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»Wenn, was leuchtend vor dir stand,
Wild zu Staub in deiner Hand:
Vorwärts nur! der Tugend Krone
Liegt im Kampf und nicht im Lohne!« –
R. M. Milnes.
»Excelle, et tu vivras«
Joubert.
Eine hervorragende Bedeutung kann in der Kunst – wie überall – nur durch Arbeit und Mühe erworben werden. Nichts hängt weniger vom Zufall ab als das Zustandekommen eines schönen Gemäldes oder einer trefflichen Bildsäule. Jeder meisterhafte Pinselstrich des Malers, jeder geschickte Meißelstoß des Bildhauers ist – wenn auch unter der Leitung des Genius stehend – doch das Resultat eines unausgesetzten Studiums.
Sir Joshua Reynolds hatte von der Macht des Fleißes eine so hohe Meinung, daß er behauptete, jede künstlerische Befähigung – »ob man sie als Genie, Geschmack oder angeborene Begabung bezeichne – könne erworben werden.« In einem Briefe an Barry äußerte er: »Wer sich in der Malerei oder in irgend einer anderen Kunst auszeichnen will, muß seinen Geist vom Augenblick des Aufstehens bis zu dem des Zubettegehens unentwegt auf diesen einen Gegenstand gerichtet halten.« Und bei einer anderen Gelegenheit sagte er: »Diejenigen, welche sich auszeichnen wollen, müssen sich – ob gern oder ungern – morgens, mittags und abends mit ihrem Werk beschäftigen und darin keine Spielerei, sondern eine wirkliche, schwere Arbeit sehen.« Aber obgleich man ohne Zweifel ein fleißiger Arbeiter sein muß, um die höchste Stufe künstlerischer Vollendung zu erreichen, so könnte doch ganz gewiß kein noch so großer und verständiger Fleiß aus einem Menschen, dem das angeborene Genie fehlte, einen Künstler machen. Die Begabung wird von der Natur verliehen, aber vervollkommnet durch die Selbstschulung, die nützlicher ist als alle Bildung, die Schulen irgendwelcher Art uns geben können.
Einige der größten Künstler haben sich den Weg zu ihrem hohen Ziel durch Armut und mannigfache Hindernisse gebahnt. Dem Leser werden sogleich berühmte Beispiele einfallen – Claude Lorraine, der Pastetenbäcker; Tintoretto, der Färber; die beiden Caravaggios, von denen der eine ein Farbenreiber war, der andere aber als Maurergesell am Vatikan arbeitete; Salvator Rosa, der eine Zeitlang in der Gesellschaft von Banditen lebte; Giotto, der Bauernjunge; Zingaro, der Zigeuner; Cavedone, den sein Vater zum Betteln ausschickte; und Canova, der Steinmetz. Diese und viele andere Künstler von Ruf gelangten unter den ungünstigsten Umständen durch eifriges Studium und ernsten Fleiß zu ihrer künstlerischen Bedeutung.
Auch die hervorragendsten Künstler unseres eigenen Landes sind nicht in Lebensverhältnissen geboren worden, die man als besonders günstig für die Entwicklung des künstlerischen Genies bezeichnen dürfte. Gainsborough und Baron waren die Söhne von Tuchwebern; Barry war der Sohn eines irischen Matrosen; und Maclise war Lehrling in einem Corker Bankgeschäft. Opie, Romney und Inigo Jones waren Zimmerleute; West war der Sohn eines der Quäkersekte angehörigen kleinen Grundbesitzers in Pennsylvanien; Northcote war Uhrmacher, Jackson Schneider, Efty Drucker. Reynolds, Wilson und Wilkie waren die Söhne von Geistlichen; Lawrence hatte einen Schankwirt, Turner einen Barbier zum Vater. Einige von unseren Malern hatten freilich von vornherein eine – wenn auch nur sehr bescheidene – Beziehung zur Kunst – z. B. Flaxman, dessen Vater Gipsfiguren verkaufte; Bird, welcher Theebretter dekorierte; Martin, der Kutschen lackierte; Wright und Gilpin, die Schiffsverzierungen malten; Chantrey, der das Gewerbe eines Bildschnitzers und Vergolders betrieb; sowie David Cox, Stanfield und Roberts, welche Dekorationsmaler waren.
Diese Männer haben sich ihren Ruhm nicht durch Glück oder Zufall, sondern ausschließlich durch Fleiß und harte Arbeit erworben. Wenn einige auch reich wurden, so war Gewinnsucht doch selten oder nie bei ihnen das leitende Motiv. Die bloße Liebe zum Gelde könnte dem Künstler unmöglich jene Kraft der Selbstverleugnung und des ernsten Strebens verleihen, deren er im Anfange seiner Laufbahn bedarf. Die Befriedigung des Schaffens ist immer der beste Lohn gewesen der herbeiströmende Reichtum war ein nebensächlicher Umstand. Viele hochherzige Künstler folgten dem Antrieb ihres Genius, ohne mit dem Publikum um die Preise zu schachern. Spagnoletto machte in seinem Leben den schönen Roman des Xenophon zur Wahrheit: nachdem er sich die Mittel zu einem üppigen Leben erworben, entzog er sich freiwillig ihrem Einfluß und kehrte zur Armut und Arbeit zurück. Als Michel Angelo einst um seine Meinung hinsichtlich eines Bildes befragt wurde, welches der Maler mit vieler Mühe gemalt und dann ausgestellt hatte, um damit Geld zu erwerben, entgegnete er: »Ich denke, er wird ein armseliger Tropf bleiben, so lange er eine so große Sucht zeigt, reich zu werden.«
Wie Sir Joshua Reynolds – glaubte auch Michel Angelo fest an den hohen Wert der Arbeit: er war der Ansicht, daß alles, was die Phantasie erdacht, auch in Marmor dargestellt weiden könnte, wenn die Hand nur streng daran gewohnt würde, dem Geist zu gehorchen. Er selbst war einer der unermüdlichsten Arbeiter; und er schrieb seine Fähigkeit, länger arbeiten zu können als die meisten seiner Zeitgenossen, seinen einfachen Lebensgewohnheiten zu. Ein wenig Brot und Wein – das war alles, dessen er bei seiner Arbeit während des grüßten Teils des Tages bedurfte; und sehr oft erhob er sich mitten in der Nacht, um seine Arbeiten wieder aufzunehmen. Bei solchen Gelegenheiten pflegte er die Kerze, bei deren Licht er meißelte, auf einer Mühe von Pappe zu befestigen, die er auf dem Kopfe trug. Manchmal war er zu müde, um sich auszuziehen; dann schlief er in seinen Kleidern – bereit, gleich wieder an die Arbeit zu gehen, sobald der Schlaf ihn erfrischt haben würde. Er hatte ein Lieblingswappen, welches einen alten Mann in einem Rollwagen darstellte, auf welchem ein Stundenglas mit der Inschrift zu sehen war: »Ancora imparo« – ich lerne noch!
Auch Tizian war unermüdlich fleißig. An seinem berühmten, »Pietro Martire« arbeitete er acht, an seinem »letzten Abendmahl« sieben Jahre. In seinem Briefe an Karl V. sagte er: »Ich sende Eurer Majestät das »letzte Abendmahl.« nachdem ich daran sieben Jahre hindurch fast Tag für Tag gearbeitet habe – dopo sette anni lavorandovi quasi continuamente.« Wohl wenige sind sich darüber klar, von welch einer geduldigen Arbeit und langen Übung die Entstehung eines Meisterwerkes der Kunst abhängt. Es scheint leicht und rasch geschaffen zu sein; aber durch was für eine große Mühe wurde jene Leichtigkeit erworben! »Ihr fordert mir fünfzig Zechinen für eine Büste ab, die euch nur eine zehntägige Arbeit gekostet,« sagte einst ein venezianischer Edelmann zu einem Bildhauer. »Ihr vergeht,« entgegnete der Künstler, »daß ich dreißig Jahre lernen mußte, um eine derartige Büste in zehn Tagen herstellen zu können.«
Als man einst Domenichino tadelte, weil er zu lange zögerte; ein bei ihm bestelltes Gemälde zu vollenden, gab er zur Antwort: »Im Geiste male ich beständig daran.« Es war für den Fleiß des verstorbenen Sir Augustus Callcott sehr bezeichnend, daß er vor der Vollendung seiner berühmten »Ansicht von Rochester« nicht weniger als vierzig verschiedene Skizzen dazu anfertigte. Solch eine beständige Wiederholung ist in der Kunst wie im Leben eine der Hauptbedingungen des Erfolgs.
Wie großmütig aber auch die Natur in der Verleihung der geistigen Gaben gewesen sein mag, das Studium der Kunst bleibt darum doch immer eine langwierige und mühevolle Arbeit. Manche Künstler haben sich frühzeitig entwickelt; aber ohne Fleiß hätte ihre Frühreife zu keinem guten Ende geführt. Die Anekdote, welche man von West erzählt, ist bekannt. Erst sieben Jahre alt, wurde er von der Schönheit des schlummernden Kindes seiner ältesten Schwester, dessen Wiege er bewachen mußte, so frappiert, daß er sich ein Stück Papier holte und das kleine Wesen darauf mit roter und schwarzer Tinte abkonterfeite. Diese kleine Begebenheit offenbarte seine künstlerische Begabung; und es war unmöglich, seiner Neigung eine andere Richtung zu geben. West wäre wahrscheinlich ein bedeutenderer Maler geworden, wenn der zu frühe Erfolg ihm nicht geschadet hätte. Sein Ruhm – obwohl groß – wurde nicht durch Studien, Prüfungen und Schwierigkeiten erkauft und ist daher nicht dauernd gewesen.
Richard Wilson amüsierte sich als Kind damit, daß er vermittelst eines Stückchens Holzkohle die Wände des väterlichen Hauses mit Abbildungen von Menschen und Tieren bemalte. Er wollte sich anfangs ganz der Porträtmalerei widmen; aber während seines Aufenthalts in Italien begann er bei einem Besuch im Hause seines Freundes Jucarelli, den er nicht daheim getroffen, und den er mit Ungeduld erwartete, aus Langerweile die Aussicht zu skizzieren, die sich ihm vom Fenster aus darbot. Als Zucarelli nach Haufe kam, war er von dem Bilde so entzückt, daß er Wilson fragte, ob er auch Landschaftsmaler sei, was jener verneinte. »Dann rate ich Ihnen, es zu werden,« sagte der andere; »Sie sind eines großen Erfolges sicher!« Wilson kam diesem Rate nach, studierte und arbeitete fleißig und wurde einer unserer größten englischen Landschafter.
Sir Joshua Reynolds vernachlässigte als Knabe seine Schularbeiten und fand nur am Zeichnen Vergnügen, wofür sein Vater ihn häufig tadelte. Der junge Mensch sollte Medizin studieren; aber seine große Liebe zur Kunst konnte nicht unterdrückt werden, und er wurde ein Maler. Gainsborough skizzierte schon als Knabe in den Wäldern von Sudbury und war mit zwölf Jahren ein wirklicher Künstler – ein scharfer Beobachter und emsiger Arbeiter, der jeden malerischen Zug des einmal geschauten Landschaftsbildes durch seinen fleißigen Pinsel wiederzugeben verstand. William Blake, der Sohn eines Strumpfwarenhändlers, machte sich das Vergnügen, die Rückseiten der Geschäftsrechnungen seines Vaters – sowie auch dessen Ladentisch – mit Zeichnungen und Skizzen zu verzieren. Edward Bird pflegte als Knabe von drei oder vier Jahren auf einen Stuhl zu steigen und die Wände mit Figuren zu bemalen, die er »englische und französische Soldaten« nannte. Er erhielt einen Tuschkasten zum Geschenk, und sein Vater, der die künstlerische Begabung des Knaben verwerten wollte, that ihn zu einem Verfertiger von Theebrettern in die Lehre! Aus diesem Gewerbe hat Bird sich allmählich durch Studium und Fleiß zu dem Range eines Mitgliedes der königlichen Akademie emporgearbeitet.
Hogarth, der in der Schule sehr schwer lernte, hatte seinen großen Spaß daran, die Buchstaben des Alphabets zierlich auszumalen, und seine Exercitien waren bemerkenswerter durch die darin angebrachten Ornamente als durch den Wert der Arbeit selber. In letzterer Beziehung wurde er von jedem Dummkopf in der Schule überholt; aber im Dekorieren war er unerreicht. Sein Vater gab ihn zu einem Silberschmied in die Lehre, bei welchem er die Kunst erlernte, Wappen und Initialen auf silberne Gabeln und Löffel zu zeichnen und sie dann einzugravieren. Bald gravierte er nicht nur auf Silber, sondern auch auf Kupfer – und zwar mit Vorliebe Greife und andere heraldische Ungeheuer, in deren Zeichnung er die verschiedenen Eigenschaften des menschlichen Charakters zum Ausdruck zu bringen bemüht war. Die wunderbare Vollendung, die er in dieser Kunst erreichte, war hauptsächlich das Resultat gründlicher Beobachtung und fleißigen Studiums. Er hatte die durch eigene Bemühung sorgfältig ausgebildete Gabe, die charakteristischen Züge jedes merkwürdigen Gesichts scharf zu erfassen und sie später aus dem Gedächtnis mit Stift oder Pinsel wiederzugeben. Kam ihm aber eine ausnehmend phantastische Gestalt oder ein besonders groteskes Gesicht in den Weg, so entwarf er davon sofort eine Skizze auf seinem Daumennagel und trug sie zu gelegentlicher Ausführung nach Hause. Alles Seltsame und Originelle übte auf ihn eine wunderbare Anziehungskraft aus, und er suchte oft weit entlegene Orte auf, um charakteristische Erscheinungen anzutreffen. Durch diese sorgfältige Bereicherung seines Geistes war er später imstande, eine ungeheuere Fülle von aufgespeicherten Gedanken und Beobachtungen in seinen Werken niederzulegen. Daher sind Hogarths Gemälde so treue Spiegelbilder des Charakters, der Sitten und selbst der Gedanken seiner Zeit. »Die wahre Malkunst,« äußerte er gelegentlich, »kann nur in der Schule der Natur erlernt werden.« Aber er besaß keine hervorragende Bildung, außer in seinem eigenen Fach. Sein Schulunterricht war so mangelhaft gewesen, daß er dabei kaum lesen gelernt hatte; was er sonst noch wußte, verdankte er sich selbst. Während langer Zeit lebte er in sehr dürftigen Verhältnissen, arbeitete aber trotzdem fröhlich weiter. Trotz seiner Armut wußte er sich mit seinen Mitteln einzurichten und nannte sich mit berechtigtem Stolze einen »pünktlichen Zahler.«
Als er bereits alle Schwierigkeiten überwunden hatte und ein berühmter und wohlhabender Mann geworden war, erinnerte er sich noch oft und gern seiner früheren Mühen und Entbehrungen und focht in Gedanken noch einmal den Kampf durch, den er als Mann und als Künstler zu einem so ehrenvollen und ruhmreichen Ende geführt hatte. »Ich erinnere mich noch der Zeit,« sagte er einmal, »wo ich mißmutig, fast ohne einen Schilling in der Tasche, zur Stadt ging, um dann – nachdem ich dort zehn Guineen für eine meiner Kupferplatten erhalten – fröhlich wieder heimzukehren, mein Schwert umzugürten und mich mit der Zuversicht eines Mannes in den Kampf zu stürzen, der Tausende in seiner Tasche trägt.«
»Fleiß und Beharrlichkeit« – das war das Motto, welches sich der Bildhauer Banks zur eigenen Lebensregel erwählt hatte, und das er auch anderen ernstlich empfahl. Seine allbekannte Freundlichkeit veranlaßte viele strebsame Jünglinge, ihn aufzusuchen und sich seinen Rat oder Beistand zu erbitten. Wie man erzählt, erschien in derselben Absicht eines Tages ein kleiner Knabe an seiner Thür; aber die Dienerin, die sich über sein lautes Klopfen geärgert, schalt ihn und wollte ihn eben fortschicken, als Banks, der die Stimmen gehört, selbst herauskam. Der kleine Bursche stand an der Thür und hielt einige Zeichnungen in der Hand. »Was willst du von mir?« fragte der Bildhauer. »Mein Herr! ich möchte Sie um die Erlaubnis bitten, in der Akademie zeichnen zu dürfen.« Banks erklärte, daß er selbst ihm diese Erlaubnis nicht geben könne, verlangte aber, der Knabe solle ihm seine Zeichnungen zeigen Indem er sie musterte, sagte er: »Mit der Akademie hat es noch Zeit, mein kleiner Mann! Geh nur nach Hause – lerne eifrig – versuche diesen Apollo besser zu zeichnen – dann komm in einem Monat wieder und zeige ihn mir!« Der Knabe ging heim, skizzierte und arbeitete mit verdoppeltem Eifer und sprach am Ende des Monats wieder bei dem Bildhauer vor. Die Zeichnung war diesmal besser geraten, aber von neuem schickte Banks den Kleinen mit dem guten Rat fort, noch weiter zu arbeiten und zu studieren. Nach einer Woche war der Junge wieder da, und zwar mit einer noch viel besseren Zeichnung. Da sagte ihm Banks, er solle guten Mutes sein; wenn er am Leben bliebe, würde er es zu etwas bringen. Der Knabe hieß Mulready, und die Prophezeiung des Bildhauers hat sich vollkommen erfüllt.
