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Siebzehntes Kapitel. Allgemeine Gründe der Verbreitung der Hexenprozesse und des Glaubens an Hexerei im sechzehnten Jahrhundert

Einer Seuche vergleichbar, griffen die Hexenverfolgungen um sich, sprangen aus einem Lande in das andere über, erreichten ihre Höhepunkte, um zeitweise wieder abzunehmen, und erwachten dann von neuem mit einer Heftigkeit, die die heilsame Krisis vorzubereiten bestimmt war.

Kinder von acht und Greise von achtzig Jahren, Arme und Reiche, Edelherren und Geschäftsleute, Bürgermeister und Rechtsgelehrte, Ärzte und Naturforscher, Domherren und Minister, Marionettenmänner und Schlangenzähmer haben den Scheiterhaufen bestiegen; im Namen von Kaisern und Königen, von Bischöfen und Landjunkern sind die Bluturteile gesprochen worden, und was die päpstliche Bulle den Hexen zur Last legt, das ist wenigstens durch die Prozesse gegen sie vielfältig herbeigeführt worden: Tod von Menschen und Tieren, Verödung der Dörfer, Felder und Weinberge, die ihre Bewohner und Bebauer zum Richtplatze schreiten oder, um diesem zu entgehen, beizeiten dem Vaterlande den Rücken wenden sahen. Wer vermag sich des Entsetzens zu erwehren, wenn er liest, daß eine etwa fünfjährige Verfolgung in dem kleinen Stifte Bamberg sechshundert, in dem nicht viel größeren Bistum Würzburg sogar neunhundert Opfer und eine nur dreijährige in dem ganz kleinen Stift Fulda zweihundertfünfzig Opfer verschlang, daß im Braunschweigischen die Hexenpfähle auf dem Richtplatze wie ein kleiner Wald anzusehen waren, Schwabach im 16 Jahrhundert einen eigenen Drudenhenker besaß Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Berlin 1893, S. 303., daß England einen General-Hexenfinder hatte und daß die Juristen protestantischer wie katholischer Universitäten bis ins achtzehnte Jahrhundert Gnade zu üben wähnten, wenn sie statt des Feuertodes aufs Schwert erkannten? Und das alles in einer Zeit, die als reich gepriesen wird an Fortschritten geistiger Aufklärung, als groß durch Taten religiöser Begeisterung!

Um dies erklärlich zu finden, müssen wir, ehe die verschiedenen Epochen im Verlaufe der Hexenprozesse dargestellt werden können, den Charakter der Zeit, überhaupt die allgemeinen Gründe des Umsichgreifens jenes heillosen Wahns einigermaßen beleuchten.

Wenn es sich nun hierbei vor allem um die Frage nach der wissenschaftlichen Bildung und Intelligenz jener Zeit in allen kirchlichen Dingen handelt, die sich mit den allgemeineren Wissenschaften berühren, so kann unter den Männern der Wissenschaft, denen wir am Ende des fünfzehnten und im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts begegnen, kaum ein zweiter so vollwichtiger Gewährsmann und Zeuge aufgerufen werden als der berühmte Abt des Kloster Sponheim, Joh. Trithemius (1442 bis 1516), Verfasser der auf Befehl des Markgrafen Joachim von Brandenburg ausgearbeiteten und am 16. Oktober 1508 vollendeten, aber erst 1555 gedruckten vier Bücher umfassenden Schrift Antipalus maleficiorum J. Silbernagel, Johannes Trithemius 2. Aufl., Regensburg 1885, S. 132, ff. W. Schneegans, Abt Johannes Trithemius, Kreuznach 1882, S. 226 ff. Hansen, Quellen, S. 291 ff. Janssen VIII, S. 563 ff..

Wie kein anderes Buch jener Zeit ist dieser »Gegner der Zaubereien« geeignet, uns über die Stellung der damaligen Gelehrtenwelt zum Hexenglauben zu belehren.

Trithemius will mit seiner Schrift nicht etwa den Hexenglauben bekämpfen; vielmehr steht ihm die Tatsache diabolischer Zauberei fest. Er will nur zeigen, wie der Christ sich dagegen zu schützen vermag. Unter den Zauberern und Hexen, die durch die Hilfe böser Geister und durch allerlei Zaubertränke den Menschen Schaden zufügen, sind nach ihm vier Klassen zu unterscheiden, nämlich 1. solche, die ohne Bündnis mit dem Teufel, durch Gifte und andere natürliche Mittel diejenigen Menschen, die sie hassen, schädigen, indem sie z. B. die Männer beischlafsunfähig machen, den Gebärenden Not bereiten, auch sonstige Krankheit, ja sogar den Tod durch ihren Zauber bewirken; 2. solche, die durch die Kunst der sogen. Encunctica, d. h. durch geheimnisvolle, abergläubische Worte, Formeln und Zeichen übernatürliche Wirkungen hervorbringen wollen; 3. solche, die, ohne sich den Teufeln ergeben zu haben, doch mit ihnen verkehren und wie die Nekromantiker zur Ausführung ihrer Zaubereien sie um Hilfe anrufen; endlich solche Zauberer und Hexen, die mit dem Teufel einen eigentlichen Bund abgeschlossen und sich ihm zu eigen gegeben haben. Diese vermögen nicht bloß wie die Unholde der dritten Klasse Menschen zeugungsunfähig und blind zu machen, ihnen Schwindel zu bereiten, Unwetter hervorzurufen u. dgl., sondern mit Hülfe des Teufels können sie auch Pest, Fieber, Epilepsie, Taub- und Lahmheit bewirken, Menschen wahnsinnig und in allerlei Weise elend machen. Diese Art der Hexen vermischt sich sogar fleischlich mit dem Teufel und ist wegen ihrer Gottlosigkeit und Verderblichkeit mit dem Feuertode zu bestrafen. »Und leider ist die Zahl solcher Hexen in jeder Landschaft sehr groß, und es gibt kaum einen noch so kleinen Ort, wo man nicht eine Hexe der dritten oder vierten Klasse anträfe. Aber wie selten findet sich ein Inquisitor und wie selten (fast nirgends!) findet sich ein Richter, der diese offenbaren Frevel gegen Gott und die Natur rächt! Es sterben Menschen und Vieh durch die Niederträchtigkeit dieser Weiber, und niemand denkt daran, daß es durch die Bosheit der Hexen geschieht. Viele leiden fortwährend die schwersten Krankheiten und wissen nicht, daß sie behext sind!«

siehe Bildunterschrift

Der Teufel als Kinderräuber
(Ritter vom Turn. Basel 1493)

Trithemius sucht nun klar zu machen, daß diejenigen der Bosheit der Hexen am meisten preisgegeben sind, die die Sakramente der Kirche verachten und in Todsünden dahinleben, die der Unzucht frönen und die geweihten Heil- und Schutzmittel der Kirche verschmähen; wogegen allen Dienern der Gerechtigkeit, die die Hexen aufsuchen und verfolgen, allen gläubigen Christen, die sich der Sakramente und der Segnungen der Kirche bedienen und sich vor Todsünden hüten, sowie allen denen, die Gottes Barmherzigkeit durch die Engel besonders behüten läßt, die Hexen nicht leicht etwas anhaben können. – Er warnt davor, daß man Frauen, die einigermaßen wegen Hexerei anrüchig wären, zu Hebammen bestelle. Denn diese brächten nicht selten die Kinder um und opferten sie dem Teufel; auch vermählten sie neugeborene Mädchen den Dämonen, machen die Gebärenden unfruchtbar und erfüllten das ganze Haus mit Teufelsspuk. Taufwasser mischten sie mit Urin, und was sie mit dem Sakrament des Leibes Christi verübten, lasse sich gar nicht aussagen. Deshalb haben die Priester bei der Austeilung der Kommunion sorgfältigst darauf zu achten, daß verdächtige Weiber die empfangene Hostie nicht etwa wieder aus dem Munde herausnehmen, weil sie diese sonst in der scheußlichsten Weise mißbrauchen. – »Willst du, o Christ, vor Dämonen und Hexen sicher sein, so stehe fest im Glauben an Christus und halte dein Gewissen von Todsünden rein. Besuche an allen Sonn- und Feiertagen die heil. Messe und laß dich vom Priester mit Weihwasser besprengen. Nimm geweihtes Salz in deinen Mund und besprenge mit Weihwasser auch dein Haus, dein Bett sowie deinen Viehstall. Die geweihten Lichtmeßkerzen, die an Mariä Himmelfahrt geweihten Kräuter sowie die am Palmsonntage geweihten Zweige hänge über der Türe deines Hauses auf. An den Freitagen und Sonnabend der vier Quatemberfeste durchräuchere dein ganzes Haus mit Rauch von geweihten Kräutern und Palmen. Frühmorgens, wenn du dich vom Lager erhebst, bezeichne dich mit dem Zeichen des Kreuzes, und ehe du issest oder trinkst oder aus dem Hause gehst, bete ein Pater noster, ein Ave Maria und den Glauben. Dasselbe tue abends, wenn du zu Bett gehst. Denn wenn du so lebst, wird keine Hexe über dich Gewalt haben.«

Außerdem empfiehlt Trithemius noch allerlei besondere Schutzmittel. Zur Herstellung eines dieser Amulette ist Wachs von Lichtmeß- und Osterkerzen, Weihrauch, der zu Ostern, Kräuter, die an Mariä Himmelfahrt, Hostien, die am Gründonnerstag geweiht sind, sowie Friedhofserde, Weihwasser und benediziertes Salz erforderlich. Die Kräuter, Hostien und die Friedhofserde werden pulverisiert und in warmem Weihwasser mit dem Wachs zu einer Masse vermengt, wobei man das Pater noster, das Ave Maria und das Credo betet. Aus dieser Masse werden nun in gewärmtem Weihwasser kleine Kreuze bereitet, die man mit Aussprechung der drei heiligsten Namen über den Türen des Hauses, der Kammern und des Stalles, auch an der Wiege anbringt und außerdem am Halse trägt.

