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Vorwort zur ersten Ausgabe.

(1885).

Diese wenigen Blätter enthalten das ganze dichterische Vermächtnis des so früh dahingeschiedenen Freundes. Wohl finden sich in seinen Notizbüchern eine Menge stenographischer Entwürfe, wie er sie auf der Wanderung in einsamen Stunden, vielleicht auf langen Eisenbahnfahrten, zum Teil in eigen erfundenen Zeichen niederzuschreiben pflegte. Doch wenn auch der Schlüssel zu allen gefunden würde, schwerlich wäre zu hoffen, daß noch eine reiche lyrische Nachlese zu dem, was er selbst bereits veröffentlicht, die Mühe belohnen würde. Was eine reife Gestalt gewonnen hatte, pflegte er nicht lange zurückzuhalten. Und da er beständig von den verschiedensten Seiten um Neues gebeten wurde und gerne gab, kam er nie dazu, einen großen Vorrat fertiger Gedichte in seiner Mappe zu sammeln.

Das »Winter-Idyll« hat er besonders geliebt. Er trug das schmale Heft der sorgfältig abgeschriebenen einzelnen Blätter fast immer bei sich, und es war ihm Bedürfnis, seinen vertrauteren Freunden daraus vorzulesen. Dann achtete er sorgsam auf den Eindruck, den das Gelesene hervorrief, suchte sich kritische Bemerkungen zunutze zu machen und sprach von dem, was er noch hinzudichten wolle, um das kleine Werk vollends abzurunden.

Denn als habe die Ahnung eines frühen Todes ihn schon mitten im frühesten Lebensglück überkommen, fühlte er sich getrieben, in diesem Idyll die Summe des Besten und Tiefsten niederzulegen, was sein Herz lebenslang bewegt, all denen ein warmes Wort des Dankes zu sagen, die ihm Liebe entgegengebracht, all die teuren Gestalten unter seinem ländlichen Dach in winterlicher Abgeschiedenheit um sich zu versammeln und sich noch einmal recht von Herzen in das Glück eines so reichen Besitzes zu versenken. Auch der Brüder sollte noch gedacht werden, wohl auch der Freunde, die hier draußen manchen fröhlichen Tag mit ihm zugebracht, und endlich »dieser Lebensgang eingefügt« werden »in den Zusammenhang uralten Lebens«, in Betrachtungen, die das Gedicht erst auf seine letzte Höhe geführt haben würden. Der Tod trat dazwischen. Dichtung und Leben sollten Fragment bleiben. Wer aber den sinnigen, liebevollen und liebenswürdigen Geist des Frühgeschiedenen aus lebendigem Verkehr oder auch nur aus seinen Dichtungen kennen gelernt, wird ihn hier mit tiefer Rührung in seiner ganzen seelenvollen Schlichtheit und hingebenden Wärme wiederfinden, und auch die Lücken, die er selbst empfand, werden den Eindruck des Ganzen nicht beeinträchtigen können.

Nur wenige Stellen erforderten eine geringe Nachhilfe, wie sie der Dichter selbst für nötig erachtet hätte, wenn es ihm noch vergönnt gewesen wäre, die Korrekturbogen durchzusehen. An andres, was er zu ändern beschlossen hatte, durfte nicht gerührt werden. Ein Abschiedswort an das Leben, wie es hier vorliegt, wendet sich an das Herz derer, die es empfangen, nicht an den kritischen Verstand, und selbst die Spuren der mangelnden letzten Vollendung erneuern das schmerzliche Gefühl, daß die Hand, die diese Blätter beschrieb, nun für immer erkaltet ist.

 

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