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Mit dem Schlusse des vierzehnten Jahrhunderts bereitet sich eine Veränderung der Dinge vor. Von Wichtigkeit war es, daß der Hexenprozeß durch Beschluß des Pariser Parlaments im Jahre 1390 dem geistlichen Richter abgenommen und dem weltlichen zugewiesen wurde Bodin, Daemonomania, p. 377.. Wenngleich dadurch nicht jeder Anspruch der Inquisition auf ein einmal geübtes Recht verstummte, so sah sie sich doch von der Ausübung ausgeschlossen, und die geistliche Wirksamkeit war wieder auf einen andern Weg gewiesen. Unter dem Vorsitz Johann Gersons, des Kanzlers der Universität, gab am 19. September 1398 die Sorbonne ein Gutachten ab, in dessen 28 Artikeln sie die Verbreitung magisch-astrologischen Unwesens beklagt und als Irrtum verdammte. Sie behauptet hierin ebensosehr die Realität der magischen Wirkungen, wie sie jeden Versuch der Magie, sich durch Anschmiegen an die christlichen Kultusformen den Anschein einer erlaubten Herrschaft über die Geisterwelt zu geben, entschieden zurückweist. Weder Bilder noch andere Zaubermittel haben durch sich selbst oder durch Weihungszeremonien ihre Kraft, sondern alles beruht auf einem ausdrücklichen oder stillschweigenden Bündnisse mit den Dämonen, die sich durch Zeremoniell und Sprüche niemals in Wirklichkeit zwingen lassen, wohl aber sich bisweilen so stellen, um die Menschen zu berücken.
Wie sehr magische Übungen insbesondere zum Zwecke der Heilung damals in Frankreich verbreitet gewesen sein müssen, erhellt auch aus einer Schrift des Kanzlers Gerson († 1429). Er ist unzufrieden mit den kirchlichen Heilungen durch Wallfahrten, Weihwasser, geweihtes Wachs usw. und betrachtet sie als alte, nur nicht leicht auszurottende Mißbräuche De erroribus circa artem magicam. Hansen, Quellen, S. 86.. Die menschliche Ungeduld aber, wenn diese Mittel fehlschlagen, führt zur Anwendung der eigentlichen Magie. Sie sollen fest sein im Glauben wie Philipp von Frankreich, der einst ein Wachsbild, an dessen Schmelzen ein Zauberspruch den Tod des Königs gebunden haben sollte, selbst ins Feuer warf mit den Worten: Wir wollen sehen, ob der Teufel mächtiger ist, mich zu verderben, oder Gott, mich zu erhalten!
Mit den Hinrichtungen wollte es von jener Zeit an in Frankreich nicht mehr recht gehen. Wo von zauberischen Tötungen und Beschädigungen die Rede war – und es mögen zuweilen wirkliche Vergiftungen für Zauberei gegolten haben – da machten jetzt die Parlamente ihre Rechte geltend Lamothe-Langon, Tome III. pag. 295., und die Verfolgung angeblich häretischer Greuel mußte sich gelähmt fühlen, seitdem das große römische Schisma die ganze katholische Christenheit mit dem Banne geschlagen hatte, zur Hälfte von Rom aus, zur Hälfte von Avignon.
So geriet die französische Inquisition in allmählichen Verfall, und in gleichem Maße minderten sich die Hexenprozesse. Die Synode von Langres (1404) suchte wieder auf dem Wege der Belehrung und der Disziplin zu wirken; sie stellt die Wahrsagungen als Betrügereien gewinnsüchtiger Menschen dar, verbietet magische Heilungen als unchristlich und arbeitet insbesondere dem Glauben entgegen, daß ein Mensch, der sich dem Teufel ergeben, nicht durch Reue und Buße aus dessen Klauen gerettet werden könne. Hinsichtlich der Büßungen sind die Bestimmungen des Konzils sehr mild Raynald, ad. ann. 1404.. Dreizehn Personen, die 1406 vor dem Tribunale von Toulouse standen, wurden nur zu Geldstrafen, Pilgerschaften, Fasten und andern guten Werken verurteilt. Bald darauf aber wurde der Inquisitor der Unterschlagung konfiszierter Güter angeklagt, und Karl VI. ließ ihm seine Einkünfte zurückbehalten Lamothe-Langon, III. p. 299..
Der politische Justizmord an der Jungfrau von Orleans Hansen, Quellen, S. 456. Lea, III., S. 338 ff. Probst, Der Prozeß der Jungfrau von Orleans, Basel 1895. bietet nur einzelne Momente dar, die sich auf das Zauberwesen beziehen. Als Jeanne d'Arc vom englischen Hofe an den Bischof von Beauvais zur Untersuchung abgegeben war, zog dieser den Bruder Magistri, Vikar des abwesenden Generalinquisitors, hinzu und erklärte sie für angeklagt und verrufen wegen mehrerer Anrufungen der Teufel und anderer Übeltaten. Johanna verteidigte sich mit Mut und Geistesgegenwart, namentlich auch hinsichtlich des ihr vorgehaltenen Umgangs mit den Feen. Am Schlusse der Untersuchung wurde ihr jeder einzelne der sie belastenden Punkte mit dem Ausspruche der Pariser Universität vorgelesen. Über die von der Jungfrau vorgegebenen Erscheinungen der Engel und Heiligen sagt das Gutachten, daß diese Offenbarungen von bösen Geistern ausgegangen, die ihnen erwiesene Ehrerbietung aber, wenn sie eingestanden werde, als Götzendienst, Teufelsanrufung und Irrglaube zu strafen sei; das Tragen der Männerkleidung wird für Übertretung des göttlichen Gesetzes und heidnisch erklärt. Der Kanzler Gerson hatte ein Separatvotum beigelegt, worin er darzutun suchte, daß Johannas Taten von Gott, nicht von bösen Geistern stammten. – Hierauf las man der Jungfrau einen Revers vor, durch den sie einfach das Tragen weiblicher Kleidung versprechen sollte, schob aber dann eine Abschwörung, worin sie sich aller ihr gemachten Vorwürfe schuldig bekannte, zur Unterzeichnung unter und verlas hierauf das Endurteil, das auf ewiges Gefängnis (avec pain de douleur et autre tristesse) lautete. – Durch unmenschliche Schikane nötigte man sie im Kerker, anstatt des ihr weggenommenen Frauengewandes ein Mannskleid anzulegen, und verbrannte sie dann als Rückfällige Denifle-Chatelain, Chartularium universitatis Parisiensis, IV., 1897, Nr. 2369 ff..
Einem deutschen Schriftsteller zufolge traten gleichzeitig in der Nähe von Paris zwei Weiber auf, die von Gott gesendet zu sein vorgaben, um der Jungfrau beizustehen. Vor den Inquisitor von Frankreich gestellt, kam die eine zu der Überzeugung, daß sie vom bösen Geiste betrogen sei, und schwur ab; die andere aber beharrte und wurde verbrannt Nider, Formicar. im Mall Malefic. ed Francof. 1592 Tom. I. pag. 757.. 1432 wurden in Toulouse vierundzwanzig Personen »accusées d'hérésie et de pratiques superstitieuses« auf Grund von Inquisitions-Urteilen verbrannt Hansen, Quellen, S. 456.. 1430-1458 finden in der Dauphiné und Umgebung starke Ketzer- und Hexenverfolgungen durch Franziskaner als Inquisitoren statt Hansen, Quellen, S. 459-466.. Am 25. Oktober 1440 wird in Nantes das Ungeheuer Gilles de Rais, das Urbild des Blaubarts erst gehängt und dann verbrannt. Er war kein Hexenmeister und Ketzer, als der er verurteilt wurde, wohl aber ein Sadist, der zahlreiche Kinder, »hundert, zweihundert und mehr«, heißt es im Urteil, vielleicht aber die drei- und vierfache Zahl, hinschlachtete, um sich an den Todesqualen seiner Opfer zu berauschen Dr. Otto Krack, Das Urbild des Blaubarts, Berlin o. J., ein würdiges Seitenstück zu jener blutdürstigen Bestie, der ungarischen Blutgräfin, Elisabeth Báthory; die Zahl ihrer Opfer schwankt zwischen 51 und 650 R. A. v. Elsberg, Die Blutgräfin, Breslau 1894. S. 179 ff.!
