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Die Fahrt zum Nilhotel. – Warum Kairo wunderbar ist. – Was das Zimmermädchen war. – Esel-, Sprach- und Handelserfahrungen. – Esbekiye. – Alte tüchtige Musik. – Warum Wilhelmine sich wie eine Wilde vorkommt. – Der Sonnenuntergang. – Wer Herr Zwilchhammer ist. – Vom Verhängniß und den Klageweibern. – Ruch und imschi. – Was man in den Bazaren sieht.
Ein altes, gutes Sprichwort sagt, es wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird. Das bewahrheitete sich auch diesmal, denn das Beängstigende der Wilden ist mehr äußerlich; inwendig sind sie wie die Lämmer. Wir stellen uns im Allgemeinen das böse Princip, wie Gebildete es nennen, schwärzlich vor, und mit unheimlich viel Weiß in den Augen, daß man die Hölle für losgelassen erachtete, wie die Wilden in die Wagens eindrangen und nach dem Gepäck angelten. Als jedoch der Kommissionär vom Nil-Hotel auf unser Winken antrat, muckten sie nicht mehr, sondern ließen sich ruhig mit den Sachen beladen, und folgten, als er ihnen etliche Püffe versetzte, wogegen das böse Prinzip stets aufbegehrt. Bei uns erscheint Mancher weiß und friedsam wie ein Engelchen aus der Porzellanfabrik, sitzt aber voller Bosheit und zwickt mit unsichtbaren Zangen, was viel satanischer ist, als blos so aussehen. Ich will in meiner Bekanntschaft nicht umherblicken, da man doch unverstanden bleibt, namentlich wenn eine so übelnehmerisch ist, wie die Krausen.
Leider mußten wir uns von Mister Pott trennen, der Schepheard's Hotel gewählt hatte, während unser Omnibus eine andere Richtung einschlug.
Alexandrien mit seiner gemischten Bevölkerung war nur ein Vorspiel von Kairo gewesen, das ergab sich schon bei dieser Einfahrt in die Stadt. Das wimmelnde Leben auf den Straßen war wie ein immerwährendes Kaleidoskop, ganz neue Sorten von Menschen kamen zum Vorschein, als wenn bei jedem Gäßchen, bei jeder Biegung umgedreht würde. Und nun die Häuser erst. Nicht immer halten sie Flucht. In manchen Straßen treten sie mit Winkeln und Ecken vor, und zierlich vergitterte Fenster geben ihnen das Aussehen von Privatgefängnissen. Stattliche Gebäude neben im Zerfall begriffenen, offene Läden, Kaffees, Butiken der Handwerker, Garküchen und Barbierstuben mit Leuten darinnen und Leuten davor, ziehen sich an beiden Seiten des ungepflasterten Fahrdammes und der theils mit Steinplatten belegten, theils nur andeutungsweise gepflasterten Bürgersteige hin. Zuweilen unterbricht eine Gartenmauer die Geschäftslokale, oder eine Moschee erhebt sich dazwischen, von denen, wie mir später gesagt wurde, Kairo gegen vierhundert aufweisen kann. Nachgezählt habe ich nicht! Ein Schock mehr oder weniger ist bei ihrer Reichlichkeit auch egal. Auf dem Fahrdamm kamen uns Fuhrwerke entgegen, Eselreiter, beladene Kameele: ein unaufhörlicher Zug von abenteuerlich gekleideten Menschen und von Thieren. Schließlich gelangten wir an einen freien Platz mit Droschkenstation – die Kutscher natürlich alle Wilde – und bogen in eine Straße ein, wo das Gewühl sich besorgnißerregend verdickte. Nach einigen Minuten hielten wir. Vom Hotel sahen wir nur das Schild über dem Eingang einer ganz schmalen Gasse, die schräg hinunter ging. »Na nu,« fragte ich, »wo verirren sich die Fremden hier?« – »Bitte, gerade aus und dann rechts um die Ecke,« antwortete ein Herr mit einer Goldbortmütze auf, der Portier vom Hotel. Mein Karl gab ihm die Depesche, die uns das Zimmer zusicherte; er sagte, Alles sei in Ordnung, und wir folgten ihm. Am Ende der Straße wandten wir uns rechts, schritten durch einen Thorweg in dem Gemäuer, und dort stand das Hotel, ein solides, mehrstöckiges Steinhaus, an das sich ein Garten schließt, der ringsum von einem einstöckigen Pavillon umgeben wird, in dessen Zimmern es sich malerisch wohnt, weil die Gallerie des ersten Stockes und die hinaufführenden Treppen mit Rosen berankt sind, und der vorzüglich gepflegte Garten herrliche Palmen, Sykomoren, Bananen und andere südländische Bäume und Sträucher enthält. Wie eine Oase liegen Hotel und Garten in der geräuschvollen Stadt; abgeschlossen von dem Menschenlärm, empfindet man hier die Wohlthat der Ruhe und der Zurückgezogenheit. Das entschädigt dann für die Unannehmlichkeit, daß kein Wagen unmittelbar vorfahren kann, sondern im Radau der Hauptstraße halten muß, wo die Wilden, welche, wie gewöhnlich, gerade nichts zu thun haben, sich anschmeißen, als wären sie Verwandte oder mindestens drängelberechtigte Bekannte. Neugierig sind sie, davon ist das Ende weg.