Zur Aufhebung des Zaubers und der durch ihn verursachten Leiden und Übel dienen die mancherlei Exorzismen der Kirche. Als besonders wirksam empfiehlt Trithemius ein Bad, das er in folgender Weise beschreibt: Der Behexte legt eine Generalbeichte ab und empfängt die Kommunion, entweder in der Kirche (wenn er dahin gebracht werden kann) oder in seinem Hause, wo dann der Priester die Messe de S. Trinitate mit besonders eingelegten Gebeten auf einem Tragaltar liest. Das Bad ist an einem verborgenen Orte in einer reinen Badewanne mit Flußwasser herzurichten. In das letztere sind Weihwasser, geweihtes Wachs und Salz, geweihte Asche, geweihte Palmen, geweihte Friedhofserde und neunerlei Kräuter zu tun. Der Mann steigt in die Wanne nackt, das Weib mit einem Hemd angetan, worauf der Priester die Wanne unten, in der Mitte und oben mit je einer dreifachen Lichtmeßkerze beklebt. Sodann bereitet er aus Weihwasser, geweihtem Salz und einem zurückbehaltenen Teile der Friedhofserde einen Teig und bindet ihn unter Gebet dem Kranken auf den leidenden Körperteil. Der Behexte ruft dann, im Bade sitzend, die göttliche Hilfe an, während der Priester verschiedene Exorzismen über ihn spricht und die kranke Stelle mit einem Wasser wäscht, dem Ysop zugesetzt ist. Hierauf weiht der Priester Wein für den Kranken, stellt aus achtunddreißig Pulvern das sogen. vollkommene Wachs in Form eines Kreuzchens her, schließt es in eine Nußschale ein, die in ein Tuch eingenäht und so um den Hals gehängt wird. Ebenso macht er aus dem geweihten Wachse noch andere Kreuzchen, die er an die Türen, an das Bett, an den Tisch etc. im Hause des Behexten befestigt. Dieses Bad hat der Kranke neun Tage hintereinander zu gebrauchen. Während dieser ganzen Zeit darf er nichts anderes trinken als den für ihn benedizierten Wein, und außerdem hat er morgens und abends das Pulver des Eremiten Pelagius in warmem Wein oder in Brot zu nehmen und dabei sich vor jeder Sünde zu hüten. Ist nach Ablauf der neun Tage der Kranke gesund geworden, so wird er in die Kirche geführt, um Gott zu danken. Doch darf er das um den Hals gehängte Kreuz von Wachs vor Ablauf der nächsten zwölf Monate nicht ablegen und ebenso hat er die übrigen Kreuzchen an ihren Stellen zu lassen. Ist aber nach neun Tagen der Zauber noch nicht gebrochen, so muß dafür Sorge getragen werden, daß fromme Leute fasten, beten, Almosen geben, daß neun Tage lang für den Behexten Messe gelesen wird usw. Bleibt der Zauber auch dann noch, so müssen die Wohnung gewechselt werden, das Fasten und Beten vermehrt und die Exorzismen wiederholt werden usw.

So sehen wir das Denken des Trithemius von dem Glauben an Zauberei vollständig beherrscht. Der Dämonismus tritt bei ihm geradezu als der bestimmende Mittelpunkt seiner Gedankenwelt, seiner ganzen Weltanschauung hervor. Und dieselbe Wahrnehmung bietet sich uns so ziemlich bei allen Repräsentanten des Kulturlebens jener Zeit dar. So bei dem geistvollen Satiriker Thomas Murner (1475-1539), der sich in seiner Narrenbeschwörung bis zu der Paroxisme versteigt:

Und ob man schon kein Henker findt,
E daß ich dich wolt lassen gan,
Ich wolt's e selber zünden an Die Narrenbeschwörung. Erneut und erläutert von Karl Pannier, Leipzig, S. 153.,

damit die Weiber eingeäschert werden, die vermeinen, Teufelswerk verrichten zu können, was doch nur der Satan selbst zu vollbringen imstande ist. Murner erzählt überdies in seinem Tractatus perutilis de phitonico contractu (von der Zauberlähmung, 1499), wie er von einem alten Weibe zuerst lahm gehext, sodann aber wieder gesund gemacht worden sei Paulus, S. 7.. Doch können diese Ansichten noch für freigeistig gelten, gegenüber denen anderer bedeutender Persönlichkeiten jener Epoche. So vermag sie denn auch der unsterbliche Straßburger Domprediger Johann Geiler von Kaisersperg nicht zu teilen. Geiler war ganz und gar im Hexenwahn seiner Zeit befangen August Stöber, Zur Geschichte des Volksaberglaubens im Anfange des XVI. Jahrhunderts. Aus der Emeis von Dr. Joh. Geiler von Kaisersberg 2. Ausg., Basel 1875. S. 11. und hatte hauptsächlich die Meinung Niders über den Zauberglauben zu der seinen gemacht. Den »Formicarius« hat er ebenso benützt, wie Niders Erklärung des Dekalogs. Da auch die Humanisten wie der Tübinger Professor Heinrich Bebel, der berühmte Fazetiensammler, und selbst Erasmus von Rotterdam niemals die Realität der Hexerei bestritten, konnte Geiler mit Recht erklären: »Das sagt kein Gelehrter nicht, daß das Hexenwerk nicht wahr sei!« Paulus, S. 18.

So gestaltete sich das Urteil über den Kausalzusammenhang der Dinge ganz nach den überlieferten Vorstellungen des Dämonismus. In der Theologie erwuchs hiernach die Lehre vom Teufel, seinem Reiche und seiner Wirksamkeit in der Weise, daß sie in die Glaubenslehre der Kirche und in das Glaubensleben der Glieder der Kirche tief eingriff.

Aber auch in den anderen Wissenschaften, namentlich in der Philosophie und in der Naturwissenschaft machte diese dämonistische Weltanschauung ihre Einwirkung geltend. Überall begegnen wir der Neigung zum Magischen und zu allerlei theosophischen und theurgischen Mysterien.

Das sechzehnte Jahrhundert und die erste Hälfte des siebzehnten trägt eine vorherrschend theologische Färbung, die sich auch den nichttheologischen Wissenschaften und der Politik mitteilte. Reuchlin und Georg Venetus erhoben nach Pico von Mirandolas Vorgang mit einem Aufwande glänzender Gelehrsamkeit die Kabbala, um durch diese wieder ihrer Gelehrsamkeit eine höhere Weihe zu geben. Wenn die Mönche über das Unchristliche von Reuchlins Studien schrieen, so hatten sie wenigstens nicht in allem unrecht. Sie hingen zum Teil mit dem Streben zusammen, eine edlere Art der weißen Magie darzustellen Meiners, Histor. Vergleichung der Sitten des Mittelalters etc., T. III., S. 279 ff.. Das Dämonologe und die Theosophie gediehen und traten selbst in die Physik ein, so daß im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert alles Wissen von der Natur und deren Kräften noch in den Nebel der Magie, Alchymie und Astrologie eingehüllt war. Selbst Melanchthon glaubte an den Teufel und dessen Diener und ihre Gewalt über die Dinge der Natur K. Hartfelder, Der Aberglaube Philipp Melanchthons, Histor. Taschenbuch, Leipzig 1889, S. 252 ff.. Der geniale Abenteurer Agrippa von Nettesheim Meiners a. a. O., T. III., S. 291 ff. verkündete seine sogenannte natürliche und himmlische Magie als Vollendung der Philosophie, als den Weg zur wahren Vereinigung mit Gott. Von der Verträglichkeit seiner Occulta philosophia, die er in der Tat nur als eine Magie im besseren Sinne des Worts gibt, mit den Grundsätzen der katholischen Kirche will er vollkommen überzeugt sein; liest man aber, was er z. B. vom Binden und Bannen der Liebe, des Hasses, eines Heeres, eines Diebes oder des Blitzes sagt Occult. philos., lib. I, cap. 40., so findet man sich so ziemlich unter dieselben Dinge versetzt, die der ältere Plinius seinen Lesern als Vanitates magicas vorführt. Niemand hat blendender diese Geheimnisse zu empfehlen gewußt als Agrippa in seiner Occulta philosophia (1531), niemand aber hat sie auch in jenem Zeitalter beißender gegeißelt, als er selbst etwas später in seinem Buche De vanitate scientiarum tat. Mundus vult decipi! Das Zeitalter klebte eigensinnig an der ersteren Schrift, an der des Verfassers Ehrgeiz und Gewinnsucht nicht weniger Anteil hatten als seine Schwärmerei, und schmähte auf die zweite, dem ehrlichen Bekenntnis eines zur Besinnung gekommenen großen Geistes.

Gleichzeitig mit Agrippa wirkte Paracelsus (1493-1541), dessen Ruhm weit über sein Vaterland hinausdrang und zu einer Art Paracelsusschwärmerei ausartete J. E. Poritzky, Shakespeares Hexen, Berlin 1900, S. 21. Shakespeare, Ende gut, alles gut. 2. Aufzug, 3. Szene.. Obgleich seine Richtung mittelbar zur chemischen Schule der Medizin hinführte, so gründete er doch unmittelbar nur die theosophische Sprengels Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneikunde T. III. S. 335 f., 452. Reiche, Der Gelehrte, S. 93. Peters, Der Arzt. 91 ff. Janssen, VI, 484 ff.. »Lerne artem cabbalisticam,« schrieb er, »die schließt alles auf.« Theurgie, Astrologie und Alchimie schlossen sich an; das Ganze erreichte im siebzehnten Jahrhundert durch die Rosenkreuzer seinen Höhepunkt. Diese geheimen Lehren und Künste wußten selbst an den Fürstenhöfen Eingang zu gewinnen; eine Menge unterschobener mystisch-alchimistischer Schriften unter dem Namen des Hyppokrates, Galenus, Avicenna und anderer war im Umlauf.

siehe Bildunterschrift

Theophrastus Paracelsus

In demselben Boden aber, der diesen Glauben an Theurgie und ihr Verwandtes wuchern ließ, mußte auch, so scheint es, der Glaube an dämonische Zauberei als natürlicher Gegensatz von selbst schon tiefere Wurzel schlagen können; um so mehr aber, wenn es gerade die theosophischen Schwärmer und Gaukler ihrer eigenen Sicherheit förderlich fanden, diesen Gegensatz recht hervorzuheben. Mag es sein, daß dieser Glaube bei vielen Gelehrten gerade auf dasjenige sich stützte, was nun einmal als eine durch Folter und Bekenntnis gerichtlich erhobene Tatsache galt: so ist doch nicht zu verkennen, welchen Einfluß die Ansicht der ersten Gelehrten ihrer Zeit wiederum auf das Gerichtswesen und die Gestaltung der öffentlichen Meinung ausüben mußte.

In der Jurisprudenz herrschte ein Geist engherziger Beschränktheit, aller philosophischen Betrachtungsweise bar und ledig, teils an den Satzungen des römischen und kanonischen Rechts haftend und in die müßigsten Spiele der Dialektik sich verirrend, teils in den theologischen Begriffen der Zeit befangen. Was von Franzosen und Italienern Erfreuliches geleistet wurde, bezog sich auf das Zivilrecht. Die Strafrechtspflege, finster und streng wie sie war, dachte nicht daran, den Schutz der bürgerlichen Gesellschaft zum Ziele zu haben. Sie fühlte sich zum Organ der göttlichen Strafgerechtigkeit berufen; der Eifer galt für ein größeres Lob als Besonnenheit und vorurteilfreies Abwägen. Der Jurist forschte nicht nach der Möglichkeit der Zauberei; er hielt sich einfach an seinen Justinianischen Kodex und an die Bibel. In dieser fand er das Gebot: »Die Zauberer sollst du nicht leben lassen.« Hierin lag ihm ein göttliches Zeugnis für die Existenz der Zauberei. Nehmen wir hierzu noch die weitverbreitete Unwissenheit und unbewachte Willkür vieler Richter, besonders in den kleineren Gebieten, so haben wir das Bild der Gerechtigkeitspflege im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert in traurigster Gestalt. Einzelne Ausnahmen – z. B. der in der Reformationszeit lebende Jurist Johannes Franz de Ponzinibius aus Piacenza, der die Möglichkeit eines Bundes mit dem Teufel in Zweifel zog, – können nicht in Betracht kommen. Was die Karolina Dankenswertes bot, ist in der Praxis arg verkümmert worden.

