Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Das Wort ‹Ästhetik› darf den Leser nicht erschrecken, wir wollen weder den Aristoteles des Karnevals spielen, noch der Basler Fastnacht eine oberammergauische Wichtigkeit beimessen. Unser Zweck beschränkt sich darauf, einem größeren Publikum, das von den Eigentümlichkeiten der Basler Fastnacht schon gerüchtweise oder auch als Zuschauer Notiz genommen, das Verständnis jener sonderbaren, jeden Fremden überraschenden Trommelgravität von innen heraus zu vermitteln. Zu dieser bescheidenen Aufgabe aber dürfte ein gewohnheitsmäßiger, rückfälliger Karnevalstrommler und Tambourmajor berufen sein, als welchen sich der Verfasser dieser Zeilen zwar nicht mit Stolz, aber mit Humor bekennt.
Was zunächst den allgemeinen Masken- und Mummenschanz betrifft, so bietet die Basler Fastnacht in dieser Beziehung nichts Außerordentliches dar. Höchstens die Überrumpelung des Theaters durch die Masken und die Einmischung derselben in die Vorstellung, also ihr improvisierendes Mitspielen auf der Bühne, verdient als eine Basler Eigentümlichkeit besondere Erwähnung. Da kann es zum Beispiel, wenn «Figaro» gegeben wird, vorkommen, daß der eifersüchtige Graf anstatt des Cherubin nicht das Kammermädchen, sondern einen grünen Frosch aus dem Zimmer hervorholt. Und ähnliches mehr. Das wahrhaft Charakteristische der Basler Fastnacht aber besteht in den nachmittäglichen und nächtlichen Trommelprozessionen. Und zwar wird hiebei das Trommeln nicht als ein begleitender Umstand, sondern als Zweck aufgefaßt. Stößt man sich nicht an einem übertriebenen Ausdruck, so können wir die Maskierung als Abzeichen (›Erkennungszeichen› dürfen wir wohl nicht sagen) und die verschiedenen ‹Züge› als Trommelgilden auffassen. Daß die Basler Fastnacht nicht großen Gesamtzügen, sondern möglichst vielen gesonderten kleinen Gruppen zustrebt, ergibt sich daraus von selbst. Denn wo bliebe bei einem Gesamtzug für all die Hunderte von Trommlern und Dutzende von Tambourmajoren und Pfeifern Verwendung? Zwölf Mann, eher weniger als mehr, bilden den Grundstock eines ‹Zuges›. Dazu gesellen sich zwei Pfeifer und ein Tambourmajor; vor dem letzteren marschieren einige Mann, welche den Charakter der Maskierung symbolisieren, mit dem doppelten Zweck, auf die Phantasie der Menge zu wirken und dem Tambourmajor durch die Zentralstellung das gehörige Relief und den nötigen Raum zu verschaffen. Alles übrige (die mithüpfenden Masken, die nachfolgenden Wagen und so weiter) gehört zu den Allotria, zum Dilettantenhumbug, welchen ein ‹Zug›, der sich respektiert, entweder gänzlich verschmäht oder aufs Äußerste beschränkt. Sehen wir uns nun die drei Haupthähne der Basler Fastnacht, ich meine den Tambourmajor, den Pfeifer und den Trommler, genauer an. Sie verdienen es, denn sie sind es, welche durch ihre unbegrenzte Popularität die Basler Fastnacht bisher gegen alle Angriffe siegreich beschützt haben.