Unser Zimmer lag nach Norden und hatte Aussicht auf eine herrliche Dattelpalme im Hofe des Nebenhauses, sowie auf platte Dächer, die als Bleiche benutzt wurden. »Karl,« sagte ich, »dies Kairo ist wunderbar, ein solches Wäschetrockenwetter kann man lange suchen. Keine Wolke am Himmel, nur große Stoßvögel schweben hoch in der Luft, und Schwärme von Tauben ziehen weite Kreise. Wenn bloß die Fliegen nicht wären.«
Wenn mein Karl auch meinte, die Fliegen müßten als Landessitte hingenommen werden, so ergrimmte er beim Frühstück unten in dem großen Speisesaal doch allmälig über ihre Zudringlichkeit. Der Kellner brachte zwei Wedel aus Palmenblättern, womit wir unsere Mahlzeit erkämpften. Die übrigen Gäste waren mit der Beköstigung bereits durch und saßen im Garten, den auch wir dann aufsuchten. Ein indischer Mann hatte seine Waaren auf einem Tische ausgebreitet, allerlei Gesticktes und Geschnitztes, Metallsachen und Tand, weniger zum Gebrauchen als zum Verschenken mitzunehmen. In dem Lesekiosk lagen alle möglichen Zeitungen aus, ein Pianino für allgemeine Benutzung fehlte nicht, und die warmen und kalten Bäder gab es gleich rechts in dem Badehause hinter dem Bambusgebüsch. Genug, es war anheimelnd.
Nach meiner Ansicht konnte nach der heißen Fahrt eine Mittagspause mit gesenkten Augenlidern nicht schaden, damit wir zum Besichtigen der Straßen und dem Besuch des Esbekiyegartens und der ägyptischen Militärmusik Kräfte sammelten. Karl, der sich anfangs weigerte, wurde einfach überstimmt.
Ohne die Mosquitonetze wäre an Ruhe nicht zu denken gewesen, die Fliegen blieben wenigstens draußen vor; eine Mücke dagegen, die sich eingeschlichen hatte, weckte mich aus dem Schlummer. Das Resultat war eine dicke Beule mitten auf der Stirn. Danke!
Bevor wir gingen, schellte ich elektrisch, die Wäsche aufzugeben. Das Zimmermädchen, welches kam, war jedoch ein Brauner in langem weißen Gewande, wie ein angebrannter Konditor. »Verstehen Sie deutsch?« fragte ich. »La!« sagte er. – »Karl, ergründe was dies bedeutet.« – Er sah im Buche nach. »La heißt nein.« – Also nicht. »Na, mein Muffi,« sagte ich darauf, »dann nimm mal die Wäsche und trage sie zur Waschfrau. Hier ist der Zettel, es sind achtzehn Stück.« – Der Wilde packte das Zeug zusammen, nahm den Zettel und verschwand. »Ob wir es wohl je im Leben wieder sehen werden?« fragte ich. »Abwarten,« sagte mein Karl. »Jetzt gehen wir in die Stadt.« – Als wir durch das Thor in die enge Straße traten, versperrten Eseltreiber uns den Weg. »Herr Baron, reiten?« riefe sie. »Guter Esel, Herr Baron. Madame, Berliner Esel.« – »Ich werde mich doch nicht zum Narren machen und am hellichten Tage auf einen Esel klimmen,« wies ich ihn ab. – Nur mit Mühe besiegte unsere Unerschütterlichkeit die Jungens mit ihren Grauthieren. Kaum waren wir jedoch in der Hauptstraße, als ein neuer Trupp Eseltreiber uns Reitgelegenheit verzapfen wollte. Arabisch war nicht genügend zum Verscheuchen auf der Walze, ich versuchte es daher mit Abwinken; je eifriger ich aber winkte, um so mehr Eseltreiber eilten herbei, und um so aufdringlicher wurden sie. Das war mir unerklärlich, als sie doch sonst auf Zeichensprache geaicht sind, wie eben noch unser Zimmerwilder bewiesen hatte. »Ya Chawage Chumar! – Chumar ya sitti!« schrien sie »ya Chawage Esel,« bis sie einsahen, daß unsere Trommelfelle für ihr Geblöke Härtlinge waren. – »Die Treiber beim Hotel sprachen leidlich Deutsch,« sagte ich »Diese könnten noch einen Privatdozenten brauchen. Uebrigens scheint mir, als wenn »ya Chawage«, soviel wie Baron heißt und, Chumar Esel. Schlage mal nach, was sie mit »ya sitti« meinen?« – Er blätterte nach. »Sitti ist Sechs.« – »Das hat hier keinen Sinn.« – »Halt, Sitti bedeutet auch Frau und Großmutter und da steht ya sitti: Madame. Wahrscheinlich haben sie statt der bösen Sieben eine böse Sechs.« – »Karl, laß das Sprachforschen, es mißräth Dir.«
