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Obgleich Peter sich über die Änderungen, die er am Schmelzofen vornehmen wollte, nicht klar war, kehrte er bald zu ihm zurück und besserte an ihm herum. Prüfend betrachtete er immer wieder eine mattbräunlich angelaufene Schlacke, aus der sich ein narbiges Stück Braunmetall gelöst hatte. Sie enthielt noch Überbleibsel eines ungeschmolzenen blauen Steins (Kupferlasur) und des schwärzlichen Steins (Zinnsteins), von dem er schon lange vermutete, daß er etwas mit der Entstehung des Braunmetalls zu tun habe. Wie schade, daß diese Steine nur in ganz geringen Mengen als Einsprengsel im Granit an den Südwänden zu finden waren! An glasigen Schlacken war deutlich zu sehen, daß sie sich dort gebildet hatten, wo der Kalk mit Quarz und Glimmerschiefer in Berührung gekommen war. Diese vielsagenden Steine verrieten Peter, womit er den Schacht des Schmelzofens beschicken mußte, wenn sich aus dem schmelzbaren Gemengsel Braunmetall oder gar das hämmerbare Rotzeug ausscheiden sollte – Bronze und Kupfer. Damit er während des Brennens von oben Erz und Brennstoff nachschütten konnte, baute er aus zwei noch grünen, armstarken Lärchenstämmen, in deren Astwinkel er Querhölzer festband, eine schräge, tragfähige Leiter zur Schachtöffnung.
Noch während er mit dem Bau der Schachtleiter beschäftigt war, setzte kühles Wetter ein. Die Sonne, die an der Henne vorübergekommen war, verriet, daß die herbstliche Tagundnachtgleiche vorbei war und der Winter nicht mehr weit sein konnte. Um den Schmelzofen bangte Peter nicht, der Mörtel war bereits auffallend hart geworden, die Mauerung konnte dem Winter trotzen. Aber den gebrannten Kalk aus dem halboffenen Töpferofen mußte er vor Nässe retten. Er kroch in die Ofenhöhlung und begann, allen Kalk abzuklopfen und auszuräumen. Da es ein regnerischer Tag war, benützte Peter ein Rehfell zum Schutz des gebrannten Kalkes, den er vorläufig in seiner runden Pfahlhütte unterbringen wollte. Dabei machte er eine sonderbare Entdeckung. Der in die Haarseite des Felles geratene Kalkstaub ätzte, als er vom Regen getroffen wurde, die Haare weg. Kalk war also auch ein verläßliches Mittel zum Enthaaren der Bälge!
Der Überfluß an gebranntem Kalk reizte Peter. Er ersetzte den vom Regen verwaschenen äußeren Lehmbelag der drei Hütten durch einen dicken Mörtelverputz, der den Wänden mehr Festigkeit gab. Als Kelle diente ihm das Schulterblatt eines Rehes. Um beim Tünchen bis unter den Dachrand gelangen zu können, befestigte er Evas Borstenpinsel an einem langen Asthaken. Das neue geräumige, wohlverputzte Vorratshaus gefiel ihm so sehr, daß er eine Feuerstelle pflasterte, kleine Lichtlöcher in die Wände brach und die Hütte zu einem Wohnhaus machte. Seit der Überschwemmung zog er nun zum fünften – und wie er glaubte, zum letzten Male um.
Da er bemerkt hatte, daß der Fellbelag des Hüttenbodens schimmelte, baute er aus Quer- und Längshölzern in der linken, von der Tür entfernten Ecke seiner Behausung eine erhöhte Bettstatt. Sie bekam eine Lage Reisig, Laub und Moos, dann einen moosgefüllten Sack als Kopfpolster, das Bärenfell diente als Unterlage und eine mit Rehfellen benähte Binsenmatte als Decke. Die schräg gegenüberliegende Ecke rechts von der Türöffnung, wo die Feuerstelle war, wurde durch eine kniehohe Mauer als Herdraum ausgebaut, und unmittelbar darüber brach er in das Dach ein Loch, durch das der Rauch abziehen konnte. Doch der erste Schneesturm wirbelte die Flocken durch die Rauchluken in die Stuben, fuhr in Asche und Feuer, so daß die Pfahlbauer die Glut in gedeckten Töpfen bergen und die Rauchluken schließen mußten, weil es so kalt wurde. Mochte der Qualm sich den Ausweg durch die Türfugen suchen!
