Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
»Le travail et la science sont désormais les maîtres du monde.« – de Salvandy.
»Man nehme alles hinweg, was Männer aus den unteren Ständen nur allein auf dem Gebiet der Erfindungen für England gethan, und man sehe zu, wie es dann dort ausschauen würde!« –
Arthur Helps
Einer der markiertesten Charakterzüge des englischen Volkes ist der gewerbliche Sinn, der sich scharf und deutlich in seiner Vergangenheit ausprägt und noch heute ebenso merkbar hervortritt als zu irgend einer früheren Zeit. Dieser dem englischen Bürgertum innewohnende Geist hat die industrielle Größe des Reiches gegründet und aufgebaut. Der mächtige Aufschwung der Nation ist hauptsächlich das Resultat der freien Kraftbethätigung der Individuen gewesen und hat auf der Anzahl der Hände und Geister beruht, die von Zeit zu Zeit darin beschäftigt gewesen sind – sei es als Bodenbebauer, Produzenten von Nutzartikeln, Erfinder von Gerätschaften und Maschinen – oder auch als Schriftsteller und Künstler.
Und indem dieser Geist des thätigen Gewerbefleißes das Lebensprincip der Nation ausgemacht hat: ist er auch gleichzeitig das Rettungs- und Heilmittel gewesen, welches von Zeit zu Zeit den Wirkungen der Irrtümer unserer Gesetze und der Unvollkommenheit unserer Verfassung entgegengearbeitet hat.
Die industrielle Richtung, in welcher die Nation beharrte, hat sich als ihr bestes Erziehungsmittel erwiesen. Wie für ein jedes Individuum, so ist auch für einen Staat die andauernde Beschäftigung mit der Arbeit die heilsamste Schule. Der ehrenhafte Fleiß ist ein Gefährte der Pflicht; und beide sind durch die Hand der Vorsehung eng mit dem Glück verbunden. Nach dem Wort des Dichters haben die Götter den Weg, der zu den elysäischen Gefilden führt, mit Arbeit und Mühe belegt. Sicherlich ist dem Menschen kein Brot so süß als das, welches er durch seine eigene körperliche oder geistige Arbeit gewinnt. Durch die Arbeit hat der Mensch sich die Erde unterthan gemacht und sich selbst aus den Banden der Barbarei befreit; auch ist kein Schritt in der Civilisation ohne dieselbe gemacht worden. Die Arbeit ist nicht nur eine Notwendigkeit und eine Pflicht, sondern auch ein Segen: nur der Träge empfindet sie als einen Fluch. Von der Pflicht rüstigen Schaffens reden die Sehnen und Muskeln unserer Glieder, der Mechanismus unserer Hand, sowie die Nerven und Zellen unseres Gehirns; und die Summe der gesunden Thätigkeit aller dieser Organe heißt Befriedigung und Freude. In der Schule der Arbeit erlernt man die beste praktische Weisheit; auch ist ein Leben voll körperlicher Beschäftigung durchaus nicht unverträglich mit hoher geistiger Bildung, wie wir später sehen werden.
Hugh Miller, der so gut wie kaum ein anderer die Vorteile und Nachteile des Arbeiterloses kannte, konstatierte als das Resultat seiner Erfahrungen, daß auch die schwerste Arbeit Vergnügen gewährt und ein Mittel der Selbstvervollkommnung ist. Seiner Ansicht nach ist die ehrliche Arbeit der beste Lehrmeister und ihre Schule die beste aller Schulen – mit Ausnahme derer, welche die christliche Religion lehren – denn in der Schule der Arbeit erwirbt man die Fähigkeit, sich nützlich zu machen, gewinnt den Geist der Unabhängigkeit und eignet sich die Gewohnheit ausdauernder Anstrengung an. Er war sogar der Meinung, daß die technische Ausbildung des Arbeiters, welche vermittelst der täglichen Beschäftigung mit wirklichen und praktischen Dingen die Beobachtungsgabe schärft und gründliche Lebenserfahrung verleiht, denselben besser für die Lebensreise ausrüste und seiner männlichen Entwicklung – emphatisch gesprochen – zuträglicher sei als die Erziehung zu irgend einem anderen Stande.
Die stattliche Zahl der von uns schon in der Kürze angeführten großen Männer, welche aus den Reihen der gewerblichen Klassen hervorgingen und doch auf den verschiedenartigsten Gebieten des Lebens – in der Wissenschaft, dem Handel, der Litteratur und Kunst – sich Ruhm erwarben, beweist auf alle Fälle, daß die durch Armut und Arbeit bedingten Schwierigkeiten nicht unüberwindlich sind. Was die großen Entdeckungen und Erfindungen anbetrifft, die der Nation so viel Macht und Wohlstand verschafften, so ist es unzweifelhaft, daß wir den größten Teil derselben Männern aus dem niedrigsten Stande verdanken. Wenn wir alles entfernen wollten, was gerade sie in dieser besonderen Richtung geleistet, so würden wir wenig übrig behalten, was andere gethan.