Die Straße, in welche die Hotel-Nebenstraße ausmündet, ist die berühmte Muski, ebenso lang wie die Leipzigerstraße, und Hauptgeschäftsgegend, nur viel, viel schmaler. Die Läden sind an dem unteren Ende europäischer Art, große Kleidermagazine, Weißwaaren- und Modelager, Tabakshandlungen erdrücken die kleineren Auslagen der Orientalen. Wo aber nur ein Plätzchen auszuspüren war, hat sich ein Handelsmann niedergelassen und, sei es, daß er in einem Kellerfenster kauert, seinen Waarenkasten vor sich in Bürgersteighöhe. Früher soll die Muski mit Matten und Brettern gegen Sonnenbeschwer überdacht gewesen sein. Seitdem die Franken sich ansiedelten – wie alle Europäer von den Eingeborenen genannt werden – ist die Straße jedoch verparisert, so weit dies in Kairo möglich. Die Ueberdachung mußte fallen, als die Feuerversicherung eingeführt wurde, denn da brannte es flott. Mit ihn verlor die Muski das urthümliche Gepräge und wurde nach und nach modern auffrisirt. Sollten die Wilden genau zu ihr passen, müßten sie in Vatermördern und Lackstiefeln gehen, womit insofern der Anfang gemacht worden ist, als Stiefeletten mit Gummizügen und herausstehenden Strippen sehr beliebt sind, wenn nicht barfuß vorgezogen wird. Die ganz echt Kostümirten tragen Fußzeug von rothem oder gelbem Leder, und dick gewundene Turbane aus weißem Musslin, oder gold- und silberdurchwirktem Seidenstoff. Aermere begnügen sich mit rothbaumwollenen Taschentüchern, die sie turbanartig über den Schädel knoten. Beamte und kulturbeflissene Aegypter sieht man in der türkischen Ziviluniform, in schwarzem Anzuge, den Gehrock mit einer Reihe Knöpfen und kleinem Stehkragen, auf dem Kopf den rothen Fez mit schwarzer Seidenpuschel. Das »z« wird jedoch in Fez und anderen dortigen Ausdrücken wie ein weiches »s« ausgesprochen, obgleich wir in der Schule z. B. Zanzibar lernten und nicht Sansibar, wie es richtig nach denen lautet, die da waren. Leider wird man beim Ablegen von Schulirrthümern allzuleicht rückfällig; oft mußte ich meinen Mann mahnen, wogegen er behauptete, mein »z« wäre schon mehr tz. Um der Nörgelei ein Ende zu machen, nannten wir den Fez nach Landessitte Tarbusch. Wir kauften vier davon, für meinen Karl, Onkel Fritz, Herrn Schmidt und den Doktor, zum Prunk am Skattisch im Winter. Sechs Franken das Stück wurden verlangt, zwei geboten und drei gegeben. Unterstützung fand der Handel von einem guten halben Dutzend Neugieriger, die sich unverfroren in das gebrochen englische Gespräch einmischten. Was sie brabbelten blieb uns natürlich unverständlich. Originell sind die Bügelöfen, auf denen alte Tarbusche neu gepreßt werden –kohlenbeheizte Messingformen mit einer Stülpe darüber. – Aus einer der vielen Apotheken, die ein deutsches Schuld hatte, nahmen wir Salmiakgeist gegen Mückenstiche mit. Meine Beule vor der Stirn prickelte immer noch.
Mittelst Kompaß, Stadtplan im Bädeker und seinem angeborenen Scharfsinn, stöberte mein Karl den Esbekiye-Platz auf, obgleich es schwer hält, ihm das platzartige auf den ersten Blick anzumerken, weil der mittlere, größere Theil von einem Ueberblickshinderniß bedeckt wird, von dem Park nämlich. In ähnlicher Weise wächst in Berlin der Königsplatz allmälig zu; in wenig Jahre werden sie dort Hirsche aussetzen können, die dann um den Siegesspargel Karoussel rennen. Die Parkanlagen sind mit einem hohen Gitter eingefriedigt und für Fuhrwerke unzugänglich. Wer geradeaus über den etwas zwei Morgen großen Platz will, muß zu Wagen immer einen Bogen machen, zu Fuß jedoch eine kleine Durchgangssteuer zahlen, wenn er Eile hat. So wird die schönste Anlage zur Verkehrsstörung, wenn sie mitten im Wege liegt.