Peters neue Wohnstube verwandelte sich in wenigen Tagen in eine Werkstatt. Wohin man trat, bedeckten Knochen, Hartsteine, Tonvorräte, Schlacken, Holz und Felle den Fußboden. Die unzähligen Arbeitsgeräte, Waffen und Jagdandenken an den Wänden verrieten, daß sich alles Sinnen und Trachten des Bewohners nur um Arbeit und Jagd drehte.
Nach sonnigen Spätherbstwochen kamen die ersten starken Fröste. Auf dem Moorbachsee lag eine blinkende, dicke Eisschicht, auf der die Pfahlbauer sicher gehen und in Gebiete des Moores vordringen konnten, die sie früher nie betreten hatten. Die Fellkleider eng um den Leib geschnürt, Arme und Beine mit breiten Fellstreifen umwickelt, so schritten und glitten sie über die Eisfläche. Peter schob einen schmalen Schlitten vor sich her, dessen Kufen er im Feuer gebogen hatte. Als Eva ihm nicht folgen konnte, riet er ihr, sich auf die Schlittenkufen zu stellen und sich an den hochgebogenen Vorderenden festzuhalten.
Zum oberen Ufergelände des Moorgrundes vordringend, stieß sie auf einige alte Pappeln, deren Kronen von unzähligen Krähen und Wasservögeln besiedelt waren. Auf dem vom Vogelmist reich gedüngten Boden gedieh ein üppiger Nesselbestand. Schlaff hing das vom Frost versehrte Laub an den zähen Stengeln. Eva begann, Nesseln auszurupfen, und zwar nur die frisch abgestorbenen. Die sonst so wehrhaften Brennhaare der Blätter hatten ihr Gift verloren. Die Fasern unter der Rinde waren auffallend zäh, und Eva freute sich, daß ihre Vermutung, von den Nesseln brauchbare Fasern gewinnen zu können, richtig war. Nun war sie nicht mehr nur auf den niederen Bergflachs angewiesen.
Daheim legte sie die Nesselbündel unter ihre Pfahlhütte ins Wasser. Später sollten sie gedörrt werden, dann ließ sich nämlich die spröde Rinde leichter entfernen. Kurz darauf machte sie eine unangenehme Entdeckung. Als sie sich aus Peters Fellvorräten etwas aussuchen wollte, fiel ihr auf, daß in dem halbdunklen Raum irgendwelche kleinen Tiere ihr Unwesen trieben. Sie hörte ihr Trippeln, sah an den Fellen da und dort die Spuren winziger Zähne, bekam aber keines der Geschöpfe zu Gesicht. Auch die in einer Ecke der Vorratskammer aufgehäuften Kastanien waren angenagt. Eva war nicht gewillt, ihre Vorräte Dieben zu überlassen, die wohl über das Eis vom Lande herübergewandert sein mochten, und beschloß, Fallen aufzurichten.
Fünf Steinfallen stellte sie auf und legte als Köder benagte Kastanien und Fleischbrocken hinein. Am nächsten Morgen sah sie mit Genugtuung, daß drei Fallsteine niedergegangen waren. Unter zweien lagen flachgedrückt fingerlange Spitzmäuse, deren oben schwarzes, unten gelbliches Fell entzückend weich war. In der dritten hatte sich eine fast dreimal so große, stumpfschnäuzige Wasserratte gefangen. Auch sie war fast schwarz und glich in der Gestalt den Schneemäusen, die Eva aus Ahnls Zeiten her kannte. Gekocht erwies sich das Fleisch der Wasserratte als zart und schmackhaft.