Der ‹Tambourmajor›, eines der Paradestücke der napoleonischen Bataillone, war auch in der Schweizer Miliz bis Ende der fünfziger Jahre der verwöhnte Liebling des Publikums. In Basel prägte sich sein Bild tief in die Phantasie des Volkes, wozu die kleine, aus napoleonischen Scherben zusammengelesene Garnisonstruppe nicht wenig beitrug. Durch ihr Beispiel hauptsächlich ist die Tambourmajorskunst zum Basler Nationalsport gediehen. Das Talent des Stockschleuderns vererbt sich (‹durch Zuchtwahl› möchte ich doch nicht behaupten), der Instinkt dazu offenbart sich allerorten; es gibt Generationen von Tambourmajors, wie es in Florenz solche von Goldschmieden gegeben hat, und wenn man einem Basler Kind einen Stock in die Hand legt, so faßt es denselben gleich beim untern, leichtern Ende und guckt in die Luft. Zu einem guten Tambourmajor sind neben Talent, Schule und Übung zwei Dinge nötig: Mut und Platz. Mut braucht er, weil ein Fehlwurf den Delinquenten der Schande und die Zuschauer der Todesgefahr aussetzt; Platz, erstens, weil die verschiedenen Schleuderkünste einen weiten Spielraum nach allen Seiten begehren, mehr aber noch, um dem Künstler die nötige Seelenruhe, ich möchte sagen ‹Andacht›, zu ermöglichen. Darum schieben weit vor ihm her die Allegoristen das Publikum nach vorn, darum drängen Pfeifer und Trommler wie Krebse nach hinten, darum jagen Trabanten immerfort neben den Trottoirs auf und nieder. Die Mediziner berechnen den Luftraum, welchen ein Mensch zu seiner Existenz bedarf, in Kubikmetern; wollten sie das Luftbedürfnis eines Tambourmajors ausdrücken, sie müßten Kubikplätze zu Hilfe nehmen. Bevor der Tambourmajor einen kühnen Wurf nach den Dächern hinauf wagt, wozu er eine gewisse Inspiration und begünstigende und anregende Umstände (eine breite, helle, von Blendung freie Straße mit einer dichtgedrängten Zuschauermenge) abwartet, befindet er sich in einer nervösen Aufregung – sein Ruf steht ja auf dem Spiel –, so daß er wohl ein und das andere Mal den schon gefaßten Entschluß zurücknehmen wird; ist jedoch der Stock einmal richtig entlassen, dann genießt der Meister schon den sichern Triumph der Virtuosität; ja, im Bewußtsein, daß die Hauptsache gelungen, hat er noch die geistige Freiheit zu allerlei Spielereien übrig, die dem Zuschauer um so mehr imponieren, als derselbe das leichte Auffangen des Stockes für die Hauptschwierigkeit hält. Er stemmt die Hände auf die Hüften, dreht sich ein paarmal im Kreise herum, geht rückwärts, das Gesicht gegen die Trommler gewendet, und scheint sich um seinen Stock, der oben in der Luft gaukelt, gar nicht mehr zu kümmern. Er darf es ungestraft tun, da er die Fluggeschwindigkeit und Flugbahn des Stockes nach der angewandten Kraft abzuschätzen weiß und weil die Flugzeit bei Gewaltwürfen eine recht beträchtliche ist. Was die erreichbare Höhe des Wurfes betrifft, so grenzt dieselbe ans Unglaubliche. Von dem Tambourmajor der ehemaligen Basler Garnison erzählten unsere Väter und Großväter, daß er den Stock über den Turm des Tores emporwirbelte, um ihn, ruhig weiter marschierend, jenseits wieder aufzufangen.
Schwieriger übrigens und zugleich schöner, deshalb auch bei den Kennern geschätzter, sind die Kranz- und Sternfiguren in niedrigster Höhe über dem Kopfe und vor dem Gesichte des Spielers. Dabei dreht sich der Stock nur ein- oder zweimal um seine Achse, aber blitzschnell und ununterbrochen, ein funkelndes, blendendes Rad bildend, in dessen Mittelpunkt der Tambourmajor stetig voranschreitet. Dieses ewige Rad schlagen zu können, gilt für das erste Erfordernis eines anständigen Tambourmajors; wer dasselbe in verdoppelter Dimension, also mit zweimaligem Umschwung, andauernd auszuführen vermag, ist schon ein tüchtiger Meister. Als einen Virtuosen aber bewundert und feiert der Basler jenen, der mit dem einfachen und dem doppelten Stern beliebig abwechselt, denselben mit verschiedener Hand entsendet und auffängt und bald nach innen, bald nach außen ausführt, ohne eine Pause eintreten zu lassen. Das Ideal endlich besteht darin, eine ganze Straße hindurch so zu marschieren, daß der Stock auch nicht eine Sekunde lang in der Hand ruht, sondern in ewigem, ununterbrochenem Tanz alle erdenklichen Figuren abwickelt, von allen Seiten den Künstler umblitzend, jetzt in Sternen, jetzt in kleinen Luftwirbeln, dann wieder in allmählich steigenden Rädern, unter welche sich plötzlich erstaunliche Höhenwürfe und jähe, spitze Pfeilschüsse mischen. Es sieht auch wirklich schön aus, dieses rot- und goldfunkelnde Kaleidoskop, wie es von ferne zwischen den Dächern daherwandelt, während derjenige, der dasselbe regiert, noch auf lange Zeit unseren Augen verborgen bleibt. Das ist der Basler Tambourmajor und seine Kunst. Mit dem Exerzitium der Trommler hat derselbe nichts zu schaffen; das Trommelkommando ist Sache des Vortrommlers, welcher seinerseits durch keinerlei Abzeichen, sondern bloß durch seinen Platz (die äußerste Rechte der ersten Reihe) erkennbar ist.