Die bauliche Umgebung des Platzes ist eine hochelegante im abendländischen Stil. Miethskasernen, französische Kaffees, die Post, Spiegelscheibenläden, Konditoreien, Restaurants, das Opernhaus, das Abends elektrisch beleuchtete New-Hotel, das ich jedoch zuerst für ein Elephantenhaus hielt, und weiterhin Shepheard's-Hotel, machen einen europäisch-großstädtischen Eindruck, und da sich an diesen Platz das Frankenviertel mit seinen Gartenhäusern und Alleen anschließt, findet hier die auffälligste Scheidung zwischen alt hergebrachter und neu eingedrungener Bau- und Lebensweise statt. Wenn das so fortfährt, wird das arabische Kairo einst gewesen sein und ein anderes dastehen, eine Stadt nach dem Rezept unserer Großstädte. Den Eingeborenen ist die Erhaltung des Alten gleichgültig, ihnen flößt Alles, was von Paris kommt, Bewunderung ein und für sie ist das ganze Abendland Paris. Ohne Widerstand durch Ausbesserung zu leisten, lassen sie sich ihre Häuser über dem Kopf zusammenfallen, wie wir noch an demselben Tage erfuhren.
Der Park selbst ist wunderhübsch angelegt und enthält die seltensten Bäume und Pflanzen des Orients, nur Rasen giebt es nicht. Die großen Flächen, welche bei uns das Auge durch saftiges Grün erquicken, sind dort mit einem rankigen Kräutlein bestellt, das in der Sommergluth, die das Gras verdorrt, sich einigermaßen hält. Ueberall aber schimmert der schwarzbraune Boden durch den spillerigen Ersatz des Rasens hindurch. Wiesen und Grasweiden kennt man in Aegypten nicht.
Die Militärkapelle spielte wacker. Was meinem Karl auffiel, war, daß den Blasinstrumenten zwei Brummbässe hinzugefügt waren, und als eine arabische Nummer daran kam, sagte er: »Alte, tüchtige Musik.« – Mir klang sie melodienlos. Alles durcheinander, wie Nudeln.
Viel Publikum war nicht vorhanden, die besten Sitze wurden von Kindermädchen und Ammen eingenommen, die, wie mir später erzählt wurde, über Triest eingeführt werden. Die Kinder spielten in den Wegen, rissen Zweige ab, schaukelten und gaben sich Mühe, in das Wasser des Teiches zu fallen, während die Mädchen mit Soldaten techtelmechtelten. Die Welt hat eben ihre ewigen Militärgesetze, einerlei, ob unter Palmen oder im Friedrichshain.
Der Esbekiye-Garten ist außer Kurs gesetzt, ebenso wie die früher beliebte Schubra-Allee, jetzt ist Gesihre der abendliche Sammelplatz der Gesellschaft. Das weiß man jedoch nicht am ersten Tage und sichtet sich nach den Reisehandbüchern, die den Aenderungen unmöglich so rasch folgen können, wie sie dort vorgehen.
Als wir den Garten verlassen hatten, versahen wir uns im Wege, und einmal um einige Ecken falsch gegangen, waren wir fest gerannt. Mein Karl hätte mit dem Kompaß und Plan sich schon ausgekannt, aber die wenigsten Straßen haben Namen, und wenn schon, steht solche arabische, zerbrochene Kringelschrift an den Ecken, die wer Ein- noch Ausgeborene lesen können. Ja nicht einmal Hausnummern sind vorhanden, so daß man sich nach Augenmaß zurecht finden muß. Was nun thun! Fragen? – Wen?
Zum Glück kamen Eseljungen. Wir nahmen ihr Gebot an, erst half mein Karl mir auf das Thier hinauf, dann schwang er sich selbst in den Sattel und sagte: »Hotel du Nil.« – »Eiwa,« antworteten die Jungens, zwei braune, niedliche Kerlchen, barbeinig in blauem Hemde, und »yalla, yalla,« klabasterten die Esel los. Da der Sattel vorn mit einem großen, runden Lederhöcker versehen ist, kann man sich bequem und sicher festhalten, ohne Vornüberschießen zu befürchten, wenn das Thier bockt. Die Jungens liefen im Galopp hinterdrein und redeten dem Grauchen fortwährend zu; versuchte es, langsamer zu gehen, so bekam es einen mit dem Stock übergezogen.
