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Curt. Lothar. Hugo. Trast hinten links.
Curt (zu Hugo). Nur Mut, Stengelchen. – Komm herein!
Trast (ihn erkennend). Dann freilich nicht!
Curt (erkennt auch ihn, erschrickt, tritt an ihn heran, mit gedämpfter Stimme). Sie suchen mich, mein Herr.
Trast. Nein – aber es freut mich, daß ich Sie finde.
Curt. Mit wem hab ich die Ehre?
Trast. Graf Trast.
Curt (befangen, sehr höflich). Ah! – Wir verdanken Ihren Besuch unserem Herrn – wohl eine Reisebekanntschaft – unser Herr –
Trast. Sie sind der Sohn dieses Hauses?
Curt. Pardon. Zu dienen. Natürlich. – Und, nicht wahr, Herr Graf, wir beide sind Lebemänner genug, um den Vorfall des gestrigen Abends zu vergessen? –
Trast. Glauben Sie?
Curt. Das Mädchen ist niedlich, das weiß ich am besten. Ihrem Geschmack, Herr Graf, alle Ehre. Aber Sie sehen ein, das Recht steht auf meiner Seite. Wir werden, hoff ich, nicht rivalisieren.
Trast. Um so weniger, als der Bruder des Mädchens der beste Freund ist, den ich besitze.
Curt (erschrickt, faßt sich, nach kleinem Schweigen). Was gedenken Sie zu tun?
Trast. Das weiß ich noch nicht. Gelingt es mir, ihn von seinen eingebildeten Verpflichtungen gegen Ihr Haus loszulösen und find ich Sie bereit, Ihre Beziehungen auf der Stelle abzubrechen, so darf ich vielleicht schweigen –
Curt. Und sonst!
Trast. Das ist dann Herrn Heineckes Sache.
Curt. Glauben Sie etwa, daß ich mich mit meinem Commis schlagen werde?
Trast. Mit Ihrem – was? – Ah so!
Curt. Herr Graf, tun Sie, was Ihnen beliebt.
Trast. Das ist meine Gewohnheit. Herr Heinecke befindet sich augenblicklich bei Ihrem Herrn Vater... Gestatten Sie mir, mich noch einige Minuten hier aufzuhalten, um ein Begegnen zwischen Ihnen abzukürzen. Ich möchte vermeiden, daß Sie einander die Hand drücken. –
Curt. Betrachten Sie dies Zimmer als das Ihre, Herr Graf.
Trast. Ich danke Ihnen. (Sie trennen sich. – Trast dreht sich nach der Wand und besieht Bilder.)
Curt (geht aufgeregt nach dem Hintergrunde).
Lothar (zu Hugo). Was hat er nur mit dem da? Wenn ich mich recht erinnere, gab's einmal bei meinem Regimente einen Grafen Trast, der – ein schlechtes Ende nahm. – Paß mal auf!
Hugo (ängstlich). Willst du etwa mit ihm anbinden?
Lothar. Warum nicht? Der Mensch intrigiert mich. – (Näher tretend.) Herr Graf lieben die Einsamkeit?
Trast (sich umwendend). Allerdings!
Lothar. Das ist beinahe unhöflich.
Trast (sieht ihn groß an). Ah! Ihr Ehrgefühl scheint auf einer Messerschneide einherzugehen, Herr – Pardon!
Lothar. Ich heiße Lothar Brandt und halte es für nötig, hinzuzufügen, daß ich Lieutenant der Reserve im Kürassierregiment »Kronprinz« bin. –
Trast (sehr liebenswürdig). Sonst nichts?
Lothar (drohend). Sonst nichts, Herr Graf?
Trast. Vergebung. Man dient in der Reserve nur zu Kriegszeiten. Als ich hierher kam, hoffte ich im Frieden zu leben.
Lothar. Sie irren, Herr Graf. Man dient in der Reserve auch bei einer Waffenübung.
Trast. Brauchen Sie mich zu einer Waffenübung? –
Lothar. Gestatten Sie mir, Herr Graf, vorerst eine Frage.
Trast. Mit Vergnügen.
Lothar. Bei dem Regimente, dem anzugehören ich die hohe Ehre habe, hat vor Jahren ein junger Offizier gestanden, der Ihren Namen trug.
Trast. So? Das kann ich wohl gewesen sein.
Lothar (scharf). Derselbe wurde mit schlichtem Abschiede aus der Armee entlassen.
Trast. Stimmt, stimmt! (Immer liebenswürdig.) Und wenn Sie hiermit, mein werter Herr, den Wunsch ausdrücken wollen, mich auf der Straße nicht zu grüßen – ich entbinde Sie von Ihrem Gruße... Ich kann ihn entbehren! (Verbeugt sich und ergreift eine Mappe, um darin zu blättern).
