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Mit einem neuen, von Eva geflochtenen Feuerkorb ausgerüstet, bezog Peter wieder seinen Fischplatz und fuhr fort, den Vorrat an geräucherten Forellen zu mehren, während Eva Beerenobst zur Breibereitung und zum Dörren eintrug. Regentage verbrachte sie meist in der unteren Höhle, wo sie webte. Weil sie keinen Baum hatte, an dessen Ast sie die Längsfäden hätte aufreihen können, stellte sie sich einen plumpen Webrahmen auf. Er bestand aus einem Holzklotz, den sie an seinen Enden mit dem Holunderstab und untergelegten Steinsplittern angebohrt hatte, und aus zwei in die Bohrlöcher eingelassenen, oben gegabelten Stäben, die den Tragstab hielten. An diesem hingen die einzelnen Längsfäden mit ihren Spanngewichten. Es war ein klobiges Webgerät, aber es tat seinen Dienst. Dauerte das Regenwetter allzu lange, dann verließ Peter seinen Fischplatz und stellte sich in der Höhle ein, um an seinem Beil weiterzubohren. Draußen regnete es in Strömen, in der Höhle aber ging vom Feuer eine wohlige Wärme aus, während das gleichmäßige Schnurren des Drillbohrers und das leise Aneinanderschlagen der Webgewichte die Stille in der Werkstätte belebten. Die beiden aufeinander angewiesenen Menschen teilten sich in die Arbeit; jeder machte das, wozu er besonders taugte. So war es auch in ihrem Denken: Peter dachte an gute Jagd, an Vorräte von Fleisch und Fellen, die er beschaffen wollte. Eva stellte sich vor, wie sie das Heim einrichten, wie sie gutschließende Kleider herstellen könnte, die vor Nässe und Kälte, vor Mückenstich und Sonnenbrand schützen sollten.
Mußte sie Gott nicht Dank dafür sagen, daß er ihr geholfen hatte, den Feuerbohrer zu erfinden?
Sie grübelte darüber nach, wie sie sich der tröstlichen Nähe Gottes versichern könnte. Sie suchte nach einem Sinnbild des erahnten Allmächtigen, das seine Kraft und Güte veranschaulichen sollte. Und sie fand nichts Mächtigeres als die Sonne, nichts, von dem Leben und Gedeihen so sichtbar abhing wie von der Sonne. Licht spendete sie und belebende Wärme; wenn sie entschwand, kam das Dunkel, kam die Kälte.
Sie traute es Peter zu, dieses Bild zu schaffen, das ihre Gedanken emporheben sollte aus den Kleinlichkeiten des Alltags.
*
Der Regen hörte auf, es wurde warm und schön. Überall um den Fuchsenbühel sprossen gruppenweise Milchreizker, die für Peter und Eva schon roh genossen Leckerbissen waren. Diese Pilze, mit Mehl- und Elsbeeren, mit Markfett, Kümmel und Salz gemischt, ergaben eine kräftige, wohlschmeckende Suppe. Die Sonne war an der Henne, dem Markstein der Tagundnachtgleiche, vorbeigekommen und näherte sich beim Untergehen mehr und mehr dem Winterhorn: die Tage wurden kürzer, und die Wälder und Hänge des Heimlichen Grunds flammten in vielfarbiger Pracht.
Die Kastanien-, Nuß- und Birnenernte brachte reichen Ertrag. Eva hatte auch einen großen Vorrat an Schwarzwurzeln und Lauchzwiebeln in Sand eingelegt. In großen Büscheln hingen am Gestänge des Trockenbodens die Würzkräuter: Wildkümmel, Wacholder, Gundelkraut. Es kamen die Dauerregen des Spätherbstes und nach ihnen die Schneestürme.