So ritten wir in die Muski hinein, mitten in das Gewühl, daß ich mir selbst wie eine Wilde vorkam. Wie sich doch Ansichten ändern. Vor wenigen Stunden wäre ich nicht für Geld auf einen Esel gegangen, jetzt nahm ich mir vor, mich den netten Thieren öfter anzuvertrauen. Sie sind ja auch ganz anders als jene, die wir kennen: groß, hellgrau, flink und klug, und dabei fest und achtsam im Tritt. Vor dem Hotel angelangt, zahlte mein Karl anständig. Trotzdem verlangten die Treiber Backschisch. Mein Karl opferte einige Münzen, und wieder begehrten sie Backschisch. Schier unersättlich. »Karl,« sagte ich, »gieb ihnen noch ein leichtes Sommertrinkgeld und damit Amen.«
Im Hotel machte man uns den Vorschlag, das platte Dach zu besteigen, um den Sonnenuntergang zu genießen. Wir bereuten die Treppen nicht, denn oben angelangt, bot sich uns Unerwartetes. Da lag ein gelb-graues Häusermeer zu unseren Füßen, und zahlreiche Minarehs, Palmenwipfel und Kuppeln erglühten im Lichte der sinkenden Sonne. Wie in Feuer getaucht erhob sich die Alabaster-Moschee Mohammed Alis neben der Zitadelle auf dem Rande des Mokattam-Gebirges. Deutlich erkannte man, wie die Wüste unmittelbar an die Stadt heranreicht; brauner, stiller Schatten begann sie einzuhüllen. Im Westen aber, von flammendem Abendgold umflossen, jenseits des blauen Nilarmes und der graudämmernden Ufer, standen die Pyramiden in violettem Nebelgewande.
Das war unsagbar!
Wortlos betrachteten wir die Natur. Welcher Maler wäre im Stande, diese Wirklichkeit auch nur anzudeuten? Höchstens der Erinnerung nachhelfen könnte das Gemälde. Wie groß das Alles war, so weit, so unbegrenzt. Störend wirkte nur ein Gekreisch, das in regelmäßigen Zwischenzeiten aus der Nähe, von unten heraufscholl, wie unartige Kinder, wenn sie geklappst und in die Ecke gestellt, sich für die nicht mehr wehthuenden Schmerzen durch ruckweises Heulen rächen. Ein Photograph hingegen, der mit seiner Maschine auf der anderen Seite des Daches herummurkste, verdroß uns weiter nicht; man vermißt ja nachgerade etwas, wenn bei Festlichkeiten keiner dabei ist.
Die Sonne ging unter. Die Stadt und die Ferne dunkelten ein. Der Himmel leuchtete bis zur Mitte hinauf im Abendroth, das über der Wüste purpurn aufquoll. Nun klang auch ein seltsames Mißgetön durch die oberen Lüfte.
»Was mag das sein?« fragte ich.
Der Photograph, der seinen zweiäugigen Kasten zusammengeklappt hatte, mochte wohl meinen Wissensdrang vernommen haben und antwortete: »Die Muezzin rufen von den Minarehs die Stunde des Gebetes. Liegt nicht eine ungemeine Feierlichkeit in dem Gesange?« – »Wenn Sie das Singen nennen, finde ich es auch feierlich,« erwiderte ich. – »Man muß sich allerdings erst hineinhören,« sprach er, »Sie sind gewiß erst angekommen?« – Heute Mittag,« bestätigte mein Karl. Wir machten hierauf Namen-Bekanntschaft, wobei sich ergab, daß er Zwilchhammer hieß und mit der Absicht nach Aegypten gereist war, Aufnahmen in einer selbsterfundenen neuen Manier zu machen, da Afrika der Welttheil sei, auf den sich das allgemeine Interesse konzentrire. Ich fragte ihn, ob er auch wüßte, was das Gejammer dort unten zu bedeuten habe. – »Gewiß, das sind Klageweiber, die zur Ehre eines Todten die Familientrauer erhöhen.« – »Die Möglichkeit,« rief ich. »Ich habe Klageweiber immer für fabelhafte Mittheilungen gehalten, und nun giebt es doch welche. Herr Zwilchhammer, der Orient bietet fast zu viel auf einmal. Geht es Ihnen auch so?« – »Ich glaubte ihn aus Büchern und bildlichen Darstellungen zu kennen,« antwortete er, »aber so fleißig ich studirt hatte, fand ich doch daß die Vorstellungen in den seltensten Fällen stimmten, nicht ausschließlich in landschaftlicher Beziehung, o nein, sondern namentlich in Bezug auf das Leben des Volkes. Wir können das bezahlte Weinen und Schluchzen der Weiber bei Kaffee und Zigaretten nicht mit unseren Begriffen von Trauer vereinigen, hier aber ist diese Sitte so alt, wie das Land. Die Unglücklichen, denen das Klagen gilt, kamen vor acht Tagen bei dem Einsturz des Hauses um, in dem sie wohnten und dessen Trümmer Sie jenseits des Gartens von hier sehen. Kein Mensch wäre bei uns in die baufällige Baracke gezogen, die Polizei hätte es nicht gestattet. Hier aber denkt man: wenn Allah will, bleibt das Haus stehen, wenn er anders beschlossen, entgehen wir dem Schicksal doch nicht. Derselben Meinung war der Eigenthümer, dem es nie in den Sinn kam, die geringste Flickarbeit vornehmen zu lassen.« – »Hoffentlich wird der Hausbesitzer zur Verantwortung gezogen,« entrüstete sich mein Karl. – »Schwerlich, denn es ist der Mufti, der oberste der Rechtsgelehrten. Ihm die geringste Schuld der Vernachlässigung beizumessen, hieße, sich gegen Allahs Rathschluß empören, und das wäre schwere Sünde.« – »Für die Unfallversicherung sind sie hier noch nicht reif,« sagte mein Karl. – »Eine haushälterische Religion,« fügte ich hinzu. »Der Mohammedaner sagt: was purzeln soll, das purzelt doch, und spart die Handwerker.«