Hugo (begeistert). So elegant bin ich noch nie abgefertigt worden. (Geht zu Trast mit tiefer Verbeugung.) Gestatten – mein Name ist Stengel.
Trast (sich umwendend). Beliebt?
Hugo. Stengel!
Trast (verbeugt sich liebenswürdig – sie sprechen).
Curt (der inzwischen nach dem Vordergrunde gekommen ist, leise zu Lothar). Mensch, was fällt dir ein?... Das ist ja die allmächtige Firma Trast und Comp... Willst du das Geschäft deines Vaters ruinieren? –
Lothar (bestürzt). Warum hast du mir das nicht früher gesagt?
Curt. Jedenfalls müssen wir die Geschichte auf der Stelle wiedergutmachen.
Lothar. Falls du eine korrekte Form findest!
Curt. Verzeihung, Herr Graf – Mein Freund bedauert – –
Lothar (laut). Bedauern ist wohl nicht das richtige Wort, lieber Curt.
Curt (stotternd). Nun – er – er –
Trast. Vielleicht wünscht Ihr Freund die kleine Diskussion als nicht gewesen zu betrachten?
Lothar. So weit können wir allenfalls gehen, lieber Curt.
Trast. Ich muß versuchen in Hochherzigkeit gleichen Schritt zu halten und – habe denselben Wunsch. –
Curt. Der Zwischenfall ist also erledigt.
Lothar. Und ich gestatte mir, der Freude Ausdruck zu geben, einen Mann, den ich in seinem Wirken seit Jahren hochschätze, persönlich kennenzulernen.
Trast (sehr liebenswürdig). Sie sehen, Herr Lieutenant, es war nicht überflüssig, Sie nach dem »Sonst« zu fragen. In den Sphären der Bürgerlichkeit verstehen wir beide uns gleich. Meine Herren, Herr Brandt junior, der berufene Erbe der ehrenwerten Kolonialwarenhandlung Brandt und Stengel, – wie ich erfahre – mit welcher in Geschäftsverbindung zu stehen mir ein Vergnügen bereitet, hat mir soeben ein Privatissimum über das Thema »Ehre« gehalten. Gestatten Sie, daß ich ihm publice die Antwort gebe. (Setzen sich rechts.) Im Vertrauen gesagt: Es gibt gar keine Ehre! (Erstaunen.) Erschrecken Sie nicht. Es tut nicht weh. –
Lothar. Und was wir Ehre nennen?
Trast. Was wir gemeinhin Ehre nennen, das ist wohl nichts weiter, wie der Schatten, den wir werfen, wenn die Sonne der öffentlichen Achtung uns bescheint. – Aber das Schlimmste bei allem ist, daß wir so viel verschiedene Sorten von »Ehre« besitzen als gesellschaftliche Kreise und Schichten. Wie soll man sich da zurechtfinden?
Lothar (scharf). Sie irren, Herr Graf. Es gibt nur Eine Ehre, wie nur Eine Sonne und Einen Gott. Das muß man fühlen oder man ist kein Kavalier.
Trast. Hm. – Gestatten Sie, daß ich Ihnen eine ganz kleine Geschichte erzähle. Auf einer Reise durch Mittelasien kam ich in das Haus eines tibetanischen Großen. Ich war bestaubt und wegmüde. Er empfing mich, auf seinem Thronsessel sitzend. Neben sich sein junges, liebreizendes Weib. Ruhe aus, Fremder, sagte er, mein Weib wird dir ein Bad rüsten und hierauf wollen wir Männer uns zum Mahle setzen. Und er ließ mich in den Händen des jungen Weibes. – – Meine Herren, wenn ich je im Leben Gelegenheit hatte, meine Selbstbeherrschung zu erproben, so geschah es in jener Stunde. – Als ich die Halle wieder betrat, was fand ich da? Die Gefolgschaft in Waffen, dröhnende Stimmen, halbgezückte Schwerter. Du mußt sterben, ruft mein Gastfreund, du hast die Ehre meines Hauses tödlich beleidigt, denn du hast das Wertvollste, was es dir bot, verschmäht. – Sie sehen, meine Herren, ich lebe noch, denn schließlich entschuldigte man mich mit den mangelnden Ehrbegriffen der europäischen Barbaren. (Man lacht.) Wenn Sie einen unserer modernen Ehebruchsdichter sehn, grüßen Sie ihn von mir, und ich schenk ihm diesen Konflikt.
(Alle lachen, man geht allgemach nach links hinüber.)