Hinter oder auch vor dem Tambourmajor marschieren die Pfeifer. Das sind in ihrer Mehrzahl musikalisch gebildete Leute, von denen der eine oder der andere vielleicht, wie ich aus Beispielen bestimmt weiß, in einer Beethovenschen Sinfonie die Flötenpartie, nötigenfalls Solo, übernimmt. Die Fastnachtspfeife ist die richtige Piccoloflöte, wie wir sie in unseren Orchestern kennen; nicht selten beobachten wir unter ihnen kostbare Instrumente. Eine ansehnliche musikalische Bildung wird schon durch die Fastnachtsmärsche selbst erfordert, denn dieselben stellen ziemlich schwierige Aufgaben. Jahrelang nimmt der angehende Karnevalspfeifer Unterricht beim Flötisten des Orchesters, zischt, lispelt und spuckt Solfeggien, tutet: «Ah, vous dirai-je, maman!», bis er zum Jägerchor aus dem «Freischütz» und zum Chimärenlied aus «Robert» vorrückt; ja, die besten bringen es zu Sonaten von Kuhlau. Als sehnlichst begehrter Leckerbissen kommen endlich die Fastnachtsmärsche an die Reihe, welche unser trefflicher Konzertvirtuos, der seine Leutchen kennt, möglichst hoch hängt und zur Belohnung für besondern Fleiß aufspart. Übt der Junge die Märsche nicht ordentlich – jupp – ist das Gold wieder Chimäre, und der Faule wird zum Jägerchor degradiert. Das hilft wunderbar. Das Hauptexamen wird indessen vor den Trommlern abgelegt, welche lieber auf Pfeifer durchaus verzichten, als daß sie einen unfertigen Quieker annähmen. Auf diese Weise erreicht man einen recht guten Durchschnitt.
Indem ich nun zu den Trommlern übergehe, müßte ich eigentlich die neun Musen zu Hilfe rufen, denn die Trommel zählt zu den Nationalheiligtümern Basels, unter welchen die bedeutendsten heißen: Missionsanstalt, Geldgeschäft, Sinfoniekonzert und Zunftessen. Allein die Musen gehören zu den Allegorien, und Allegorien sind unmodern. Tatsache ist, daß ein Basler Schulknabe an Trommelkunst einen berufsmäßigen Armeetrommler beschämt, wie denn die ganze Armeetrommelei von den Baslern verachtet wird. «Die Militärordonnanz erzielt Stümper, erstickt das beste Talent und verpfuscht die gediegenste Schule», so ungefähr lautet das Urteil. Was ihr vorgeworfen wird, ist vor allem das schnelle Marschtempo. Die Bataillone der Armee, so klagt man, marschieren nicht nach den Gesetzen der trommlerischen Ästhetik, sie mißbrauchen das edle Instrument zum gemeinen Mittel des Taktschlagens. Früher, vor der Zentralisation, war das anders; da konnte man aus weiter Ferne ein Basler Bataillon an der Langsamkeit des Tempos erkennen. Diese Langsamkeit darf, beiläufig gesagt, ja nicht als Symptom eines phlegmatischen Naturells erklärt werden; der Basler zählt im Gegenteil zu den flinksten Fußgängern der Schweizer