In Bern waren bereits um 1400 männliche und weibliche Zauberer von dem weltlichen Gericht verbrannt worden. So erzählt der schwäbische Dominikaner Johannes Nider Hansen, Quellen, S. 88. K. Schieler, Mag. Joh. Nider, Mainz 1885., der um die Zeit des Baseler Konziliums durch seinen »Formicarius« in der Form eines belehrenden Dialogs auch Deutschland in die Mysterien des Hexenprozesses einzuweihen suchte. Nider, zuerst Professor der Theologie zu Wien, dann Prior des Predigerklosters in Nürnberg, war einer der gefeiertsten Kanzelredner seiner Zeit, ein eifriger Reformator der Klöster seines Ordens, daneben ein Hauptvertreter des kirchlichen Aberglaubens. Im Formicarius bietet er eine Sammlung der wüstesten Gespenster- und Hexengeschichten, oft unter Berufung auf analoge Erzählungen der Heiligenlegenden Riezler, S. 56 ff.. Nider, obgleich selbst Inquisitor, beruft sich nicht ein einziges Mal auf eigene Amtserfahrungen, sondern immer nur auf fremde, zum Teil französische Quellen hinsichtlich des Tatsächlichen. Ein weltlicher Richter zu Bern, Peter von Greyerz, um 1400 Hexenvertilger im Simmental Dr. Paul Schweizer, Zürcher Taschenbuch 1902, S. 13. Hansen, Quellen, 523, 91 ff. Hansen, Zauberw., 437., und ein ehemaliger Inquisitor zu Autun liefern ihm die Hauptbelege zu den theoretischen Meinungen, die er auf die Autorität seiner Kollegen, der Baseler Theologen, und der älteren Scholastiker baut. Andere Belehrungen verdankt er der freiwilligen Mitteilung eines bekehrten Nekromanten. Nach der späteren Praxis wäre dieser unfehlbar dem Scheiterhaufen verfallen gewesen; damals aber durfte der Verfasser noch offen erzählen, daß sein Gewährsmann, nachdem er sich von der Zauberei losgesagt, Benediktiner geworden sei und als Prior des Schottenklosters zu Wien in Segen und anerkannter Frömmigkeit wirke. Desgleichen entging ein Mädchen zu Köln, das die Rolle der Jungfrau von Orleans spielte und in dem Streit um die Trierische Kurwürde die Partei des einen Kompetenten ergriff, durch den Schutz des Adels den Klauen des Kölner Inquisitors Heinrich Kalteisen, obgleich sie beschuldigt war, zerrissene Tücher und zerbrochene Gläser durch Zauberei wiederhergestellt zu haben. Verbrennungen kennt Nider nur in Bern. Nichtsdestoweniger stellt seine Schrift fast das vollständige System des Hexenwesens dar. Eine kurze Andeutung der Hauptpunkte wird genügen: Verleugnung der christlichen Religion und der Taufe; Treten des Kreuzes; Paktum mit dem Teufel und Homagium; Versammlungen, wo der Teufel in Menschengestalt erscheint; Luftfahrten; Hagel und Blitz machen; Getreide locken; Pferde aufhalten; Erregen von Haß und unkeuscher Liebe; Verhinderung des Beischlafs und der Konzeption bei Menschen und Tieren durch eine unter die Türschwelle gelegte Eidechse; Verwandlung des eigenen Körpers in Tiergestalt, z. B. in die einer Maus; Tötung der Frucht im Mutterleibe; Salbe aus den Leichnamen gemordeter Kinder, zur Verwandlung gebraucht, – »de liquidiori vero humore flascam vel utrem replemus, de quo is qui potatus fuerit, additis paucis caerimoniis, statim conscius efficitur et magister nostrae sectae« (wie bei den Chorherren von Orleans); Inkuben und Sukkuben, besonders aus Thomas von Aquino bewiesen. So wird berichtet, daß Scharen von Sukkuben unter der Maske von Huren sich auf dem Konzil zu Konstanz einfanden und viel Geld verdienten. – Der an das Bett eines von einem Inkubus verfolgten Mädchens gesteckte Stab des hl. Bernhard verbietet dem Dämon den Eintritt in das Gemach. Die Zauberer erscheinen bei ihm als eine Sekte mit ruchlosem Kult, gegen deren gemeingefährliches Wirken es keine andere Hilfe gibt, als den Glauben und das Zeremoniell der katholischen Kirche. Dem Richter aber, der gegen solche Frevler verfahren will, wird die beruhigende Versicherung gegeben, daß Hexenmacht gegen die Obrigkeit nichts vermag Janssen, VIII., S. 548 ff. Riezler, 56 ff. Hansen, S. 437 ff..
Durch solche Lehren bahnte Nider seinen Kollegen, den Inquisitoren, den Weg zur allmählichen Erweiterung ihrer bisher auf deutschem Boden so sehr beschränkten Macht. Er ist lange Zeit eine Autorität geblieben, bis die Sache beinahe von selbst ging. Gleichzeitig (1437) erließ Papst Eugen IV. ein Umschreiben an sämtliche Inquisitoren, in dem er zu strengster Verfolgung der Zauberei auffordert Hansen, Quellen, S. 17, Nr. 27.. Er geht hierin zwar nicht in allen Punkten so weit wie Nider – namentlich gedenkt er der Inkuben und Sukkuben nicht – doch kennt er die Teufelsanbetung, das Homagium, das Chirographum und die Kraft der Zauberer, unter Anrufung der Dämonen durch Worte, Berührung, Zeichen und Bilder Krankheiten hervorzurufen und zu heilen, Gewitter zu machen und Wahrsagungen zu erteilen, wozu man auch die Hostie, die Taufe und das Kreuz mißbrauche. Der Papst ermächtigt die Inquisitoren, summarisch und geräuschlos zu verfahren und nötigenfalls die Schuldigen dem weltlichen Arme zu übergeben. Schließlich erweitert er diese Befugnis auch für diejenigen Diözesen, die durch frühere päpstliche Privilegien und Indulte von der delegierten Inquisition befreit waren, und gestattet dem Inquisitor, über die Grenzen seines Gerichtssprengels hinauszugreifen. Unter dem 17. Juli 1445 wiederholt der Papst diesen Erlaß dem in Carcassonne tätigen Inquisitor aus dem Dominikanerorden.
Diese Verfügungen blieben für Deutschland nicht ohne Wirkung.
In Frankreich dagegen müssen Eugens Worte nicht viel gefruchtet haben; denn schon 1451 fand es Nikolaus V. nötig, eine noch weit volltönendere Vollmacht für den Oberinquisitor des Königreichs, Hugo Lenoir, auszufertigen. Um alle Kompetenzzweifel abzuschneiden, wird dieser ausdrücklich ermächtigt, gegen alle Lästerer Gottes und der heiligen Jungfrau, so wie gegen alle Zauberer, auch wenn sie nicht ketzerischen Charakter verraten, in jeder geeignet erscheinenden Form, selbst mit gänzlicher Übergehung des Diözesanbischofs, zu verfahren und alle, die gegen diese Verfügung reden, als Rebellen zu bestrafen Raynald, ad ann. 1451. Hansen, Quellen, S. 19..
Zwei Jahre nach dem Erlaß der obigen Bulle fiel ein aufgeklärter Geistlicher als Opfer seiner Freimütigkeit. Wilhelm Adeline, Doktor der Theologie, früher Professor an der Universität Paris und Prior zu St. Germain en Laye, hatte von der Kanzel herab sich gegen den Glauben an die Wirklichkeit der Hexenfahrten ausgesprochen. Dafür sehen wir ihn den 12. September 1453 in der bischöflichen Kapelle zu Evreux vor dem geistlichen Gericht fußfällig und weinend bekennen: wie er selbst wirklich und körperlich mit andern den Satan in Bocksgestalt verehrt, den Glauben und das Kreuz verleugnet habe und von dem Teufel angestiftet worden sei, in seinen Predigten zur Mehrung des satanischen Reichs und zur Beschwichtigung des Volkes die Zaubersekte für ein Ding der Einbildung zu erklären. Er schwur ab Jaquerii, Flagellum haeret. fasc. cap. 4. Hansen, Quellen, 467 ff., Zauberwahn, 422 ff. und wanderte dafür nun auch nicht zum Holzstoße, sondern bloß in den Kerker auf Lebenszeit; denn er hatte, wie ein Gleichzeitiger versichert, sein Verbrechen freiwillig gestanden – ungefähr so, wie zweihundert Jahre nach ihm Galilei das seinige. Er starb nach vier Jahren im Gefängnis.