Die Medizin endlich, ohne feste physiologische und pathologische Grundlage, klebte am Altüberlieferten und machte sich aus der Macht des Teufels einen Schild gegen alle Vorwürfe. »Inscitiae pallium maleficium atque incantatio« – war nach Reginald Scot das Motto der Ärzte im sechzehnten Jahrhundert. Weier, der selbst Arzt war, widmet in seiner Schrift über die Hexerei ein eigenes Kapitel der Ausführung des Satzes, »daß die ungelehrten Schlingel in der Medizin und Chirurgie jr unwissenheit und fehler dem verzäubern oder veruntrewen und den Heiligen zuschreiben« De praestig. daemonum, Bch. II, Kap. 18.. Johann Baptist van Helmont (1577-1644), der die medizinische Chemie auf ihren Höhepunkt brachte Kopp, Geschichte der Chemie, 1. Bd. (Braunschweig 1843.), hegte noch den festen Glauben an Metallverwandlung, an den Stein der Weisen, faßte Donner, Blitz, Erdbeben, Regenbogen und andere Naturerscheinungen als Wirkungen einzelner Geister auf usw. – Der Londoner Arzt Robert Fludd († 1637), der berühmteste unter den Rosenkreuzern, leitete die Entstehung der Krankheiten von bösen Dämonen her, gegen die der gläubige Arzt zu kämpfen habe. In jedem Planeten hause ein Dämon, und so gebe es saturnische, jovialische, venerische, martialische und merkurialische Dämonen, die ihnen gemäße Krankheiten erzeugen. – Der Rostocker Professor Sebastian Wirdig († 1687) sah zwei Arten von Geistern durch die ganze Natur verbreitet, deren sich auch im menschlichen Körper befänden und mit den Geistern der Luft in den Gestirnen in Gemeinschaft ständen, durch deren Einfluß sie regiert würden. Wie Thomas Campanella, Fludd u. a. gibt auch Wirdig der Wärme, Kälte, Luft einen Geist und leitet die Krankheiten von den zornigen und rachsüchtigen Geistern der Luft und des Firmaments her. Er verteidigt die Wünschelrute Zeitschrift f. Volkskunde. 13. Jahrg. H. Sökeland, Die Wünschelrute, S. 202 ff. Berlin 1903. wie die Nekromantie und findet die Beweise in biblischen Sprüchen.

Beispiele ähnlicher Art ließen sich aus der Geschichte der Medizin Valentin Kräutermann, Der thüringische Paracelsus etc., Arnstadt und Leipzig 1720. William Marshall, Neueröffnetes, wundersames Arzenei-Kästlein, Leipzig 1894. Troels-Lund. Gesundheit und Krankheit, Leipzig 1901. und der Naturwissenschaften in Menge anführen. Denn das Denken selbst der Koryphäen der Wissenschaft war bis über das siebzehnte Jahrhundert hinaus vom Aberglauben so beherrscht, daß man in dem Verlaufe und Zusammenhange natürlicher Dinge nicht das Naturgesetz, sondern das geheimnisvolle und unheimliche Walten verborgener Geister und dämonischer Mächte sah Roskoff, B. II, S. 321..

Unter diesen Umständen wird es erklärlich, warum die Reformation Hexenglauben und Hexenprozessse nicht gestürzt hat. Sie ließ beide bestehen, wie sie den Glauben an den persönlichen Teufel bestehen ließ. In diesem Glauben erhitzte sich der Eifer gegen die Verbündeten des Teufels um so mehr, je weniger eine Religionsgenossenschaft der andern im Abscheu gegen das Diabolische nachstehen wollte; und so rasten die verschiedenen Parteien der Protestanten untereinander selbst und mit den Katholiken um die Wette. Zwar will Walter Scott bemerkt haben, daß in England unter hervortretendem calvinistischen Übergewichte die Hexenprozesse immer zahlreicher gewesen seien, als unter dem des anglikanischen Klerus, und es ist richtig, daß im sechzehnten Jahrhundert England verhältnismäßig nur wenige Hinrichtungen kennt; aber Jakobs I. Blutgesetze, die im siebzehnten so viele Greuel brachten, gingen doch nicht von den Calvinisten aus. Weiter ist es Tatsache, daß der reformierte Theodor Beza den französischen Parlamenten den Vorwurf der Lässigkeit in den Hexenprozessen machte; aber der katholische Florimond de Remond, weit entfernt den fanatischen Eifer seines Gegners zu tadeln, beeilt sich nur, das behauptete Faktum in Abrede zu stellen, indem er auf die zahllosen Opfer hinweist, die er als Parlamentsrat zu Bordeaux täglich zum Feuer verurteilen half. Arge Verblendung aber ist's, wenn es katholische Schriftsteller versucht haben für die Verbreitung der Hexenprozesse nicht der geistlichen Inquisition und den päpstlichen Bullen, sondern der Reformation eine besondere Rolle zuzuweisen. Luther hat die Lehre vom Teufel aus der katholischen Kirche herübergenommen, aber freilich so, daß sie in ihm nach zwei Seiten hin eine ganz neue, und zwar gegen den dämonischen Aberglauben der Kirche sich abschließende Gestalt gewann. Denn 1. faßt Luther den Teufel wesentlich als Werkzeug des göttlichen Zornes über die Sünde, als Mittel der Strafgerechtigkeit Gottes auf, so daß sich die Gewalt des Teufels nicht weiter als das Zorngebiet Gottes erstreckt, auf dem Gott ihm »Raum läßt«; und 2. sieht Luther die Stellung des Christen im Kampfe mit dem Teufel ganz anders an als die Kirche es tat. Diese betrachtete den Kampf gegen den Teufel als ein rein äußerliches Vorgehen, dem sich der Christ der ihm von der Kirche gebotenen Mittel, nämlich bestimmter Gebetsformeln, des Weihwassers, der Nennung des Namens Jesu, des Kreuzzeichens usw. bedienen sollte. Luther dagegen verlegte den Kampf in das Innere der Seele, wo sich der Christ durch anhaltendes Gebet, durch immerwährende Buße, durch stetes Wachsen im Glauben und in der Gemeinschaft mit Gott sich gegen alle Anläufe des Bösen schirmen und sich mehr und mehr zum Siege über denselben erheben sollte Roskoff, B. II, S. 365-377.. Darum kann von Luther nicht gesagt werden, daß er durch seine Lehre von der Gewalt des Teufels das Übel der Hexenverfolgung verschuldet habe. Ist es doch auch unumstößliche Tatsache, daß die katholischen Länder, und zwar unter päpstlicher Autorität, den Hexenprozeß nicht nur geraume Zeit vorher betrieben, ehe Luthers Reformation begann, sondern auch daß das Übel in keinem protestantischen deutschen Lande jemals eine gleiche Höhe erreicht hat, wie in den Gebieten der katholischen Länder und der geistlichen Fürsten.

siehe Bildunterschrift

Erasmus v. Rotterdam Kupfer von Albrecht Dürer, Berlin, Kgl. Kupferstich-Kabinett

Es steht zweifellos fest, daß Luther den Hexenwahn nicht ins Leben gerufen hat, was auch kein vernünftiger Mensch behaupten wird. Ganz anders ist es jedoch mit der Popularisierung des Teufelglaubens unter den Reformatoren und somit auch in der evangelischen Kirche. Daß Luther die Teufelsmacht weniger fürchtete als verachtete Gustav Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, 24. Aufl., 22, S. 355., tut nichts zur Sache. Andere seiner Anhänger waren weniger starkgeistig als er. Er ist trotzdem in der Betonung der Wirksamkeit des Teufels weit über das Mittelalter hinausgegangen. Wie schon Freytag betonte, war der deutsche Teufel »recht gemütlich zugerichtet« Freytag, S. 353., ein Tolpatsch, der nur betrog, wenn er einen ganz Dummen fand, meist aber von geriebeneren Gaunern als er selbst war, ordentlich über das Ohr gehauen wurde. So kennen ihn das deutsche Märchen Grimm, Kinder- und Hausmärchen, 32. Aufl., Stuttgart-Berlin 1906. Grimm, 3. Bd., Leipzig (Reclam), S. 273 ff. und die deutsche Volkssage August Wünsche, Der Sagenkreis vom geprellten Teufel, Leipzig, S. 545, Wien 1905.. Das wurde mit der Reformation anders. Der Teufel des Volksglaubens wurde von dem der Theologen verdrängt, und dies ist Luthers Schuld mit.

»Niemand aber hat diese Rolle (des Teufels) mehr gefördert als Luther, der sich förmlich in die Teufelsidee verrannte. Er glaubte sich von ihm auf der Wartburg, wie im Kloster zu Wittenberg gestört ... Wenn sich auch bei seinem Reden und seinen Geschichten vom Teufel nach volkstümliche Denkart äußerte, so hat er doch in seiner Verflechtung des ganzen menschlichen Lebens mit Anfeindungen und Versuchungen des Teufels neue und unheilvolle Wege eingeschlagen,« also charakterisiert Georg Steinhausen, der bedeutendste deutsche Kulturhistoriker der Gegenwart, Luthers Aberglaube Kulturgesch., S. 518.. Es war, was Luther vom Teufel dozierte, vielleicht nicht immer so ernst gemeint, aber es wurde ernst genommen.

Mit diesen historisch begründeten Behauptungen setze ich mich in Widerspruch zu Soldan, dem Verfasser dieses Werkes und dessen ersten Bearbeiter Heppe. Diese ernsten Forscher, die im Hauptamte Pastoren waren, verehren die Wirksamkeit und die Person Luthers, daß sie darüber ihre Objektivität verlieren und Schatten retouchieren, ohne die das Bild des großen Reformators unnatürlich wirken würde. Luther war ein Kind seiner Zeit, vielleicht das gewaltigste, aber sein Denken und Fühlen wurzelte im Geiste jener Epoche. Ihm die Anschauung späterer Jahrhunderte künstlich aufpfropfen wollen, heißt sein Bild verzerren.