Armee; ja, er ist sogar ein gewohnheitsmäßiger Schnelläufer, der jeden Sonntag mit Kind und Kegel achtunggebietende Entfernungen zurücklegt. Allein, wie die dramatische Muse den Geschwindschritt, so fordert der Genius des Trommelspiels als oberstes Gebot das Largo maestoso. Sehen Sie sich einmal die Fastnachtszüge an, wie sie einhermarschieren! Sie gleichen Trauerprozessionen, die kaum vom Fleck kriechen, und trotzdem gehen sie dem Tambourmajor und dem Vortrommler immer noch zu schnell. Das einzige Wort, das bei dieser rasselnden Feierlichkeit gesprochen wird, ist das entrüstete Kommando: ‹Langsamer!› Der Tambourmajor drängt die Pfeifer, diese drängen die Trommler und letztere wieder den nachfolgenden Wagen zurück. Dem Tempo entspricht die Gangart. Die Trommler affektieren einen Schleppschritt und schauen, während ihr Ohr den geliebten Tönen lauscht, mit souveräner Gleichgültigkeit, teilnahmslos und ausdruckslos, seitwärts unter die Zuschauer, als wären dieselben Luft. Etwas zu bemerken, jemand zu grüßen oder gar anzulächeln, wäre ein Attentat gegen die Würde des Zuges, dessen sich keiner schuldig macht. Dem Armeetrommelspiel wird ferner Mangel an Tonstärke vorgeworfen; sechs Basler Trommler füllen die Luft wie zwölf andere, ohne deshalb durch Härte das Ohr zu beleidigen. Weichheit des Klanges ist im Gegenteil das bewußte Ziel des Lernenden. Frei spielt der Schlegel in der Rechten, das linke Handgelenk schiebt sich und dreht sich trotz demjenigen eines Geigenkünstlers, und ein harter Anschlag ist dem Trommler nicht minder ein Greuel als dem Klavierspieler. Dasselbe gilt vom Instrument. Die Trommel muß durch Tiefe und Größe den Ton behalten, und funkelnagelneue Instrumente werden nicht geschätzt. Man läßt sich ein neues Instrument von einem Virtuosen ‹antrommeln›, ja gewissermaßen dressieren und sich nachher über die Eigentümlichkeiten desselben Belehrungen erteilen, als ob es sich um ein Rassenpferd handelte. Selbst den Schlegeln schreibt die Sage Individualität zu. Der Vater preist dem Sohne das durch Generationen erprobte Waffenpaar und vererbt es ihm in einer gerührten Stunde, wie ein mittelalterlicher Ritter sein Schwert Durindana. Wenig fehlte, so gäbe man den Schlegeln Namen.
Ich habe soeben von der Weichheit des Basler Trommelspiels gesprochen. Von dieser Tugend gibt ein ergötzliches Experiment Zeugnis! Fragen Sie irgendwo in der übrigen profanen Welt einen Jungen nach einem Trommelmarsch, während er eben keine Trommel zur Hand hat, so wird er unfehlbar mit der Zunge übersetzen: ‹brrrrrum bum bum›; ein Basler Knabe dagegen antwortet: ‹gldglng glng glng›. In seinem Spiel kommen keine ‹rrr› und keine ‹bum› vor.