Indessen war Adelines Stimme nur eine von den vielen gewesen, die sich in Frankreich für die Sache der Vernunft erhoben. Der Dominikaner Nikolaus Jaquier, Inquisitor von Nordfrankreich, der im Jahre 1458 sein Flagellum haereticorum fascinariorum schrieb Francofurti ad. M. 1581. Hansen, Quellen, S. 133 ff., erklärt in der Vorrede, er tue dies notgedrungen wegen der häufigen, der Amtsführung des Inquisitors entgegentretenden Schwierigkeiten, und klagt darüber, daß sehr viele Menschen, gestützt auf gewisse verkehrte Ansichten, zum großen Nachteil des katholischen Glaubens sich der Zauberer annehmen. Man versichere, daß der Teufelssabbat mit allen seinen Greueln nur eine Täuschung der Träumenden sei, und berufe sich deshalb sehr ungeeigneterweise auf den Kanon Episcopi; ja man finde es unglaublich und mit der Allgütigkeit Gottes unvereinbar, daß den Dämonen eine so große Macht zum Schaden der Menschen verliehen sein sollte.
Hiernach begreift es sich von selbst, daß ein guter Teil der Schrift der Beseitigung des Kanons Episcopi gewidmet ist. Es wird geltend gemacht, daß dieser Kanon 1. nur von einer Partikularsynode herrühre, 2. eine falsche Argumentation enthalte und 3. von Fällen handle, die ihre Wahrheit haben können, ohne daß darum die durch neuere Erfahrungen bestätigte körperliche Ausfahrt der Hexen unwahr werde. Hierbei ist nun freilich dem Verfasser selbst die Inkonsequenz begegnet, daß er die Diana und Herodias nur als nichtige poetische Fiktionen behandelt, während er doch etwas später den Neptun als wirklichen Dämon aufführt. Aus Scholastikern, Legenden und Bekenntnissen von Inquisiten wird sodann die Realität der Zauberei in allen ihren Zweigen erwiesen. Mit Jaquiers Schrift kann das System der Hexerei als abgeschlossen betrachtet werden. Spätere haben nichts wesentlich Neues hinzugefügt, sondern nur modifiziert, weiter ausgeführt und subtiler begründet.
Folgende Stellen werden die Grundzüge des Ganzen hervortreten lassen. »Die Handlungen und Zusammenkünfte dieser Zaubersekte sind nicht Täuschungen der Phantasie, sondern verwerfliche, aber wirkliche und körperliche Handlungen Wachender. Es ist ein feiner Kunstgriff des Teufels, daß er den Glauben zu verbreiten sucht, als gehörten die Hexenfahrten nur ins Reich der Träume. – In der Sekte oder Synagoge dieser Zauberer erscheinen nicht bloß Weiber und Männer, sondern, was schlimmer ist, sogar Geistliche und Mönche, die dastehen und mit den sinnlich wahrnehmbar in mancherlei Gestalt erscheinenden Dämonen reden, sich von ihnen mit eigenen Namen benennen lassen und sie, unter Verleugnung Gottes, des katholischen Glaubens und seiner Mysterien, mit Opfern, Kniebeugungen und Küssen als Herren und Meister anbeten. Dafür versprechen die Dämonen Schutz und Hilfe, erscheinen auf den Ruf der Zauberer auch außer der Synagoge, um ihre Wünsche zu erfüllen, und geben ihnen »Venefizien« und Stoffe, um Zaubereien zu vollbringen. – Dies Verhältnis beruht auf einem Vertrage und Bund mit den Dämonen. Ein Bezwingen der Dämonen durch Nekromantie ist nicht möglich, nur göttliche Kraft, wie sie dem Diener der Kirche verliehen, ist ihnen gewachsen. – Die Zauberer bewirken Krankheiten, Wahnsinn, Tod von Menschen und Tieren, Unglück im ehelichen Leben, Verderben der Feldfrüchte und anderer Güter. – In den Versammlungen, die meist am Donnerstag stattfinden, wird das Kreuz bespien und getreten, besonders zur Osterzeit eine geweihte Hostie geschändet und dem Teufel geopfert und fleischliche Vermischung mit den bösen Geistern getrieben. Keiner darf das Zeichen des Kreuzes machen, sonst verschwindet im Augenblick die ganze Gesellschaft, woraus ein Beweis für die Vortrefflichkeit des den Dämonen so verhaßten katholischen Glaubens genommen wird. Jedem Zauberer wird ein unvertilgbares Zeichen, das stigma diabolicum, aufgedrückt.«
Merkwürdig ist die Argumentation, durch die Jaquier die Gültigkeit eines gerichtlichen Vorschreitens auf Grund des Zeugnisses angeblicher Komplizen dartut. Man hatte nämlich geltend gemacht, daß ein beim Hexensabbat Anwesender gar nicht mit Gewißheit behaupten könne, diese oder jene bestimmte Person dort gesehen zu haben, weil es möglich sei, daß der Teufel nur ein Trugbild in der Gestalt jener Person habe erscheinen lassen. Wollte man diese Ausrede gelten lassen, so würde, wie Jaquier sehr richtig meint, dem Inquisitor der Weg zur Verfolgung der Hexensekte sehr bald verschlossen sein. Um diesem zu begegnen, gibt er folgende Anweisung: »Sagt der von Mitschuldigen Angeklagte, der Teufel habe nur sein Scheinbild vorgeführt, so antworte man ihm, daß der Teufel dies nicht ohne die Erlaubnis Gottes habe tun können. Behauptet der Angeklagte weiter, daß Gott diese Erlaubnis gegeben habe, so erwidere man ihm, daß der Behauptende dem Richter genügende Beweise deshalb beizubringen habe; tut er dies nicht, so ist ihm kein Glauben beizumessen, weil er nicht dem Rate Gottes beigewohnt hat. Denn so wie der Prokurator des Glaubens die Malefizien zu beweisen hat, die er dem Angeklagten zur Last legt, so liegt auch dem Angeklagten der Beweis dessen ob, was er zu seiner Verteidigung anführt.«
Am Schlusse führt Jaquier den Satz durch, daß die Zauberer, auch wenn sie bereuen, nicht wieder in den Schoß der Kirche aufzunehmen, sondern dem weltlichen Arme zu übergeben seien. Denn bei ihnen gehe alles aus bösem Willen, nichts aus Irrtum hervor, und sowohl ihre abscheuliche Ketzerei an sich, als die mit ihr verbundenen Verbrechen, Mord, Sodomie, Apostasie und Idololaterie verlangen die strengste Bestrafung. Um aber vollkommen sicher zu gehen, behauptet der Verfasser, daß selbst, wenn man auch die Realität der Hexenfahrten als unerweislich ansehen wollte, dennoch die Mitglieder der Zaubersekte sich der Ketzerei schuldig machen, sofern sie im Wachen tun, was ihnen der Satan im Traume befohlen hat. z. B. sie unterlassen, die göttlichen Mysterien zu verehren, und beichten nicht, was ihnen begegnet ist.
Ein Jahr später als Jaquier schrieb der Beichtvater des Königs Johann von Kastilien, Alphonsus de Spina, ein getaufter Jude, geboren etwa 1420, sein Fortalitium fidei Fortalitium fidei contra Judaeos, Saracenos aliosque christianae fidei inimicos. Edit. Norimberg. 1485. – Hansen, Quellen, 145 ff.. Das fünfte Buch handelt von der Dämonologie und Zauberei. Der Verfasser kennt die gewöhnliche Theorie der Inkuben und Sukkuben und der Erzeugung menschlicher Wesen durch ihre Vermittlung; den Hexenflug aber erklärt er unter ausdrücklicher Anführung der Worte des Kanons Episcopi für ein Blendwerk des Teufels, ohne indessen die Weiber, die derartiges an sich erfahren, von Schuld und Strafe freizusprechen.
