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Gebrannte Tonscherben

Mit der Gesundheit kehrte auch Evas Schaffenslust wieder. Unaufgefordert stellte sie in Peters Pfahlhütte den Bodenbelag und die Wandverdichtungen her. Jetzt wartete sie auf eine Gelegenheit, ihr Gelübde zu erfüllen. Auf ihrem plumpen, tiefgehenden Fahrzeug gelangte sie um die Mittagszeit an die Moorbachmündung. Sie eilte, sorgfältig nach allen Seiten spähend, um einer Begegnung mit Peter auszuweichen, zur Brandstätte, wo sie unter der Asche ihren Goldvorrat zu finden hoffte.

Die Asche war auseinandergefegt, der hart und rissig gewordene Bodenbelag aufgewühlt, und in der Grube unter ihrem früheren Lager glänzten nur drei mit Sand zusammengebackene Goldkörnchen. Der Schatz war fort!

Weinend kauerte sie an der Unglücksstätte, während sie den zerwühlten Boden fieberhaft absuchte und mit zitternden Fingern die Lehmstücke des geborstenen Bodenbelags hin und her wendete. Da stutzte sie: Diese Lehmbrocken klangen so eigentümlich! Sie nahm einen, der sich beim Brennen schalenförmig geworfen hatte, und betrachtete ihn aufmerksam. Er war rötlich und hart. Seine nach oben gekehrte Fläche wies die Fingerabdrücke auf, die Eva beim Glattstreichen des Lehmbelags gemacht hatte.

Sie tat die Goldklümpchen in die Schale und eilte heimwärts. Die Lehmscherben in der Höhle ließen ihr keine Ruhe. Immer wieder betrachtete sie das Ding, das sie mitgebracht hatte, dann knetete sie aus einem flachgewalzten Lehmstück ein dünnwandiges, beutelförmiges Gefäß und stellte es zum Trocknen in die Nähe des Herdes. Damit es noch härter werde, ließ sie es zwei Tage später vom Feuer beschmauchen. Beim ersten Kochversuch mußte sie das ungefüge Gefäß durch unterlegte Steine stützen, damit es im Feuer aufrecht stand. Knacks! machte es – das Gefäß war zersprungen.

Ach, sie hätte Peter vorher um Rat fragen sollen! Peter fragen? Nein, der hatte ihr das Gold gestohlen. Vielleicht fand sie es in seiner Hütte. Ihre Suche nach dem Schatz blieb vergeblich; nur Tonscherben fand sie, die er von ihrer Brandstätte eingetragen hatte. Ein tiefes, gewölbtes Stück enthielt eine Masse aus Wachs und Harz, ein anderes stand als Salzschüssel neben seiner Feuerstelle; es war mit rußgeschwärztem Harz eingelassen. Scherben, Wachs, Harz, Salz, nur kein Gold. Er mußte es gut versteckt haben. Und es gehörte doch ihr! Enttäuscht verließ sie seine Hütte.

Eva hatte alles Vertrauen zu Peter verloren. Unabhängig wollte sie werden, nichts von ihm verlangen, was sie sich selbst beschaffen konnte. Was sie von ihm empfing, das wollte sie durch Gleichwertiges vergelten und nie mehr in seiner Schuld stehen. Ihre eigenen Tag- und Wochenzeichen wollte sie haben: für jede Woche einen Stab, darauf für jeden Tag einen Strich. Sie begann sofort damit, auf dem ersten Stab die Striche nachzutragen, für die Tage seit der Überschwemmung der Wohnhöhlen. Für die Ereignisse selbst erfand sie Zeichen, die nur ihr verständlich waren. So stellten ein paar waagrechte Ritze das große Wasser vor, ein paar zungenförmige den Brand; auch den Pfahlbau deutete sie mit wenigen Strichen an, und einige Ringlein standen für die geraubten Goldkörner.