Auch Claude Lorraine verdankt seinen Ruhm zum großen Teil seinem unermüdlichen Fleiße. Er wurde zu Champagne in Lothringen als der Sohn armer Eltern geboren und kam zuerst zu einem Pastetenbäcker in die Lehre. Später nahm ihn sein Bruder, welcher Holzschneider war, in seine Werkstätte, um ihn in seiner Kunst zu unterweisen. Da Claude hierbei einige künstlerische Begabung verriet, so redete ein reisender Händler seinem Bruder zu, er möge den jungen Mann in seiner Gesellschaft nach Italien ziehen lassen. Dem Wunsche ward willfahrt, und Claude kam nach Rom, wo er bald darauf von dem Landschaftsmaler Agostino Tassi als Diener engagiert wurde. In dieser Eigenschaft erlernte der Lothringer Künstler die Landschaftsmalerei und wagte sich allmählich an die selbständige Herstellung von Gemälden. Danach machte er eine Tour durch Italien, Frankreich und Deutschland, wobei er sich gelegentlich auf seinem Wege aufhielt, um Landschaften zu malen und dadurch seine Börse zu füllen. Bei seiner Rückkehr nach Rom fand er, daß seine Bilder schon stärker begehrt wurden, und schließlich breitete sich sein Ruhm über ganz Europa aus. Er studierte unermüdlich die Natur in allen ihren Erscheinungen, Er hatte die Gewohnheit, einen großen Teil seiner Zeit damit zuzubringen, Gebäude, Gebüschgruppen, Bäume, Blätter und dergleichen abzuzeichnen und in den Einzelheiten genau auszuführen – worauf er die Zeichnungen aufbewahrte, um sie gelegentlich in seinen Landschaftsstudien zu verwerten. Er widmete auch dem Himmel eine große Aufmerksamkeit, indem er ihn oft tagelang vom Morgen bis zum Abend beobachtete und jede daran vorgehende Veränderung wahrnahm, die durch die vorüberziehenden Wolken oder das ab- und zunehmende Licht verursacht wurde. Wie man sagt, erwarb er sich – wenn auch sehr langsam – durch diese beständige Übung eine solche meisterhafte Sicherheit der Hand und des Auges, daß er schließlich den ersten Rang unter den Landschaftsmalern einnahm.
Turner, den man »den englischen Claude« nennt, führte ein gleich arbeitsames und fleißiges Leben. Sein Vater bestimmte ihn für das von ihm selbst betriebene Barbierhandwerk, welchem Vater und Sohn in London oblagen. Aber eines Tages erregte die Zeichnung eines Wappens, das der Knabe auf einem silbernen Präsentierteller entworfen hatte, die Aufmerksamkeit eines Kunden, der gerade von dem alten Turner rasiert wurde. Dieser Kunde riet dem Vater dringend an, er möge dem Sohn gestatten, seinen künstlerischen Neigungen zu folgen, und der Rat fand Gehör. Gleich allen jungen Künstlern hatte Turner mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, die um so größer waren, weil er in so kümmerlichen Verhältnissen lebte. Aber er war immer bereit, zu arbeiten und sich bei seiner Arbeit Mühe zu geben, wie bescheiden dieselbe auch sein mochte. Er war froh, für eine halbe Krone pro Abend auf anderer Leute Aquarellbildern die Himmel zu tuschen und dafür noch ein Abendbrot obendrein zu erhalten. So verdiente er Geld und erwarb sich Geschicklichkeit. Dann warf er sich auf das Illustrieren von Reisehandbüchern, Kalendern und allen Arten von Büchern, die billige Titelbilder brauchten. »Was hätte ich Besseres thun können?« sagte er später. »Es war eine vortreffliche Übung!« Er machte alles sorgfältig und gewissenhaft und pfuschte nie eine Arbeit ab, weil sie schlecht bezahlt wurde. Er wollte nicht nur seinen Unterhalt gewinnen, sondern sich auch vervollkommnen; daher leistete er stets sein Bestes und gab nie ein Bild aus der Hand, ohne einen Schritt vorwärts gekommen zu sein. Ein Mann, der so arbeitete, mußte es weit bringen, und seine Darstellungskraft und Gedankentiefe nahm nach Ruskins Worten »so stetig zu wie das erwachende Licht beim Sonnenaufgang.« Aber Turners Genius bedarf keiner Lobrede; sein bestes Denkmal ist die Reihe herrlicher Gemälde, die er seiner Nation hinterlassen hat, und die noch lange das Gedächtnis seines Namens wach halten wird.
Es ist meistens der höchste Ehrgeiz eines Jüngers der Kunst, Rom, die Vaterstadt der schönen Künste, zu erreichen. Aber die Reise nach Rom ist kostspielig, und Kunstjünger sind meistens arm. Doch mit einem entschlossenen Willen, den auch Schwierigkeiten nicht abschrecken, läßt sich Rom immer noch erreichen. So gab sich François Perrier, einer der älteren französischen Maler, in seinem brennenden Verlangen, die ewige Stadt zu sehen, dazu her, einem blinden Landstreicher als Führer zu dienen. Nach langen Wanderungen erreichte er den Vatikan, erlernte die Malkunst und wurde ein berühmter Mann. Nicht weniger Enthusiasmus zeigte Jacques Callot bei seinem Entschluß, nach Rom zu gehen. Obwohl sein Vater sich seinen künstlerischen Neigungen widersetzte, ließ sich der Knabe doch nicht davon abbringen, sondern entwich von Hause und begab sich auf die Wanderschaft nach Italien. Da er seine Reife ohne Geldmittel antrat, geriet er bald in große Not, und als er einer Zigeunerbande begegnete, schloß er sich derselben an und wanderte mit ihr von einem Jahrmarkt zum anderen, ihre zahlreichen Abenteuer teilend. Auf dieser merkwürdigen Reise sammelte Callot hauptsächlich jene außergewöhnliche Kenntnis der menschlichen Gestalt, Gesichtsbildung und Charaktereigentümlichkeit, die er später – meistens in so grotesk-komischer Weise – in seinen wundervollen Kupferstichen verwertete.
Als Callot endlich Florenz erreichte, brachte ihn ein Edelmann, dem der geniale Eifer des jungen Menschen gefiel, bei einem Künstler als Schüler an; aber Callot wollte sich nicht so kurz vor Rom aufhalten und befand sich bald auf dem Wege nach jener Stadt. In Rom wurde er mit Porigi und Thomassin bekannt, die ihm nach Prüfung seiner Kreideskizzen eine brillante Künstlerlaufbahn voraussagten. Aber ein Freund der Callotschen Familie, der dem Ausreißer zufällig begegnete, traf Anstalten, denselben zur Heimkehr zu zwingen, was ihm auch gelang. Doch in dem jungen Callot war der Hang zum Wandern mittlerweile so stark geworden, daß er nirgend Ruhe hatte; so lief er denn zum zweitenmal davon und wurde zum zweitenmal von seinem älteren Bruder zurückgeholt, der ihn in Turin einfing. Endlich gab der Vater – in der Erkenntnis, daß jeder Widerstand vergeblich war – mit schwerem Herzen seine Einwilligung dazu, daß Callot seine Studien in Rom fortsetzte. So ging dieser denn wieder hin und blieb auch dort, indem er sich unter der Leitung tüchtiger Lehrer fleißig im Zeichnen und Kupferstechen übte. Auf dem Rückwege nach Frankreich wurde er durch Cosmos II. veranlaßt, noch einige Jahre in Florenz zu bleiben, wo er sich mit Studien und Arbeiten beschäftigte. Nach dem Tode seines Gönners kehrte er zu seiner Familie nach Nancy zurück, wo er sich mit Hilfe des Grabstichels und der Ätznadel bald Reichtum und Ruhm erwarb. Als Nancy während der Bürgerkriege belagert und eingenommen wurde, sollte Callot nach Richelieus Wunsch die Eroberung der Stadt in einer Zeichnung und einem Kupferstich bildlich darstellen. Aber der Künstler verspürte keine Lust, das Unglück seines Geburtsortes zu verewigen, und wies das Ansinnen schroff zurück.
Da Richelieu ihn nicht umzustimmen vermochte, warf er ihn ins Gefängnis; und hier traf der Künstler mit alten Bekannten, d.h. mit einigen jener Zigeuner zusammen, die ihm auf seiner ersten Reise nach Rom aus der Not geholfen hatten. Als Ludwig XIII. von seiner Einkerkerung hörte, gab er ihm nicht nur die Freiheit wieder, sondern forderte ihn auch auf, sich eine beliebige Gunst zu erbitten, die ihm ohne weiteres gewährt werden sollte. Darauf verlangte Callot sogleich, man möge jene gefangenen Zigeuner freigeben und ihnen die Erlaubnis erteilen, ungehindert in Paris betteln zu dürfen. Diese seltsame Bitte wurde unter der Bedingung gewahrt, daß Callot ihre Porträts in Kupfer stechen sollte; und so entstand jene merkwürdige Serie von Stichen unter dem Titel: »Die Bettler.« Wie man sagt, bot Ludwig dem Künstler für den Fall, daß er in Paris bliebe, eine Pension von 3000 Livres an; aber Callot war selbst schon viel zu sehr Zigeuner und schätzte seine Freiheit zu hoch, um dies Anerbieten anzunehmen. So kehrte er denn nach Nancy zurück und arbeitete dort bis zu seinem Tode. Wie groß sein Fleiß war, geht aus der Zahl seiner Stiche und Radierungen hervor, deren er nicht weniger als 1600 hinterließ. Er liebte hauptsächlich groteske Gegenstände, die er mit großer Geschicklichkeit behandelte; ganz besonders zart und wunderbar fein ausgeführt sind seine aus freier Hand gezeichneten Radierungen, die er mit dem Grabstichel überarbeitete.
Noch romantischer und abenteuerlicher war die Laufbahn des Benvenuto Cellini, jenes merkwürdigen Goldschmieds, Malers, Bildhauers, Kupferstechers, Ingenieurs und Autors. Seine von ihm selbst herrührende Lebensbeschreibung ist eine der wunderbarsten Autobiographien, die je verfaßt wurden. Sein Vater Giovanni Cellini lebte in Florenz als einer der Hofmusiker Lorenzos von Medici; und sein höchster Ehrgeiz hinsichtlich seines Sohnes Benvenuto zielte dahin, daß dieser eines Tages ein geschickter Flötenbläser würde. Als Giovanni aber seine Stelle verlor, mußte er seinen Sohn ein Handwerk erlernen lassen und gab ihn daher zu einem Goldschmied in die Lehre. Der Knabe hatte schon früher Neigung zum Zeichnen und zur Kunst überhaupt gezeigt; und da er sich nun mit Eifer seinem Beruf widmete, wurde er bald ein geschickter Arbeiter. Wegen Teilnahme an einer Schlägerei, die zwischen etlichen Bürgern stattgefunden, wurde er auf sechs Monate verbannt, während welcher Zeit er bei einem Goldschmied in Siena arbeitete und sich noch weitere Erfahrung als Juwelenkenner und Goldarbeiter erwarb.
Da sein Vater noch immer an dem Gedanken festhielt, daß er ein Flötenbläser werden sollte, so fuhr er fort, sich auf diesem Instrument zu üben, obgleich er es verabscheute. Sein Hauptvergnügen war seine Kunst, der er sich mit Enthusiasmus hingab. Nach Florenz zurückgekehrt, studierte er sorgfältig die Gemälde Leonardo da Vincis und Michel Angelos; und um sich in der Goldschmiedekunst noch mehr zu vervollkommnen, wanderte er zu Fuß nach Rom, wo er zahlreiche Abenteuer erlebte. Er kehrte nach Florenz mit dem Rufe eines der geschicktesten Gold- und Silberarbeiter zurück; und seine Kunstfertigkeit wurde bald stark in Anspruch genommen. Aber da er ein leidenschaftliches Temperament besaß, geriet er fortwährend in Ungelegenheiten und mußte häufig die Flucht ergreifen, um sein Leben zu retten. So entwich er einmal aus Florenz in der Verkleidung eines Mönches und suchte erst in Siena und dann in Rom Schutz.
Bei seinem zweiten Aufenthalt in Rom fand Cellini zahlreiche Gönner und wurde vom Papst in der doppelten Eigenschaft eines Goldschmieds und Musikers engagiert. Dabei bildete und vervollkommnete er sich beständig, indem er die Werke der größten Meister studierte. Er faßte Edelsteine ein, verfertigte emaillierte Schmuckgegenstände, gravierte Petschafte und führte nach eigenen Entwürfen Arbeiten in Gold, Silber und Bronze aus, die durch ihren Stil den Leistungen aller anderen Künstler überlegen waren. Sobald er von einem Goldschmied hörte, der sich in irgend einer besonderen Beziehung auszeichnete, war er augenblicklich entschlossen, es ihm zuvorzuthun. So kam es, daß er mit den Medaillen des einen, den Emaille-Arbeiten des anderen und der Juwelierkunst des dritten wetteiferte; und daß es schließlich keinen Zweig seines Geschäfts gab, in welchem er nicht das Bedürfnis fühlte, sich auszuzeichnen.
Da Cellini in diesem Geiste arbeitete, so ist es begreiflich, daß er so viel zu leisten vermochte. Er besaß eine unermüdliche Regsamkeit und wechselte beständig seinen Aufenthaltsort. Zu einer Zeit finden wir ihn in Florenz, zu einer anderen in Rom; dann sehen wir ihn in Mantua, Rom, Neapel und abermals in Florenz; dann wieder begegnen wir ihm in Venedig und Paris – wobei es merkwürdig ist, daß er alle diese langen Reisen zu Pferde zurücklegte. Er konnte nicht viel Gepäck mitnehmen; daher mußte er meistens überall, wo er hinkam, sich sein Handwerkszeug neu beschaffen. Er entwarf nicht nur seine Arbeiten, sondern führte sie auch selber aus – hämmerte und schnitzte, goß und modellierte sie mit seinen eigenen Händen. Und wahrlich! seinen Werken ist der Stempel des Genius zu deutlich aufgedrückt, als daß sie von einer Person entworfen und von einer anderen ausgeführt sein könnten. Der unbedeutendste Gegenstand – eine Schnalle für einen Damengürtel, ein Petschaft, ein Armbandschloß, eine Brosche, ein Ring, ein Knopf – alles wurde unter seinen Händen zu einem wundervollen Kunstwerk.