Pierre le Broussart Jacques du Clercq, im 39. Band der Kollektion des Chroniques nationales françaises von J. A. Buchon. Hansen, Quellen, S. 149 ff. 413, 475 ff. Riezler, S. 322 ff. Hansen, Zauberwahn, S. 423. Lea, III. Bd. 519 ff., Dominikaner und Inquisitor zu Arras, ließ 1459 während der Abwesenheit des dortigen Bischofs ein Weib von Douay, namens Deniselle, verhaften. Sie war von dem Eremiten Robinet de Vaux, den man kurz vorher zu Langres als Waldenser verbrannt hatte, als Mitschuldige bezeichnet worden. Die Geistlichen des Bischofes schritten zum Verhöre. Deniselle gestand auf der Folter, daß sie auf der Waldenserei (vauderie) gewesen und dort verschiedene Personen gesehen habe, unter diesen Jean Lavite, genannt Abbé de peu de sens. Demzufolge wird auch dieser eingezogen und gefoltert; er gesteht und veranlaßt seinerseits wiederum Verhaftungen von Vornehmen und Geringen, Geistlichen und Weltlichen, so daß sich die Sache immer weiter verzweigt. Viele Stimmen erheben sich jetzt für die Niederschlagung des Prozesses; aber der Franziskaner Johann, Bischof von Barut und Suffragan von Arras besteht auf der Fortsetzung – man sendet den Theologen zu Cambray die Akten zu, und diese bestimmen, daß die Angeklagten, wenn sie Widerruf tun, nicht am Leben zu strafen seien. Gegen diesen milderen Spruch erheben sich der Kanonikus Dubois und Johann.
Vor einer zahlreich versammelten Volksmenge schritt man zum Gerichte; die Angeklagten standen auf einem hohen Gerüste, Mützen auf dem Kopfe, auf denen die Anbetung des Teufels gemalt war. Broussart erklärte, daß sie der Waldenserei schuldig seien, und beschrieb die Einzelheiten ihres Verbrechens. Sie ritten, hieß es in der Anklage, auf gesalbten Stöcken durch die Luft zur Vauderie, speisten da, huldigten dem als Bock, Hund, Affe oder Mensch erscheinenden Teufel durch den bekannten obszönen Kuß und durch Opfer, beteten ihn an und ergäben ihm ihre Seelen, träten das Kreuz, spien darauf und verhöhnten Gott und Christus; nach der Mahlzeit trieben sie untereinander und mit dem Teufel, der bald die Gestalt eines Mannes, bald die eines Weibes annehme, die abscheulichste Unzucht. Der Inquisitor setzte hinzu, daß die zum Fliegen dienende Salbe aus einer mit geweihten Hostien gefütterten Kröte, gepulverten Knochen eines Gehängten, dem Blute kleiner Kinder und einigen Kräutern zubereitet sei. Der Teufel predigte in den Versammlungen, verbiete die Messe zu hören, zu beichten und sich mit Weihwasser zu besprengen; er befehle, wenn man seiner persönlichen Sicherheit wegen das eine oder das andere zum Schein zu tun genötigt wäre, vorher immer zu sagen: Ne déplaise à notre maître.
Nach dem Vortrage fragte der Inquisitor jeden einzelnen, ob dies nicht alles wahr sei? Alle bejahten. Hierauf wurden die Angeklagten dem weltlichen Arm überliefert, ihre Liegenschaften dem Landesherrn und ihre bewegliche Habe dem Bischof zugesprochen. In Verzweiflung schrien jetzt die Verurteilten: man habe sie betrogen; es sei ihnen, wenn sie gestünden, eine leichte Pilgerfahrt, wenn sie leugneten, der Tod angesagt worden, die Folter habe das übrige getan; sie hätten niemals an der Vauderie teilgenommen und wüßten nicht, was das wäre. – Sechs dieser Personen starben 1460 unter Beteuerung ihrer Unschuld auf dem Scheiterhaufen.
Auf die Angabe der zu Arras Hingerichteten wurden bald darauf mehrere Personen in Amiens wegen der Vauderie verhaftet. Doch der Bischof von Amiens ließ sie alsbald wieder frei und erklärte, daß er es ebenso mit allen anderen, die man ihm noch zuführen sollte, machen würde, weil er das, was man ihnen vorwürfe, für unwahr und unmöglich hielte. Ebenso in Tournay, wo ein von dem Theologen und Rektor der Kölner Universität Jean Taincture (Tinctoris, 1400-1469) Hansen, Quellen, S. 183. verfaßter Traktat die Folge hatte, daß alle Verhafteten die Freiheit erhielten.
Mittlerweile lieferte ein zweites Autodafé zu Arras drei Männer und fünf Frauen auf den Holzstoß, die ebenfalls protestierend starben. Es waren reiche Leute unter ihnen. Zwei andere wurden, »weil sie gutwillig gestanden hatten,« nur zum Kerker verurteilt. Gleich darauf gab es neue zahlreiche Verhaftungen, besonders unter Begüterten. Viele Einwohner flohen, Arras verlor seinen kaufmännischen Kredit. Die öffentliche Meinung erhob sich laut gegen das Unwesen. Der Herzog Philipp von Burgund, der aus Frankreich schlimme Urteile über die Verfolgung der Reichen hören mußte, rief eine Versammlung von Theologen nach Brüssel, die wenigstens die Einstellung fernerer Verhaftungen bewirkte. Die noch anhängigen Prozesse wurden jedoch zu Ende geführt. Ein Herr von Beaufort, obgleich derselben Vergehungen geständig wie die Verbrannten – aber ohne Folter, wurde zu öffentlicher Geißelung durch den Inquisitor, siebenjährigem Gefängnis und einer Geldbuße von 5000 Goldtalern für den Stock zu Mecheln und außerdem 620 Pfund an verschiedene Kirchen verurteilt; zwei andere traf noch längere Kerkerstrafe; der vierte, ein sehr reicher Mann, der Kinder zur Bereitung der Hexensalbe getötet und Pulver zur Beschädigung von Menschen und Feldfrüchten gemacht haben sollte, wurde, obgleich nicht geständig, verbrannt, und seine Güter wurden eingezogen. Einer von diesen Unglücklichen war fünfzehnmal gefoltert worden. Viele wurden, nachdem sie die kanonische Reinigung geleistet hatten, gänzlich freigesprochen. Indessen mußten alle ohne Ausnahme die Verpflegungskosten und die Gebühren für die Inquisitoren zahlen.
1461 brachten es die Verwandten des eingekerkerten Beaufort dahin, daß die Sache der Waldenser von Arras vor dem Pariser Parlament verhandelt wurde. Hierbei kamen nun alle begangenen Schändlichkeiten zur Sprache: die heuchlerischen Zureden und Versprechungen des Kanonikus Dubois, die Suggestionen, die barbarische Folter. Endlich die Erpressungen der Richter für sich selbst, den Herzog und den Grafen von Etampes. Bei einigen noch laufenden Prozessen schlugen sich der Bischof von Paris und der Erzbischof von Reims ins Mittel. Auch der abwesende Bischof von Arras hatte mittlerweile von Rom aus etliche Freilassungen verfügt.
Dreißig Jahre später, nachdem unterdessen Artois an Frankreich gefallen war, wurde auch dem Andenken und den Erben der Verbrannten Gerechtigkeit zuteil. Ein Spruch des Pariser Parlaments von 1491 kassierte die Urteile von Arras, stellte den ehrlichen Namen der Verurteilten wieder her und legte dem Herzog, dem Bischof und den Richtern außer der Erstattung der Kosten eine namhafte Geldstrafe auf, um daraus eine Messe für die Hingerichteten zu fundieren. Auf königlichen Befehl wurde dies Urteil öffentlich vor dem bischöflichen Palaste zu Arras verlesen und der Tag, an dem dies geschah, für einen Feiertag erklärt.
Bald brach auch in der Dauphiné eine Verfolgung der Waldenser aus. Als der sonst so bigotte Ludwig XI. dem schamlosen Unwesen der Inquisitoren auf eine für sie nicht sehr ehrenvolle Weise gesteuert hatte, wiederholte bald darauf Innocenz VIII. ganz ähnliche Anklagen gegen die Waldenser Südfrankreichs.
So stand es in den romanischen Landen.