Wenn der Jesuit Delrio Leute nennen wollte, die im Hexenglauben heterodox seien, so fehlten Luther und Melanchthon nicht Disquis. mag, 1. II., qu. 16.. Der Pater Angelicus Preati, indem er die Realität der Hexenfahrten als Dogma verficht, nennt das Leugnen der Zauberei eine Nachfolge Luthers und Melanchthons; der Pater Staidel setzt den Zweifel an der Hexerei einer ketzerischen Verleugnung der Firmung gleich; der Pater Concina wirft abermals die Meinung, daß es keine Hexen gebe, Luthern, Melanchthon und ihren »Spießgesellen« vor Dell' Osa, Die Nichtigkeit der Zauberei, Frankf. 1766, S. 262., und der Pater Agnellus März wiederholt dies, indem er den Münchener Akademiker Sterzinger, der den Hexenglauben bekämpft, zu verketzern sucht Urteil ohne Vorurteile etc. 1766, S. 57.. Torreblanca endlich zählt Luther nebst Huß und Wicleff unter denjenigen auf, die sich gegen die Bestrafung der Hexen ausgesprochen haben sollen Daemonol. III. 1..

Die genannten Väter, deren Zahl wir leicht noch beträchtlich vermehren könnten, haben unrecht. Luther hat nirgends den Zauberglauben eigens abgehandelt Soldan-Heppe irren siehe. Luthers Werke, Weimar 1883 ff., I. Bd., S. 406 ff., VII 207, X. 2. 380. Dr. B. Haendcke, Deutsche Kultur im Zeitalter des 30jähr. Krieges. Leipzig 1906, S. 449. Paulus, S. 23.. Wo er bei Veranlassungen auf ihn zu reden kommt, da ergibt es sich, daß er ihm, jedoch mit Einschränkungen, ergeben ist. Die Incuben und Succuben räumt er mit besonderer Beziehung auf Augustins Autorität ein, weil der Satan gerne den Menschen in der angenommenen Gestalt eines Jünglings oder einer Jungfrau betrügen möge; daß aber aus solchem Umgange irgend etwas erzeugt werden könne, stellt er in Abrede Erklärung der Genesis, 6. 1. Tischreden, XXIV. § 94 ff.. Ferner glaubt er, daß der Teufel imstande sei, Kinder zu stehlen und anderwärts unterzuschieben (Wechselbalge, Kielkröpfe) Ebendaselbst.. Die Hexenfahrten erklärt er, wie Melanchthon, für Einbildung; aber er ist für die strengste Bestrafung der Zauberinnen, die Leib und Gut ihres Nächsten beschädigen und will sie zum Scheiterhaufen geführt sehen Tischreden, Kap. XXV., Weimarer Ausgabe, XVI., 551..

In Süddeutschland meinte der Reformator Schwabens, Joh. Brentz zu Stuttgart, man müsse wenigstens noch alle diejenigen Weiber unter das Schwert bringen, die es im Ernste versucht hätten, zauberische Werke zu verrichten Wolters, Konrad v. Heresbach, S. 154. – Paulus, S. 107., wogegen die Jülich-Clevische Kirchenordnung von 1533 alle Zauberer, Wahrsager und Beschwörer als Gotteslästerer behandelt wissen wollte. Diese Kirchenordnung war teilweise das Werk des Konrad v. Heresbach, der von jeher die für »Götzendiener« hielt, »welche wähnen, ein Geschöpf könne in eine andere Gestalt verwandelt werden« Wolters, S. 152..

Übrigens war Brentzens Meinung von der Hexerei nicht die des Hexenhammers. Er sagt in einer Predigt 1564 über das Wettermachen der Hexen, »daß die Unholde Hagel, Ungewitter und andere böse Dinge zu machen, zu erregen und aufzubringen, gar keine Gewalt haben, sondern daß sie vom Teufel damit aufgezogen und verspottet werden, der ihnen weismacht, sie hätten solches getan. Denn in dem Augenblicke, wo der Teufel weiß, daß ein solches Wetter kommen wird, gibt er einer Hexe ein, daß sie ein solches herbeibeschwören müsse, um sie in ihrem Glauben zu stärken.« – Als Servede zu Genf auf dem Scheiterhaufen stand, redete Farel die versammelte Menge mit den Worten an: »Sehet ihr wohl, welche Gewalt dem Satan zu Gebote steht, wenn sich ihm einer einmal überlassen hat! Dieser Mann ist ein gelehrter Mann vor vielen und vielleicht glaubte er recht zu handeln; nun aber wird er vom Teufel besessen, was euch ebensowohl geschehen könnte!«

Jene Disposition des Zeitalters, wie wir sie darzulegen versucht haben, bildete indessen nur die allgemeine Grundlage, auf der niedrige Motive jeder Art ein um so freieres Spiel zur Verbreitung des Übels entwickeln konnten.

Vor allem knüpfte sich an die Bestrebungen der hierarchischen Reaktion fortwährend der alte kirchliche Macchiavellismus. Zwar war ein großer Teil Deutschlands außer dem Bereiche der Inquisiton; aber es mußte dafür gesorgt werden, daß die immer weitergreifenden Fortschritte der Reformation gehemmt, die noch schwankenden Länder erhalten würden. Dem Andringen des Protestantismus gegenüber führten daher die Jesuiten überall das Gespenst des Hexentums als schreckendes Medusenhaupt vor.

»Nur die Unverschämtheit kann leugnen,« sagt Delrio, »daß die Zaubergreuel den Ketzereien auf dem Fuße folgen, wie der Schatten dem Körper; die ganze Seuche kommt hauptsächlich von der Vernachlässigung und Verachtung des katholischen Glaubens.« Dann weist er darauf hin, wie schon die Gnostiker und andere Sekten des Altertums Zauberer gewesen seien, schiebt eine Stelle aus Tertullian in das Vordertreffen und nähert sich mit behutsamer Taktik dem eigentlichen Angriffspunkte. »Erst haben die Hussiten Böhmen, dann die Lutheraner Deutschland überzogen. Welche Zaubergreuel jenen nachfolgten, haben die Inquisitoren Nider und Sprenger dargetan; welche Ströme von Hexen aber die Lutheraner ausschütteten, davon wissen diejenigen zu erzählen, die, gleichsam eingefroren in jene arktische Kälte, vor Furcht erstarrt sind; denn kaum gibt es dort noch irgend etwas, was frei und unbeschädigt wäre von jenen Bestien oder vielmehr Teufeln in Menschengestalt.« Sodann wird versichert, daß man auf den Alpen kaum noch ein Weib treffe, das nicht eine Hexe sei, weil dort die Reste der Waldenser sich versteckt hielten.

In der Schweiz, in Frankreich, England, Schottland und Belgien muß der Calvinismus das ganze Übel tragen; auch an die sogenannten Politiker Italiens wird ein Seitenhieb ausgeteilt.

Ganz im Einklange hiermit ist es, wenn man im Trierischen Leute auf der Folter bekennen ließ, daß sie zu jener Zeit angesteckt worden seien, als der Markgraf Albrecht von Brandenburg, »diese schändliche und höllische Stütze des Luthertums, der selbst ein Erzzauberer gewesen sei,« das Land mit seinen Truppen überzogen habe. Am Ende der Vorrede läßt Delrio seinen Lehrer und Mitjesuiten Maldonatus die Frage beantworten, warum die Zauberei sich so unzertrennlich an die Ketzerei knüpfe. Die angeführten Gründe laufen hauptsächlich darauf hinaus, daß der Teufel so gerne in die Leiber der Ketzer fahre, wie einst in die der Schweine; daß die Ketzerei, wenn sie anfangs auch noch so geschickt in das Gewand der Unschuld und Wahrheit sich zu kleiden wisse, bald altere und, um ihre Existenz zu retten, zur Magie werde, wie die verblühte Hure zur Kupplerin usw.

So sieht denn auch Delrio den Calvinismus, das Luthertum und den Anabaptismus, die drei unreinen Geister die ihm hervorgegangen sind aus dem Rachen der Schlange, dem Rachen des Tieres und dem Rachen des falschen Propheten, schon kraftlos hinwelken und nur noch mit Mühe atmen; sie können niemanden mehr locken, aber an ihre Stelle wird Zauberei und Atheismus in unverhüllter Häßlichkeit treten und, gleich den Heuschrecken im Propheten Joel, das Land verzehren. Nichtsdestoweniger erblickt sein scharfes Auge auch in der katholischen Kirche nur ein so kleines Häuflein wahrhaft Gläubiger, daß es vor dem Blicke fast verschwindet; alles ist ihm auch da zu matt und schon auf dem Wege zum Atheismus. Diesen lauen Katholiken nun einen heilsamen Schrecken einzujagen, die ganze Schändlichkeit des Zauberwesens allen Schwankenden vor die Augen zu halten, das Schwert der Gerechtigkeit gegen die Schuldigen zu schärfen, schreibt er sein Buch.

An solchen Bestrebungen erkennen wir ganz den Geist der Gesellschaft Jesu wieder, denselben Geist, der durch den Pater Andreas zu Wien von der Kanzel verkündigen ließ, daß es besser sei, mit dem Teufel sich zu vermählen, als mit einem lutherischen Weibe, weil jener doch mit Weihwasser und Exorcismen zu vertreiben sei, an diesem aber Kreuz, Salböl und Taufe verloren gehe; denselben Geist, der andern Vätern dieser Gesellschaft offenbarte, daß, wer bei den Evangelischen das Abendmahl unter beiderlei Gestalt empfange, recht eigentlich den Teufel selbst genieße. Und wäre nicht derselbe Geist in seinen Wirkungen kennbar, wenn wir die Tatsache erwägen, daß es unter den katholischen Ländern Deutschlands gerade die geistlichen Stifte sind, wo verhältnismäßig die meisten Hinrichtungen stattfanden? Trier, Bamberg, Würzburg, Fulda und Salzburg stehen obenan.

Über das Interesse, das die geistlichen Fürsten an der Unterdrückung der Reformation in ihren Ländern haben mußten, kann kein Zweifel bestehen. Nun aber schnitten die Erfolge des schmalkaldischen Krieges dem Verfolgungsgeiste die Anwendung der Todesstrafe ab, wenn die Anklage auf das Bekenntnis der lutherischen Lehre oder auf die Hinneigung zu ihr lautete. Der Augsburger Friede gestattete nur die Landesverweisung, und diese entzog, wo sie versucht wurde, wie in Salzburg unter Wolfgang Dietrich, mit dem Vermögen der auswandernden Reichen den Ländern ihre besten Kräfte Franz Duckher, Salzburgische Chronica S. 268..

Dagegen verbot kein Gesetz, öffentliche und heimliche Freunde des Protestantismus wegen des Verbrechens der Zauberei in den Tod zu schicken. Zauberei war ja nach römischem Grundsatze auch Ketzerei; wer den Tod des Zauberers starb, der litt auch die Strafe des Ketzers, sein Vermögen blieb im Lande und fiel sogar an vielen Orten dem Fiskus zu. Es war also hiermit die Möglichkeit gegeben, unter der Maske des gesetzlichen Hexenprozesses eine blutige Verfolgung des Protestantismus zu betreiben, die das Gesetz verbot Längin, Religion und Hexenprozeß S. 109.. Auch in Frankreich fällt, wie Delrio richtig bemerkt, die Hauptepoche seines wieder auflebenden Hexenwesens in die Zeit, wo die Hugenotten am mächtigsten emporstrebten, d. h. es fanden die meisten Hinrichtungen statt.