Cellini besaß eine merkwürdige manuelle Geschicklichkeit und Gewandtheit. Eines Tages trat ein Chirurg in den Laden des Goldschmieds Raffaello del Moro, um dessen Tochter an der Hand zu operieren. Der gerade anwesende Cellini betrachtete die Instrumente des Chirurgen und fand, daß sie nach dem Gebrauch jener Zeit roh und plump waren. Er bat nun den Chirurgen, die Operation um eine Viertelstunde aufzuschieben, rannte in seinen Laden, ergriff ein Stück des feinsten Stahles und verfertigte daraus ein vollendet schönes Messer, mit welchem die Operation erfolgreich ausgeführt wurde.
Unter den von Cellini geschaffenen Statuen sind die wichtigsten die silberne Bildsäule des Jupiter, welche in Paris für Franz I. hergestellt wurde, und der für den Großherzog Cosmo von Florenz aus Bronze gegossene »Perseus.« Außerdem führte er die Bildsäulen des Apollo, Hyacinthus, Narcissus und Neptun in Marmor aus. Die außerordentlichen Umstände, welche den Guß seines »Perseus« begleiteten, sind besonders bezeichnend für den merkwürdigen Charakter des Künstlers.
Der Großherzog hatte die entschiedene Ansicht ausgesprochen, daß das ihm vorgeführte Wachsmodell unmöglich in Bronze gegossen werden könnte; aber diese vermeintliche Unmöglichkeit war für Cellini gerade ein Antrieb, die Sache nicht nur zu versuchen, sondern auch auszuführen. Er verfertigte zuerst ein Thonmodell, brannte dasselbe und überzog es dann mit Wachs – worauf er ihm die vollkommen ausgeführte Gestalt der zukünftigen Bildsäule verlieh. Nachdem er dann die Wachsschicht noch mit einer Lehmmasse überzogen, brannte er den zweiten Überzug, wodurch das darunter liegende Wachs schmolz und verschwand, indem es den Raum zwischen dem Kern und der obersten Schicht für die Aufnahme des Metalls freiließ. Um Unfälle zu vermeiden, sollte der eigentliche Gießprozeß in einer unmittelbar unter dem Ofen liegenden Grube stattfinden. In dieser Grube stand die Form, in welche das geschmolzene Metall aus dem Ofen durch Röhren und Öffnungen hinabfließen konnte. – Cellini hatte für den Guß, der nun beginnen sollte, schon im voraus mehrere Wagenladungen Fichtenholz gekauft und aufgestapelt. Jetzt füllte er den Ofen mit Bronze- und Messingstücken und machte Feuer. Das harzige Fichtenholz loderte bald so heftig auf, daß die Werkstätte in Brand geriet, und daß ein Teil des Daches zerstört wurde. Gleichzeitig aber verhinderte ein starker Wind im Verein mit dem auf den Ofen niederrieselnden Regen eine kräftige Hitzeentwicklung., sodaß das Metall nicht schmelzen konnte. Stundenlang schürte Cellini das Feuer, indem er unaufhörlich frisches Holz hineinwarf: aber schließlich war er so erschöpft und unwohl, daß er fürchtete, er könnte sterben, ehe die Bildsäule gegossen wäre. Er trug daher, der Notwendigkeit folgend, seinen Gehilfen auf, das Metall – sobald es geschmolzen sein würde in die Form strömen zu lassen; worauf er sich zu Bett verfügte. Während die Anwesenden ihn über sein Mißgeschick zu trösten suchten, stürzte plötzlich ein Arbeiter ins Zimmer und jammerte laut, daß nun »die Arbeit des armen Benvenuto unheilbar verdorben sei.« Bei dieser Nachricht sprang Cellini augenblicklich aus dem Bett und stürzte in die Werkstätte. Dort sah er, daß das Feuer nahe am Ausgehen und das Metall bereits wieder hart geworden war.
Nachdem er sich von einem Nachbar eine Fuhre junges Eichenholz hatte holen lassen, welches zum Trocknen mehr als ein Jahr Zeit gehabt, brachte er das Feuer bald wieder in Glut und das Metall zum Schmelzen und Glänzen. Doch der Wind blies noch immer heftig; und es regnete so stark, daß sich Cellini einige mit Teppichen und alten Kleidern behangene Tische bringen ließ, hinter denen er sich verschanzte, während er die Holzscheite in den Ofen warf. Eine Portion Zinn wurde nun zu dem anderen Metall gethan, worauf ein fleißiges Umrühren mit einem eisernen Löffel und langen Holzstangen schnell ein vollständiges Schmelzen der Masse bewirkte. Aber jetzt, da der entscheidende Augenblick nahe war, ertönte plötzlich ein schrecklicher, donnerartiger Krach, wobei ein Feuerschein vor Cellinis Augen aufblitzte. Der Verschluß des Ofens war aufgesprungen, und das Metall begann auszuströmen! Da der Meister fand, daß es nicht mit der notwendigen Geschwindigkeit floh, so stürzte er in die Küche, holte jedes darin befindliche Stück Kupfer- und Zinngeschirr heraus – wohl an zweihundert Suppennapfe, Schüsseln und Kessel der verschiedensten Art – und warf alles miteinander in den Ofen. Nun endlich strömte das Metall kräftig aus, und der Guß der prächtigen Bildsäule des Perseus gelang.
Der göttliche Wahnsinn des Genius, der Cellini veranlaßte, in seine Küche zu stürzen und sie zu Gunsten seines Gußofens all ihrer Gerätschaften zu berauben, wird den Leser an ein ähnliches Verhalten Palissys erinnern, der seine Möbel zerschlug, um seine Töpferwaren brennen zu können. Aber abgesehen von der Ähnlichkeit ihres Enthusiasmus, konnten zwei Männer einander kaum weniger in ihrem Charakter gleichen als jene beiden. Cellini war ein Ismael, gegen den sich – nach seinem eigenen Bericht – jedermanns Hand erhob. Aber über seine außerordentliche Geschicklichkeit als Handwerker und sein Genie als Künstler kann kein Zweifel obwalten.
Viel weniger stürmisch war die Laufbahn des Nicolas Poussin – eines Mannes, der ebenso rein und erhaben in seiner Auffassung der Kunst als in seinem bürgerlichen Leben war, und der sich ebensosehr durch seine Geisteskraft als durch die Rechtschaffenheit seines Charakters und seine edle Einfachheit auszeichnete. Er wurde in sehr bescheidenen Verhältnissen zu Andelys in der Nähe von Rouen geboren, wo sein Vater eine kleine Schule leitete. Der Knabe genoß den väterlichen Unterricht – so gut oder schlecht er war – soll ihn aber nicht allzu eifrig ausgenutzt, sondern den größten Fleiß darauf verwandt haben, seine Schulhefte und seine Schiefertafel mit Zeichnungen zu verzieren. Ein ländlicher Maler, dem die Skizzen des Knaben sehr gefielen, riet den Eltern, seinen Neigungen nicht entgegenzutreten. Derselbe Maler ließ sich herbei, dem jungen Poussin Unterricht zu erteilen, und dieser machte bald solche Fortschritte, daß sein Lehrer ihm nichts mehr beibringen konnte. Von Unruhe und dem Wunsche nach weiterer Vervollkommnung getrieben, begab sich Poussin im Alter von 18 Jahren auf die Reise nach Paris und malte unterwegs Ladenschilder, um sich seinen Unterhalt zu verdienen.
In Paris eröffnete sich ihm eine neue Welt der Kunst, die seine Bewunderung erregte und seinen Ehrgeiz anstachelte. Er arbeitete fleißig in verschiedenen Ateliers – zeichnete, kopierte und malte eigene Bilder. Nach einiger Zeit faßte er den Entschluß, nach Rom zu gehen, wenn ihm dies irgend möglich wäre. Er trat auch wirklich die Reise an, kam aber nur bis Florenz; worauf er wieder nach Paris zurückkehrte. Mit einem zweiten Versuch, Rom zu erreichen, hatte er noch weniger Glück; denn diesmal kam er nur bis Lyon. Aber dabei versäumte er keine sich darbietende Gelegenheit zur Weiterbildung und fuhr fort, so fleißig zu studieren und zu arbeiten wie bisher.
So vergingen zwölf Jahre – Jahre, in denen der unbekannte Künstler Mühsal, Mißerfolge und Enttäuschungen, wahrscheinlich auch manche Entbehrungen zu erdulden hatte. Endlich gelang es Poussin doch, Rom zu erreichen. Dort studierte er fleißig die alten Meister – besonders die antiken Statuen, deren Schönheit einen großen Eindruck auf ihn machte. Mit dem Bildhauer Duquesnoi, der ebenso arm war wie er selbst, lebte er eine Zeitlang zusammen und war ihm behilflich, Bildwerke nach antiken Mustern zu modellieren. Er maß mit ihm mehrere der berühmtesten Statuen Roms – namentlich den »Antinous« – sorgfältig aus, und man nimmt an, daß diese Übung einen bedeutenden Einfluß auf die Bildung seines späteren Stils gehabt hat. Zu gleicher Zeit studierte er Anatomie; zeichnete nach dem Leben; legte sich eine große Skizzensammlung an, worin er Gestalt und Haltung der ihm in den Weg kommenden Menschen kopierte, und las alle maßgebenden kunstgeschichtlichen Bücher, die er sich von seinen Freunden verschaffen konnte, in seinen Mußestunden aufmerksam durch.
Während dieser ganzen Zeit war er zwar sehr arm, aber doch zufrieden in dem Bewußtsein, daß er sich beständig vervollkommnete. Er war froh, seine Gemälde für irgend einen Preis loszuschlagen. Das Bild eines Propheten verkaufte er für acht Livres; die »Plage der Philister« – ein Kunstwerk, das der Kardinal Richelieu später für tausend Kronen erstand – brachte dem Künstler nur deren sechzig. Um seine Not zu vermehren, befiel ihn eine schwere Krankheit, die ihn vollkommen hilflos machte; doch wurde er in dieser Zeit von dem Chevalier del Posso mit Geld unterstützt. Für diesen Herrn malte Poussin später »Die Rast in der Wüste« – ein schönes Bild, das alle Ausgaben, welche die Krankheit des Künstlers dem Gönner verursacht hatte, reichlich zurückzahlte.
Der wackere Mann arbeitete und lernte weiter trotz körperlicher Leiden. Immer höheren Zielen zustrebend, ging er nach Florenz und Venedig, wo er den Kreis seiner Studien erweiterte. Die Früchte seiner gewissenhaften Arbeit erschienen endlich in einer Serie großer Gemälde, die er jetzt auszustellen begann. Seinem »Tode des Germanicus« folgte die »letzte Ölung,« das »Testament des Eudamibas,« das »Manna« und der »Raub der Sabinerinnen.«
Doch Poussins Ruhm wuchs nur langsam. Er liebte die Zurückgezogenheit und mied die Geselligkeit. Die Leute hielten ihn eher für einen Denker als für einen Maler. Wenn er gerade nicht mit Malen beschäftigt war, machte er lange, einsame Spaziergänge durch die Felder, bei welchen er über die Sujets künftiger Gemälde nachdachte. Einer der wenigen Freunde, die er in Rom besaß, war Claude Lorraine, mit welchem er eine Zeitlang viele Stunden des Tages auf der »Piazza di Trinita de' Monti« zubrachte und sich über Kunst und Altertumskunde unterhielt. Die Eintönigkeit und Ruhe der ewigen Stadt entsprachen seinem Geschmack, und er fühlte sich dort zufrieden, wenn er sich nur mit seinem Pinsel ein bescheidenes Auskommen sichern konnte.
Aber allmählich breitete sich sein Ruhm über die Grenzen Roms aus, und er wurde wiederholt eingeladen, nach Paris zurückzukommen. Der König ließ ihm die Stelle eines Hofmalers anbieten. Poussin zögerte und äußerte – eingedenk des italienischen Sprichworts: »Chi sta bene non si muouve« – daß er, nachdem er fünfzehn Jahre in Rom gelebt und sich dort vermählt, daselbst auch sterben und begraben werden wollte. Doch nach abermaliger Aufforderung willigte er ein und ging nach Paris, wo sein Erscheinen so sehr den Neid seiner Berufsgenossen erregte, daß er sich bald wieder nach Rom zurücksehnte.
In der Seinestadt malte er einige seiner bedeutendsten Bilder – den »Heiligen Xaver,« die »Taufe« und das »letzte Abendmahl.« Er war unaufhörlich bei der Arbeit. Anfänglich führte er jeden Auftrag aus, den man ihm gab – entwarf Titelbilder für die königlichen Bücher – besonders für eine Bibel und einen Virgil – und zeichnete Kartons für den Louvre, sowie Tapeten- und Teppichmuster. Aber schließlich lehnte er sich gegen diese Überbürdung auf. »Es ist mir unmöglich,« schrieb er an Herrn de Chanteloup, »gleichzeitig an Titelbildern für Bücher, an einer heiligen Jungfrau, einer Darstellung der Brüderschaft des heiligen Ludwig und verschiedenen Entwürfen für die Galerie zu arbeiten und dabei auch noch die Muster für die königlichen Gobelins zu entwerfen. Ich besitze nur zwei Hände und einen schwachen Kopf, kann mir auch von niemand bei meinen Arbeiten helfen oder raten lassen.«
Aufgebracht über die Feindschaft, die ihm sein Erfolg erweckte, und die er nicht beschwichtigen konnte, faßte er nach kaum zweijährigem Aufenthalt in Paris den Entschluß, nach Rom zurückzukehren. Nachdem er wieder seine bescheidene Wohnung auf dem Monte Pincio bezogen, widmete er sich bis zu seinem Ende fleißig der Kunst und führte ein sehr bescheidenes und zurückgezogenes Leben. Über die Leiden, die ihm seine Krankheit verursachte, tröstete er sich durch das Studium und das beständige Streben nach Vervollkommnung. »Je älter ich werde,« sagte er, »desto mehr fühle ich mich von dem Wunsche entflammt, mich selbst zu übertreffen und den höchsten Grad der Vollkommenheit zu erreichen.« In dieser Weise arbeitend, strebend und duldend, verbrachte Ponssin seine letzten Lebensjahre. Er hatte keine Kinder; sein Weib starb vor ihm; alle seine Freunde wurden dahingerafft, sodaß er in seinem Greisenalter in Rom, dieser Gräberstadt, ganz vereinsamt dastand. Er starb im Jahre 1665, indem er seinen Verwandten in Andelys die etwa 1000 Kronen betragenden Ersparnisse seines Lebens, der Menschheit aber als kostbareres Vermächtnis die großen Schöpfungen seines Genius hinterließ.