In Deutschland dagegen, wo die Inquisition seit dem Tode Konrads von Marburg nie wieder hatte Boden gewinnen können, war die Lage der Dinge noch in der ersten Hälfte des Jahrhunderts eine günstigere. Hier galt noch immer – wenigstens vorherrschend – der Gedanke, daß Hexerei ein nichtiger Aberglaube sei, den die Kirche ganz ebenso wie die Ausübung sonstigen heidnischen Unwesens nur mit Exkommunikation zu bestrafen habe. Ein von dem Erzbischof Balduin 1310 in der Peterskirche zu Trier versammeltes Provinzialkonzil stellte bezüglich des heidnischen Aberglaubens eine Reihe von Kanons auf, in denen wir folgendes lesen Hefele, Conciliengesch. B. VI., S. 437-438.: 79. Wahrsagerei, Sortilegien, die Anwendung von Mitteln zur Erweckung der Liebe etc. werden verboten. 80. Namentlich auch die Sortes sanctorum, apostolorum vel psalterii, wobei man die Bibel zur Erforschung der Zukunft mißbraucht. 81. Kein Weib darf vorgeben, daß sie nachts mit der heidnischen Göttin Diana oder mit der Herodias ausreite. 82. Beim Kräutersammeln darf man keine Zaubersprüche und keine anderen Formeln anwenden als das Vaterunser und das Symbolum. Auch darf man auf die Zettelchen, die getragen werden, nichts anderes schreiben. Besessene dürfen Steine und Kräuter, aber ohne Zaubersprüche, anwenden. Es ist nicht erlaubt, auf die ägyptischen Tage, zwei von den ägyptischen Astrologen als unglücklich bezeichnete Tage jedes Monats, auf Konstellationen und Lunationen (Mondswandlungen), auf die Kalenden des Januars und der übrigen Monate, auf den Lauf der Sonne, des Mondes und der Sterne abergläubisch zu achten, als ob hierin besondere Kraft liege. 83. Es gibt keine Tage und Zeiten, die an sich glücklich oder unglücklich sind, so daß man da irgend etwas beginnen soll oder auch nicht. Auch darf man nicht aus dem Fluge und Geschrei der Vögel oder aus dem Anblick eines Tieres auf Glück oder Unglück schließen. 84. Aus dem Sternzeichen, in dem jemand geboren ist, darf man nicht seine Sitten und Schicksale voraussagen, auch sich nicht nach diesen Zeichen richten, wenn man ein Haus bauen oder eine Ehe schließen will u. dgl.
In gleichem Sinne dekretierte ein im Jahr 1349 zu Prag versammeltes Provinzialkonzil, daß alles Zauberwerk purer Aberglaube und darum mit Exkommunikation zu bestrafen sei. Dieselbe Bestrafung war übrigens 1296 von einem italienischen Provinzialkonzil zu Grado und später (1335) auch von einer spanischen Synode zu Salamanka Hefele, B. VI., S. 335 u. 561. angeordnet worden.
Hinrichtungen wegen Zauberei finden wir in Deutschland erst um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts; doch kamen sie damals nur noch ganz vereinzelt vor. Wie 1446 etliche Frauen zu Heidelberg und Thalheim auf Grund von Urteilen der Ketzerinquisition verbrannt wurden, überliefert Dr. Johann Hartlieb aus Neuburg an der Donau, Rat und Leibarzt des Herzogs Albrecht III. von Bayern und später seines Sohnes Sigmund. Im folgenden Jahre, als man ein anderes Weib, das als die Lehrmeisterin der Hingerichteten galt, eingezogen hatte, erwirkte sich Hartlieb bei dem Pfalzgrafen die Erlaubnis, die Gefangene in Gegenwart des Inquisitors über die Kunst, Regen und Hagel zu machen, befragen zu dürfen. Als er jedoch vernahm, daß diese Kunst nicht erlernt werden könnte, ohne Gott, die Heiligen und die Sakramente zu verleugnen und sich drei Teufeln zu ergeben, stand er davon ab. Das Weib wurde verbrannt. Auch diese Tatsachen teilt Hartlieb in seinem 1456 verfaßten, »Buch aller verbotenen Kunst, Unglaubens und der Zauberei« mit, das »den besten und einen überraschenden Einblick in die Fülle und Mannigfaltigkeit des damals herrschenden Aberglaubens« gewährt Riezler, S. 64 ff., Oefele, Deutsche Biographie, X. 670 ff.. Einen Auszug daraus geben Riezler Riezler, S. 326 ff. und Hansen Hansen, Quellen, S. 130 ff.. Ein Kompendium des Volksaberglaubens um die Wende des fünfzehnten Jahrhunderts bieten die »Pluemen der Tugent« des Tiroler Dichters Hans von Vintler. Vintler trägt in nahezu tausend Versen alle Formen des Aberglaubens zusammen, die in Tirol im Schwange waren und von denen manche noch heute in anderen Gegenden fortbestehen. Der Dichter selbst nimmt gegenüber dem Hexenwahn eine wenigstens teilweise aufgeklärte Stellung ein. Er glaubt weder an die Realität der Hexenfahrten noch überhaupt an zauberische Künste alter Weiber. »Die solche Dinge glauben, sind der Wahrheit fern Riezler, S. 18 ff..« Hingegen glaubte er († 1419), der Richter auf dem Ritten bei Bozen, fest an Teufelsbündnisse.
Als im Triptis 1433 der schnell schmelzende Schnee die Felder verdarb und Überschwemmungen hervorrief, schrieb man die Schuld den Juden, Tataren, Zauberern, Hexen, Scharfrichtern und Abdeckern zu, an denen das Volk seine Wut ausließ J. Barthel, Triptiser Chronik, Triptis o. J., S. 29..
In Hamburg wurde nach den Kammerrechnungen der Stadt von 1444 in diesem Jahre eine Mulier divinatrix und eine andere Incantatrix verbrannt. Auch aus dem Jahre 1458 wird die Verbrennung eines Weibes erwähnt. Die nächstfolgende derartige Hinrichtung kam erst 1482 vor. Damals hatte eine Bauersfrau in dem Hamburgischen Dorfe Harvestehude, um ihren Kohl im Garten zu besserem Gedeihen zu bringen, eine Hostie in ihrem Garten unter einem Kohlstrauch vergraben. Die Sache wurde ruchbar, und die Geistlichen des im Orte befindlichen Klosters fanden bei Vornahme einer feierlichen Nachgrabung, daß die Wurzel dieses Strauches wie ein Kruzifix geformt war. Das Weib wurde mit dem Tode bestraft Trummer, Vorträge, S. 108-110. Dr. O. Beneke, Hamburger Geschichten und Sagen. Berlin 1888. S. 153 ff..
In Frankfurt a. M. ließ 1471 der Rat ein zauberisches Weib stäupen, das unter anderem in einem Spiegel gestohlene Sachen erkannte Hansen, Quellen, 579.. 1486 wurde ein Gaukler, der sein Glück auf den Messen versuchte, als der Zauberei schuldig, im Main ertränkt Kirchner, Geschichte der Stadt Frankfurt. Frankfurt 1807. T. I., S. 504.. Der Henker Diepolt Hartmann von Miltenberg gibt in einem Verhör am 14. Februar 1494 vor dem Frankfurter städtischen Gericht seine Erfahrungen, die er 1492-1494 an etwa dreißig Zauberinnen gemacht, zum besten. Über die Bereitung eines Zaubermittels sagt er: »Item sie nemen die crucifix in den wegen und verpfrennen es zu pulfer und des unschuldig kindlins beyn auch zu pulvermele am Gründornstag gemalen und wasser, daruß machen sie eyn deigk und lassen eyn messe daruber lesen uff eyn Gründornstag, domit bezaubern sie die mentzschen Hansen, Quellen, S. 594..«
In den Ratsprotokollen von Mainz finden sich aus den Jahren 1505-1511 Zeugenverhöre über Hexen, die auf Grund müßigen Klatsches in Untersuchung gezogen worden waren. Zwei »Hexen«, sittlich durchaus verkommene, zur Vergiftung des Junkers Hans Röder zu Tiersperg und seines Töchterleins gedungene Vetteln, »bekannten« auf nicht weniger als fünf Teufeln, mit denen sie zu schaffen gehabt hätten. Sie brachten die Neuigkeit vor, auf eine ihrer Fahrten sei jede von ihnen »auf ihrem Teufel geritten«. Vom Schöffengericht zu Tiersperg verurteilt, wurden sie am 29. August 1486 hingerichtet.
