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An meinen Vater.

Wie still es ist! – Und durch dies stille Zimmer
Strömt nur die Wärme und der Lampenschimmer;
Da ruhen meine Blicke auf den Wänden:
Hier hängt ein Bild aus römischen Geländen,
Und dort noch eins, es hängt im matten Licht. –
Wie fein das Haar ist und das Angesicht!
Das Kinn ruht leise in der schmalen Hand,
Indes das Aug ein schaffend Sinnen kündet: –
Du bists, mein Vater, der dies Haus gegründet.
Den ich verlor, noch eh mein Geist dich fand!
Und meine stumme Träumerein versenken
Sich in dein Bild und in dein Angedenken.

Als Kind nur kannt ich dich – und das ist lang!
Da weiß ich dich, vor deinen Bildern stehend,
Die Menschen immer mit der Seele sehend,
Dieweil ich selbst noch durch die Wiesen sprang.
Wie wars auch dir so wohl auf dieser Flur,
Hier, wo die Bergluft dir die Farben mischte,
Wo deine Kunst sich an dem Born erfrischte,
Der alle Kunst umschließt, an der Natur!

Und jeden Morgen, eh dein Werk begann,
Gingst du ein Stündlein noch durch Feld und Tann,
Und mit dir trat die Mutter aus dem Tor,
Ein Buch im Arm, und las am Weg dir vor;
Am Ahornbaume ließet ihr euch nieder,
Den du gepflanzt, an deinem Lieblingssitz.
Bald warens Heines oder Uhlands Lieder,
Bald Voltaires Briefe an den Alten Fritz.
Dann ward geplaudert noch im Sommermorgen
Von Haus und Kindern und von Glück und Sorgen.

Du hast wohl viel von großer Welt gesehn,
Gewaltge Männer und der Schönheit Feen,
Und nachgebildet ihre Prachtgestalten.
Dem großen Goethe trat dein Schaffen nah;
Der Löwenkopf, der die ›Eroica‹
In sich trug, hatte vor dir still gehalten;
Es haben Zar und Kaiser dich gerufen,
Du sahst so manchen Thron mit goldnen Stufen –
Doch deine Sehnsucht blieb das stille Grün.

Da konnte sich dein Wesen ganz ergeben
Der schönen Schlichtheit, und mit freudgem Leben
Sahst du dein Feld und deine Kinder blühn.
Und wenn auch müd manchmal der Geist dir war
Von all dem Fleiß und dem ergrauten Haar,
Für deine Kinder warst du stets bereit.
Wie scherztest du mit uns, den muntern Knaben,
Obs uns auch schmeckt, was wir zu lernen haben,
Und was wir denken all die lange Zeit?
Du hattest in dein Leben aufgenommen
Das schöne Mahnwort: »Laß die Kleinen kommen.«
Und manchmal nur sprachst du halblaut, gerührt:
»Ob ichs erleb, wohin ihr Weg sie führt?«

O Vater, Vater! Warum bist du fort,
Eh dus erlebt? Wie hätt mein feurig Wort
Von Mann zu Mann dich noch gegrüßt so gerne!
Nun grüß ich dich durch grenzenlose Ferne
Aus jenem Heim in stiller Winternacht,
Das deine Liebe mir so lieb gemacht.
Herangewachsen ist dein jung Geschlecht;
O dürft ich einmal nur noch Zwiesprach pflegen
Mit dir, ein Buch in deine Hände legen
Und leise fragen: Vater, ist dirs recht? – –

Was dank ich dir! – Das kommt erst spät zu Tage,
Doch dünkt mich Undank jedes Wort der Klage.
Hast du genug nicht mir von dir gelassen?
Dies warme Herz, dies lauschende erfassen:
Dein Erbe ists, du nahmst mit dir hinüber
Nur deiner Augen, nicht der Seele Blick.
So ging ein Keim von tausendfachem Glück
Aus deinem Herbst in meinen Frühling über.
Was dank' ich dir! Du hast zum geistgen Schaffen
An mich vererbt den Willen und die Waffen.
Und was an Kampf das Leben auch beschere,
Ich will sie führen – Vater, dir zur Ehre!

 

*

 


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