Unter den Malern der neueren Zeit liefert uns Ary Scheffer eins der besten Beispiele hochherziger Hingabe an die Kunst. Als Sohn eines deutschen Künstlers zu Dordrecht geboren, zeigte er schon frühe eine Neigung zum Zeichnen und Malen, in welcher er von seinen Eltern bestärkt wurde. Nach dem frühen Tode des Vaters beschloß die Mutter trotz geringer Mittel nach Paris zu ziehen, um ihrem noch sehr jungen Sohne die beste Gelegenheit zu seiner Ausbildung zu verschaffen. In Paris wurde nun der junge Scheffer unter die Leitung des Malers Guérin gethan. Aber die Mittel seiner Mutter waren zu beschränkt, um ihm eine ausschließliche Beschäftigung mit seinen Kunststudien zu gestatten. Sie hatte die wenigen in ihrem Besitz befindlichen Juwelen verkauft und versagte sich jeden Genuß, um ihre anderen Kinder erziehen zu können. Unter solchen Umständen war es natürlich, daß Ary ihr beizustehen wünschte, und kaum achtzehn Jahre alt, begann er kleine, anspruchslose Bilder zu malen, welche er für mäßige Preise rasch los wurde. Er übte sich auch in der Portraitmalerei, wodurch er sich Erfahrung erwarb und gleichzeitig auf ehrliche Weise Geld verdiente. Allmählich wurden seine Bilder immer vollendeter in Zeichnung, Farbengebung und Komposition. Die »Taufe« bezeichnete in seiner Künstlerlaufbahn eine neue Epoche; und von da ab machte er mit jedem neuen Bilde einen Schritt vorwärts, bis sein Ruhm durch seine Illustrationen zum »Faust,« seine »Francisca de Rimini,« den » Christus Consolator,« die »heiligen Frauen,« »St. Monika und St. Augustinus« und viele andere herrliche Gemälde auf seinen Höhepunkt gebracht wurde.
»Auf seine ›Francisca‹.« sagt Herr Grote, »muß Scheffer außerordentlich viel Mühe, Nachdenken und Aufmerksamkeit verwandt haben. Da seine technische Ausbildung nur unvollkommen gewesen: so war er thatsächlich gezwungen, die steilen Höhen der Kunst aus eigener Kraft zu erklimmen und seinen Geist und seine Hand gleichzeitig arbeiten zu lassen. Er probierte verschiedene Arten der Darstellung und Farbengebung, malte und übermalte mit mühevollem und unermüdlichem Fleiße. Aber die Natur hatte ihm Gaben verliehen, welche die technischen Mängel gewissermaßen ausglichen; denn der Adel seines Charakters und sein tiefes Gefühl verliehen ihm die Kraft, durch das Medium seines Pinsels auf die Gemüter der Menschen einzuwirken.« ( Grote: Memoir of the Life of Ary Scheffer, p. 67.)
Einer der von Scheffer am meisten bewunderten Künstler war Flaxman. Über diesen sagte er selbst einmal zu einem Freunde: »Wenn es in der Darstellung meiner ›Francisca‹ etwas geben sollte, das ich unbewußt einem anderen entlehnt, so müßte es etwas sein, das ich in den Flaxmanschen Zeichnungen gesehen.« John Flaxman war der Sohn eines in bescheidenen Verhältnissen lebenden Gipsfigurenhändlers aus der New-Street am Covent-Garden. Als Kind war er so kränklich, daß er gewöhnlich, in Kissen gepackt, hinter dem Ladentische seines Vaters saß, wobei er sich mit Zeichnen und Lesen unterhielt. Ein wohlwollender Geistlicher – der Reverend Matthews – sprach einmal in dem Laden vor, sah den Knaben mühsam an einem Buche herumbuchstabieren und, erfuhr auf Befragen, daß dies Buch der »Cornelius Nepos« war, den der alte Flaxman für etliche Pence bei einem Antiquar gekauft hatte. Nachdem der Pastor sich eine Weile mit dem Knaben unterhalten, sagte er ihm, dies wäre für ihn kein passendes Buch – er würde ihm ein anderes bringen. Schon am folgenden Tage übergab er ihm eine Übersetzung der Dichtungen Homers und eine solche des »Don Quixote,« welche beide von dem Knaben mit großer Begier gelesen wurden. Der kindliche Geist entflammte sich bald für das Heldentum, von dem die Verse des alten Griechen erzählen, und bei dem Anblick all der aus Gips geformten Ajax- und Achillesfiguren, die auf den Repositorien des Ladens aufgereiht standen, erwachte in ihm der Ehrgeiz, selber jene majestätischen Helden, bildlich und plastisch darzustellen.
Gleich allen Jugendarbeiten waren seine ersten Entwürfe unvollkommen. Als der eitle Vater sie eines Tages dem Bildhauer Roubilliac zeigte, wandte sich derselbe mit einem verächtlichen »Pah!« davon ab. Aber der Knabe war aus dem Holze eines echten Künstlers geschnitzt; er hatte Fleiß und Geduld und beschäftigte sich unaufhörlich mit seinen Büchern und Zeichnungen. Dann versuchte er seine junge Kraft daran, Figuren aus Pariser Gips, Wachs und Thon zu modellieren. Einige von diesen Jugendarbeiten sind noch erhalten – nicht wegen ihres Wertes, sondern als die ersten lebenskräftigen Regungen eines beharrlichen Genies. Es dauerte lange, bis der Knabe gehen konnte, und er erlernte es nur dadurch, daß er zuerst mühsam an Krücken einherhumpelte. Aber endlich war er doch kräftig genug geworden, um die Hilfe derselben entbehren zu können. Der gute Herr Matthews lud ihn in sein Haus, wo seine Frau dem jungen Gast die Dichtungen Homers und Miltons erklärte. Das Ehepaar half ihm auch bei seiner Selbstvervollkommnung, indem es ihm lateinische und griechische Stunden gab, zu denen er sich daheim präparierte. Durch Geduld und Beharrlichkeit vervollkommnete er sich im Zeichnen so sehr, daß eine Dame ihm die Ausführung von sechs Original-Illustrationen in schwarzer Kreide übertrug, welche Scenen aus Homer darstellen sollten. Sein erster Auftrag! Welches Ereignis in dem Leben eines Künstlers! Das erste Honorar eines Arztes, der erste Klient eines Rechtsanwalts, die erste Rede eines Abgeordneten, das erste Auftreten eines Sängers auf der Bühne, das erste Buch eines Schriftstellers – alles dies ist für einen nach Ruhm dürstenden Geist nicht bedeutungsvoller als der erste Auftrag eines Künstlers. Der Knabe machte sich sogleich an die Ausführung der Arbeit und wurde dafür nicht nur hoch belobt, sondern auch gut bezahlt.
Mit fünfzehn Jahren trat Flaxman als Schüler in die königliche Akademie ein. Trotz seines zurückhaltenden Wesens wurde er bald unter den Studenten bekannt und man erwartete Großes von ihm. Und diese Hoffnungen wurden auch nicht getauscht: noch ehe er sein sechzehntes Jahr vollendet, gewann er die silberne Medaille: und im folgenden Jahre trat er als Bewerber um die goldene auf. Jedermann prophezeite ihm dieselbe; denn keiner war geschickter oder fleißiger als er. Und dennoch wurde die goldene Medaille nicht ihm, sondern einem Schüler zugesprochen, von dem man später nichts mehr gehört hat. Dieser Mißerfolg aber gereichte dem Jüngling gerade zum Nutzen; denn entschlossene Geister werden durch Niederlagen nicht entmutigt, sondern vielmehr veranlaßt, ihre volle Kraft zu entfalten. »Gebt mir nur Zeit!« sagte er zu seinem Vater; »und ich will noch Kunstwerke schaffen, auf welche die Akademie stolz sein wird.« Er verdoppelte seine Anstrengungen, sparte keine Mühe, zeichnete und modellierte unaufhörlich und machte stetige, wenn auch nicht schnelle Fortschritte. Aber mittlerweile drohte sich die Armut als Gast in seinem väterlichen Hause einzunisten; denn der Gipsfigurenhandel lieferte kaum die Mittel zum dürftigsten Lebensunterhalt. Da verkürzte der junge Flaxman mit mutiger Selbstverleugnung seine Studienzeit und half seinem Vater bei den bescheidenen Verrichtungen seines Geschäfts. Er legte seinen Homer beiseite, um die Gipskelle zu ergreifen. Er war bereit, in dem unbedeutendsten Gewerbe zu arbeiten, wenn er dadurch nur seiner Familie nützen und den Wolf des Hungers ihrer Thür fern halten konnte. In diesem Frohndienst mühte er sich lange Zeit; aber derselbe that ihm gut. Er gewöhnte ihn an ausdauernde Arbeit und pflegte in ihm den Geist der Geduld. Es war eine schwere, aber nützliche Schule, die er durchmachte.
Glücklicherweise drang die Kunde von dem Zeichentalent des jungen Flaxman auch zu den Ohren Josiah Wedgwoods; und dieser suchte den Jüngling auf, um ihm die Erfindung schöner Muster für Porzellan- und Thonwaren zu übertragen.
Wenn jemand glauben sollte, daß eine solche Kunstbethätigung für einen Künstler wie Flaxman allzu bescheiden gewesen sei, so irrt er sich. Ein Künstler kann in seinem eigensten Berufe arbeiten, indem er eine gewöhnliche Theekanne oder einen gemeinen Wasserkrug, dekoriert. Bedarfsartikel, welche von den Menschen täglich gebraucht werden und ihnen bei jeder Mahlzeit vor Augen kommen, können die Mittel einer allgemeinen erziehlichen Einwirkung und die Verbreiter einer höheren Kultur sein. Es kann also ein ehrgeiziger Künstler auf solche Art seinen Landsleuten einen sehr viel wertvolleren Dienst erweisen als durch die Ausführung eines Kunstwerkes, das von einem reichen Manne für mehrere tausend Pfund angekauft und dann in seiner Galerie vor den Augen der Menge verborgen gehalten wird. Vor Wedgwoods Zeit waren die Muster der Porzellan- und Thonwaren sowohl in der Zeichnung als auch in der Ausführung so abscheulich, daß er in beiden Beziehungen Verbesserungen einzuführen beschloß. Flaxman bemühte sich nach Kräften, die Absichten des Fabrikanten zu verwirklichen. Er versorgte ihn von Zeit zu Zeit mit Modellen und Mustern zu allerlei Arten von Thongeschirr, deren Idee meistens der Poesie oder Geschichte des Altertums entlehnt war. Viele davon sind noch vorhanden; und einige kommen in ihrer Schönheit und Einfachheit den Entwürfen gleich, die er später zu seinen Skulpturen lieferte. Die berühmten etruskischen Vasen, welche in allen öffentlichen Museen und in allen Kuriositätensammlungen vertreten waren, lieferten ihm die besten Vorbilder für die Formen, die er noch durch selbsterfundene, elegante Muster verschönerte. Stuarts vor kurzem herausgegebenes »Athen« bot ihm Proben von Gefäßen reinsten griechischen Stils; von diesen suchte er sich die besten aus und modernisierte sie in vollendet eleganter und schöner Weise. Flaxman begriff nun, daß er an einem großen Werke arbeitete – an nichts Geringerem als einer Förderung der Volksbildung; und er erinnerte sich in seinem späteren Leben gern und mit Stolz an jene frühere Beschäftigung, vermöge deren er gleichzeitig seinen Schönheitssinn ausbildete, das Verständnis für Kunst unter dem Volke verbreitete, seine eigene Börse füllte und den Wohlstand seines Freundes und Gönners vermehren half.
Im Jahre 1782 verließ er endlich, siebenundzwanzig Jahre alt, das väterliche Haus, mietete sich ein Häuschen und Atelier in der Wardour-Street in Soho und – was noch bedeutsamer für ihn war – verheiratete sich mit Anna Denman, einem heiteren, frohherzigen und edlen Weibe. Er war überzeugt, daß er durch die Verbindung mit ihr imstande sein würde, noch eifriger zu arbeiten; denn gleich ihm besaß sie ein seines Gefühl für Poesie und Kunst und empfand außerdem für den Genius ihres Mannes eine enthusiastische Bewunderung. Doch als Sir Joshua Reynolds – der selbst ein Junggeselle war – mit Flaxman bald nach dessen Vermählung zusammentraf, sagte er zu ihm: »Hören Sie einmal, Flaxman, man hat mir erzählt, daß Sie sich verheiratet haben. Wenn das wahr ist, mein Lieber, dann sage ich Ihnen, daß Sie als Künstler ruiniert sind.« Flaxman ging geradeswegs nach Hause, setzte sich neben seine Frau, ergriff ihre Hand und sagte: »Anna, ich bin als Künstler ruiniert!« – »Aber John! wie ist das gekommen? Wer ist daran schuld?« – »In der Kirche hat es sich zugetragen, und Anna Denman ist daran Schuld!« Hierauf teilte er ihr die Bemerkung des Sir Joshua mit, von welchem man wohl wußte, daß er die oft geäußerte Meinung hegte, kein Studierender könne sich auszeichnen, wenn er nicht alle seine Geisteskräfte vom Augenblick des Aufstehens bis zu dem des Zubettegehens auf seine Kunst richte: und niemand könne ein großer Künstler werden, wenn er nicht zuvor die Schöpfungen Raphaels, Michel Angelos und anderer Meister zu Rom und Florenz studiert habe. »Und ich,« fuhr Flaxman fort, indem er seine kleine Gestalt zu ihrer vollen Höhe emporreckte, »ich wäre doch so gern ein großer Künstler geworden.« – »Und du sollst ein großer Künstler werden!« rief seine Frau: »und du sollst auch nach Rom gehen, wenn das wirklich nötig ist, um dich groß zumachen.« – »Aber wie wäre das möglich?« fragte Flaxman. »Arbeite und spare!« entgegnete ihm das wackere Weib. »Man soll nicht von Anna Denman sagen dürfen, daß John Flaxman als Künstler von ihr ruiniert worden sei!« Und so beschloß denn das junge Paar, daß die Reise nach Rom angetreten werden sollte, sobald ihre Mittel es gestatten würden, »Ja, ich will nach Rom gehen,« sagte Flaxman, »und will dem Präsidenten zeigen, daß die Ehe einem Manne eher nützlich als schädlich ist; du aber, Anna, sollst mich begleiten!«
So arbeitete nun das liebende Paar fünf Jahre hindurch geduldig und fröhlich in seinem bescheidenen, kleinen Heim in der Wardour-Street, immer mit der Aussicht auf die lange Reise nach Rom. Dies Ziel wurde keinen Moment aus dem Auge verloren: und kein Pfennig wurde unnütz ausgegeben, der für die notwendigen Ausgaben zurückgelegt werden konnte. Sie sprachen mit niemand über ihren Plan, erbaten sich auch keine Hilfe von der Akademie, sondern wollten die Erreichung ihres Zweckes einzig ihrer geduldigen Arbeit und Liebe verdanken. Während dieser Zeit stellte Flaxman sehr wenige Kunstwerke aus. Die Ausführung freier Entwürfe mußte unterbleiben, da er sich nicht den erforderlichen Marmor kaufen konnte; aber er wurde häufig mit der Anfertigung von Grabdenkmälern betraut, und von dem Ertrag dieser Arbeiten lebte er. Auch zeichnete er noch immer für Wedgwood, der ein pünktlicher Zahler war. So ging es ihm im ganzen recht gut, und er fühlte sich zufrieden und hoffnungsfroh. Sein Ansehen unter seinen Mitbürgern war bereits so groß, daß es ihm lokale Ehren und Ämter eintrug. Es wurde ihm nämlich die Einziehung des Wächterzinses für den St. Annenbezirk übertragen; und man konnte ihn in Ausübung dieser Pflicht mit einer aus seinem Knopfloch herabbaumelnden Tintenflasche herumgehen sehen.
Nachdem Flaxman und seine Frau endlich eine genügend große Summe zusammengespart hatten, traten sie die Reise nach Rom an.