»Item uff montag darnach (13. August 1509) verbrante man drei böse wiber zauberische zu Pfeddersheim seßhaft, hatten viel bös zauberei und wetter gemacht und vollnpracht lut irer erkantnus«, schrieb der Wormser Chronist Reinhart Noltz in sein Tagebuch Boos, Wormser Urkundenbuch, III, 542; bei Hansen, Quellen, 600..
In Pforzheim standen 1491 zwei Hexen vor ihren Richtern J. G. F. Pflüger, Geschichte der Stadt Pforzheim. Pforzheim 1861. S. 211.. Weitere Prozesse spielten sich 1524, 1531 und 1533 ab. In Erfingen bei Pforzheim stand eine Hebamme in so schwerem Verdacht der Hexerei, daß in ihrem Beisein kein Pfarrer ein Kind mehr taufen wollte Ebenda, S. 212..
In Hildesheim hieb man 1496 zwei »boven« die Köpfe ab, denn ihre Besitzer konnten durch ihre teuflische Kunst »alle frauwen und jungfrauwen to falle bringen« Hansen, Quellen, S. 595, Nr. 173..
1504 wurden in dem pfälzischen Bretten mehrere Unholde eingeäschert Hansen, ebda. S. 598.. Die vor Bretten liegenden württembergischen Söldner beschuldigten sie, ein Hagelwetter gemacht und die Leute in Angst versetzt zu haben. Es seien noch mehr Unholde als die verbrannten in dem Ort: »Das ist aber nit wahr«, erklärt der Chronist jenes Vorfalles, der Schultheiß Georg Schwarzerdt, Melanchthons Bruder Vierordt, Geschichte der evangelischen Kirche im Großherzogtum Baden. Karlsruhe 1847. II., 121..
In Osnabrück fand während der ganzen ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nur eine einzige Hexenverbrennung im Jahre 1501 statt Janssen, VIII., 593.. Um dieselbe Zeit mußte in Braunschweig ein Weib wegen Milchzaubers auf den Scheiterhaufen Hansen, Quellen, S. 597.. In Koblenz schwor am 22. September 1494 Gerdt Junkeren von Moselweiß, die wegen Zauberei ins Gefängnis gekommen, aber wieder entlassen worden war, dem Erzbischof und dem städtischen Rat Urfehde. Am 9. Oktober 1500 wird in Horchheim in der Nähe von Koblenz eine Frau verbrannt und eine andere in Untersuchung gezogen Ebda. 595-597..
In Köln fing das Hexentreiben fast fünf Dezennien früher an. Im August 1456 fällt das städtische Gericht das Todesurteil über zwei Hexen; die eine davon ist eine Metzer Bürgerin Ebda. S. 566, Nr. 84.. Im April 1483 ließ der Gewölbmeister Frank Wartz zu Köln eine alte Frau, die er der Zauberei verdächtigte, scheren und zu Tode peinigen, um einen auf ihn gefallenen Verdacht auf diese abzuwälzen Ebda. S. 583.. 1487 gesteht von zwei Mörderinnen, Mutter und Tochter, die letzte, daß ihre Mutter auch Zauberei getrieben habe Chroniken der niederrhein. Städte: Köln, Bd. 14; Leipzig 1877, S. 913.. – 1491 beschuldigt in Hochkirchen bei Düren eine Frau vor ihrem Tode eine andere der Hexerei, die aber trotz der schwersten Folterungen zu keinem Geständnis gebracht werden kann Hansen, Quellen, S. 588..
Eine lakonische Eintragung in einer handschriftlichen Konstanzer Stadtchronik von 1453 lautet: »Dis jars schlug der Hagel umb Triboldingen (am Untersee) alles, was da was. Die von Constanz viengent sy und den man und ein sun; umb Allerheiligentag ward sy verbrennt und der mann ledig gelassen Ebda. S. 561..« – Ulrich Molitor erzählt einen selbsterlebten Vorfall, der sich in Konstanz zutrug. Dort wurde nach Urteil des weltlichen Gerichts 1458 auf die Beschuldigung eines Mannes ein Malefikus verbrannt, der seinem Ankläger auf einem Wolfe reitend begegnet sein sollte. Der Angeklagte wurde nicht gefoltert, da sich auch andere Zeugen fanden, die von ihm bezaubert zu sein vorgaben. Ein Verteidiger, der ihm zur Seite stand, vermochte ihn nicht vom Scheiterhaufen zu retten Ebda. S. 245..
Von Duisburg, Ruhrort und Walsum erzählt die Chronik Johann Wassenberchs zu den Jahren 1513 und 1514, daß »veyl toyferschen gebrant«.
Die erste Aufzeichnung eines sächsischen Prozesses findet sich 1424 in Zwickau, in welchem Jahre eine Frau wegen »czubernisse und duberey« vier Meilen weit aus der Stadt verwiesen wird E. Fabian, in den Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau, IV. Band, ebda. 1894, S. 122 ff.. 1510 wird eine Zauberin wegen ihrer »yrregleubig kunst«, mit der sie viel Böses angerichtet, auch »den hurmeydelin durch ire falsche Art die Frucht abgetrieben«, mit ihren Büchern und Zaubergeräten verbrannt Fabian, ebda. S. 124.. In Konstanz wurde am 1. August 1493 gegen eines Schuhmachers Weib aus Bregenz, »ein unhold«, verhandelt, der im Kerker der Teufel den Hals umdrehte Hansen, Quellen, S. 592, Nr. 165.. Zwei Jahre nachher, am 3. Juli wurde Adelheid von Frauenfeld, die mit einem Teufel namens »Krüttle« zu schaffen gehabt, verbrannt Ebda. S. 595, Nr. 172..
Schon vor dem Auftreten der Inquisitoren leidet Metz stark unter dem Zauberwahn. Vom 22. April bis zum 18. Mai 1456 starben Männer und Frauen wegen Wettermachens auf dem Scheiterhaufen Ebda. S. 565., ebenso im darauffolgenden Jahre Ebda. S. 569, Nr. 91., dann 1481 im Juni und Juli Ebda. 581. Nr. 130. und 1488 Ebda. 586, Nr. 149..
1516 bis 1521 fand in Dinslaken ein Prozeß gegen die Nonne Ulanda Dämerts, auch Ulent Dammertz oder Ulanda Dammars geschrieben, aus dem Kloster Marienbaum bei Kalkar statt. Die Nonne bekannte. Ob sie aber in »vuer und vlammen« starb oder nur zu langem Gefängnis verurteilt wurde, wie verschiedene Chroniken abweichend voneinander erzählen, ist ungewiß Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, I. Bd. Leipzig 1887. S. 403..
In den Niederlanden kamen wohl hier und da im fünfzehnten Jahrhundert Leute zur Anzeige, die mit dem Teufel im Bunde stehen und verderbliche Zauberei (wigchelary) treiben sollten; allein aus der Zeit vor 1472 liegt keine Nachricht über eine deshalb vollzogene Hinrichtung vor. Man bestrafte die Hexen und Zauberer mit Ausstellung auf dem Pranger, Landesverweisung und Geldbußen Hansen, Quellen, S. 527, Nr. 19, 529, Nr. 33, 556, Nr. 70, 576, Nr. 102. Zauberwahn, S. 432.. In den Registern der bischöflichen Stadt Utrecht findet sich zum Jahr 1440 die Eintragung vor, »daß in der Stadt viel Zauberei im Schwange sei und von Männern und Weibern ausgeübt werde, und daß daher der Rat das Zaubern unter Glockenschall habe verbieten lassen, unter Androhung von einjähriger Verbannung aus der Stadt, weil das Zaubern gegen Gottes Wort sei« C. Burman, Utrechtsche Jaarboeken, Bd. I, S. 513.. Erst aus dem Jahr 1472 wird aus Zutphen ein Todesurteil erwähnt, an einer Dienstmagd zu Almen wegen Hexerei vollzogen Scheltema, Geschiedenis der Hecksenprocessen, S. 120. Hansen, Quellen, S. 569..