In Spanien erscheint die Zahl der wegen Zauberei Hingerichteten im Verhältnisse zu der Gesamtsumme der Opfer des Glaubensgerichtes gering; dies erklärt sich gerade aus der ausgedehnten Macht der dortigen Inquisition, die ohne Umschweife auf ihr Ziel losgehen durfte.

Dagegen wüteten in Polen die Hexenprozesse am meisten seit der Zeit, wo der Jesuitenorden seine Bestrebungen zur Ausrottung der zahlreichen Dissidenten begann.

Näheres hierüber später. Um jedoch das Gesagte zu beweisen, teilen wir einige Vorkommnisse mit, die keiner weiteren Erläuterung bedürfen.

Louis Berquin, Rat am Hofe Franz I., hatte sich über die frommen Betrügereien der Mönche etwas freimütig ausgesprochen, ward der Begünstigung des Luthertums beschuldigt und entging der öffentlichen Abschwörung nur durch den besonderen Schutz des Königs. Hierauf erhob man die Anklage der Zauberei und Teufelsanbetung, und der König wagte es nicht mehr, ihn zu vertreten. Berquin wurde mit durchbohrter Zunge am 17. April 1529 auf dem Greveplatz zu Paris lebendig verbrannt Garinet, Hist. de la magie en France p. 120. Bodin, Daemonoman. lib. IV. cap 5..

Ein Spezereihändler zu Baden führte 1628 gegen seinen Landesherrn, den nach protestantischer Landesverwaltung erst kürzlich eingesetzten katholischen Markgrafen Wilhelm von Baden-Baden, Klage beim Reichskammergericht wegen widerrechtlicher Verhaftung seiner Ehefrau. Er erzählt: »Als für's Erste sie, meine liebe Hausfrau, jetzt nunmehr ein Jahr, uf 6 bloße Angebungen, alss wann sie bei einem Hexen Tantz seye gesehen worden, uf eim Zinstag umb 10 Uhr zu Mittag urplötzlich zue gefänglicher Hafft genommen undt alssbaldt da sie in Thum kommen, ihr angezeigt, auss fürstlichem Bevelch geschehe dass, undt hatt sie Eppach und ein Schreiber mit diessen ungestümen Wortten angeredt: Sie seye die gröste Hur in Baden undt darzue ein Hex, undt habe solche Hexerey von iren Eltern (welche lutherisch gewesen und die Frauw gleichfalls) gelernt, sie soll es nur nicht leugnen, sondern rundt bekennen, darauf sie beständiglich geantworttet, man thue ihr für Gott und aller Welt Unrecht, hatt man sie also baldt ohne alle Barmhertzigkeit ahne die Folter geschlagen usw.« Aus Originalakten des R. K. G. Rubr. Weinhagen ca. Wilhelmen Markgrafen zu Baden..

Von dem Kaufmann Köbbing zu Coesfeld, 1632 hingerichtet, sagt der Fiskal in den eingereichten Artikeln: »Art. 68. Inmaßen wahr, daß er ein Gottvergessener Mensch sey, der nicht allein die Kirchen nicht frequentirt, sundern auch zu sagen pflegt, man müsse temporisiren, und soviel den Glauben anbelangt allen Sekten und Religionen sich accomodiren können. 69. Item er wolle sich wegen den Glauben so viel nicht bekümmern, daß er darumb verfolgt oder getödtet werden solle. 70. Wahr, daß man uf solche Gottvergessene unrechtfertige und heillose Leuth desto leichtlicher solchs Laster versehen müge.« – Die beiden ersteren Artikel waren unter den fünfundsiebzig der Klageschrift die einzigen, deren Inhalt, sofern er gravirend war, der Beschuldigte in seinem ersten Verhöre nicht gänzlich in Abrede stellte. Köbbing stand als Kaufmann mit Holländern in Verbindung; auch hatte er die Tochter eines protestantischen Geistlichen in seinem Hause beherbergt. Jesuiten, seit 1626 in Coesfeld, spielten die Beichtväter in den Hexenprozessen dieser Stadt und referierten dem Rate über die letzten Erklärungen der Verurteilten Niesert, Merkw. Hexenprozeß gegen den Kaufm. G. Köpping..

Neben dem negativen Nutzen der Herabsetzung des Protestantismus suchten viele Kleriker auch noch einen positiven Gewinn zur direkten Verherrlichung der römischen Kirche zu ziehen. Bot ja doch ihr Ritual die Specifica gegen alle zauberischen Anfeindungen: Exorzismen, Weihwasser, geweihtes Salz, geweihte Kerzen, Zweige usw. Und von wie vielen einzelnen Fällen wissen die Kleriker zu erzählen, daß diese Mittel wirklich geholfen haben, – Fälle freilich, in denen man vorsichtig genug war, sich des Erfolgs im voraus zu versichern! Weier, Buch V. Kap. 3. W. Scott, Br. üb. Dämon. II. 59 ff. Jakob I. Daemonol. III. 4. Ferner traten jetzt unter den Händen geschickter Exorzisten die Behexten in die Reihe der Zeugen für die Wahrheit katholischer Dogmen, und der Teufel selbst mußte aus dem Munde der Bezauberten Zeugnis ablegen für die Religion, deren Widersacher er ist. Längin, Religion und Hexenprozeß, S. 1112. In salzburgischen Akten haben die Gefolterten deponiert, und man trug Sorge dafür, daß dies weiter verbreitet wurde, – daß man nur durch des Teufels Antrieb dazu komme, den Heiligendienst und die Ohrenbeichte zu verwerfen, und daß aus der beim Teufelssabbat durchstochenen Hostie Ströme von Blut geflossen seien Hauber, Bibl. mag. Bd. III. S. 306.. Die blutenden Hostien vererbten sich jetzt aus den Judenverfolgungen auf den Hexenprozeß; auch in bambergischen Akten V. Lamberg, Beilage Lit. S. und in den Exorzismen von Loudun begegnen wir ihnen, in den letzteren auch ausdrücklichen Zeugnissen für die Transsubstantiation, die der beschworene Teufel aus den Besessenen heraus ablegte.

Ein zweites, sehr wirksames Motiv war die Habsucht. Niemanden ist es unbekannt, wie sehr diese in das Gerichtswesen des sechzehnten Jahrhunderts überhaupt eingriff.

»Die Gerichtsherren, – sagt Udalrich Zasius – statt auf das gemeine Beste zu sehen, strafen nur, um ihre Einkünfte zu vermehren. Argerlich ist's, im voraus das Unglück der Menschen in Anschlag zu bringen, und verdammlich ist daher die Sitte, beim Verkauf der Güter, mit denen peinliche Gerichtsbarkeit verknüpft ist, die Strafen mit zum Bestande der Einkünfte zu rechnen« Henke, Grundr. einer Geschichte des deutschen peinl. Rechts. – Sulzbach 1809. Th. 1. S. 319.. Der Trierer Kurfürst Johann VII. von Schönberg kennzeichnet mit erschreckender Offenheit die richterlichen Erpressungen: »Die tägliche Erfahrung ergibt, daß viele Nullitäten und Unwichtigkeit sowohl der Prozesse als der Exekutionen halber vorgegangen, daher den armen Untertanen unerträgliche Unkosten zur Hand gewachsen, so daß viele Gemeinden und Untertanen, ja Witwen und Waisen ins äußerste Verderben gesetzt worden«, sagt er in seinem Dekret vom 18. Dezember 1591. Es sei natürlich nicht damit gesagt, daß bei allen Richtern die Geldgier die treibende Kraft zur Hexenverfolgung war. Auch Riezler S. 127, Janssen, VIII. S. 695 betont, daß in keinem der bis jetzt bekannten bayerischen Fälle Eigennutz oder Schurkerei bei den Richtern zu erkennen war. Deshalb aber diese Motive bei allen Richtern rundweg abzuleugnen, wie es Mejer tat Die Periode der Hexenprozesse, S. 33, geht bei der Fülle der Beweise vom Gegenteil nicht gut an. Sie waren vorhanden und nicht im Hexenprozeß allein. Die Geldsucht der Richter und Juristen war sprichwörtlich geworden Heinemann, Der Richter, S. 92 ff..

Wie diese niederträchtige Gier ganz besonders auf die Hexenprozesse wirkte, das erkannten schon die Scharfsichtigeren unter den Zeitgenossen. Der Kanonikus Cornelius Loos, dem die Freimütigkeit, mit der er gegen solchen Unfug auftrat, mehrmals Kerkerstrafe zuzog, nannte diese Prozesse eine neuerfundene Alchymie, durch die man aus Menschenblut Gold und Silber mache.

Vierzig Jahre später sagte Friedrich Spee, daß viele nach den Verurteilungen der Zauberer hungerten, »als dem Brocken, davon sie fette Suppen essen wollten«. Der Aufwand mancher Richter entging selbst der Aufmerksamkeit des Pöbels nicht. Und in der Tat konnte es für eine Behörde, die ihre Sache verstand, keine bessere Finanzoperation geben. Die Güter der Verurteilten wurden auf dem Wege der Konfiskation oder unter anderen Titeln eingezogen; Inquisitoren und Richter nahmen entweder eine beträchtliche Quote, oder reichliche Sporteln; auch Denunziant, Häscher und Scharfrichter waren bedacht. Der Offenburger Magistrat versprach 1628 jedem, der eine Hexe einliefere, zwei Schilling Pfenning Fanggebühr Schreiber, Die Hexenpr. im Breisgau, S. 18..

Nun war aber keine andere Untersuchung so gänzlich nach Belieben einzuleiten und zu verzweigen, wie die wegen Zauberei. Jeder andere Prozeß verlangte doch die Erhebung eines objektiven Tatbestandes und war an feste Formen und Grenzen gebunden. Anders bei der Zauberei. Jedes Indizium, jedes Verfahren, jeder Beweis galt, nur der des Alibi nicht. Richter und Folterknecht mußten entweder sehr ehrlich oder sehr ungeschickt oder abgefunden sein, wenn sie nicht aus dem ersten Angeklagten Stoff zu zehn, zwanzig oder mehr neuen Prozessen herauspreßten. Bei Mord und Raub ergab sich die Zahl der in dem Gerichtssprengel begangenen Verbrechen aus der Wirklichkeit. Bei der Zauberei waren es ebensogut tausend wie ein einziges; dort bestimmte die Tat den Richter, hier der Richter die Tat. Darum darf es nicht befremden, wenn in manchen Bezirken zehn ergiebige Hexenprozesse auf eine einzige Hinrichtung wegen Straßenraubs kommen.