Peter war tagsüber nie zu Hause. Er hatte es eilig, vom Grund des Klammbachsees, dem die Kälte in den hochgelegenen Gebieten die Wasserzufuhr unterbunden hatte, das angeschwemmte Holz zu sammeln und in Stößen auf der Triftleiten zu stapeln, bevor Tauwetter einsetzte und das Wasser wieder einfließen ließ. Länger als eine Woche arbeitete er ungestört. Beim Anblick der Holzstöße fühlte er sich reich. Holz bedeutete Wärme und Nahrung für das Werkfeuer.
Am Abend eines Tages, an dem Peter zwei Wildgänse und einen Keiler erlegt hatte, saß er nach dem Essen, müßig vor sich hinträumend, vor seinem Feuer. Mit einer Astgabel schob er angekohlte Holzstücke in die Flammen; da tauchte wie aus grauer Vorzeit das Bild des Ähnls in seiner Erinnerung auf. Er sah den rüstigen Alten an seinem Kohlenmeiler bauen. Peter zuckte wie aufgeschreckt zusammen. Aus dem Träumen geriet er in scharfes Nachdenken. Holzkohle müßte mehr Hitze geben als Holz! Wozu hätten sich denn die Leute in der großen Welt draußen vom Ähnl die Holzkohle brennen lassen? Peter fühlte sich stark genug, einen Meiler zu bauen. Hätte ihn nicht am nächsten Morgen dichtes Schneegestöber gehindert, er wäre sogleich an die Arbeit gegangen. Ungern blieb er daheim und nutzte den Tag, um das Fleisch des Wildschweins zum Räuchern vorzubereiten und die Gedärme zu spannen. Dann nahm er sich die Harnblase des Tieres vor. Er brauchte einen neuen Verschluß für seine Lichtluke. Vorsichtig führte er in die Harnröhre einen Schilfhalm ein und blies mit vollen Backen. Die Blase füllte sich mit Luft, wurde rund und prall, so prall, daß es ihn reizte, sie mit beiden Händen zu drücken. Fauchend strömte die Luft durch das herabhängende Schilfrohr in die glimmenden Kohlen des niedergebrannten Feuers und ließ es funkensprühend auflodern.
Spielerisch richtete er das Rohr bald da, bald dort in die Glut, und immer zeigte sich die gleiche Wirkung. So hatte er absichtslos ein Gebläse erfunden, das, in seiner Kleinheit ein Spielzeug, in großer Ausführung aber einen mächtigen Luftstrom ins Werkfeuer senden mochte. Zwei Gebläse, abwechselnd tätig, konnten das Feuer ununterbrochen anfachen.
Peter nähte an zwei enthaarten, gut eingefetteten Rehfellen alle Löcher bis auf einen von einem Fußfell gebildeten Schlauch zu und dichtete die Nähte mit Pech ab. Jeden der beiden Blasebälge hatte er vor dem Vernähen auf einen schweren Holzrost geheftet und auf der Oberseite mit einem kleinen Rost versehen. Dieser Rost war fest verbunden mit einer Lederkappe, in die er einen Fuß schieben konnte. Auf der Unterseite des Felles, das hohl auf dem Holzrost lag, schnitt er ein daumengroßes Loch aus, dem er innen einen viel größeren Lederlappen als Klappe vornähte. Am Luftausführungsschlauch brachte er als Verlängerung einen Holunderstab an, aus dem er zuvor das Mark gestoßen und den er außen mit einem dicken Lehmbelag versehen hatte. Das Ende des Rohres lag nahe am Feuer. Sobald Peter den im Schuh steckenden Fuß und damit den oberen Teil des Balges hob, vergrößerte sich dessen Innenraum, und die von außen eindringende Luft strich von unten her an der Lederklappe, die sich emporhob, vorbei nach innen. Trat er mit dem Fuß tüchtig auf den geblähten Balg, so versperrte sich die Luft den Weg nach unten, indem sie die Lederklappe auf die Ränder des Loches drückte. Und so mußte sie durch das Rohr ins Feuer blasen. Sooft der Luftstrom in die Glut fauchte, flammte sie auf. Peter empfand eine unsagbare Freude an seiner Erfindung. Mehr als einmal mußte Eva kommen und sich die neue Errungenschaft zeigen lassen.