke ergebenst für freundlichen Empfang!
Robert (ihn erkennend, stößt einen Schrei aus und streckt beide Arme abwehrend gegen ihn aus). Was willst du hier? Hier ist eine Spelunke!... Weißt du, wer wir sind? Wir verkaufen uns!... Haha... Sieh mich nicht an... Das ertrag ich nicht! (Verbirgt ächzend das Gesicht in den Händen.)
(Alma hat sofort bei Trasts Erscheinen voll Scham das Weite gesucht. Michalski und Auguste schleichen, von ihm fixiert, hinter ihr drein in die Küche.)
Trast. Ermanne dich! Was ist geschehen?
Heinecke (die Mütze in der Hand). Er hat sich ungebührlich benommen, Herr Jraf! Erscht hat er uns nach Indien schleppen wollen. Dann sollten wir das Jeld nich nehmen... Und nu jeh ich jrad nach de Kasse. – Volle vierzigdausend Mark, Herr Jraf. Habe die Ehre, Herr Jraf! (Ab nach rechts.)
Trast. Robert. Frau Heinecke.
Trast. So, so. Ich verstehe! (Legt die Hand auf Roberts Achsel.) War etwa Herr Mühlingk hier?
Robert. Mensch, das lohne dir Gott... Den Namen brauchte ich!
Trast. Was hast du vor?
Robert. Man verlangt Abrechnung von mir. Man soll sie haben. (Eilt nach hinten zum Koffer, den er öffnet und in dem er fieberhaft zu wühlen beginnt.)
Frau Heinecke (weinend). Danken Sie Gott, daß Sie unverheiratet sind, Herr Jraf. Es gibt recht undankbare Söhne.
Trast (für sich). Einfalt, du sprichst wie eine Mutter!... (Sich besinnend.) Pfui, Trast, das war nicht schön.
Frau Heinecke. Hab ich nich recht?
Trast (ergreift mit seinen beiden Händen die ihre). Eine Mutter hat immer recht. Sie hat zuviel gelitten und geliebt, als daß es anders sein könnte. (Nimmt ihre Hand,)
Frau Heinecke. Aber Herr Jraf, mir einfache Frau jeben Sie die Hand?
Trast. Ich hab mich an den Müttern versündigt und muß ihnen Abbitte tun. Nicht zum mindesten der meinigen. Es gibt nämlich noch schlechtere Söhne, als der dort, liebe Frau.
Robert (hat eine Mappe hervorgesucht, durchblättert und zur Seite gelegt. – Dann nach nochmaligem Suchen hebt er einen Revolver hervor, den er prüft).
Trast (beiseite). Ah, mit dem Revolver! Auf die Art will er Abrechnung halten!
Robert (der sieht, daß er beobachtet wird, verbirgt den Revolver in der Brusttasche, greift nach seinem Hute und kommt mit der Mappe nach vorne). So, jetzt bin ich fertig!
Trast. Ich begleite dich.
Robert. Du?
Trast. Hab ich nicht das Recht dazu?
Robert (zögernd). Gut – komm!
Frau Heinecke (zärtlich – unter Tränen). Robert!
Robert (der versucht, seine Erregung niederzukämpfen). Ich – komme – noch – Abschied nehmen, Mutter! jetzt hab ich Nötigeres zu tun! (Geht zur Tür.)
Frau Heinecke (zu Trast, die Hände ringend). Herr Curt und er, das gibt gewiß ein Unglück!
Trast (halblaut zurück). Stille! Stille! – – Nun – gehn wir?
Robert (zur Mutter in großer Erregung und mit hervorbrechender Zärtlichkeit). Und wenn wir uns – – nicht mehr (sich fassend zu Trast.) Gut – gehn wir! (Die beiden zur Tür.)
Der Vorhang fällt.