»In dem Rechte – sagt Agrippa De vanitate scientiarum cap. 96. Cardanus, De rerum varietate Lib. XV. Cap. 80. – ist ausdrücklich bestimmt, daß den Inquisitoren über Verdacht, Verteidigung, Beschützung und Begünstigung einer Ketzerei keine Jurisdiktion zustehe, sobald nicht erwiesen ist, daß eine offenbare und ausdrücklich verdammte Ketzerei vorliege. Aber diese blutgierigen Geier gehen über ihre Privilegien hinaus und drängen sich gegen alle Rechte und kanonischen Bestimmungen in die Jurisdiktion der Ordinarien ein, indem sie sich anmaßen, auch über solche Dinge, die gar nicht ketzerisch, sondern nur anstößig oder sonst irrtümlich sind, abzuurteilen. Gegen arme Bauernweiber wüten sie auf das grausamste und unterwerfen die wegen Zauberei Angeklagten oder Denunzierten, oft ohne daß das mindeste rechtsbeständige Indizium vorliegt, einer schrecklichen und maßlosen Folter, bis sie ihnen das Bekenntnis von Dingen, an die sie nie gedacht haben, auspressen, um einen Vorwand zur Verurteilung zu gewinnen. Sie glauben nur dann ihres Namens würdig zu sein, wenn sie nicht eher ablassen, als bis die Arme entweder verbrannt ist, oder dem Inquisitor Gold in die Hände gedrückt hat, damit er sich erbarme und sie durch die Folter gerechtfertigt finde und freispreche. Der Inquisitor vermag nicht selten eine Leibesstrafe in eine Geldstrafe zu verwandeln und diese seinem Inquisitionsgeschäfte zuzuwenden, woraus ein nicht unbeträchtlicher Gewinn gezogen wird. Sie haben unter jenen Unglücklichen nicht wenige, die eine jährliche Steuer zahlen müssen, um nicht von neuem vor Gericht gezogen zu werden. Da man überdies die Ketzergüter konfisziert, so macht der Inquisitor auch daran eine schöne Beute, und da endlich die Anklage oder die Denunziation, ja selbst der leiseste Verdacht der Zauberei und sogar die Vorladung einen Makel nach sich zieht, der nur dadurch geheilt wird, daß man dem Inquisitor Geld gibt, so macht auch dieses etwas aus. Vermöge dieser Kautel mißhandelten, als ich in Italien war, die meisten Inquisitoren im Mailändischen viele unbescholtene Frauen, auch aus dem vornehmeren Stande, und erpreßten so im stillen ungeheure Summen von den Geängstigten. Als der Betrug herauskam, fiel der Adel über sie her, und sie entrannen nur mit Not dem Feuer und dem Schwerte.«

Gleichzeitig verfolgten in Deutschland die bischöflichen Offizialate, wenn gleich etwas glimpflicher, ihren Gewinn.

War eine Person in bösen Leumund geraten, so lud sie der Offizial vor, ließ sie einen Reinigungseid schwören und nötigte ihr dann einen lossprechenden Urteilsbrief auf, der mit 2¼ Gulden bezahlt wurde. Dieser Punkt bildet, unter namentlicher Hervorhebung der Zauberei, die siebenundfünfzigste unter den Beschwerden, die der Nürnberger Reichstag von 1522 gegen den römischen Stuhl erhob.

In Trier, wo unter dem schwachen Johann VI. das Übel auf den höchsten Grad stieg, waren zwar Äcker und Weinberge aus Mangel an Arbeitern verödet, aber Notarien, Aktuarien und der Nachrichter waren reich geworden. Der Henker ritt, in Gold und Silber gekleidet, einher; seine Frau wetteiferte in Kleiderpracht mit den vornehmsten Damen. Als jedoch das Übermaß des Elends die Sporteltaxe endlich etwas zu ermäßigen gebot, war alsbald auch einige Abnahme des Verfolgungseifers bemerkbar Linden, in Gest., Trevir. ed. Wyttenb., Vol. III., p. 54. S. Sugenheim, Bayerns Kirchen- und Volkszustände im 16. Jahrh., Gießen 1842, S. 509., obgleich auch jetzt noch der Notarius täglich einunddreißig Albus und der Nachrichter für jeden, der unter seine Hände kam, 1½ Gulden erhielt. Zu Koesfeld bezog der Nachrichter 1631 binnen sechs Monaten 169 Rthlr. allein für seine Bemühungen an den Hexen Niesert, S. 100.. Der zu Koburg veranlaßte um dieselbe Zeit für sich, seine Pferde, Knechte und Boten in Jahresfrist einen Kostenaufwand von mehr als 1100 Gulden Leib, Consilia, responsa ac deductiones juris variae, Francof 1666 p. 124.. An manchen Orten erhielt der Richter, wie Spee versichert, von jedem Kopfe 4 bis 5 Rthlr.; und doch hatte Karls V. peinliche Gerichtsordnung sehr treffend den Richter, der »von jedem Stuck sein belonung het«, mit dem Nachrichter verglichen. Unter den englischen Hexenfindern nahm Hopkins Transportkosten, freie Station und Diäten; ein Schotte, der nach Newcastle entboten wurde, erhielt außer der Vergütung der Reisekosten 20 Schillinge für jede entdeckte Zauberin Hutchinson, Histor. Versuch über die Zauberei, Kap. 4. A trial of witches at the assizes held at Bury St. Edmonds, 1664. London 1838, p. 25..

Von besonderem Interesse ist, was in dieser Beziehung aus Österreichisch-Schlesien und Mähren mitgeteilt wird »Zur Geschichte des Glaubens an Zauberer, Hexen und Wampyre in Mähren und Österreichisch-Schlesien« von Bischof und d'Elwert. Roskoff, II., 332 ff.. Dort suchte man zur Leitung eines Hexenprozesses einen darin erfahrenen Mann zu gewinnen. Da aber selbst unter den Amt- und Hofleuten der Gerichtsherren sich selten solche fanden, die dazu bereit gewesen wären, so mußte die Gerichtsherrschaft bei der geringen Auswahl, die man hatte, guten Lohn geben. Die Hexenrichterei wurde also zum Gewerbe, von dem man lebte. Ein Hexenrichter namens Boblig erhielt von der Gerichtsherrschaft, der Gräfin Galle, Kost und bequeme Wohnung für sich und seinen Diener, außerdem einen Reichstaler täglich und für Kommissionsreisen die üblichen, nicht unbedeutenden Zehr- und Wartegelder. Die nämliche Bezahlung erhielt er auch vom Fürsten von Liechtenstein, als die Prozesse auf dessen Gebiet hinübergespielt worden waren, und diese Bezahlung wurde bei weiterer Ausdehnung der Hexenverfolgung noch bedeutend erhöht.

Eben dieselbe Bezahlung sagte auch der Fürstbischof von Olmütz dem Boblig zu, als er ihm die Leitung des Prozesses gegen den Dechant Lauthner von Schönberg übertrug. Inzwischen hatte Boblig auch in Prossnitz zwei Weiber, Elisabeth Brabenetzki und Katharina Wodak, auf den Scheiterhaufen gebracht, und dafür täglich 3 Gulden, in Summa 246 Gulden eingestrichen.

Erwägt man nun, daß die Hexenrichter keine anderweite Stellung einnahmen, sondern lediglich von der Verfolgung der Hexen lebten, so begreift es sich leicht, daß sie an der ununterbrochenen Weiterverbreitung der Hexenprozesse das größte Interesse haben mußten. Die von Bischof eingesehenen Akten lassen es deutlich wahrnehmen, wie eifrig Boblig darauf bedacht war, die Hexenprozesse nicht ins Stocken kommen zu lassen. An vielen Orten erhoben sich daher Klagen über den Aufwand der Henker und ihrer Weiber. Meister Jörg Abriel, der Schongauer Scharfrichter, reiste mit seiner Hausfrau und zwei Geleitsboten mit drei Pferden wie ein großer Herr im Lande umher Riezler, S. 172..

Der Scharfrichter von Dieburg (in der hessischen Provinz Starkenburg) verrechnete sich für die Jahre 1628 und 1629 die enorme Summe von 253 Gulden 13½ Batzen. In dieser Rechnung befinden sich 43 Personen, die à 3 Gulden hingerichtet wurden, und 23 Personen, »wie es sein Verfahren gehabt, als wären dieselben justifizirt worden« à 3 Gulden Malten, Neueste Weltk., 1843, B. I., S. 111.. Andreas Rainhabt, Freimann in Steiermark, berechnet 1694

»Ein scheidterhauffen auf zwey pershon zu machen ...1 fl. 30 kr.
zwey pershon zu veräschern ist auch ... 1 fl. 30 kr.
zwey feyerhägel, von ein jeden 30 Kr., ist ... 1 fl. – kr.
Den aeschen wekh zu reinigen ist ... – 48 kr.
das sind 4 Gulden 48 Kreuzer.

Für zwei Personen mit dem Schwerte zu richten erhält er insgesamt nur 30 Kreuzer, also kaum ein Achtel von dem, was ein Brand brachte Zeitschrift für Kulturgeschichte, 1871, S. 331.. Die Scharfrichter hatten bei derartigen Sporteln ein bedeutsames Interesse daran, dort Hexenbrände zu entfachen, wo sie noch nicht gebräuchlich waren. Das bekam aber in Nürnberg einem Eichstätter Scharfrichtersknecht sehr übel, der auf raffinierte Weise die Bürger gegeneinander aufhetzte und ihre Weiber als Unhulden verschrie. Meister Franz torquierte dem Burschen sein Vorhaben gründlich aus dem Leibe Knapp, Lochgefängnis, S. 40 u. 59.. Auch in Straßburg tritt 1451 solch ein agens provocateur, Hans Schoch von Fürstenfelden, auf. Er hatte bereits in Basel sein Handwerk geübt und suchte nun in Straßburg »ehrliche stattliche weiber dergestalt in gefar zu bringen«. Er bezichtigte eine alte Frau ein Hagelwetter gemacht zu haben. Da er seine Anklage nicht zu beweisen vermochte, wird er selbst ertränkt Aug. Stöber, Alsatia, Mülhausen und Basel 1856/57, S. 306..

Spee kannte einen Inquisitor, der sein Geschäft auf folgende Weise betrieb. Zuerst ließ er durch seine Leute das Landvolk bearbeiten, bis dieses sich vor lauter Hexenfurcht nicht mehr zu fassen wußte und den Schutz des Inquisitors anflehte. Nun nahm er die Miene an, als riefen ihn seine Geschäfte anderswohin, ließ sich jedoch durch ein zusammengeschossenes reichliches Geschenk bewegen, zu erscheinen, leitete auch die Untersuchung ein, redete abermals von seinen anderweitigen Obliegenheiten, sammelte nochmals Geld und begab sich dann in ein anderes Dorf, um dasselbe Spiel von vornen anzufangen Caut. Crim. Quaest., XVI., 6..