Zu erwarten, daß mir der Leser in die Geheimnisse des Trommelspiels folgen wollte, hieße wohl mehr Geduld und Selbstverleugnung voraussetzen, als billig ist; die bloße Erwähnung des Zieles wird genügen, um eine allfällige Neugierde nach dieser Richtung zu befriedigen. Als schwierigstes Meisterstück gilt der Solovortrag der sogenannten ‹Tagwacht›. Die Tagwacht der Armee ist ein kurzes Signal, zu welchem der Tambourkorporal einen obligaten Wirbel rollt. Diese ganze Partitur nun Solo wiederzugeben, den Wirbel wie das Signal, und beide deutlich und ruhig von einander zu unterscheiden, das ist das Ziel des Basler Trommlers. Er fühlt sich dann ungefähr wie Joachim, der eine Bachsche Suite auf der Geige abspielt. Schwierigere Aufgaben sind leider auf der Trommel nicht zu finden. Ab und zu affektiert dann eine den fünfundvierzigsten Grad überschreitende Virtuosität die primitivste Einfachheit, wie denn zum Beispiel gegenwärtig die Märsche ohne jede Verzierung (‹mit archaistischer Nüchternheit› würde man in der bildenden Kunst sagen) geschlagen werden. Phantasie und Ehrgeiz sind jetzt vielmehr darauf gerichtet, neue, wildfremde Märsche mit erstaunlichen Titeln und Rhythmen aufzutreiben, also etwa Japaneser und Hottentotten. Jede Fastnacht hat hiefür ihr eigenes Repertoire, welches so strenge eingehalten wird wie jedes andere Gebot der Mode. Wer die neapolitanischen Märsche trommelt, während die römischen Trumpf sind, wird als ein Mensch ohne Lebensart ausgelacht. «Woher kommst du, daß du nicht einmal weißt» und so weiter. Die Gesetzgeber dieser Moden aufzuspüren, möchte ein vergebliches Bemühen sein. Aber die bloße Namensliste der Märsche mit ihrem Datum dürfte an historischem Interesse einer Münzsammlung wenigstens gleichkommen, denn sie belehrt uns darüber, welche Ereignisse in der Volksphantasie haften blieben. Bedeutsame Ereignisse nämlich hinterlassen in Basel einen Trommelmarsch, wie anderswo ein Lied oder ein Epos.
Der Trommelkultus gedeiht am schönsten beim ‹Morgenstreich›, in der feierlichen, geheimnisvollen Nachtstille, wo kein Sonnenlicht und kein Farbenglanz dilettierender, unnützer Masken die Aufmerksamkeit zerstreut und keine Wagen, keine summende Zuschauermenge den Vollton beeinträchtigen. Das begehrte Straßenecho mit seiner unheimlichen Majestät wirkt hier ungeschwächt, und das Bewußtsein, daß ein paar tausend Philister im Schlafe gestört werden, erhöht natürlich den Reiz. Wer die Nacht vor Beginn des Karnevals in Basel zubringt, weiß davon zu erzählen. Es ist ein endloser Höllenspektakel während vier Nachtstunden. Der Fremde wundert sich am meisten über die Nachhaltigkeit und Unsterblichkeit der Trommelei, da er nicht ahnt, daß ganz Basel alljährlich von einem nächtlichen Trommelorgiasmus heimgesucht wird. Trotz dem infernalen Gerassel und Gejauchze, dessen Unheimlichkeit noch durch die riesigen, mit allerlei Spuk bemalten Laternen erhöht wird, geht es drunten recht harmlos her, so daß sich sogar Damen auf die Straße wagen dürfen. Die schwärzesten Taten geschehen aus Trommelneid oder aus Quartierpatriotismus. Die ‹Äschlemer› (Vorstadt Äschen) haben vielleicht mit einem heiligen Eidschwur gelobt, den ‹Steinlemern› (Vorstadt Steinen) keinen Fuß breit auszuweichen und umgekehrt. Dann setzt es natürlich Keile mit den Trommelschlegeln. Ruchlose Hände zielen gegen das Trommelfell des Gegners (wohlverstanden auf das Fell der Trommel), um dasselbe zu durchbohren. Doch das verstößt gegen das Völkerrecht und wird von Freund und Feind energisch verurteilt. Schädel einschlagen meinetwegen; aber ein gemeinnütziges Instrument wie die Trommel zerstören, das schädigt den nationalen Wohlstand und beleidigt hiemit die Gesamtbevölkerung.
Die Basler Fastnacht hat einen bedenklichen Feind, der sich ab und zu einmal ihr in den Weg zu stellen pflegt und dann unerbittlich ist: den Regen. Ein verregneter Morgenstreich ist eine Landeskalamität, gegen welche kein Mittel hilft. Daß die Kostüme zugrunde gehen, daß man im Schmutz herumplatscht, daß man sich erkältet und all die ähnlichen Übelstände sind nicht das Ärgste. Aber die Trommeln klingen nicht, ja sie zerreißen, wenn einer dem Regen zu trotzen versucht; das beugt selbst den Mutigsten. Und so betet denn die kleine wie die große Jugend am Fastnachtsonntag beim Schlafengehen inbrünstig um schönes Wetter. Möge ihr Gebet fortan immer Erhörung finden!