In der Schweiz treten im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert viele Fälle von Zauberei hervor. Das eigentliche Hexenwesen aber war dem Volke noch fremd, weshalb auch die von den Päpsten im fünfzehnten Jahrhundert angeordnete kriminelle Verfolgung hier nur sporadisch auftrat. Als die Berner in der Mitte des Sommers 1383 vor Olten zogen und das Schloß stürmen wollten, vernahm Graf Eberhard von Kyburg, der sich darin befand, es sei dort eine Frau, »die könne etwas«, womit dem Schloß und den Leuten zu helfen sei. Der Graf ließ sie holen, und nachdem er versprochen, er wolle nichts gegen sie vornehmen und sie auch nicht anzeigen, stellte sie sich neben ihn auf die Zinne und sprach heimlich einige Worte, worauf alsbald eine Wolke über den Berg hereinkam und sich mit einem solchen Unwetter entlud, daß die Berner eiligst abziehen mußten Justinger, Berner Chronik, herausgegeben von Stierlin und Wyß, Bern, 1819, S. 205.. 1467 schrieben Schultheiß und Rat zu Bern an den Bischof von Sion, den Walliser Hexentilger, daß in ihrem Lande nur eine Hexe zu finden gewesen sei, die sie nach kaiserlichem Recht »mit füres brand verderben lassen« Hansen, Quellen, 580, Nr. 127.. Die große Hexenschlächterei des Bischofs von Sion übte auf Bern üblen Einfluß aus, denn 1473 wurden im Berner Gebiet auf einmal 14 Personen beiderlei Geschlechts der Hexerei bezichtigt Tobler, Schweizer Archiv für Volkskunde, II. 59 ff..
1482 fühlte sich die Berner Obrigkeit veranlaßt, zur Besserung gemeiner Landesbresten gegen Gespenst, Hexenwerk, Zauberei und Ungewitter gewisse Schutzmaßregeln zu ergreifen und ordnete als die wirksamsten hierzu dienlichen Mittel besondere Gottesdienste, Messen, Prozessionen sowie den Gebrauch von geweihten Palmen, Salz, Kerzen u. dgl. an Ansselm, Berner Chronik, herausgegeben von Stierlin und Wyß, Bd. I, S. 307 ff..
In Basel war die gewöhnliche Strafe für Zauberei die »Leistung vor den Kreuzen«, den Grenzsteinen der Stadt, d. h. zeitweilige oder ewige Landesverweisung. In dem noch jetzt vorhandenen »Leistungsbuch« von 1390 bis 1473, einer Sammlung von Ratsbeschlüssen und Straferkenntnissen, liegen Nachrichten über Zaubererprozesse vor, die merkwürdigerweise gerade Personen aus den adeligen und vornehmsten Bürgerfamilien der Stadt betrafen. Im Jahr 1399 wird eine Frau verurteilt, »fünf Jahre vor den Kreuzen zu leisten«, weil sie mit ihrer Zauberei einen Mann zur Armut gebracht hatte Buxtorf-Falkeisen, IV., S. 12.. Großes Aufsehen machte ein Prozeß gegen einige Frauen aus dem städtischen Patriziat wegen Zauberei im Jahre 1407, dem ähnliche 1414 und 1416 nachfolgten. In Nieder-Hauenstein bei Basel wurde eine Unholdin zum Tode verurteilt, von der ein Bauer eidlich erklärte, sie sei eine Hexe, und sie sollte auf einem Wolf geritten sein Hansen, Quellen, S. 529.. Im Jahr 1433 schwur ein Mann bezüglich einer in Läufelfingen in Haft sitzenden Frau zu Gott und den Heiligen: »Als er an einem Donnerstag um Pfingsten vor einem Jahr um Mittag gegen Bukten zum Wein gehen wollte, sah er die Verhaftete von Bukten gegen ihn heranfahren, auf einem Wolfe reiten, und lief der Wolf für sich, und saß sie hinter sich und hielt dessen Wedel in der Hand. Er erschrak zum Zittern und lief hinter einen Baum sich zu verbergen. Da sah er das Weib schnell dahinfahren, ging dann weiter und war froh, so davongekommen zu sein.« 1451 wurde in Basel eine Hexe hingerichtet Buxtorf-Falkeisen, Basler Zauberprozesse aus dem vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert. Basel 1868., desgleichen im Mai 1482 in Liestal bei Basel Hansen, Quellen, S. 582..
In Luzern führen die ersten Spuren eines Zauberprozesses zum Jahre 1398. Damals klagte eine Frau, sie sei durch eine andere um vierhundert Gulden geschädigt worden, die habe ihren Mann verzaubert und wollte sie zu »einer huren han gemacht« Ebda. 524.. 1400 liegen sich wieder Weiber wegen Zauberei vor dem Rat in den Haaren. Die eine hatte der anderen »ihr brunzelwasser in ir augen« geschüttet. 1406 wird Anna Kollers wegen Verabreichung eines Liebestrankes verklagt Ebda. 527.. 1419 wird schon ein Mann wegen »Hexereye« gefoltert. In diesem Prozeß wird das Wort Hexerei zum ersten Male von Amts wegen gebraucht Ebda. 528.. In den Fasten 1423 verbrennt man in Sursee bei Luzern die Hexe Verona Rehagin. Von 1450 ab fanden in Luzern zahlreiche Hexenprozesse statt, die, besonders seit 1454 mit Bränden schließen. So werden in den Jahren 1460, 1461, 1482, 1490, 1519 stets mehrere Hexen auf den Holzstoß gebracht. 1526 gesteht Elisabeth Meyer von Sarmensdorf und büßt in den Flammen, ebenso 1528 Barbara Haller von Vaumarcus. 1531 und 1532 sind zwei Personen der Hexerei verdächtig; eine wird verbrannt Ebda. 612..
In Zürich finden 1462 Verhandlungen gegen zwei der Hexerei anrüchige Weiber statt. Eines der beiden muß die Stadt verlassen. Das Geschick der andern ist in Dunkel gehüllt. Am 20. Januar 1459 wurde in Andermatt am St. Gotthard eine Hexe aus Steinberg im Urserental zur Richtung durch das Schwert mit nachfolgender Verbrennung abgeurteilt Ebda. 571..
Solothurn den 25. November 1466 datiert die Urfehde der Anna Schwebin, die wegen »schweren, großen, ungelimpflichen und unchristenlichen lümbden, das ich sölle ein hegß sin und mit sollichen Sachen umbgan« gegen das Versprechen, die Eidgenossenschaft für immer zu meiden, entlassen wurde Ebda. 577.. Etwa 1490 wurde hier eine Frau in der Aar ertränkt, die einen zauberischen Diebstahl auf der Folter gestanden hatte Ebda. 588.. Dreiundvierzig Jahre früher war in Büren bei Solothurn Anna Vögtin auf dem Scheiterhaufen hingerichtet worden, weil sie gestanden hatte, sich dem Teufel ergeben, in Bischoffingen und Ettiswil das Altarsakrament entwendet und damit vielfache Malefizien ausgeführt zu haben Ebda. 548..
Von besonderer Bedeutung sind die Nachrichten von den in der französischen Schweiz vorgekommenen Prozessen Les sorciers dans le pays de Neuchatel au 15., 16. et. 17. siècle. Recherches curieuses sur les procédures instruites par l'Inquisition etc. Locle 1862.. Sie sind noch wesentlich Ketzerprozesse, zeigen aber, daß der ganze Wahnsinn, den man aus den Hexen im siebzehnten Jahrhundert herausfolterte, auch den Ketzern im fünfzehnten Jahrhundert unterschoben wurde, und daß die Hexerei als wesentliches Moment der Ketzerei galt.
Die Inquisition lag hier in den Händen des bischöflichen Offizialats zu Lausanne, das sie durch Predigermönche im Waadtland und in den Landen von Freiburg und Neuchâtel ausüben ließ. Die Aufgabe der Inquisitoren war, alle aufzuspüren, die des Verbrechens der Ketzerei, Zauberei und Waldenserei verdächtig waren. Das Vermögen des Hingerichteten wurde regelmäßig konfisziert. Zwei Drittel fielen dem Fiskus zu und ein Drittel dem Offizium der Inquisition.