Dort angelangt, widmete Flaxman sich eifrig seinen Studien, während er sich gleich anderen armen Künstlern seinen Unterhalt dadurch erwarb, daß er Kopien von antiken Kunstwerken anfertigte. Englische Kunstfreunde besuchten sein Atelier und erteilten ihm Aufträge; und aus jener Zeit stammten seine schönen Illustrationen zu den Dichtungen des Homer, Äschylos und Dante. Der Preis, den man ihm dafür zahlte, war mäßig, nur fünfzehn Schilling für das Stück; aber Flaxman arbeitete nicht nur um des Geldes, sondern auch um der Kunst willen; und seine schönen Zeichnungen erwarben ihm neue Freunde und Gönner. Für den freigebigen Thomas Hope schuf er »Cupido und Aurora,« für den Grafen von Bristol den »wahnsinnigen Athamas.« Nachdem er so seinen Geschmack durch sorgfältige Studien geläutert und gebildet, beschloß er nach England zurückzukehren: aber bevor er Italien verließ, erkannten die Akademien von Florenz und Carrara seine Verdienste dadurch an, daß sie ihn zu ihrem Mitglied ernannten.
Sein Ruf eilte ihm nach London voraus, sodaß er auch dort bald reichliche Beschäftigung fand. Noch während seines Aufenthalts in Rom hatte er das berühmte Monument des Lord Mansfield geschaffen, welches bald nach seiner Rückkehr in dem nördlichen Kreuzflügel der Westminsterabtei aufgestellt wurde. Es steht dort in erhabener Majestät, ruhig, einfach, ernst – ein Denkmal, das der Künstler seinem eigenen Genius errichtet. Kein Wunder also, daß der Bildhauer Banks, der damals auf der Höhe seines Ruhmes stand, beim Anblick dieses Meisterwerkes ausrief: »Dieser kleine Kerl sticht uns alle aus!«
Als die Mitglieder der königlichen Akademie von Flaxmans Rückkehr hörten; und besonders, als sie Gelegenheit gehabt, seine Portrait-Statue des Lord Mansfield zu sehen und zu bewundern, waren sie sehr beflissen, ihn in ihre Reihen aufzunehmen. Er hatte nichts dagegen, daß sein Name auf die Liste der Kandidaten gesetzt wurde, und man wählte ihn ohne Zögern.
Bald danach konnte er sich von einer ganz neuen Seite zeigen. Der kleine Junge, welcher seine Studien hinter dem Ladentisch des Gipsfigurenhändlers in der Newstreet am Covent-Garden begonnen, sollte jetzt – als ein Mann von hoher geistiger Bedeutung und anerkannter Meisterschaft in der Kunst – die Studierenden der königlichen Akademie in der Eigenschaft eines Professors der Skulptur unterrichten! Und niemand hatte begründetere Ansprüche auf jene hervorragende Stellung; denn keiner versteht so gut, andere zu unterweisen, als der, welcher imstande gewesen ist, Schwierigkeiten und Hindernisse aus eigener Kraft zu überwinden.
Nach einem langen, friedlichen und glücklichen Leben fühlte Flaxman, daß er alt wurde. Der Verlust, den er durch den Tod seines geliebten und liebenden Weibes erlitt, war für ihn ein schwerer Schlag. Doch überlebte er sie um mehrere Jahre und schuf in dieser Zeit seinen berühmten »Schild des Achilles.« sowie den herrlichen »Sieg des Erzengels Michael über den Satan« – welche beiden Werke vielleicht die Krone seiner Schöpfungen sind.
Chantrey war eine robustere Natur – etwas derb, aber herzlich in seinem Wesen: dabei stolz auf seinen erfolgreichen Kampf mit den Schwierigkeiten seiner Jugend, und vor allem stolz auf seine Unabhängigkeit. Er war als der Sohn armer Eltern zu Norton bei Sheffield geboren. Als er noch ein Knabe war, verlor er seinen Vater; und seine Mutter ging eine zweite Ehe ein. Der junge Chantrey mußte täglich einen mit Milchkannen beladenen Esel in die benachbarte Stadt Sheffield treiben, um dort die Kunden seiner Mutter mit Milch zu versorgen. Das war der bescheidene Anfang seiner gewerblichen Laufbahn; aber aus eigener Kraft arbeitete er sich empor und erhob sich zu der höchsten künstlerischen Bedeutung. Da der Knabe sich mit seinem Stiefvater nicht gut zu stellen wußte, sollte er ein Geschäft erlernen und wurde zuerst bei einem Gewürzkrämer in Sheffield untergebracht. Seine neuen Pflichten waren ihm höchst widerwärtig: und als er eines Tages an dem Schaufenster eines Bildschnitzers vorüberging, wurde sein Auge von den darin ausliegenden glänzenden Artikeln angezogen; und er fühlte den Wunsch in sich erwachen, selbst ein Bildschnitzer zu werden. Er bat daher seine Angehörigen, ihn aus dem verhaßten Gewürzkram zu erlösen und ihn jenes ersehnte Gewerbe lernen zu lassen. Man willfahrte seinem Verlangen; und er wurde auf sieben Jahre zu jenem Bildschnitzer und Vergolder in die Lehre gegeben. Sein Lehrherr betrieb nebenbei noch einen Handel mit Kupferstichen und Gipsfiguren: und Chantrey machte sich sogleich daran, die einen wie die anderen nachzuahmen, indem er es bei seinen Bemühungen weder an Fleiß noch an Energie fehlen ließ. Seine Mußezeit füllte er damit aus, daß er zeichnete, modellierte und studierte – oft bis tief in die Nacht hinein. Noch ehe seine Lehrzeit abgelaufen war, überließ er – einundzwanzig Jahre alt – seinem Lehrherrn den ganzen Betrag seiner Ersparnisse, d. h. eine Summe von fünfzig Pfund, um dadurch von seinen Verpflichtungen loszukommen; denn er war entschlossen, sich der Kunst zu widmen. So bald als möglich ging er nach London und verschaffte sich dort mit dem ihm eigentümlichen praktischen Sinn eine Stelle als Bildschnitzergehilfe, während er in seinen Mußestunden malte und modellierte. Zu den ersten Arbeiten, bei welchen er als Bildschnitzergehilfe mitwirkte, gehörte die Dekoration eines Speisesaales für den Dichter Rogers – eines Saales, in welchem er selber in späteren Jahren ein willkommener Gast war. Und er fand in jener Folgezeit ein Vergnügen daran, die Gäste, welchen er an der Tafel seines Freundes begegnete, auf die einst von ihm gefertigten Arbeiten aufmerksam zu machen.
Als er sich in Geschäftsangelegenheiten einige Zeit in Sheffield aufhalten mußte, empfahl er sich in den Lokalblättern zur Anfertigung von Portraits und Miniaturbildern in Kreide oder Öl. Für seine erste Portraitzeichnung zahlte ihm ein Messerschmied eine Guinee; und für ein Portrait in Öl empfing er von einem Konditor fünf Pfund Sterling nebst einem Paar Stulpenstiefeln! Chantrey war bald wieder in London, um an der königlichen Akademie zu studieren; und als er dann abermals nach Sheffield kam, erklärte er sich durch Inserate bereit, die Bürger der Stadt sowohl in Gipsbüsten als auch in gemalten Portraits zu verewigen. Man übertrug ihm sogar die Ausführung eines Denkmals für einen verstorbenen Sheffielder Hilfsprediger; und er entledigte sich seines Auftrags zu allgemeiner Zufriedenheit.
Während seines Aufenthalts in London diente ihm ein über einem Stalle liegender Bodenraum als Atelier: und dort schuf er sein erstes für die Ausstellung bestimmtes Originalkunstwerk. Es war ein riesenhaftes Satanshaupt. Als in den letzten Lebensjahren Chantreys einer seiner Freunde einmal in sein Atelier kam, fiel dem Besucher das in einem Winkel liegende Modell jenes Kopfes auf. »Der Kopf da.« sagte der Bildhauer, »war die erste Arbeit, welche ich nach meiner Ankunft in London ausführte. Ich arbeitete daran in einer Bodenkammer und hatte mir dazu eine Mütze aus Pappe aufgesetzt; und da ich mir nur eine einzige Kerze leisten konnte, so befestigte ich dieselbe oben auf meiner Mütze, damit sie sich immer mit mir fortbewegte und mir überall leuchtete, wo ich auch ging oder stand.« Flaxman sah und bewunderte das erwähnte Teufelshaupt in der akademischen Ausstellung und schlug Chantrey für die Ausführung der vier, dem Seemannsasyl zu Greenwich zugedachten Admiralsbüsten vor. Dieser Auftrag zog andere Bestellungen nach sich; und die Malerei mußte bald aufgegeben werden. Bis vor acht Jahren hatte Chantrey mit seinen Modellierarbeiten noch keine fünf Pfund verdient. Sein berühmter Kopf Horne Tookes aber hatte einen derartigen Erfolg, daß er ihm Aufträge im Wert von etwa 12,000 Pfund einbrachte.
Chantrey war jetzt am Ziel; aber er hatte schwer gearbeitet und sich sein Glück wacker erkämpft. Er wurde unter sechzehn Bewerbern dazu auserwählt, die Bildsäule Georgs III. für die Stadt London auszuführen. Wenige Jahre später schuf er die wundervolle Gruppe der »schlafenden Kinder« die sich jetzt in der Lichfielder Kathedrale befindet – ein Kunstwerk von großer Zartheit und Schönheit; und von nun an strömte ihm Ehre, Ruhm und Reichtum in immer größerer Fülle zu. Seine Geduld, sein Fleiß und seine ausdauernde Beharrlichkeit – das waren die Mittel, durch welche er zu seiner Größe gelangte. Die Natur hatte ihm Genie verliehen; und sein gesunder Verstand befähigte ihn, die kostbare Gabe so anzuwenden, daß sie ihm zum Segen gereichte. Er war vorsichtig, und lebensklug – gleich den Menschen, unter denen er geboren war; das Tagebuch, welches ihn auf seiner Reise durch Italien begleitete, enthielt nicht nur vermischte Notizen über Kunst sondern auch ein Verzeichnis der täglichen Ausgaben und der jeweiligen Preise des Marmors. Sein Geschmack war einfach; aber gerade durch ihre Einfachheit erscheinen seine schönsten Schöpfungen so großartig. Seine Bildsäule Watts in der Handsworther Kirche macht uns den Eindruck höchster künstlerischer Vollendung; und doch ist sie vollkommen schmucklos und einfach. Seine Großmut gegen bedürftige Kunstgenossen war außerordentlich, aber still und anspruchslos. Er hinterließ den größten Teil seines Vermögens der königlichen Akademie zur Förderung der britischen Kunst.
Derselbe ehrliche und standhafte Fleiß zeichnete das Leben David Wilkies aus. Als der Sohn eines schottischen Geistlichen geboren, zeigte er schon früh künstlerische Neigungen; und obwohl ein nachlässiger und untüchtiger Schüler, war er doch sehr eifrig im Zeichnen von Gesichtern und Figuren. Schon in der Schweigsamkeit des Knaben offenbarte sich jene ruhige, starke Energie des Charakters, die ihn sein Leben lang auszeichnete. Er sah sich fortwährend nach einer Gelegenheit zum Zeichnen um; und die Wände der väterlichen Wohnung wie der glatte Sand des Ufers waren ihm gleich genehm für seine Zwecke. Jedes Werkzeug war ihm recht. Wie Giotto fand er in einem Stück Holzkohle einen Pinsel, in einem glatten Stein eine präparierte Leinwand und in irgend einem zerlumpten Bettler, der ihm begegnete, den Vorwurf zu einem Bilde. Wenn er ein Haus besuchte, ließ er gewöhnlich auf den Wänden desselben ein Merkzeichen seiner Gegenwart zurück, über welches sich die reinlichen Hausfrauen oft genug ärgerten. Kurz und gut – obwohl sein Vater als Geistlicher einen großen Widerwillen gegen das »sündhafte« Gewerbe der Malerei empfand, war Wilkies starte Neigung doch nicht zu unterdrücken; und er wurde ein Künstler, welcher mannhaft auf der steilen Leiter der Mühsal zu der erwünschten Höhe hinanklomm. Obwohl er bei seiner ersten Kandidatur um die Aufnahme in die schottische Akademie zu Edinburg infolge der groben und ungenauen Zeichnung seiner Probearbeiten durchfiel, so fuhr er doch mutig fort, sich zu üben und sich weiter zu vervollkommnen, bis er endlich aufgenommen wurde.
Indessen machte er nur langsame Fortschritte. Er beschäftigte sich eifrig mit der Darstellung der menschlichen Gestalt und war entschlossen, ans Ziel zu kommen, auch von der festen Überzeugung durchdrungen, daß es ihm gelingen müsse. Er zeigte nichts von der excentrischen Laune und dem ungleichen Fleiß mancher anderen Jünglinge, die sich für Genies halten: vielmehr verfolgte er so standhaft den Weg des unausgesetzten Fleißes, daß er selbst später seinen Erfolg mehr seiner hartnäckigen Ausdauer als einer höheren geistigen Begabung zuzuschreiben pflegte. »Das Grundelement in all den fortschreitenden Bewegungen meines Pinsels war der beharrliche Fleiß.« äußerte er. In Edinburg erhielt er einige Prämien; auch beschloß er in Anbetracht der besseren und gewisseren Bezahlung – sich auf die Portraitmalerei zu legen; aber schließlich wandte er sich doch derjenigen Richtung zu, in welcher er sich Ruhm erworben hat; er malte seinen »Jahrmarkt in Pitlessie.« Und dann faßte er den noch kühneren Entschluß, nach London zu gehen, wo er gewiß war, ein soviel weiteres Feld zum Studieren und Arbeiten zu finden. Und der arme schottische Jüngling kam in die Riesenstadt und malte seine »Dorfpolitiker« in einer kleinen Wohnung, die achtzehn Schillinge die Woche kostete.
Trotz des großen Erfolgs dieses Bildes und trotz der dadurch hervorgerufenen neuen Aufträge blieb Wilkie noch lange Zeit hindurch arm. Die Preise, welche er für seine Arbeiten erhielt, waren nicht groß; denn er verwandte auf die letzteren so viel Fleiß und Mühe, daß seine Einnahmen während vieler Jahre verhältnismäßig klein waren. Jeder neue Entwurf wurde vor seiner Ausführung sorgfältig geplant und ausgedacht; nichts wurde übereilt; viele seiner Gemälde nahmen ihn jahrelang in Anspruch, indem er daran malte, nachmalte und verbesserte, bis er sie schließlich aus der Hand gab. Gleich Reynolds hatte auch er den Wahlspruch: »Arbeite! arbeite! arbeite!« Und wie jener empfand auch er einen ausgesprochenen Widerwillen gegen schwatzhafte Künstler. Schwätzer säen wohl, aber nur die Schweigsamen ernten. »Lassen Sie uns etwas thun!« das war die indirekte Manier, in welcher er die Schwatzhaften zu schelten und die Trägen zu ermahnen liebte. Wie er seinem Freunde Constable erzählte, pflegte zu der Zeit, da er auf der schottischen Akademie studierte, Graham – der Direktor derselben – mit den Worten Reynolds öfters zu den Studenten zu sagen: »Wenn Sie Genie haben, so wird der Fleiß dasselbe vervollkommnen; wenn Sie keines haben, wird er es ersetzen.« »Daher,« sagte Wilkie, »beschloß ich, sehr fleißig zu sein; denn ich wußte, daß ich kein Genie hatte.« Und wenn seine Londoner Studiengenossen Linnell und Burnett über Kunst sprachen, war er – wie er Constable gleichfalls mitteilte – immer sehr bemüht, ihnen so nahe als möglich zu kommen, um nur ja alle ihre Worte zu hören: »denn sagte,« er, »sie wissen sehr viel, und ich weiß außerordentlich wenig.« Dies war vollkommen aufrichtig gemeint; denn Wilkie war von Natur bescheiden. So ziemlich das erste, was er mit der von Lord Mansfield für seine »Dorfpolitiker« gezahlten Summe von dreißig Pfund anfing, war, daß er dafür Mützen, Tücher und Kleider kaufte, um dieselben als Geschenke für seine Mutter und Schwester nach Hause zu schicken – obwohl es ihm selbst an manchem fehlte. Durch seine ursprüngliche Armut war Wilkie an eine strenge Sparsamkeit gewöhnt worden; aber trotzdem übte er eine edle Freigebigkeit, wie dies aus verschiedenen Stellen der Selbstbiographie des Graveurs Abraham Raimbach hervorgeht.