Mit Eifer und Begeisterung ging Peter nun daran, ein Abbild der Sonne zu schaffen. An der Längswand von Evas Kammer, ihrem Lager gegenüber, baute er aus großen Quadern und Lehm zwei Säulen bis zur Höhe seiner Hüfte auf; darüber legte er eine große, längliche Sandsteinplatte, die er auf die gleiche Breite von zwei Handspannen zugehauen hatte. Dann setzte er die Säulen fort bis zur Höhe seines Scheitels, wo er sie mit zwei Mergelplatten dachartig abschloß.
So waren zwei Nischen entstanden. In die untere stellte er einen fast würfelförmigen Steinblock, der ein Glutbecken tragen sollte. Evas Glaube, daß die wärmespendende Sonne eine Dienerin Gottes sei, ließ Peter auch das Feuer, das zur Winterszeit die Höhlen wärmte, als einen Diener Gottes empfinden. Hatte er doch selbst gesehen, wie es vom Himmel niedergefahren war!
Die Stirnwand der oberen Nische war für das Bild der aufgehenden Sonne bestimmt, vor dem er die Ahnenbilder aufstellen wollte. Das Schwierigste war die Herstellung des Sonnenbildes. Leuchten sollte es trotz der Dämmerung des Raumes. Da genügte nicht das Gelb des lehmigen Ockers und nicht das Rot des Rötels. Blinkende Steinsplitter sollten es sein, die er an der Felswand festkleben wollte. Mit einem Faustkeil aus Hartstein zerschlug er gelbe Zitrine, wasserhelle Bergkristalle, veilchenblaue Amethyste, dunkelrote Granate und grüne Serpentine. Himmelblaue und saftgrüne Kupfererze, deren Wesen und Namen er nicht kannte, die er aber um ihrer schönen Farben willen gesammelt hatte, zerkleinerte er zu fingernagelgroßen Splittern und bereitete aus Lehmstaub, Wachs und angewärmtem Harz einen Brei, mit dem er sie festkleben wollte. Aber der Kitt haftete nicht an der feuchten Felswand. Peter wußte sich auch da zu helfen. Ein dünnes Geflecht aus Reisern, deren Enden zwischen den Säulen und der Wand eingeklemmt wurden, ergab eine rauhe Fläche, in deren Lücken das Klebmittel haften mußte. Mit dem Schulterblatt eines Hasen strich er die vorgewärmte Harzwachsschicht glatt und begann bedächtig, die farbigen Steine einzusetzen. Da sie in kaltem Zustand nicht haften wollten, wärmte er Splitter für Splitter in der heißen Asche vor und drückte sie tief in den Kitt.
Erst setzte er grüne Malachit- und Serpentinsplitter ein, bis eine dunkelgrüne Fläche belegt war, die nach oben in grobe Zacken auslief und bewaldete Berge darstellte. Dann kamen kahle Hochgipfel aus braunem Jaspis und darüber schimmernde Eiskuppen aus Bergkristall. Und von einem der Gipfel überschnitten, der steilaufragend an den Sommerspitz erinnerte, entstand der Feuerball aus Zitrin- und Granatsplittern: eine gelbrote Sonne, von der Strahlenbündel ausgingen. Den Himmelsraum zwischen Strahlenbündeln und Umrissen der Eisgipfel säumten Splitter von Kupferlasur, von dessen ruhigem Blau sich leuchtend das Tagesgestirn abhob. Als das letzte Steinchen eingesetzt war und der Kitt sich gefestigt hatte, stellte Peter die Ahnenbilder vor das Bild der Sonne. Zuletzt holte er das Glutbecken, stellte es in die untere Nische auf den Block, warf ein paar Wacholderbeeren und Fichtenharzperlen auf die Glut und legte den Feuerbohrer daneben. Dann erst holte er Eva.
Schräg fielen die Strahlen der untergehenden Sonne auf das Heiligtum und brachen sich im bunten Gefüge der hellen Steine. Wie verklärt sanken die beiden jungen Menschen auf die Knie. Sie ahnten die Schönheit der Schöpfung.