Wir verließen das aussichtsvolle Dach, um uns für die Gasthaustafel zu säubern, da die Hauptmahlzeit überall im Orient nach Sonnenuntergang stattfindet, gewöhnlich zwischen sieben und acht Uhr. In dem großen Speisesaal waren etwa hundert Personen, die theils von Kellnern im Frack, theils von Wilden in Taillenhemden bedient wurden: Deutsche, Engländer, Franzosen und was sonst vom babylonischen Thurme stammt. Uns waren Plätze, Herrn Zwilchhammer gegenüber, angewiesen, und so entspann sich ein aufmunterndes Tischgespräch von selbst. Herr Zwilchhammer besserte bereitwilligst unseren Plan für den nächsten Tag aus, und gab gierig aufgesogene Rathschläge. Als ich mich über die Zudringlichkeit der Eseltreiber beklagte, daß, je mehr ich abgewunken, sie um so dollerer herangetrabt wären, lachte er, und nahm die Horde in Schutz. »Der Orientale ist andershändig, als wir,« erklärte er. »Wir schreiben von links nach rechts, er schreibt von rechts nach links, indem er das Papier in die linke Hand nimmt und den Zeigefinger als Halt unter die Stelle legt, welche er beschreibt. Auf diese Weise bedarf er keines Tisches, und da er das Papier nach rechts aus der Hand nach vorwärts schiebt, wischt er das Geschriebene nicht aus. Sie werden das oft beobachten, im Bazar und bei den öffentlichen Briefschreibern. Die Thürschlösser werden ebenfalls durch Linksherumdrehen des Schlüssels geöffnet, und die Handbewegung, wie sie bei uns als Abwinken gebräuchlich ist, gilt ihm als Aufforderung zur Annäherung.« – »Was thut man denn, um sie los zu werden, wenn sie sich klettenhaft betragen?« – »Ein bestimmt ausgesprochenes ›ruch‹, das heißt: ›gehe‹, oder ›imschi‹, das heißt: ›packe dich‹, genügt meistens.« – »Das ist behältlich,« rief ich, »also Karl, merke dir ›ruch‹ und ›imschi‹.« – »Im äußersten Nothfalle hilft eine Drohung mit dem Stocke.« – »Begehren sie dann nicht auf?« – »Nein, vor Schlägen haben sie Furcht.« – »Die Menschenrechte scheinen mir hier noch ziemlich schief gewickelt,« bemerkte ich. »Tippt man bei uns ein Dienstmädchen blos mit den Worten an: gleich geht sie hin und klagt, und man steht zu Protokoll. Es fehlt nur, daß sie hauen darf, um den Unterschied zwischen Herrschaft und Gesinde wieder herzustellen. Und Lohn verlangen sie, als wäre das Großgeld Kleingeld. Fast hätte ich Lust, einen Wilden mitzunehmen, das wichtige Winken wollte ich ihm schon beibringen.«
So unterhielten wir uns umschichtig wissenschaftlich, was Herr Zwilchhammer verstand, und praktisch, was mehr meine Seite war, während mein Karl seine Aufmerksamkeit halbschichtig unserem Gespräche und dem Essen widmete, das in denselben Table d'hote-Töpfen gekocht worden war, wie überall. Einen Gemüsegang, ganz jungen Kürbis, in Butterbrühe geschmort, aß ich als echt orientalisch mit Sorgfalt. Es schmeckte mollig, doch hätte eine Idee Muskatnuß nicht schaden können.
Nach Tisch fand allgemeiner Aufbruch in den Garten statt. Die Luft war handwarm, kein Blatt regte sich an den Bäumen, und nach des Tages Anstrengungen saß man dort in angenehmster Beschaulichkeit. »Dem Orientalen,« sagte Herr Zwilchhammer, »geht nichts über Stunden behaglichen Nichtsthuns, der gleichzeitigen Ruhe des Körpers und des Geistes, und der Fremde thut weise, wenn er ihm darin folgt, und sich dann und wann seinen Keef gönnt.« – »Keef? Was ist das?« – »Eben dieser Zustand heiterer Ruhe.« – »Karl,« sagte ich, »Keef kannst Du Dir auch merken; man muß von jeder Nation das Beste nehmen.« – Herr Zwilchhammer verabschiedete sich, um Vorbereitungen für seine morgigen Aufnahmen zu treffen, und wir saßen noch eine Weile. Da die Zeitungen im Lesepavillon eine Woche alt waren, verschoben wir ihre Durchsicht auf den nächsten Tag. Sie liefen ja nicht weg. Mit einem gelinden »ruch« trieb ich meinen Karl ins Bett.