In Wallis setzen die großen, von einer weltlichen Instanz inszenierten Hexenverfolgungen 1428 ein. Ihre Urheber sind die Walliser Bauerngemeinden unter Führung der Bischöfe von Sion und deren Statthalter. In einer Versammlung zu Leuk bestimmen sie gemeinsam, daß allerwärts die durch zwei bis zehn Personen der Zauberei verdächtigten Einwohner gefangen genommen, der Tortur unterworfen und nach abgelegtem Geständnis verbrannt werden sollten. In eineinhalb Jahren waren über zweihundert Hexen und Zauberer verbrannt. Dabei hatten sich noch viele zu Tode foltern lassen, ohne zu gestehen Hansen, Quellen, 531 ff.. Auch das schamlose Abrasieren der Körperhaare, um das Teufelsstigma zu finden, an dem man ohne weiteres die Hexe zu erkennen vermochte, verpflanzte sich hier von den gleichzeitigen Inquisitionsprozessen in die weltlichen Hansen, Zauberw., 441 ff.. Hier führen die Zauberer und Hexen außer Unwettern auch Lawinenstürze herbei Quellen, 577..
Besonders heftig wüteten die Freiburger im Üchtland gegen die »Wodeis«. 1440 werden von Angehörigen dieser Sekte zwei Männer gerädert und vier Frauen verbrannt Quellen, 546.. Der »Carnacier« hatte dann zu tun in den Jahren 1454 Quellen, 561., 1457 Quellen, 569., wo der den » Woudeises« angehörige Cristin Bastardet überführt wurde 1. der Bestialität mit einer Kuh, einer Gemse (!) und einer Ziege, 2. des dem Teufel geleisteten Homagiums, 3. des Wettermachens, dann in den Jahren 1462 Quellen, 576., 1479 Quellen, 581. und 1482 Quellen, 582..
Vom 6. Oktober bis zum 1. Dezember 1481 leitet in Neuchâtel P. Franz Grenet, Ord. Praed., Stellvertreter des Generalinquisitors in den Diözesen Genf, Lausanne und Sion, Verhandlungen gegen vier »Valdois«, die der Hexensekte angehörten. Die angeklagten Männer wurden dem weltlichen Arm übergeben und starben auf dem Scheiterhaufen. Der Prozeß knüpfte an das 1439 in derselben Stadt stattgefundene Verfahren gegen Hanchemand-le-Mazelier, den Häuptling der Sekte, der gleichfalls verbrannt worden war Quellen, 499 ff., 455; Zauberwahn, 418 ff., an.
Zur näheren Charakteristik dieser »Ketzerprozesse« teilen wir den Verlauf eines dieser 1481, also kurz vor dem Erscheinen der Bulle Innocenz VIII. und des Hexenhammers vorkommenden Prozesse mit. Er betraf einen gewissen Rolet Croschet, der am 27. November 1481 »pour cas d'hérésie« dem Inquisitor vorgeführt wurde. Croschet gestand, unzweifelhaft nach vorgängiger Tortur: Er sei ein Ketzer und vor etwa vierzig Jahren in die »Sekte« eingetreten. Bei der ersten Versammlung, die er besucht, sei der Teufel als großer, schwarzer Mann zugegen gewesen. Er habe sich jedoch in einen Hammel verwandelt, worauf der Angeklagte ihm zum Zeichen seiner Huldigung den Hinteren geküßt habe. Darauf habe ihm der Teufel, der sich selbst Robin genannt, um ihn als sein Eigentum zu zeichnen, den Nagel des Mittelfingers der rechten Hand, jedoch ziemlich schmerzlos, abgenommen. Gleichzeitig habe er Gott, den katholischen Glauben und die Sakramente der Kirche verleugnet und ein in den Fußboden gezeichnetes Kreuz mit Füßen getreten und verflucht. Auch habe er wiederholt die in der hl. Kommunion empfangene Hostie dem Teufel gebracht, der sie einem schwarzen Hunde gegeben oder sonstwie geschändet und verderbt habe. Die Versammlungen der Sekte fänden regelmäßig am Freitag statt. Bei ihnen brenne ein grünes, mit gewöhnlichem gar nicht zu vergleichendes Feuer. Die Stimme des immer schwarz gekleideten Teufels töne rauh und heiser durch die Versammlung. Der Teufel habe ihm auch verboten, gesegnetes Brot und Wasser zu gebrauchen und sich dem Kreuze zu nähern. Das eigentliche Fest der Versammlung beginne mit einer gemeinsamen Mahlzeit, wobei namentlich das Fleisch kleiner Kinder verzehrt werde. Nach Beendigung der Mahlzeit gehe man zum Tanze über, auf den dann die wildeste geschlechtliche Vermischung zu folgen pflege. Einer aus der Sekte sei Probst, der allen Genossen Geld gäbe, ihnen die Malefizien auftrage, die sie den Menschen zufügen sollten, und ihnen für den Fall, daß diese Malefizien nicht ausgeübt würden, mit Entziehung der Unterstützungen drohe. Von dem Teufel habe er eine harte Salbe in der Größe einer Nuß erhalten. Mit ihr bestreiche er den Besenstiel, auf dem er zur Sekte fahre. Zur Zubereitung dieser Salbe würden namentlich die Herzen kleiner Kinder verwendet. – Schließlich gab der Inquisit noch eine Reihe von Personen an, die er als Mitschuldige und Angehörige der »Sekte« auf den Freitagsversammlungen gesehen haben wollte. – Nach diesen Geständnissen ward Rolet Croschet auf dem Platz vor dem Schlosse Boudry lebendig verbrannt.
Wenige Jahre später wurden die Prozesse, die man bisher als »Ketzerprozesse« geführt hatte, ganz in der bisherigen Weise unter dem Titel »Hexenprozesse« fortgeführt.
Eine weitere umfassende Verfolgung ist 1457-1459 in dem damals zu Uri gehörenden Val Leventina, dem oberen Tessintal, nachweisbar, wo die Ketzerinquisition kurz vorher sich auch mit Hexenverfolgung befaßt hatte. Auch dort wurden zahlreiche Männer und Frauen nach schwerer Folter verbrannt. Hexensabbat und Flug, Verzehren kleiner Kinder, Malefizien, Milchzauber und Wettermachen spielten hier die herkömmliche Rolle, auch Verwandlung in Tiere kam häufig vor. Der Verhafteten waren so viele, daß Notare und Schöffen sich an der Bewachung beteiligen mußten und die Behörden Scharfrichter und Folterknechte von auswärts zu verschreiben genötigt war. Dennoch erlahmte der Eifer der Justiz erst nach mehrjähriger Betätigung Hansen. S. 442 ff..
Ungarn war selbst noch im fünfzehnten Jahrhundert von der Hexenverfolgung ganz frei. Das Ofener Stadtrecht, dessen letzte Redaktion vor 1421 fällt, bestimmte, daß man Hexen und Zauberer, wenn man sie zum ersten Male ergreife, an einem Freitage auf einem besuchten Platze der Stadt auf einer Leiter, mit einem Judenhut auf dem Kopf, auf dem die heiligen Engel gemalt wären, vom Morgen bis zum Mittag sollte stehen lassen. Darauf hatten sie zu schwören, von ihrem Irrtum ablassen zu wollen, und alsdann sollen sie frei sein. Würden sie aber zum zweitenmal um desselben Vergehens willen eingebracht, so sollte man sie wie Ketzer brennen F. Müller, Beitrag zur Geschichte des Hexenglaubens und des Hexenprozesses in Siebenbürgen, Braunschweig 1854, S. 11 u. 16.. – Mit dieser Bestimmung des Ofener Stadtrechts sind zwei Verfügungen des Erzbischofs von Gran von 1447 und 1450 über die der geistlichen Gerichtsbarkeit unterworfenen Sachen zusammenzustellen. In ihnen wird wohl die Ketzerei, nicht aber die Zauberei erwähnt, was hinlänglich beweist, daß man sie von der Ketzerei nicht trennte, und daß man ihr nicht die selbständige Bedeutung beilegte, die sie in den romanischen Ländern bereits erlangt hatte F. Müller, Beitrag zur Geschichte des Hexenglaubens und des Hexenprozesses in Siebenbürgen, Braunschweig 1854, S. 11 u. 16..