Neben dem Gewinne, der aus dem Vermögen des Verfolgten floß, wurde auch noch der Bezauberte mannichfach besteuert.

siehe Bildunterschrift

Beschwörung eines Besessenen
Aus Moscherochs Gesichte Philanders von Sittewald Straßburg 1540

Für Messelesen oder Exorzismen anzustellen wurde anständig gefordert. Terminierende Bettelmönche zogen mit ganzen Säcken sogenannten Hexenrauchs umher und spendeten ihn als Schutzmittel gegen Zauberei für reichliche Gaben aus.

Doch die Besessenheit war auch wiederum ein Kapital, das dem Behafteten selbst Renten trug. Viele Taugenichtse spekulierten darauf, wie die Bettler auf ihre fingierte Krüppelhaftigkeit. In Deutschland, Holland und England hat man sogar Kinder gesehen, die mit erstaunlicher Verschlagenheit ihre einträgliche Rolle monatelang fortspielten, bis sie endlich entlarvt wurden.

Auch protestantische Geistliche haben sich durch solche Gaukeleien betrügen lassen und salbungsreiche Gebete angestellt, wie bei jener geldschluckenden Magd in Frankfurt an der Oder, bei der Luther das Gutachten abgab, die Magd fleißig zur Kirche zu führen und bei Gott für sie zu bitten Freytag, Bilder, II2, S. 358, ff., nach »Wundere Zeitung von einem Geldteufel, eine seltzame, unglaubliche, doch wahrhaftige geschicht. Zu Frankfurt an der Oder beschehen und urkundlic haußgangen.« 1538, Längin, Religion, S. 177.. »Anno 1600 10. Jan. bin ich zu des Vogten Michael Christs zu Nordtheim Weib, welche vom bösen Geist um Leibeigenschaft gegen viel Geldreichung angesprochen und gar thierisch aussähe, geschikket worden, sie zu bekehren, wie geschehen,« schreibt der Stadtpfarrer Wolfgang Ammon von Marktbreit am Main, im bayerischen Bezirksamt Kitzingen in seiner Selbstbiographie Franz Hüttner, im Archiv für deutsche Kulturgesch., I. Bd. 1903, S. 291.. Eine Teufelsaustreibung im 17. Jahrhundert beschreibt Moscherosch in seinem »Gesichte Philanders von Sittewald« im »Schergen-Teuffel« Herausgeg. von Felix Bohrtag, (32. Bd., von Kürschners Nat.-Literat.), S. 11 ff.; herausgeg. von Karl Müller (Reclam) S. 14 ff.. Balthasar Bekker kannte einen schulkranken Knaben in Oberyssel, der die Obrigkeit als Bezauberter äffte: er gab Nadeln mit dem Urin von sich, vomierte Zöpfe, Scherben und lateinische Exerzitien; erst spät merkte man den Betrug, und das alte Weib, das ihn behext haben sollte, wurde nur mit Mühe gerettet Bezauberte Welt, Buch IV, Kap. 10..

Der ehrwürdige Agobard von Lyon hatte für dergleichen Fälle andere Mittel, als Exorzismen und Gebete. Als man einst eine sogenannte Besessene vor ihn brachte, ließ er sie auspeitschen, und es ergab sich alsbald, daß die ganze Besessenheit nur um der erwarteten Almosen willen angenommen war. Solche vorurteilsfreie Männer, die im karolingischen Zeitalter lebten, besaß das sechzehnte und siebzehnte Jahrhundert wenige. Doch liest man vom Bischöfe von Amiens, daß er Agobards Beispiel an einer ähnlichen Betrügerin im Jahr 1587 mit Erfolg nachgeahmt habe Hauber, Bibl., mag., Bd. I, S. 498.. Wie man den Hexenprozeß benützte, um mit seiner Hilfe unliebsame Personen unschädlich zu machen, beweist die Geschichte der Agnes Bernauerin, der schönen Baderstochter, die Herzog Albrecht von Bayern »aufs höchste lieb gehabt, also daß man sagt, der Herzog hatte sie zur Ee genommen und die Ee versprochen, aber doch nit zur Kirch gefierten«, wie Clemens Sender schreibt, Herzog Ernst der Vater ließ ihr den Prozeß als Zauberin machen und am 12. Oktober 1435 wurde das goldlockige Weib vor der Donaubrücke in Straubing ertränkt Dr. Christ. Meyer, Kulturgesch., Studien, II. Aufl., Berlin 1903, S. 22 ff., ders. in Westermanns Monatsheften 1905, S. 818 ff., Riezler, S. 63 ff..

Die Triebfelder der Habsucht, in Verbindung mit der jammervollen Befähigung der Justitiarien, erklären hauptsächlich die Erscheinung, daß unter den protestantischen Gebieten Deutschlands gerade die kleineren, besonders die ritterschaftlichen Territorien verhältnismäßig die meisten Hinrichtungen aufzuweisen haben. Hier lieferten die Hexenverfolgungen den oft beschränkten Finanzen der kleinen Herren einen stets willkommenen Zuschuß für sie selbst und ihre Diener, am meisten zu der Zeit, da das Elend des Dreißigjährigen Kriegs ihre Kassen geleert und die Gemüter bis zum äußersten verwildert hatte.

siehe Bildunterschrift

Agnes Bernauer
Nach dem Originalgemälde in Straubing

Ein merkwürdiges Aktenstück hierzu gibt Horst in seiner Dämonomagie (Th. II., S. 369). Der Justizamtmann Geiß zu Lindheim, ein ehemaliger Soldat und ohne alle juristische Bildung, schrieb 1661 an seine adeligen Herren, daß neuerdings das Zauberwesen wieder ausbreche, »daß auch der mehren Theilss von der Burggerschaft sehr darüber bestürzet und sich erbotten, wenn die Herrschaft nur Lust zum Brennen hätte, so wollten sie gerne das Holtz darzu und alle Unkosten erstatten, undt könndte die Herrschaft auch so viel bei denen bekommen, daß die Brügck wie auch die Kierche kendten wiederumb in guten Stand gebracht werden. Noch über daß so kendten sie auch so viel haben, daß deren Diener inkünftige kendten so viel besser besuldet werden, denn es dürfften vielleicht gantze Häusser und eben diejenigen, welche genung darzu zu thun haben, infociret (inficiret?) seyn.«

Dieser Geiß nun war es auch, der den großen lindheimischen Hexenprozeß leitete und ausbeutete. Er setzte sich z. B. für einen Ritt nach einem zwei Stunden entlegenen Städtchen 5 Rthlr. Gebühren an. Aus einer von ihm selbst aufgestellten Rechnung ergibt sich, daß er bei den verschiedenen Verhaftungen allein an barem Gelde eine Summe von 188 Rthlr. 18 Alb. eingetrieben hat.

Was er sich an Vieh aus den Ställen der Lindheimer Untertanen zugeeignet, hat er, wie eine spätere Untersuchung ergab, nicht jederzeit aufzuschreiben für nötig erachtet.

Um zu zeigen, daß auch die Häscher ihre Vorteile hatten, ziehen wir aus den Geißischen Rechnungen noch einige Posten aus Horst, Dämonomagie, Bd. II., S. 436 ff.:

Pag. 15. Dem Wihrth zu Hainchen (½ Stunde von Lindheim) NB. Was die der Hexenkönigin nachgesetzedten Schützen daselbst vertrunken 2 Rthlr. 7 Alb.
Pag. 16. Den 29. Julyus dem Keller zu Geidern bei der Hexenverfolgung in Beyseyn Herrn Verwaltern 12 Rthlr. 15 Alb.
Pag. 18. Den 12. Januarii 1664 Hanns Emmeichen zu Bleichenbach (2 St. von Lindheim) wass der Ausschuß bei der Henxenjagt allda verzehret, NB. in zwey Täg daselbsten versoffen 8 Rthlr.

usw.

Über die Kosten der großen Eßlinger Prozesse von 1662 und 1663 wird mitgeteilt, daß sie aus dem Vermögen der Justifizierten und aus den Strafgeldern gedeckt wurden. Bis zum 30. Juni 1663 hatte man 2300 Gulden aufgewendet und 2045 Gulden eingezogen. Was für die vielen bei den Juristenfakultäten zu Tübingen, Heidelberg und Straßburg eingeholten Gutachten bezahlt wurde, ist unbekannt.

Von den Geistlichen, die mit der Seelsorge der Verhafteten viel zu tun hatten, erhielt nach Beschluß vom 20. September 1664 jeder drei Tonnen Ehrenwein, wobei sie wiederholt ermahnt wurden, in ihren Schranken zu bleiben und den Untersuchungsrichtern nicht in ihr Amt zu greifen.

Diese selbst erhielten vom Spital für jedes Verhör eine Kanne Wein und einen Laib weißes Brot. Dasselbe bekam wöchentlich der aufwartende Knecht. Auch die Weinzieher, Kornmeister und Wächter auf der Burg wurden für ihre Dienste bei den Hinrichtungen mit Brot und Wein vom Spital belohnt. Dem Scharfrichter Deigentesch verwilligte man am 1. Dezember 1664 eine außerordentliche »Ergötzlichkeit« von 20 Gulden wegen seiner vermehrten Geschäfte und weil er die herbeigezogenen fremden Scharfrichter hatte traktieren müssen.

Nach einer Originalrechnung des Rats von Zuckmantel vom 20. Oktober 1639 brachte das Einäschern von elf Hexen 425 Reichstaler ein. (Man bedenke den damaligen Geldwert!)

Davon empfing:

der Bürgermeister 9 Taler 6 Groschen
der Rat 9 Taler 6 Groschen
der Vogt 18 Taler 12 Groschen
die Gerichtsschöffen 18 Taler 12 Groschen
der Stadtschreiber 9 Taler 6 Groschen
der Stadtdiener 9 Taler 6 Groschen

Der Überrest von 351 Talern 23 Groschen wurde dem Fürstbischof von Breslau als dem Landesherrn eingehändigt. Da das Urteil über die Hingerichteten in Neisse gefällt war, so hatte der Rat von Zuckmantel diesmal nur halbe Gebühren erhalten; sonst würde er doppelt so viel, nämlich ein Schock Groschen für den Kopf empfangen haben Hexenprozesse in Neisse, S. 13..

Als in einem friedbergischen Prozesse das Gerichtspersonal nach gehaltenem peinlichen Gerichte auf Kosten des Angeklagten schmauste und der Prälat von Arnsburg zufällig dazukam, ließ man noch etliche Flaschen Wein kommen, und auch diese wurden dem Manne zur Last gesetzt. Der Beschuldigte überstand Verhöre und Folter mit seltenem Mute, wurde zuletzt aus dem Lande gejagt und mußte nach Ausweis der Akten 404 Gulden 49 Kreuzer an Kosten bezahlen, wobei jedoch die Deserviten seines Defensors, die Abschlagszahlungen an die Wächter und andere Posten nicht mitgerechnet sind Burg-friedb. Originalakten, Rubr. In Sachen Inquisit. ex offic. et Fiscalis ca. Johannettam Quantsin von Rodenbach und Johannes Feuerbach von Altstadt, pto. Zauberei, De Anno 1663 usque 1666..