Die Nacht war eine geruhsame, bis auf die Mücken, die diesmal meinen Mann geschröpft hatten, weil wahrscheinlich das Mosquitonetz nicht dicht geschlossen gewesen war. Die Mücken und die Fliegen leben in gemeinsamem Bündniß miteinander. Des Nachts nämlich beißen die Mücken, und am nächsten Morgen kommen die Fliegen nachsehen, ob es auch ordentlich geschwollen ist. Auf meiner Briesche vor der Stirn hielten sie peinliche Untersuchungen ab. Nun, man nahm die Plackereien mit in den Kauf, entschädigte doch so viel Fremdweltliches für die Uebelstände, die durch Schelten doch nicht aus der Welt gebracht werden. Ein Schritt hinaus in das Straßengewühl, und alles Ungemach war vergessen, denn immer wieder brauste Leben des Südens auf uns ein. Wir gingen die Muski hinauf und bogen dann rechts in die engen Marktstraßen ein, die Bazare genannt werden.
Wer unter orientalischen Bazaren marmorne Prachthäuser mit Mosaikwänden und sonstigen feenhaften Zuthaten vermuthet, der irrt sich gewaltig. Erstens sind die Gassen nur ausnahmsweise so breit, daß ein Wagen hindurch fahren kann, und zweitens ist Pflasterung nicht vorhanden. Bald ist der Erdboden hart, bald sandweich, je nach seiner Beschaffenheit, und wo gerade Nassigkeiten hingegossen wurden, da ist er glibberig; Abfall aller Art wird zum beliebigen Festtreten hingeworfen. Die Läden sind kleine Kabusen, nach der Straßenseite völlig offen, mit einem Fußboden in Sitzhöhe, worauf Teppiche liegen, auf denen der Kaufmann sich in ältester Weise niederläßt, nämlich vor der Erfindung des Stuhles. Seine Wasserpfeife rauchend, wartet er, ob Allah ihm Kunden senden wird oder nicht. Der Waarenvorrath befindet sich im Hintergrunde des Ladens aufgestapelt, die Schaustücke hängen an den Seiten, auf Stricken oberhalb des Ausbaues, und wie sie sonst augenfällig angebracht werden können, wodurch eine Bazarstraße bunt und mannigfach aussieht. Mit einem Dutzend baumwollener Taschentücher in Roth, Gelb und Grün mache ein Kleinhändler solchen Farbenspektakel, daß man Wunder meint, was sich thut. Kommt nun ein Kunde, so wird dieser höflich zum Hinsetzen eingeladen, und das Gehandele beginnt. Aus dem dunkeln Grunde seines Ladens langt der Kaufmann immer neue Waaren hervor, wie aus einem Koffer mit doppeltem Boden, bis ein Stück gefällt. Zur Belebung des Geschäfts läßt er aus einer der vielen Kaffeeküchen zwei Schälchen Kaffee holen; das ist so Sitte. Jede Straße bildet den Markt für einen besonderen Handelsartikel. Die Seiden und Kattunhändler, die Kleiderhändler, die Fruchthändler wohnen einträchtig nebeneinander, und auch die Handwerker halten zusammen, wie die Sattler, Pfeifenmacher, Blechschmiede, Fahnennäher, Drechsler u. s. w. Der Bazar der Schuhmacher ist noch in alter Manier mit einem Sonnendache versehen, ebenso der Bazar der Händler, die Stickereien, werthvolle Stoffe und Teppiche verkaufen.
Das Gedränge in diesen Straßen ist dasselbe wie auf unseren Jahrmärkten zwischen den Budenreihen, nur mit dem Unterschiede, daß noch Esel und Kameele die Passage verkümmern. Und dennoch schubst Keiner den Anderen, man macht sich gegenseitig Platz, so gut es geht. Die Führer der Thiere rufen: »u-ah – u-ah!«, nimm Dich in Acht, oder auch: »riglak, riglak!«, achte auf Deinen Fuß, womit sie vorwarnen, daß man zur Seite treten soll. Dazu kommt das Geschrei der fliegenden Händler, die mit Lebensmitteln hausiren, Brod, Früchten, Süßigkeiten, Wasser, Limonade und erfrischenden Getränken. Die Limonadenverkäufer tragen einen Krug mit langer Ausgußröhre und unterstützen ihr Anpreisen durch das Zusammenklappern der messingenen Trinkschalen. Die Wasserträger schleppen das Wasser in Lederschläuchen, die, gefüllt, mit der haarigen Außenseite immer noch verrathen, daß sie im lebenden Zustande Ziegen waren. Den ununterbrochenen Lärm vermehren die Bettler, richtige Paltenmuffis, die sich hinstellen und singen. Blinde werden von halbnackten Knaben geführt. Es giebt viele Blinde und Augenkranke; man sieht sie oft.