Auch William Ettin giebt uns ein edles Beispiel von unentwegtem Fleiß und unermüdlicher Beharrlichkeit in der Kunst. Sein Vater war ein Pfefferkuchenfabrikant aus York, und seine Mutter – eine Frau von bedeutender Energie und Originalität des Charakters – war die Tochter eines Seilers. Der Knabe zeigte schon früh eine große Vorliebe für die Zeichenkunst, indem er Wände, Fußböden und Tische mit den Proben seiner Geschicklichkeit bedeckte – wobei ihm zuerst ein Stück Kreide im Werte eines Hellers (Farthings) als Bleistift diente, welches dann später durch ein Stück Kohle oder verkohltes Holz ersetzt wurde. Seine Mutter, die nichts von der Kunst verstand, wollte ihn ein Gewerbe erlernen lassen und gab ihn zu einem Buchdrucker in die Lehre. Aber in seinen Mußestunden setzte er seine Zeichenübungen fort, und als er seine Lehrzeit hinter sich hatte, war er entschlossen, seiner Neigung zu folgen, er wollte Maler werden – nichts anderes! Glücklicherweise waren sein Onkel und sein älterer Bruder imstande und auch geneigt, ihn in seiner neuen Laufbahn zu unterstützen; sie waren es, die ihm die Mittel dazu gewährten, als Schüler in die königliche Akademie einzutreten. Aus Leslies Selbstbiographie geht hervor, daß Ettin unter seinen Studiengenossen für einen nur schwach begabten und mühselig vorwärtskommenden Menschen galt, der sich nie auszeichnen würde. Aber er trug in sich die göttliche Kraft der Arbeit und bahnte sich mit unermüdlichem Fleiß den Weg zu den höchsten Höhen der Kunst.
Viele Künstler mußten, ehe sie ihr Ziel erreichten, Entbehrungen durchmachen, die ihren Mut und ihre Geduld auf die härteste Probe stellten. Wie viele dabei zu Grunde gegangen sein mögen, kann niemand sagen. Martin hatte im Laufe seines Lebens mit Prüfungen zu kämpfen, wie sie wohl wenigen auferlegt werden. Während er sich mit der Ausführung seines ersten großen Gemäldes beschäftigte, war er mehrmals nahe daran, Hungers zu sterben. Alan erzählt von ihm, daß er bei einer Gelegenheit nur noch einen einzigen Schilling besaß – einen blanken Schilling, den er wegen seines hübschen Aussehens aufgehoben, den er aber doch schließlich weggeben mußte, um dafür Brot einzutauschen. Er ging in einen Bäckerladen und kaufte sich ein Brot: aber als er es forttragen wollte, riß der Bäcker es ihm aus der Hand und schob dem hungernden Künstler sein Geldstück wieder zu. Der blanke Schilling hatte sich ihm in der Stunde der Not treulos erwiesen – er war falsch. Nach Hause zurückgekehrt, durchwühlte er seinen Koffer, um eine übrig gebliebene Brotkruste zur Stillung seines Hungers zu suchen. Durch die siegreiche Macht der Begeisterung getragen, verfolgte er sein Ziel mit ungebeugter Energie. Er arbeitete und wartete mutig weiter, und als er nach einigen Tagen eine Gelegenheit fand, sein Bild auszustellen, war er von Stund an ein berühmter Mann. Gleich vielen anderen großen Künstlern hat er durch seine Laufbahn den Beweis geliefert, daß bei ungünstigen Lebensumständen das Genie unter Beihilfe des Fleißes sein eigener Gönner ist, und daß der Ruhm, wenn er auch langsam kommt, doch schließlich seine Gunst dem wahren Verdienst nicht versagt.
Die sorgfältigste Ausbildung und Schulung nach akademischen Grundsätzen wird keinen zum Künstler machen, der nicht selbst an dem Erziehungswerk einen thätigen Antheil nimmt. Die Erziehung des Künstlers muß gleich der jedes anderen hochgebildeten Mannes hauptsächlich in der Selbstzucht bestehen. Als Pugin, welcher in dem Bureau seines Vaters ausgebildet wurde, von der Architektur so viel gelernt hatte, als man aus den üblichen theoretischen Formeln lernen kann, schien es ihm, als ob dies doch allzu wenig wäre; sodaß er noch einmal von vorne anzufangen und die Schule der Arbeit durchzumachen beschloß. Der junge Pugin stellte sich demgemäß als gemeiner Zimmermann in den Dienst des Covent-Garden-Theaters, an welchem er zuerst unter der Bühne, dann hinter den Coulissen und schließlich auf der Bühne selbst arbeitete. So wurde er mit der Arbeit vertraut und bildete außerdem seinen Geschmack in architektonischer Beziehung, wozu die Mannigfaltigkeit der mechanischen Beschäftigung bei einem großen Theater sehr günstige Gelegenheit bietet. Wenn das letztere am Ende der Saison seine Vorstellungen schloß, dann fuhr er mit einem Segelschiff zwischen London und einigen französischen Hafenplätzen hin und her, indem er zugleich einen einträglichen Handel betrieb. Dabei versäumte er nicht, an Land zu gehen, sobald sich nur die Gelegenheit bot, und irgend ein altes Gebäude oder gar ein kirchliches Bauwerk zu skizzieren, das auf seinem Wege lag. Später bereiste er den Kontinent ausdrücklich zu diesem Zweck und kehrte dann, reich mit Skizzen beladen, heim. So mühte er sich und arbeitete weiter, indem er die sichere Grundlage zu der hervorragenden Tüchtigkeit und Bedeutung legte, die er später erlangte.
Ein ähnliches Beispiel arbeitsamen Fleißes auf demselben Gebiet liefert uns das Leben George Kemps, des Schöpfers des schönen Scott-Denkmals zu Edinburg. Er war der Sohn eines armen Schäfers und hütete gleich diesem die Schafe auf dem Südabhange der Ventland-Hügel. In jener ländlichen Einsamkeit hatte der Knabe keine Gelegenheit, Kunstwerke irgendwelcher Art zu sehen. Es begab sich jedoch, daß er in seinem zehnten Jahre von dem Besitzer, dessen Schafe sein Vater hütete, mit einer Botschaft nach Roslin geschickt wurde, und der Anblick des schönen Schlosses und der Kapelle, die er dort sah, scheint auf seinen Geist einen tiefen und dauernden Eindruck gemacht zu haben. Wahrscheinlich um seiner Neigung zur Architektur folgen zu können, bat der Knabe seinen Vater, ihn Tischler werden zu lassen, worauf er zu einem benachbarten Dorfzimmermann in die Lehre gegeben wurde. Nachdem er bei ihm einige Zeit gearbeitet, wollte er sich in Galashiels Beschäftigung suchen. Als er mit seinem Handwerkszeug auf dem Rücken das Tweed-Thal entlang wanderte, wurde er in der Nähe von Elibank-Tower von einem Wagen eingeholt. Der Kutscher – der wahrscheinlich im Auftrage seines im Wagen sitzenden Herrn handelte – fragte den Jungen, wie weit er noch zu gehen hätte, und als er hörte, daß der Bursche auf dem Wege nach Galashiels war, lud er ihn ein, sich neben ihn auf den Bock zu setzen und mitzufahren. Es kam nun heraus, daß der freundliche Herr im Wagen niemand anderes war als Sir Walter Scott, welcher als Sheriff von Selkirkshire eine Amtsreise machte. Wahrend Kemp in Galashiels arbeitete, hatte er häufig Gelegenheit, die Abteien Melrose, Dryburgh und Ledburgh zu besuchen und sorgfältig zu studieren. Von seiner Liebe zur Architektur getrieben, bereiste er als Zimmergesell den größten Teil des nördlichen Englands, wobei er keine Gelegenheit versäumte, alle gotische Schlösser zu besichtigen und zu skizzieren. Als er einst in Lancashire arbeitete, wanderte er fünfzig (englische) Meilen weit – bis nach York, wo er acht Tage damit zubrachte, die Kathedrale gründlich in Augenschein zu nehmen: worauf er – wiederum zu Fuß – den Rückweg antrat. Danach hielt er sich vier Jahre in Glasgow auf und studierte dort in seinen Mußestunden den herrlichen Dom. Nach England zurückgekehrt, durchwanderte er in Ausübung seines Berufs den Süden, indem er Canterbury, Winchester, Tintern und andere in architektonischer Beziehung merkwürdige Orte besichtigte. Im Jahre 1824 faßte er den Plan, zu dem gleichen Zwecke eine Reise durch Europa zu machen und sich dabei durch sein Handwerk zu ernähren. Von Boulogne aus reiste er über Abbeville und Beauvais nach Paris, indem er sich an jedem Orte einige Wochen aufhielt, um Skizzen und Studien anzufertigen. Seine Geschicklichkeit als Mechaniker, besonders aber der Umstand, daß er mit Maschinen umzugehen wußte, verschaffte ihm Arbeit, wohin er auch kam, und er wählte sich den Ort seiner Thätigkeit gewöhnlich in der Nähe eines schönen, alten, gotischen Bauwerks, das er in seinen Mußestunden studierte. Nachdem er sich so ein Jahr lang arbeitend und lernend in der Fremde herumgetrieben, kehrte er nach Schottland zurück. Hier setzte er seine Studien fort und vervollkommnete sich sehr im perspektivischen Zeichnen. Melrose war seine Lieblingsruine, und er fertigte von dieser Abtei mehrere künstlerisch ausgeführte Zeichnungen an, von welchen eine, die das Gebäude in »restauriertem« Zustande darstellte, später in Kupfer gestochen ward. Er wurde jetzt öfters mit der Modellierung architektonischer Entwürfe beauftragt und lieferte auch Zeichnungen zu einem Wert in dem Genre der Britonschen »Cathedral Antiquities« (Kirchenaltertümer), welches ein Edinburger Kupferstecher herauszugeben gedachte. Dies war eine Aufgabe, die vollkommen seinem Geschmack entsprach, und er arbeitete daran mit einem Enthusiasmus, der eine rasche Förderung des Werkes sicherte. Im Interesse desselben durchwanderte er halb Schottland zu Fuß und lebte wie ein gewöhnlicher Handwerker, während er gleichzeitig Zeichnungen anfertigte, die den besten Künstlern zur Ehre gereicht haben würden. Da aber der Herausgeber des Werkes Plötzlich starb, wurde die Veröffentlichung desselben aufgeschoben; und Kemp suchte sich eine andere Beschäftigung. Als das Komitee, welches sich zum Zweck der Stiftung eines Scott-Denkmals gebildet, einen Preis für den besten Entwurf aussetzte, hatten nur wenige eine Ahnung von dem Genius dieses von Natur sehr schweigsamen und bescheidenen Mannes. Unter den zahlreichen Bewerbern befanden sich die größten Namen der klassischen Architektur. Aber der einstimmig erwählte Entwurf war der des George Kemp, welcher zu der Zeit, wo er den die Entscheidung des Komitees meldenden Brief empfing, von den Preisrichtern durch eine Entfernung von vielen Meilen getrennt war, da er gerade an der Kilwinninger Abtei in Airshire arbeitete. Der arme Kemp! Bald nach jenem Erfolg ereilte ihn ein früher Tod; und es war ihm nicht mehr vergönnt, die steinerne Verkörperung des ersten Resultats seiner rastlosen Arbeit und Selbstvervollkommnung zu sehen – jenes Monument, welches eins der schönsten und angemessensten Denkmäler ist, die je literarischen Berühmtheiten errichtet wurden.
Auch John Gibson war von einer echten Begeisterung und Kunstliebe erfüllt, die ihn hoch über jene gemeinen Versuchungen hinaushob, welche niedrigere Naturen dazu antreiben, die Zeit zur Dienerin des Eigennutzes zu machen. Er wurde zu Gyffin bei Conway im nördlichen Wales als der Sohn eines Gärtners geboren. Sein Talent verriet sich schon früh in den Holzschnitzereien, die er mit Hilfe eines gewöhnlichen Taschenmessers anfertigte; und da sein Vater die besondere Art seiner Begabung wohl beachtete, so gab er ihn zu einem Liverpooler Kunsttischler und Bildschnitzer in die Lehre. Der junge Mensch vervollkommnete sich rasch in seinem Gewerbe; und einige von seinen Schnitzereien erregten große Bewunderung. So wurde er naturgemäß zur Skulptur geführt und modellierte mit achtzehn Jahren eine kleine Statue der Zeit in Wachs, welche ein nicht geringes Aufsehen erregte. Nachdem die Bildhauerfirma der Messrs. Franceys in Liverpool den Burschen von seinem Lehrkontrakt losgekauft, nahm sie ihn selbst auf sechs Jahre als Lehrling an; und während dieser Zeit konnte sich sein Genius in vielen Originalschöpfungen bethätigen. Von dort ging er nach London und später nach Rom, worauf er bald eine europäische Berühmtheit wurde.
Gleich John Gibson stammte auch Robert Thorburn von armen Eltern ab. Sein Vater lebte als Schuhmacher in Dumfries. Außer Robert waren noch zwei andere Söhne, von denen der eine ein geschickter Bildschnitzer wurde. Eines Tages sprach eine Dame bei dem Schuhmacher vor und fand Robert, der damals noch ein kleiner Junge war, damit beschäftigt, auf einem Stuhl, der ihm als Tisch diente, allerhand Figuren zu zeichnen. Sie prüfte seine Arbeit; und da sie sein Talent erkannte, suchte sie ihm Zeichenunterricht zu verschaffen und nahm in seinem Interesse die Dienste solcher Leute in Anspruch, die ihm zum Studium der Kunst verhelfen konnten. Der Knabe war fleißig, gewissenhaft, beharrlich und schweigsam; er gab sich selten mit seinen Kameraden ab und schloß nur wenige Freundschaften. Ums Jahr 1830 versah ihn ein Herr aus der Stadt mit den Mitteln, nach Edinburg zu gehen wo er als Student in die »schottische Akademie« aufgenommen wurde. Dort hatte er den Vorzug, unter ausgezeichneten Lehrern zu studieren; und er machte rasche Fortschritte. Von Edinburg ging er nach London, wo er – wie wir hören – durch seinen Gönner, den Herzog von Buccleuch, der Beachtung der Gesellschaft empfohlen wurde. Aber wie nützlich eine solche Gönnerschaft, die ihn in die besten Kreise einführte, auch für Thorburn gewesen sein mag, so brauchen wir doch wohl kaum zu sagen, daß keine Begünstigung irgendwelcher Art ihn zu dem großen Künstler hätte machen können, der er unzweifelhaft ist, wenn er nicht angeborenes Genie besessen und fleißig gearbeitet hätte.