Wenn Haß und Rachsucht oft genug Motive zum Bezichten von Verbrechen gewesen sind, so hatten sie bei keinem freieres Spiel, als bei der Zauberei, wo sie des Erfolges beinahe immer sicher sein durften. Wie konnte man sich eines Feindes, eines Nebenbuhlers, eines politischen Gegners leichter entledigen, als daß man ihn selbst oder, noch besser, seine Frau der Hexerei verdächtigte? So protestierte 1608 der Straßburger Notar Baldauf anläßlich eines Prozesses seiner Schwiegermutter gegen das Verfahren des Offenburger Rates, weil dieser »unerweisliche, hochsträfliche, per falsissima narrata unbegründete Handlungen in seinen Bericht eingeschoben, auch privat affectiones angezogen habe« Volk, Ortenau, S. 109..

siehe Bildunterschrift

Titelblatt der Hans Sachsschen Schrift »Nachred das grewlich Laster / sampt seinen zwelff eygenschafften«

Weiber in England wurden damals, wenn der Ehegatte ihrer überdrüssig war, nicht nur als Ware am Stricke auf den Markt, sondern auch als Hexen dem Strange des Henkers zugeführt Scheltema, Geschiedenis der Heksenprocessen, p. 62.. Bei einer 1591 vorgenommenen Kirchenvisitation war Anzeige erstattet worden, daß des alten Hennen Frau zu Eckweiler der Zauberei verdächtig sei. Die Visitatoren untersuchten daher die Sache und fanden, daß der einzige Ankläger der Frau ihr eigener Mann sei, der im Verdacht stand, daß er sie habe umbringen wollen, wie er sie bereits aus seinem Hause verstoßen habe. Der Bube hatte allerdings keinen Erfolg, da ihm die Geistlichen nur befahlen, sein Weib wieder bei sich aufzunehmen.

In Offenburg wurde 1629 das hübsche junge Weibchen des Stettmeisters Philipp Beck ergriffen. Kaum war die Frau gefangen, als der Stettmeister den Rat bittet, sie auch wegen des Eingeständnisses der von ihr begangenen Untreue peinlich befragen zu lassen. Sie wird am 29. August 1629 mit vier anderen Unholden hingerichtet. Ihr liebevoller Gatte muß trotz seiner wüsten Schimpfereien die Kosten bezahlen Volk, a. a. O., S. 85.. In Mecklenburg mußte der Denunziant Kaution stellen, aus der die Prozeßkosten gedeckt wurden, wenn sich die Angeklagte als schuldlos erwies. Wiederholt machten die Bauern eines Dorfes, die insgesamt eine Hexe zu fürchten hatten, unter Anführung des Pfarrers gemeinsame Sache, und traten geschlossen als Ankläger auf, indem sie die Kaution unter sich aufbrachten. Überdies hatten noch unter Umständen die Unkosten des Prozesses und der Exekution die Dörfer selbst zu tragen, wenn die Hexe und ihre Verwandten die Gerichtskosten nicht zu begleichen vermochten Frendius, Gewissensfragen oder Gründlicher Bericht von Zauberey und Zauberern, Frankfurt 1671, Frage 395.. Die Pfarrakten von Wangelin berichten z. B., daß, um einen Hexenprozeß anstrengen zu können, eine Subskription eröffnet wurde, die der Pfarrer in die Wege leitete, nachdem der Landesherr sie ausdrücklich genehmigt hatte C. Beyer, Kulturg. Bilder aus Mecklenb. Berlin 1903, S. 19.. Ein elfjähriges Mädchen zu Paisley rächte sich nach einem Zank mit der Hausmagd dadurch, daß es sich besessen stellte. Es führte seine Rolle so geschickt durch, daß zwanzig Personen auf sein Zeugnis hin verurteilt wurden, von denen fünf wirklich den Tod erlitten Walter Scott, Br. über Däm., Th. II., S. 199.. Oft griffen Angeklagte zur Anzeige Vornehmer, um durch deren Einfluß die Niederschlagung des Prozesses zu erwirken; oft aber war es auch dem Verzweifelten eine schauderhafte Genugtuung, Personen, die er im Leben gehaßt und beneidet, oder die er als Urheber seines Unglücks betrachtete, durch seine Bekenntnisse mit sich ins Verderben zu ziehen Weier, de praestdaem., S. 572. – Badisches Gerichtsprotokoll von 1628. R. K. G. Akten.. Spee kannte sogar durch ihren Verfolgungseifer berühmt gewordene Richter, die zuletzt selbst als überführte und geständige Zauberer den Holzstoß bestiegen Caut. crim., Qu. XI., 4..

So sind niedrige Motive verschiedener Art, indem sie auf der Unterlage einer befangenen Theologie und Naturkunde wirkten, zu Haupthebeln geworden, die den Hexenglauben und die Hexenprozesse emporbrachten und hielten.

Wenn wir indessen an die ungeheure Ausbreitung und an die Dauer der Hexenprozesse denken, so will das Angegebene zu ihrer Erklärung doch noch nicht genügen. Man hat die Zahl der vom Ende des fünfzehnten Jahrhunderts an wegen Hexerei Verurteilten gesucht, und es hat sich gezeigt, daß sie nach Millionen zu berechnen sind.

Ein solches Resultat kann nicht durch Rachsucht, durch Habsucht der Richter, nicht durch Aberglaube, Ketzerhaß und Reaktion gegen den Protestantismus allein herbeigeführt sein. Es müssen da Potenzen gewirkt haben, die überall da vorhanden und wirksam waren, wo es sich um die Verfolgung von Hexen handelte, – Potenzen, deren Wirksamkeit annähernd unwiderstehlich war und die, so lange sie ihre Herrschaft behaupteten, überall mit Notwendigkeit eine immer größere und immer intensivere Verbreitung der Hexenprozesse im Gefolge haben mußten. Diese Potenzen waren 1. der herrschende Teufels- und Dämonenglaube; 2. die Änderung im prozessualischen Beweisverfahren, die gegen das Ende des fünfzehnten Jahrhunderts eintrat; und 3. die den Hexenmeistern gestattete und befohlene Anwendung der Tortur, sowie die ganze Einrichtung des Hexenprozesses. Das Zusammenwirken dieser drei Dinge war es, was die furchtbare Ausbreitung und die lange Dauer der Hexenprozesse möglich, ja notwendig machte Dr. Ludwig Mejer, Die Periode der Hexenprozesse, Hannover 1882 S. 31 ff..

Von dem das fünfzehnte bis siebzehnte Jahrhundert beherrschenden Teufelsglauben war eine geradezu dualistische Weltanschauung erwachsen, die sich von dem eigentlich sogenannten Dualismus nur dadurch unterschied, daß man den Bestand der Herrschaft des Teufels über die gefallene Welt aus göttlicher Zulassung ableitete. »Täglich höret man von greulichen Taten, die alle der Teufel hat zugericht: da werden etliche Tausend erschlagen, da geht ein Schiff mit Leuten unter auf dem Meer, da versinkt ein Land, eine Stadt, ein Dorf, da ersticht sich einer selbst, da erhängt sich einer, da ertränkt sich einer, da fällt einer den Hals ab, da tut einer sich selbst sunst den Tod an; diese Morde alle richtet der leidige Teufel an. Er ist uns feind, darum stellt er uns nach Leib und Leben. Nicht ermordet er allein die Menschen, sondern auch das Vieh, und verderbt dazu alles, was zu des Menschen Notdurft dient, mit Hagel, Teuerung, Pestilenz. Krieg, Verräterei, Aufruhr und so weiter« Andreas Althammer, Eyn Predigt von dem Teuffel, das er alles Unglück in der Welt anrichte. 1532, Blatt A 3. Janssen VIII. 575..

Die allgemeine Ausbreitung und die lange Dauer der Hexenverfolgungen erklärt sich also zunächst aus dem die Kirche wie alle Stände beherrschenden Teufels- und Hexenglauben.

Dazu aber kam, daß um diese Zeit in Deutschland im Kriminalprozeß ein völlig neues Verfahren und ein völlig neues Beweissystem eingeführt wurde, wodurch eine Einrichtung des Hexenprozesses möglich wurde, bei der man alle Hexen und Hexereien, die man nur irgend aufspüren wollte, notwendig auch finden mußte: die Folter.

Wirklich war auch die Zeit der Einführung des neuen Beweisverfahrens und der Folter die Zeit des Anfangs der Hexenverfolgung. Das Einschreiten von Amtswegen bewirkte bei der allgemein herrschenden Überzeugung von der heiligen Pflicht der Hexenverfolgung, daß man jetzt überall nach Hexen suchte, und die Folter machte es, daß man sie in Menge fand Trummer, »Abriß der Geschichte des kriminellen Zauberglaubens etc.« S. 111.. Beide Mittel wußte schon der Hexenhammer wohl zu würdigen, und ohne diese Mittel wäre aller Hexenglaube, wäre die Bulle von Innozenz VIII. und ähnliches durchaus wirkungslos gewesen.

Die teuflische Wirksamkeit der Folter wurde aber durch die eigentümliche Einrichtung und Behandlung des Hexenprozesses noch gesteigert. Die bestehenden Grundsätze hatten nämlich über den Gebrauch der Folter im gewöhnlichen Kriminalprozeß gewisse Schranken aufgerichtet; für den Hexenprozeß waren diese jedoch nicht vorhanden. Somit war der Angeschuldigte im Hexenprozesse völlig schutzlos; der Richter hatte bezüglich der Anwendung der Tortur völlig freie Hand und konnte die Angeschuldigten martern, bis sie das Geständnis ihrer Schuld ablegten.

Hiermit aber begnügte sich der Richter nicht.

War das Geständnis der eigenen Schuld abgelegt, so hörte der Hexenrichter nicht auf, sein Schlachtopfer zu foltern, bis die Zermarterte beliebige andere lebende Personen als Hexen genannt hatte. So verfehlte die Anwendung der Folter nicht allein, von den seltensten Ausnahmefällen abgesehen, niemals ihres unmittelbaren Zweckes, – indem die Angeschuldigte regelmäßig sich durch ihr eigenes Geständnis als Hexe erwies, – sondern sie führte von jedem einzelnen Hexenprozesse zu neuen Hexenverfolgungen.

Erwägt man nun, daß die im Hexenhammer vorgeschriebene Ordnung der Hexenprozesse recht dazu angetan war, auch die Geldgier und andere Leidenschaften aufzustacheln, so begreift es sich, daß die Hexenverfolgung wie eine Seuche sich über die Lande verbreiten und jahrhundertelang wüten konnte.

siehe Bildunterschrift

Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim


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