*

Im Moorgrund reiften die Heidelbeeren, und auf der Wiese zwischen dem Fuchsenbühel und den Salzwänden wuchsen noch dichte Bestände von Schwadengras. Um die Körner nicht mehr mit den Händen enthülsen zu müssen, machte sie aus einem Buchenstrunk einen Holzmörser. Mit glühenden Holzkohlen, die sie mit einem Entenflügel fächelte, brannte sie eine tiefe Höhlung aus, die sie zum Schluß mit Granitsplittern glättete. Mit einem Fichtenstößel bearbeitete sie die Körner, die noch in den Fruchthüllen steckten, schüttete sie dann auf einen Tonscherben und blies mit vollen Backen die abgeriebenen Spelzen heraus.

Für den Fischfang ersann Eva eine Art Falle, von der sie sich sicheren Erfolg versprach: drei birnförmig geflochtene Körbe, die so ineinander geschachtelt wurden, daß sie ihre breiten Öffnungen der Strömung zukehrten. Die offene Spitze des vordersten führte in den Bauch des zweiten, die offene Spitze des zweiten in den Bauch des dritten, dessen Endruten sie fest verschnürte. Da Eva nicht wußte, was den Fischen schmeckte, tat sie in die Körbe Brunnenkresse und Nesseln, Wurzeln der wilden Möhre, Beeren, aber auch Regenwürmer und Nachtschnecken. Die so beköderten Fischreusen beschwerte sie mit eingelegten Steinen, schnürte sie fest an eine Stange, hängte das Ganze an einen Strick aus Waldreben und ließ es unter ihrer Hütte ins strömende Wasser sinken.

Schon am nächsten Frühmorgen, Peter schlief noch, sah sie nach den Reusen und fand darin zu ihrem Erstaunen statt Fischen viele zappelnde Steinkrebse, nicht größer als ihr Mittelfinger, aber mit mächtigen Scheren. Einen um den anderen hob sie vorsichtig aus seinem Gefängnis und tat ihn zunächst in einen Korb; später warf sie die Krebse allesamt ins Feuer und bereitete ihnen so einen raschen Tod. Das Braungrün der Tiere verwandelte sich dabei in ein gelbliches Rot. Eva hob sie mit einer Zweiggabel einzeln aus der Glut, zerbrach die Krusten und tat das weiße Fleisch auf einen gebrannten Tonscherben.

Mit ein wenig Salz und Kerbelkraut gewürzt, ergaben die Krebse ein vorzügliches Essen. Evas Selbstvertrauen stieg. Entschlossen ging sie daran, ihren Feuerkorb auszubessern. Als sie ihn umstülpte, fielen die hartgebrannten Bruchstücke des alten Lehmbelags heraus, an der Außenseite geschmückt mit den Abdrücken des Korbgeflechts! Der Bodenscherben war eine harte Schale, etwa eine Handlänge tief. Der könnte ein gutes, dünnwandiges Kochgefäß abgeben! Und so hatte die mühsame Kocherei mit erhitzten Steinen plötzlich ein Ende. Was vorher Plage war, wurde ein Vergnügen. Die Erfahrung, daß geformter, vorgetrockneter Lehm sich im Feuer klingend hart brennen ließ, reizte Eva zu weiteren Versuchen.

Sie knetete neue Gefäße und hielt sich zunächst an bewährte Vorbilder: die hohle Hand, die Schädeldecke des Rehes, den Muldenstein, alles Gefäße mit rundgebauchten Böden. Aus dem Feuerkorb war eine flache Schale gefallen. Was Eva nun aus feuchtem Lehm gestaltete, übertraf alle Vorbilder; denn von Stück zu Stück wurde die Töpferin geschickter.