Vom Morgen bis zum Abend wogt die Menschheit durch die Bazare, welche von beiden Seiten in die Muski münden, auf Schritt und Tritt bietet sich Neues dar, Neues an Gestalten, an Gruppen, an Baulichkeiten. Zwischen den Häusern sind Moscheen gelegen, von außen gewöhnlich mit gelblichen und röthlichen breiten Streifen angestrichen. Brunnen in arabischem Stile mit trinkenden Menschen und Thieren, Ecken und Winkel, vorspringende Erker, hellstes Sonnenlicht und tiefste Schatten bitten förmlich, als wollten sie abgemalt werden. An Hunden und Katzen ist kein Mangel. Allerdings wurden im Laufe des letzten Jahres auf Veranlassung der Engländer nach und nach über fünftausend Straßenhunde vergiftet, aber es sind ihrer noch ausreichend vorhanden. Man hält sie für nützlich, da sie den Abfall verzehren, der sonst die Straßen verpesten würde.
Von den Gassen führen Thorwege zu geräumigen Innenhöfen, die als Waarenlager dienen und oft Hunderttausende an Werth enthalten sollen. Sämmtliche Gewürze Indiens sind dort aufgespeichert und erfüllen die Umgegend mit Wohlgeruch; Elfenbein, Seide und Teppiche liegen zu Hauf, und was die Ballen und Kisten bergen, wer kann das errathen?
Wie bei uns auf Industrie-Ausstellungen dem Publikum Gelegenheit geboten wird, die Herstellung von verschiedenen Waaren zu beobachten, kann man auf den Bazaren der Handwerker tagtäglich die Arbeit verfolgen. Die Drechsler, welche vor ihrer allereinfachsten Drehbank gekauert, das Stemmeisen mit dem bloßen Fuße halten, sind nicht minder anziehend, wie die Goldsticker, die köstliche Arbeiten auf Sammet fertigen. Die Muster werden aus dickem Papier ausgeschnitten, gelb gefärbt, und dann mit Goldfäden auf den Sammet übernäht, wodurch eine hocherhabene üppige Stickerei entsteht. Die Kupferschmiede verzieren Messingschüsseln, Kannen und Teller mit reichen Mustern aus freier Hand, nur vermittelst Meißel und Hammer. Knaben von acht bis zehn Jahren sind bereits ebenso geschickt und fleißig, wie Erwachsene; ja, ein Junge, der in Europa noch in jeder Beziehung bevormundet wird, steht bereits einem Laden vor und handelt wie ein Alter. Erstaunlich früh werden die Menschen dort reif.
Fortwährend bieten die Bazare Bilder aus dem Leben des Volkes, wir wurden nicht müde, sie zu durchstreifen, und erlebten die merkwürdigsten Dinge. Wenn ein Hochzeitszug sich durch die Menge zwängte, Musik voran, mit Flitter, Schellen und Teppichen behängte Kameele, die den Palankin trugen, worin die dicht verschleierte Braut saß – halb noch ein Kind –, das Gefolge in festtäglichem Aufputz hinterdrein, dann fragte man sich, ob es möglich sei, den ununterbrochenen Karneval noch zu überbieten. Und es war möglich. Auch Leichenzüge kamen. Der mit rothen Stoffen verhüllten Bahre, auf der Schulter rüstiger Männer, schritten Fahnenträger vorauf, den Schluß bildeten schwarzverschleierte Klageweiber. Die Menge wich dem Zuge aus und hinter ihm strömte sie wieder zusammen. Wie ein Spuk erschien und verschwand der Anblick.
Zur Stunde des Gebetes sieht man oft, wie der Kaufmann in seinem Laden sich erhebt, das Antlitz der Richtung nach Mekka zuwendet, und unbekümmert um Alles, was um ihn herum vorgeht, seine Sprüche murmelt, niederkniet, die Stirne auf den Boden drückt, sich wieder aufrichtet und alle vorgeschriebenen Stellungen durchmacht. In den Kaffeehäusern, in den Flureingängen, an den Straßenecken, wo es sich nur einigermaßen betet, verrichtet der fromme Moslim seine Andacht und Niemand findet es sonderbar. Dem Fremden aber kommt Alles seltsam vor, was ihm aufstößt. Und darum wird man der Stadt Kairo so leicht nicht überdrüssig; im Gegentheil, man hat sie mit jedem Tage gerner. An den stellenweise unvermeidlichen Malpropretismus darf man sich allerdings nicht stoßen: im Orient liegen nun einmal das Prachtvolle und Dreckige unmittelbar neben-, zwischen-, auf- und untereinander. Außerdem ist Reinlichkeit ja nur ein Begriff, und Begriffe sind verschieden.