Noel Paton, der wohlbekannte Maler, begann seine Laufbahn damit, daß er in Dunfermline und Paisley Muster für Tischdecken und Musselinstickereien zeichnete; während er sich nebenbei fleißig an bedeutenderen Gegenständen übte, namentlich auch die menschliche Gestalt wiederzugeben versuchte. Gleich Turner war er zu jeder Arbeit bereit; und im Jahre 1840 sehen wir ihn als einen noch sehr jungen Menschen unter anderem damit beschäftigt, den »Renfrewshirer Kalender« zu illustrieren. Er bahnte sich seinen Weg Schritt um Schritt, langsam, aber sicher. Dennoch blieb er unbekannt bis zur Ausstellung der Konkurrenzzeichnungen für die Parlamentshäuser, bei welcher Gelegenheit ihn seine Darstellung des »Geistes der Religion« – für die er einen der ersten Preise erhielt – der Welt als einen echten Künstler offenbarte. Seine seitdem ausgestellten Bilder – wie »die Versöhnung Oberons und Titanias,« »die Heimat« und »das blutige Stelldichein« – beweisen einen stetigen Fortschritt in der künstlerischen Darstellungskraft und Auffassung. Ein anderes glänzendes Beispiel fleißigen und beharrlichen Kunststudiums inmitten bescheidener Verhältnisse giebt uns das Leben des James Sharples, eines Schmiedegesellen aus Blackburn. Er wurde zu Wakefield in Yorkshire im Jahre 1825 als Mitglied einer mit dreizehn Kindern gesegneten Familie geboren. Sein Vater arbeitete als Eisengießer und zog seines Gewerbes halber nach Bury. Die Knaben erhielten keinen Schulunterricht, sondern wurden so früh als möglich in die Arbeit geschickt; und so kam James mit etwa zehn Jahren in eine Gießerei, wo er ungefähr zwei Jahre hindurch als Schmiedelehrling beschäftigt war. Danach wurde er in derselben Fabrik untergebracht, in welcher sein Vater als Maschinenschmied arbeitete. Des Knaben Aufgabe bestand darin, die Nietnägel für die Kesselschmiede glühend zu machen und herbeizubringen. Obgleich seine Arbeitszeit von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends dauerte, brachte sein Vater es doch fertig, ihm nach den Arbeitsstunden noch etwas Unterricht zu erteilen, sodaß er dadurch notdürftig lesen lernte. Während er unter den Kesselschmieden arbeitete, traten zufällige Umstände ein, die in ihm die Lust zum Zeichnen erweckten. Der Werkmeister stellte ihn zuweilen dazu an, die mit Kreide bestrichene Schnur zu halten, welche er dazu gebrauchte, die Kesselmodelle auf dem Fußboden der Wertstätte aufzuzeichnen. Gelegentlich aber hielt der Werkmeister selbst die Schnur und leitete den Knaben an, die erforderlichen Messungen vorzunehmen. James wurde hierin bald so geschickt, daß er dem Werkmeister große Dienste leistete; und daheim war es in seinen Mußestunden sein höchstes Vergnügen, auf dem Fußboden der Wohnstube Kesselmodelle zu entwerfen. Als die Familie einst eine Verwandte aus Manchester zum Besuch erwartete und das Haus zu deren Empfang so schmuck als möglich gemacht worden war, unternahm der am Abend aus der Fabrik heimkehrende Junge seine gewöhnlichen Zeichenübungen auf dem Fußboden. Er hatte eben ein großes Kesselmodell mit Kreide aufgezeichnet, als seine Mutter mit dem Gast ankam und zu ihrem Ärger den Buben ungewaschen, den Fußboden aber mit Kreide beschmiert vorfand. Die Verwandte jedoch versicherte, daß ihr der Fleiß des Knaben sehr gefiele: sie lobte seine Zeichnung und riet seiner Mutter, dem kleinen »Schornsteinfeger,« wie sie ihn nannte, Papier und Bleistifte zu besorgen.
Durch seinen älteren Bruder ermutigt, begann er sich im Zeichnen von Figuren und Landschaften zu üben, indem er Lithographien kopierte – ohne eine Ahnung von den Regeln der Perspektive oder den Gesetzen des Lichts und Schattens. Er arbeitete indes ruhig weiter und eignete sich eine gewisse Geschicklichkeit im Kopieren an. Mit sechzehn Jahren trat er in die Fortbildungsschule zu Bury ein, um an dem Zeichenunterricht teilzunehmen, den ein Dilettant erteilte, welcher im übrigen das Gewerbe eines Barbiers betrieb. Dort hatte er drei Monate lang wöchentlich eine Zeichenstunde. Der Lehrer gab ihm den Rat, sich aus der Bibliothek Burnets »Praktische Abhandlung über die Malkunst« zu leihen; aber da er nicht fließend lesen konnte, mußte er seine Mutter oder seinen älteren Bruder bitten, ihm Stellen aus dem Buche vorzulesen, während er dabei saß und zuhörte. Da er sich durch seine Unkenntnis der Lesekunst behindert fühlte und den dringenden Wunsch hatte, den Inhalt des Burnetschen Werkes kennen zu lernen, so blieb er nach dem ersten Vierteljahr dem Zeichenunterricht des Instituts fern und übte sich zu Hause im Lesen und Schreiben. Hierin machte er bald gute Fortschritte; und als er wieder in das Institut eintrat und den »Burnet« zum zweitenmal zur Hand nahm, konnte er ihn nicht nur lesen, sondern war auch imstande, sich daraus zu späterem Gebrauch schriftliche Auszüge zu machen. Er studierte das Buch so eifrig, daß er um vier Uhr morgens aufzustehen pflegte, um darin zu lesen und Stellen daraus abzuschreiben. Darauf ging er um sechs Uhr in die Fabrik und arbeitete dort bis sechs oder wohl gar acht Uhr abends, um sich nach der Heimkehr mit neuem Vergnügen an seinen Burnet zu machen, dessen Studium er oft bis tief in die Nacht hinein fortsetzte. Einen Teil seiner Nächte füllte er auch mit Zeichnen und Kopieren von Bildern aus. Auf eine Kopie des »Heiligen Abendmahls« von Leonardo da Vinci verwandte er eine ganze Nacht. Zwar ging er schließlich zu Bett; aber sein Geist war von dem Gegenstand so erfüllt, daß er nicht zu schlafen vermochte; weshalb er wieder aufstand und von neuem zum Zeichenstift griff.
Danach wollte er sich auch in der Ölmalerei versuchen. Zu diesem Zweck kaufte er sich von einem Krämer ein Stück Leinwand, spannte es in einen Rahmen, überzog es mit Kremser Weiß und begann darauf mit Farben herumzupinseln, die er sich von einem Stubenmaler gekauft hatte. Aber dieser Versuch schlug gänzlich fehl; denn die Leinwand war rauh und knotig, und die Farben wollten nicht trocknen. In seiner Verlegenheit wandte er sich an seinen alten Lehrer, den Barbier, von dem er jetzt erst erfuhr, daß es präparierte Leinwand und besondere Farben und Firnisse zum Zweck der Ölmalerei gäbe. Nun kaufte er – sobald seine Mittel es ihm gestatteten – einen kleinen Vorrat der notwendigen Artikel und begann seine Malversuche von neuem, wobei sein alter Lehrer ihm die erforderliche Anleitung gab; und der Schüler machte so gute Fortschritte, daß er den Lehrer im Kopieren bald übertraf. Sein erstes Bild war die Kopie eines Kupferstiches, der »die Schafschur« betitelt war; er verkaufte es später für eine halbe Krone. Mit Hilfe einer billigen »Anleitung zur Ölmalerei« übte er sich noch weiter in seinen Mußestunden und lernte immer besser mit seinen Malutensilien umgehen. Er verfertigte sich seine eigene Staffelei und Palette, seinen Spatel und Malkasten: er kaufte sich selbst seine Farben wie auch Pinsel und Leinwand, sobald er nur das erforderliche Geld durch Extraarbeit zusammengebracht hatte. Über diese kleine Summe gestatteten ihm seine Eltern frei zu verfügen; während die Sorge für eine sehr große Familie sie abhielt, mehr für ihn zu thun. Oft wanderte er abends nach Manchester, um für zwei oder drei Schillinge Farben und Leinwand zu kaufen, und kehrte dann von diesem achtzehn (englische) Meilen betragenden Gange gegen Mitternacht heim – nicht selten durchnäßt und völlig erschöpft, aber aufrecht erhalten durch seine siegesfreudige Hoffnung und seine unbeugsame Entschlossenheit. Die weitere Entwicklung dieses Künstlers aus eigener Kraft schildern wir am besten mit den Worten, in denen er sich selbst darüber in einem Briefe an den Verfasser äußert. »Danach malte ich« – so schreibt er – »eine Mondlandschaft, ein Fruchtstück und noch einige andere Bilder; worauf mir der Gedanke kam, die »Schmiede« zu malen. Ich hatte schon einige Zeit darüber nachgedacht, aber noch nicht versucht, meine Idee in einem Bilde zu verkörpern. Jetzt jedoch skizzierte ich den Gegenstand auf Papier und machte mich dann daran, ihn auf Leinwand zu malen. Das Gemälde stellt einfach das Innere einer großen Werkstätte von der Art derjenigen dar, in welcher ich zu arbeiten gewohnt war. Gleichwohl war hier nicht eine bestimmte Schmiede gemeint, sodaß meine Idee in dieser Beziehung originell genannt werden durfte. Nachdem ich die Umrisse gezeichnet, fand ich, daß ich zu weiterer, erfolgreicher Ausführung meines Bildes anatomischer Kenntnisse bedurfte, um die Muskulatur der Gestalten richtig wiederzugeben. In dieser Verlegenheit kam mir mein Bruder Peter zu Hilfe, indem er so liebenswürdig war, mir Flaxmans »Anatomische Studien« zu kaufen – ein Werk, das mit seinem Preis von vierundzwanzig Schilling damals meine Mittel bei weitem überstieg. Dies Buch war in meinen Augen ein großer Schatz. Ich studierte darin so eifrig, daß ich oft um drei Uhr morgens aufstand, um etwas daraus abzuzeichnen; und daß ich gelegentlich meinen Bruder Peter dazu heranbekam, mir zu jener ungemütlichen Stunde Modell zu stehen. Obwohl ich mich durch diese Übung allmählich vervollkommnete, dauerte es doch ziemlich lange, bis mein Selbstvertrauen soweit gewachsen war, daß ich mich an mein Bild heranwagte. Da ich mich auch durch meine Unkenntnis der Perspektive gehindert fühlte, so suchte ich vor Wiederaufnahme meiner Malerei diesem Übelstand durch ein sorgfältiges Studium der Brook Taylorschen »Principien« abzuhelfen. Während ich daheim die Perspektive studierte, erbat ich mir in der Fabrik die schwereren Schmiedearbeiten – und zwar deshalb, weil bei diesen das Eisen zum Glühendwerden längere Zeit gebrauchte als bei den leichteren. Auf solche Weise erübrigte ich im Laufe des Tages einige freie Minuten, die ich fleißig dazu benutzte, auf die vordere Eisenplatte des Herdes, an welchem ich arbeitete, perspektivische Figuren zu zeichnen.«
Indem er so fleißig arbeitete und studierte, wurde James Sharples immer mehr mit den Principien der Kunst vertraut und erwarb sich in der Ausübung der letzteren eine immer größere Geschicklichkeit. Etwa achtzehn Monate nach Ablauf seiner Lehrzeit malte er ein Portrait seines Vaters, welches gleich seiner »Schmiede,« die er bald darauf vollendete, ein ziemlich großes Aufsehen in der Stadt erregte. Sein Erfolg in der Portraitmalerei verschaffte ihm von seiten des Werkmeisters der Fabrik den Auftrag, ein Familienbild zu malen, und Sharples machte seine Sache so gut, daß der Werkmeister ihm nicht nur die ausbedungenen achtzehn Pfund, sondern noch dreißig Schillinge obenein zahlte. Wahrend er an dieser Familiengruppe malte, stellte er seine Arbeit in der Fabrik ein und dachte sogar daran, das Handwerk ganz und gar aufzugeben und sich ausschließlich der Kunst zu widmen. Er malte nun verschiedene Bilder, zum Beispiel einen selbständig concipierten Christuskopf in Lebensgröße, sowie eine Ansicht von Bury. Da aber die Aufträge, die er als Portraitmaler erhielt, seine Zeit nicht genügend ausfüllten und ihm auch nicht die Aussicht auf ein festes Einkommen gewährten, so war er verständig genug, sich sein Schurzfell wieder vorzubinden und von neuem in dem ehrlichen Gewerbe eines Grobschmieds zu arbeiten, während er seine Mußestunden dazu anwandte, seine seitdem ausgestellte »Schmiede« in Stahl zu stechen. Zur Stahlstecherkunst wurde er durch den folgenden Umstand hingeführt: Ein Bilderhändler aus Manchester, welchem er das Gemälde zeigte, äußerte, dasselbe würde in den Händen eines geschickten Kupfer- oder Stahlstechers einen guten Stich abgeben. Sharples faßte sofort den Gedanken, das Bild selbst in Stahl zu stechen, obgleich er von dieser Kunst keine Ahnung hatte. Die Schwierigkeiten, die sich ihm bei seinem Vorhaben entgegenstellten, und die er erfolgreich überwand, beschreibt er selbst folgendermaßen:
»Ich hatte die Annonce eines Sheffielder Stahlplattenfabrikanten gelesen, welche ein Verzeichnis der Preise enthielt, für die der Fabrikant Platten von verschiedener Größe lieferte. Ich gab nun dem Manne die Dimensionen der von mir gewünschten Platte an und übersandte ihm den Betrag nebst einer kleinen Extrasumme, für die er mir einige zum Gravieren erforderliche Werkzeuge schicken sollte. Ich konnte ihm die einzelnen Instrumente nicht näher bezeichnen, da ich nicht das mindeste von der Stahlstecherkunst verstand. Indessen trafen mit der Platte richtig drei oder vier Grabstichel nebst einer Ätznadel ein, welche letztere ich verdarb, ehe ich noch ihren Gebrauch erlernt hatte. Während ich an der Platte arbeitete, setzte die ›Vereinigte Genossenschaft der Maschinenbauer‹ einen Preis für ein allegorisches Bild aus; ich beschloß, an der Konkurrenz teilzunehmen, und hatte das Glück, den Preis zu gewinnen. Bald darauf zog ich nach Blackburn, wo ich in der Maschinenfabrik der Messrs. Yates als Kesselschmied arbeitete, während ich meine Mußezeit wie vorher mit Zeichnen, Malen und Gravieren ausfüllte. Mit dem letzteren kam ich nur sehr langsam vorwärts, da es mir an den passenden Instrumenten gebrach. Ich beschloß, mir selbst solche anzufertigen, die meinen Zwecken entsprächen; und nach verschiedenen Mißerfolgen gelang es mir endlich, eine ganze Anzahl von Werkzeugen herzustellen, die ich seitdem bei meiner Kupferstecherei vielfach gebraucht habe. Was mich auch sehr in Verlegenheit setzte, war der Mangel eines geeigneten Vergrößerungsglases; und bei der Ausführung eines Teils meiner Platte stand mir als einziges Instrument dieser Art nur meines Vaters Brille zur Verfügung. Indessen gelang es mir später, ein passendes Vergrößerungsglas zu erhalten, welches mir vortreffliche Dienste leistete. Doch nun trat ein Umstand ein, der mich die Arbeit beinahe hätte aufgeben lassen. Es passierte häufig, daß ich die Platte wegen anderer dringenderer Arbeiten für längere Zeit beiseite legen mußte; und um sie in solchen Fällen vor dem Rosten zu schützen, pflegte ich die gravierten Stellen mit Öl einzureiben. Als ich nun einmal nach einer längeren Pause meine Platte wieder vornahm und betrachtete, bemerkte ich, daß das Öl zu einer dicken, zähen Masse geworden war, die sich außerordentlich schwer entfernen ließ. Ich versuchte sie mit einer Nadel herauszustechen, fand aber, daß dies fast ebensoviel Zeit kostete, als wenn ich die Stellen frisch gravierte. Ich war ganz verzweifelt; aber schließlich verfiel ich auf das Mittel, die Platte in sodahaltigem Wasser zu kochen und die gravierten Stellen nachher mit einer Zahnbürste abzureiben; und zu meinem Entzücken bewährte sich das Verfahren vollkommen. Nachdem ich die größten Schwierigkeiten überwunden hatte, bedurfte ich nur noch der Geduld und Beharrlichkeit, um meine Arbeit zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Mir hat bei der Herstellung meines Stahlstichs niemand Rat oder Beistand gewährt. Wenn also die Arbeit einiges Verdienst besitzt, so darf ich dasselbe für mich allein in Anspruch nehmen; und wenn ich durch ihre Fertigstellung gezeigt habe, was ausdauernder Fleiß und fester Entschluß zu leisten vermögen, so ist das der einzige Ruhm, den ich begehre.«
Es würde uns zu weit führen, wenn wir den Stahlstich der »Schmiede« kritisieren wollten; seine Vorzüge sind durch die Fachblätter völlig gewürdigt worden. Der Ausführung dieser Arbeit opferte Sharples fünf Jahre lang seine abendlichen Mußestunden; und als er seine Platte zum Drucker trug, sah er bei diesem zum erstenmal einen Stahlstich, den ein anderer gefertigt hatte. Dieser wahrheitsgetreuen Schilderung seines Fleißes und Genies fügen wir noch einen Zug hinzu – und zwar einen solchen, der sich auf sein häusliches Leben bezieht. »Ich bin seit sieben Jahren verheiratet,« sagt er, »und während dieser Zeit ist es immer mein größtes Vergnügen gewesen, daheim – nach Beendigung meines Tagewerks in der Fabrik – meinen Stift oder Grabstichel zu ergreifen und damit, oft bis zu später Stunde, zu arbeiten, indes mein Weib an meiner Seite sitzt und mir aus einem interessanten Buche vorliest.« Wahrlich! das ist ein einfaches, aber schönes Zeugnis für die gesunde Tüchtigkeit und echte Biederkeit dieses merkwürdigen und verdienstvollen Arbeiters!