Peter, von Evas Beispiel angespornt, steckte jetzt bis über die Ohren in Versuchen. Den Brei vermißte er nicht, da er unweit der Goldbachmündung massenhaft halbreife Wassernüsse erntete und im nahen Jungholz genug gelbe Röhrlinge fand. Aus diesen Pilzen und den zerdrückten, kastanienähnlich schmeckenden Nußkernen bereitete er sich in einem Tonscherben sein tägliches Mus; ab und zu briet er Fische und Wasservögel.

Von ihren Flechtarbeiten her lag es für Eva nahe, größere Gefäße aus aufeinandergelegten Wülsten herzustellen, die sie erst mit dem nassen Finger, dann mit einem rundlichen Kieselstein glatt verstrich. Während dieser Arbeit erinnerte sie sich, welch zierliches Muster das Rutengeflecht auf der Oberfläche der Bodenschale aus dem Feuerkorb ergeben hatte. Und so machte sie sich ans Werk und ritzte kreuzweise Striche und Punkte in den feuchten Lehm. Was sie tat, machte den Topf weder besser noch schlechter; aber ihr gefiel das Muster, sie hatte Freude am Schönen.

Eva zweifelte nicht am Gelingen ihrer Töpferarbeiten und entschloß sich, auch das tönerne Bildstöckl der Ahnl, das an einzelnen Stellen abgesplittert war, durch Brennen zu härten und so vor weiteren Schäden zu schützen. Um den Fußboden ihrer Stube nicht zu gefährden, pflasterte sie die Herdstelle mit einer doppelten Lage flacher Steine und erhöhte den Herdwall zu einer kniehohen Mauer, die das Feuer an drei Seiten umgab; die vierte Seite blieb als Heizloch offen.

Nach einigen Tagen, die Herdmauer war nur oberflächlich trocken geworden, fachte sie ein mächtiges Feuer an, dem sie ihre Töpfereien anvertrauen wollte.

Ängstlich lauschte sie auf das Knistern und Knattern des Lehms der Herdmauer, der in der Hitze trocknete und splitterte. Sie legte Steine in die Flammen und stellte das Bildstöckl der Ahnl und daneben die zwei ersten Schalen darauf. Gespannt sah sie zu, wie die Flammenzungen an den Brennstücken leckten. Wieder knatterte es: Abgesprengte heiße Tonsplitter trafen ihre Schienbeine. Ein scharfer Knall – Asche, Funken und winzige Scherben flogen bis an die Wände. Eine der beiden Schalen, gerade die zuletzt geformte, die schönste, war zerplatzt. Eva griff mit beiden Händen an ihre Schläfen und starrte ins Feuer.

Unversehrt stand das Bildstöckl der Ahnl über den züngelnden Flammen. Eva hielt den Atem an. Ein zweiter Knall – von der ersten, größeren Schale war die obere Hälfte rundherum abgesprungen. Gleich darauf barst auch der Boden des Gefäßes. Das Bild der Ahnl aber war ganz. Eva nahm diesen natürlichen Vorgang als neuen Beweis für die Heiligkeit des Ahnenbildes. In Wirklichkeit war das Figürchen von der Herdhitze längst ausgetrocknet, aber das bedachte Eva nicht.

Am Morgen nach der schlaflosen Nacht, während der sie rund um das Bildstöckl ein starkes Feuer gemacht hatte, sahen ihre schmerzenden Augen das Bild der Ahnl rotgebrannt über der Asche stehen. Aber ihr Eifer für die Topfbrennerei war vorläufig dahin. Sie wollte die übrigen Töpfe und Näpfe nicht auch noch gefährden und beschloß, die Gefäße auf der Herdmauer in der Wärme des Feuers hart werden zu lassen. Eva vergaß nicht, sie von Zeit zu Zeit zu wenden, damit die Wärme alle Seiten erreichte. Wenige Tage später gelang es ihr, einige vorgetrocknete Töpfe vom Rauch eines mäßigen Feuers bestreichen zu lassen und so zu härten, daß Wasser sie nicht wieder aufweichen konnte.


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