Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Im Dialekt.

Es ist um Sunnwendzeit; auf allen Wiesen
Steht noch der erste, hohe Blumenflor;
Die Glocken lugen aus dem Gras hervor,
Die Heckenrosen überm Wege sprießen,
Und fröhlich zieht die Herde mit Geläut
Zur Alm in blaue, stumme Einsamkeit.
Das ist die Wanderzeit in Bergeshöh!
Und tagelang zog ich dahin im Walde
Durch Felsgestein und durch die duftge Halde
Und lagerte am klaren Alpensee.
Am Berghang aber, unterm Felsenkar,
Da lagen traut die braunen, kleinen Hütten,
Und wenn ich abends müd vom Wandern war,
Bin ich so gern durch ihre Tür geschritten.
Es saß am Herd die blonde Sennerin;
Ich aber setzte mich daneben hin.
Auf ihre Wangen fiel der Feuerschein,
Das knisterte so leis; hell klang darein
Ihr Silberlachen, wenn ich dann sie neckte
Und Almenrosen ihr ans Mieder steckte.
Bald schien von allen Bergen in der Rund
Mir der der schönste, wo ihr Hüttlein stund.
So schien zur Forschung keiner sich zu eignen:
Ich maß den Weg und prüfte das Gestein,
Und schließlich trat ich in die Hütte ein …
Ich war verliebt – das war nicht mehr zu leugnen.
Und was Poeten, die verliebt sind, tun,
Das weiß man. Ach, es ließ mich nimmer ruhn!
Fast jeden Tag bracht ich ihr ein Gedicht
Und las es vor, voll Pathos das Gesicht,
Wo ich »Elisabeth« mein Lisei nannte
Und Tropen brauchte, die sie nie erkannte.
Im Anfang saß sie ganz verdutzt zur Stelle,
Dann warf sie ihren Goldzopf ins Genick
Und lachte schallend – niemals klang Kritik
So überzeugend mir und silberhelle!

Stumm ging ich weg – dann kams mir wie ein Licht –
(Man sagt ja, daß die Liebe findig macht)
Drum dacht ich: ›Fort mit dieser Tropenpracht!
Sprich doch zu ihr so, wie sie selber spricht!‹
Da stellt ich in den Stall den Pegasus,
Noch angeschirrt à la Virgilius,
Und fing mir flugs in meinem Herzeleide
Ein schmuckes Bauernrößlein von der Weide.
Mit einem Juhschrei hab ichs angetrieben
Und 's erste Lied – im Dialekt geschrieben. –

Als ich zur Alm kam und vom steilen Grat
Ins Felskar stieg, den alten, kühnen Pfad,
Da stand die Sennerin im Wiesengrunde
Und jauchzt' empor, die Hand am roten Munde.
Und wieder trat ich in die Hütte ein;
Mir war zu Sinn, als wär sie doppelt mein:
Dies rußge Dach und dies Gerät, das blanke,
Dazu das Mägdlein, das gelockte, schlanke,
Der Hausaltar mit den gewohnten Zweigen …
Als wär dies Leben nun erst ganz mein eigen!
Durch das Gebälk flog feines Sonnenlicht;
Am Herde lehnend horcht' auf mein Gedicht
Die blonde Sennin – mir erschien es schlecht,
Sie aber jauchzte: »Jetzt, ja so ists recht!«
Das war die Mundart, die ihr Herz gewohnt,
Und in der Mundart ward ich auch belohnt.
Um meine Schulter schlang sie ihren Arm –
Das war ein Kuß, so herzig und so warm!
Wie Walderdbeeren hat der Kuß geschmeckt;
Ich spür ihn noch. – So lernt man Dialekt.

 

*

 


 << zurück weiter >>