Trast. Meine Herren, ich wünsche nicht für frivol gehalten zu werden. Den Rätseln der Gesittung nachzuspüren, ist sittlich an und für sich... Sehen Sie, nun liegt es außerdem im Wesen der sogenannten Ehre, daß sie nur von wenigen, einem Häuflein Halbgötter besessen werden darf, denn sie ist ein Luxusgefühl, das in demselben Maße an Wert verliert, in dem der Pöbel wagt, es sich anzueignen.
Curt. Das aber, Herr Graf, ist paradox. Es ist doch jedem erlaubt, ein Mann von Ehre zu sein?
Trast. Im Gegenteil. Dann könnte ja der erstbeste arme Teufel aus dem Hinterhause kommen und die Kavaliersehre für sich beanspruchen. (Curt ist betroffen.)
Lothar. Wenn er nach ihr handelt, so ist er ein Kavalier.
Trast. Hm? Ja? Darf ich Ihnen eine zweite, noch kleinere Geschichte erzählen?... Aber ich fürchte, ich langweile Sie.
Lothar. Hugo (lachend). Nein – nein!
Trast. Sie spielt irgendwo in Südamerika, – dort bilden die Spanier die Aristokratie, – die Hefe ist ein Gemisch von Negern, Indianern und allerhand weißem Gesindel. Ein Sprößling dieser unreinen Race – er hieß – hm – Pepe – hatte Gelegenheit, in das spanische Mutterland verpflanzt zu werden und dort an dem echt kastilianischen Ehrgefühl ein wenig (haucht über den linken Ellenbogen) abzufärben.
Die Vorigen. Robert.
Robert (tritt unbeachtet aus Mühlingks Kabinett und hört zu).
Trast. Als er nach Jahren zurückkehrt, findet er seine eben erblühte Schwester mit einem jungen Aristokraten allzu innig befreundet... Meine Herren, entrüsten wir uns nicht. Gemäß ihrer Herkunft war das des jungen Mädchens Bestimmung. Der junge Bursche aber untersteht sich, den Geliebten zur Rechenschaft ziehen zu wollen, wie wenn er nicht als Mestize, sondern als Hidalgo auf die Welt gekommen wäre.
Curt (leise). Paßt auf, das geht auf mich. –
Trast. Sie sehn, meine Herren, das war Wahnsinn und wie einen Wahnsinnigen wies man ihn zurück. Nun erst entpuppt sich des Burschen wahre Natur. Wie ein Strolch lauert er dem jungen Edelmanne auf und knallt ihn nieder. – Er wird verurteilt und noch unter dem Galgen behauptet der Tölpel – Pepe hieß er ja wohl – er sterbe für seine Ehre. Meine Herren, ist das nicht einfach lächerlich?
Robert. Du irrst, lieber Freund. Dieser Tölpel war in seinem Rechte. Ich würde nicht anders gehandelt haben. (Alle stehen auf.)
Trast. Ah, da bist du ja! (Ihm rasch entgegengehend, leise.) Du kennst hier niemand. Sieh dich nicht um und komm. (Drängt ihn zur Tür.)
Robert (leise). Ist das dort nicht Curt?
Trast. Es sind Fremde. Komm. (Laut.) Sie verzeihn, meine Herren. Wir sind in Eile. Leben Sie wohl.
Lothar (zu Curt). Jetzt faß ich ihn. – (Laut.) Gestatten Sie noch eine Frage, Herr Graf... (Schneidend.) Wenn Sie die Ehre aus der Welt zu schaffen belieben, was sollen Ehrenmänner an ihre Stelle setzen?
Trast (sich hoch aufrichtend). Die Pflicht, junger Mann. – (Leicht.) Freilich, das ist unbequem... Meine Herren –
Curt. Es war unserem Hause eine Ehre, Herr Graf. –
Robert. Verzeihung! – Sind Sie Herr Curt Mühlingk?
Curt. Das ist mein Name.
Robert (verwirrt). Wie – und? – – – Ja, ich vergaß – Sie kennen mich ja gar nicht mehr... Ich bin... (Will mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.) –
Trast (dazwischentretend). Du gibst diesem Herrn nicht die Hand.
Robert (sieht sich wirr um, fixiert Curt, dann Trast, dann wieder Curt, schreit auf, dann sich fassend). Ich bitte um eine Unterredung – Herr Mühlingk – unter vier Augen.
Curt. Wie Sie sehn, hab ich Besuch, aber in einer Stunde steh ich zu Ihrer Verfügung. –
Robert. In einer Stunde, Herr Mühlingk!
Trast (für sich). Er hat rasch begriffen. (Trast und Robert zur Tür.)
Der Vorhang fällt.