Derselbe Fleiß, dieselbe Ausdauer, deren – wie wir gesehen – ein Künstler bedarf, um sich in der Malerei und Skulptur auszuzeichnen, wird auch in der Schwesterkunst, der Musik erfordert, welche – während jene beiden anderen die Poesie der Form und Farbe darstellen – die Poesie der Töne bedeutet.
Händel war ein unermüdlicher und beharrlicher Arbeiter; ungebeugt durch Fehlschläge, schien seine Energie mit jedem Mißgeschick zu wachsen. Zu der Zeit, da er als insolventer Schuldner vielen Kränkungen ausgesetzt war, verzagte er nicht einen Augenblick, sondern schuf in einem einzigen Jahr seinen »Saul« und »Israel,« sowie die Musik zu Drydens »Ode,« seine »zwölf großen Konzerte« und die Oper »Jupiter in Argos« – welche Werke zu seinen schönsten Schöpfungen gehören. Nach den Worten seines Biographen »trotzte er jedem Mißgeschick und verrichtete ohne Beistand die Arbeit von zwölf Männern.«
Haydn äußerte mit Bezug auf seine Kunst: »Sie besteht darin, daß man einen Gegenstand erfaßt und ausführt.« »Die Arbeit,« sagte Mozart, »ist mein größtes Vergnügen.« Beethovens Lieblingswort war: »Es giebt keine Schranke, die dem strebsamen Talent oder Fleiß zurufen könnte: Bis hierher und nicht weiter!« Als Moscheles seine Bearbeitung des »Fidelio« für Klavier Beethoven zur Beurteilung vorlegte, sah dieser ganz unten auf der letzten Seite die Worte stehen: » Finis! mit Gottes Hilfe.« Sofort schrieb Beethoven darunter: »O Mensch, hilf dir selber!« Dies war der Wahlspruch seines Künstlerlebens. Johann Sebastian Bach sagte von sich selbst: »Ich war fleißig: wer ebenso eifrig ist, wie ich es gewesen bin, wird auch ebensoviel Erfolg haben.« Aber ohne Zweifel besaß Bach eine angeborene Neigung zur Musik, welche die Haupttriebfeder seines Fleißes und das wahre Geheimnis seines Erfolges darstellte. Als er fast noch ein Knabe war, wurde ihm von seinem älteren Bruder, der seinen Fähigkeiten eine andere Bahn anweisen wollte, eine Anzahl von Partituren vernichtet, die der junge Sebastian in Ermangelung einer Kerze beim Mondschein niedergeschrieben, und in denen sich schon die große Begabung des genialen Knaben aussprach. Über Meyerbeer schrieb Bayle im Jahre 1820 von Mailand aus: »Er ist ein Musiker von einigem Talent, aber kein Genie: er lebt einsam und beschäftigt sich täglich fünfzehn Stunden mit Musik.« Jahre vergingen; und Meyerbeers gewissenhafter Fleiß ließ endlich seinen Genius zu Tage treten, der sich deutlich in seinem »Robert dem Teufel,« in den »Hugenotten,« dem »Propheten« und anderen Opern offenbarte, die anerkanntermaßen zu den besten Tonschöpfungen gehören, die in der neueren Zeit komponiert worden sind.
Obgleich die musikalische Komposition eine Kunst ist, in welcher sich die Engländer bisher nicht sonderlich ausgezeichnet haben, weil ihre Bestrebungen sich größtenteils einer anderen, mehr praktischen Richtung zuwandten, so fehlt es doch auch uns nicht an einheimischen Beispielen für die Macht der Beharrlichkeit auf diesem besonderen Gebiet. Arne war der Sohn eines Tapezierers und von seinem Vater für die juristische Laufbahn bestimmt; doch seine Liebe zur Musik war so groß, daß er ihr nicht widerstehen konnte. Während er in dem Bureau eines Rechtsanwalts arbeitete, verfügte er nur über sehr gelinge Mittel; aber um seiner Neigung folgen zu können, pflegte er sich eine Dienerlivree zu borgen und auf die Galerie der Oper zu gehen, die damals fast ausschließlich von Dienstboten besucht wurde. Ohne Vorwissen seines Vaters machte er große Fortschritte im Violinspiel, und sein Vater erfuhr dies erst durch einen zufälligen Besuch in dem Hause eines benachbarten Herrn, wo er zu seiner Überraschung und Bestürzung seinen Sohn in einem Orchester die erste Geige spielen hörte. Dieser Umstand entschied das Schicksal des jungen Arne. Sein Vater trat seinen Wünschen jetzt nicht mehr entgegen, und die Welt verlor hierdurch einen Rechtsanwalt, gewann aber dafür einen Musiker von Geschmack und zarter Empfindung, dem die englische Musiklitteratur viele wertvolle Werte verdankt.
Die Laufbahn des verstorbenen William Jackson, des Komponisten der »Befreiung Israels,« – eines Oratoriums, welches in allen größeren Städten seiner Heimat, der Grafschaft York, mit Erfolg aufgeführt worden ist – zeigt in interessanter Weise, welche Schwierigkeiten auf musikalischem Gebiet die Beharrlichkeit zu überwinden vermag. Er war der Sohn eines Müllers aus Masham, einem Marktflecken im Thal der Yore, in dem nordwestlichen Winkel von Yorkshire. Die Neigung zur Musik scheint ein Erbteil der Familie gewesen zu sein; denn sein Vater spielte die Querpfeife in dem Musikcorps der Mashamer Bürgerwehr und gehörte zu den Sängern des Kirchenchors. Auch sein Großvater war ein Hauptsänger der Mashamer Kirche, an welcher er als Glöckner fungierte, und einer der ersten musikalischen Genüsse des Knaben bestand darin, daß er dabei sein durfte, wenn in der Sonntagsfrühe die Glocken geläutet wurden. Während des Gottesdienstes ward sein ganzes Interesse von dem Spiel des Organisten auf der Drehorgel in Anspruch genommen. Die Rückwand des Instruments war dabei geöffnet, um den Schall ungehindert in die Kirche dringen zu lassen, und so wurde vor den staunenden Augen der kleinen, hinten auf der Galerie sitzenden Buben – besonders vor den bewundernden Blicken unseres jungen Musikers – das Innere der Orgel mit seinen Klappen, Pfeifen, Walzen, Dämpfern, Registern und Bälgen enthüllt. Mit acht Jahren begann Jackson auf der alten Querpfeife seines Vaters zu spielen, die jedoch leider das » D« nicht angab. Seine Mutter stillte diesen Kummer dadurch, daß sie ihm eine einklappige Flöte kaufte, und bald danach schenkte ihm ein Herr aus der Nachbarschaft eine Flöte mit vier silbernen Klappen. Da der Knabe in der »Bücherweisheit« keine Fortschritte machte und am Cricketspiel, seiner Querpfeife oder einer Boxerei weit mehr Gefallen fand als an seinen Schulstunden, so gab es der Dorfschulmeister als »ein schlechtes Geschäft« auf, sich weiter um ihn zu kümmern, und seine Eltern schickten ihn nach Pateley Bridge zur Schule. Während seines dortigen Aufenthalts fand er eine ihm zusagende Gesellschaft in einem ländlichen Gesangverein zu Brighouse-Gate, und bei diesem lernte er das Solfeggieren der Tonleiter in altenglischer Weise. So gewann er eine Sicherheit im Treffen der Töne, die erstaunlich war. Seine Fortschritte erregten die Bewunderung des Vereins, und von musikalischem Ehrgeiz entflammt, kehrte er heim. Er lernte nun auf dem alten Klavier seines Vaters spielen, aber der Effekt befriedigte ihn nicht. Sein höchster Wunsch zielte jetzt auf den Besitz einer mit Tasten versehenen Orgel; doch fehlte es ihm an den Mitteln, sich eine solche zu verschaffen. Um diese Zeit kaufte ein benachbarter Dorfküster für eine unbedeutende Summe eine kleine, unbrauchbar gewordene Drehorgel, die mit einem Schaubudenbesitzer die Reise durch die nördlichen Grafschaften gemacht hatte. Der Küster versuchte vergeblich, das Instrument wieder in Ordnung zu bringen. Endlich verfiel er auf den Gedanken, die Geschicklichkeit des jungen Jackson in Anspruch zu nehmen, welchem schon verschiedene Abänderungen und Verbesserungen an der mit einer Klaviatur versehenen Orgel der Pfarrkirche gelungen waren. Er brachte demgemäß das Instrument auf einem mit einem Esel bespannten Karren vor das Haus des jungen Menschen, und in kurzer Zeit war die Drehorgel so trefflich repariert, daß sich darauf zum Entzücken ihres Eigentümers wieder die alten Weisen spielen ließen.
Nun kam dem Burschen die Idee, daß er selbst eine Drehorgel anfertigen könnte, und er war sogleich dazu entschlossen. Sein Vater und er selbst machten sich an die Arbeit, und obwohl sie im Orgelbau nicht die mindeste Erfahrung besaßen, gelang es ihnen doch, mit saurer Mühe und nach vielen Mißerfolgungen eine Orgel herzustellen, die zehn Töne ganz gut zu Gehör brachte und in der Umgegend für ein Wunderwerk galt. Der junge Jackson wurde nun häufig aufgefordert, alte Kirchenorgeln zu reparieren und die Walzen, die er einsetzte, für neue Musikstücke einzurichten. Alle diese Arbeiten erledigte er zur Befriedigung seiner Auftraggeber, worauf er sich mit der Konstruktion einer Orgel mit vier Registern beschäftigte, zu welcher er die Klaviatur eines alten Klaviers verwandte. Auf dieser Orgel lernte er spielen, und während er abends »Callcotts Generalbaß« studierte, arbeitete er tagsüber als Müllergesell oder machte auch auf einem mit einem Esel bespannten Karren als »Höker« eine Fahrt durch die Umgegend. Wenn er im Sommer auf dem Felde mit den Rüben, dem Heu oder der Ernte beschäftigt war, so entbehrte er am Feierabend doch nie den Trost der Musik. Er versuchte sich nunmehr an musikalischen Kompositionen, und zwölf seiner Chorgesänge wurden dem damals noch lebenden Herrn Camidge aus York als »Schöpfungen eines vierzehnjährigen Müllerburschen« vorgelegt. Herr Camidge fand daran Gefallen; er strich die fehlerhaften Stellen an und schickte die Partituren mit der ermutigenden Bemerkung zurück, daß sie dem jungen Menschen alle Ehre machten, und daß er »mehr schreiben müsse.«
Als sich in Masham eine Musikkapelle bildete, trat der junge Jackson derselben bei und wurde schließlich zu ihrem Dirigenten erwählt. Er spielte abwechselnd die verschiedenartigsten Instrumente und erwarb sich auf solche Weise bedeutende praktische Kenntnisse in seiner Kunst; auch komponierte er zahlreiche Lieder für die Kapelle. Als die Kirche eine neue, mit einer Klaviatur versehene Orgel zum Geschenk erhielt, wurde er zum Organisten bestimmt. Er gab nun das Müllergewerbe auf und verlegte sich auf die Seifensiederei, wobei er jedoch seine Mußestunden nach wie vor dem Studium der Musik widmete. Im Jahre 1839 gab er seinen ersten Chorgesang: »Ihr reichen Thäler, jubelt laut!« heraus, und im folgenden Jahre verlieh ihm der Huddersfielder »Heiterkeits-Klub« den ersten Preis für seine »Schwestern des Thales.« Ein anderer von ihm komponierter Chorgesang: »Gott mög' uns barmherzig sein« und der 103. Psalm, für einen Doppelchor mit Orchesterbegleitung geschrieben, sind wohlbekannt. Neben diesen kleineren Arbeiten beschäftigte sich Jackson mit der Komposition seines Oratoriums, der »Befreiung Israels aus der babylonischen Gefangenschaft.« Er hatte die Gewohnheit, die Gedanken, die ihm kamen, kurz niederzuschreiben und sie abends, nachdem er seinen Seifensiederladen geschlossen, in Partitur auszuführen. In den Jahren 1844 und 1845 erschienen nach und nach die verschiedenen Teile seines Oratoriums, und den letzten Chor dieses Werkes gab er an seinem neunundzwanzigsten Geburtstage heraus. Das Oratorium wurde außerordentlich gut aufgenommen und ist in den nördlichen Städten häufig und mit großem Erfolg aufgeführt worden. Herr Jackson ließ sich schließlich als Musikdirektor in Bradford nieder und hat in nicht geringem Grade zu der Bildung des musikalischen Geschmacks jener Stadt und der Umgegend beigetragen. Vor etlichen Jahren hatte er die Ehre, seinen schönen Bradforder Gesangverein vor Ihrer Majestät im Buckingham-Palast zu dirigieren, und sowohl bei dieser Gelegenheit als auch im Krystall-Palast fanden mehrere von ihm komponierte Chorgesänge großen Beifall.Während die Bogen dieser revidierten Ausgabe durch die Druckerpresse gehen, zeigen die Lokalblätter an, daß Herr Jackson im Alter von fünfzig Jahren gestorben ist. Seine letzte, kurz vor seinem Tode veröffentlichte Komposition war die Kantate: »Das Lob der Musik,« Er selbst teilte die oben angeführten Details seines früheren Lebens dem Autor vor mehreren Jahren mit, als er noch sein Seifensiebergeschäft in Masham betrieb. Dies ist in kurzer Darstellung die Laufbahn eines musikalischen Autodidakten, dessen Leben abermals den Beweis liefert, daß die Kraft der Selbsthilfe und des mutigen Fleißes den Menschen befähigt, auch ungewöhnlich große Schwierigkeiten und Hindernisse zu überwinden, die sich ihm zu Anfang in den Weg stellen.