Die Erfinder haben einige der größten Industrien der Welt ins Leben gerufen. Ihnen verdankt die Gesellschaft viele ihrer hauptsächlichsten Nutzgegenstände, Annehmlichkeiten und Luxusartikel; durch ihr Genie und ihre Arbeit ist das tägliche Leben in jeder Beziehung leichter und erfreulicher geworden. Unsere Nahrung und Kleidung; die Einrichtung unserer Häuser; das Glas, welches das Licht in unsere Wohnräume einläßt und gleichzeitig die Kälte ausschließt; das Gas, welches unsere Straßen erleuchtet; unsere Verkehrsmittel zu Wasser und zu Lande; die Werkzeuge, vermittelst deren unsere verschiedenen Bedarfs- und Luxusartikel verfertigt werden: sie alle sind das Resultat der Arbeit und Erfindungsgabe vieler Männer und Geister. Die Menschheit, als ein Ganzes betrachtet, wird durch solche Erfindungen glücklicher gemacht und erntet täglich die Früchte derselben in einer Zunahme des individuellen wie auch allgemeinen Wohlbehagens.
Obwohl die Erfindung der Dampfmaschine – der Königin aller Maschinen – im relativen Sinne unserer gegenwärtigen Zeit angehört, so entstand der Gedanke derselben doch schon vor vielen Jahrhunderten. Gleich anderen Erfindungen und Entdeckungen kam sie stufenweise zustande, indem immer der eine die Resultate seiner damals nutzlos erscheinenden Arbeit dem anderen als seinem Nachfolger überlieferte, der sie aufnahm und bis zu einer höheren Stufe weiterführte – sodaß die Reihenfolge der Versuche sich über viele Generationen erstreckte. So ging der von Hero aus Alexandria ausgesprochene Gedanke nie ganz verloren; sondern gleich dem Weizenkorn in der Hand einer ägyptischen Mumie blieb er keimfähig und sproßte kräftig empor, sobald er in das volle Licht der modernen Wissenschaft gerückt wurde. Die Dampfmaschine blieb aber unbrauchbar, bis sie aus dem Bereich der Theorie in die Hände Praktischer Mechaniker überging; und jene wunderbare Maschine erzählt uns eine glorreiche Geschichte von geduldigen, mühevollen Untersuchungen; von sich auftürmenden? durch heroischen Fleiß überwundenen Schwierigkeiten. Wahrhaftig! sie stellt an sich ein Denkmal der Kraft männlicher Selbsthilfe dar. Um sie gruppieren sich Gestalten der Militäringenieur; Newcomen, der Grobschmied aus Dartmouth; der Glaser Cawley; Potter, der Heizerjunge; Smeaton, der Civilingenieur; und – alle überragend – der arbeitsame, geduldige, unermüdliche James Watt, der Verfertiger mathematischer Instrumente.
Watt war einer der fleißigsten Menschen. Die Geschichte seines Lebens beweist den durch alle Erfahrungen bestätigten Satz, daß nicht derjenige die größten Resultate erzielt, welcher das höchste Maß natürlicher Kraft und Begabung besitzt, sondern der, welcher seine Fähigkeiten mit dem größten Fleiß und der sorgfältigst geschulten Geschicklichkeit gebraucht – mit jener Geschicklichkeit, die man durch Arbeit, Übung und Erfahrung erwirbt. Viele Männer seiner Zeit wußten viel mehr als Watt, aber keiner war so emsig wie er beflissen, seine Kenntnisse praktisch nutzbar zu machen. Vor allem war er überaus beharrlich in der Feststellung von Thatsachen. Er übte sich eifrig in der Gewohnheit fleißigen Aufmerkens, auf welcher in der Hauptsache alle höhere Geistesthätigkeit beruht. Herr Edgeworth war sogar der Ansicht, daß die verschiedenartige geistige Begabung der Menschen mehr von einer rechtzeitigen oder versäumten Pflege dieser Gewohnheit des Aufmerkens, als von irgend einem Unterschied zwischen den Geisteskräften des einen und denen des anderen abhänge.
Schon als Knabe suchte Watt in seinem kindlichen Spiel Belehrung. Die Quadranten, welche in der Tischlerwerkstatt seines Vaters umherlagen, führten ihn zum Studium der Optik und der Astronomie; seine Kränklichkeit veranlaßte ihn, den Geheimnissen der Physiologie nachzuspüren, und seine einsamen Spaziergange durch die Felder zogen ihn zu dem Studium der Botanik und Geschichte hin. Während er sich mit der Verfertigung mathematischer Instrumente beschäftigte, erhielt er den Auftrag, eine Orgel zu bauen; und ohne musikalisches Gehör begann er die Gesetze der Harmonie zu studieren, und konstruierte das Instrument ohne Fehler. Und ebenso unternahm er es – als man ihm das kleine, der Universität Glasgow gehörige Modell der Newcomenschen Dampfmaschine zur Reparatur übergab – sich mit allem vertraut zu machen, was man damals über die Hitze, die Expansion und Kondensation des Dampfes wußte; dabei setzte er gleichzeitig seine Forschungen auf dem Gebiet der Mechanik und des Maschinenbaues fort und legte deren Resultate endlich in dem von ihm erfundenen Kondensator nieder.
Zehn Jahre lang war er unausgesetzt damit beschäftigt, zu grübeln und zu erfinden – mit geringer Hoffnung auf beglückenden Erfolg und wenigen Freunden, die ihn in seinem Streben bestärkten. Mittlerweile fuhr er, um den Unterhalt für seine Familie zu erwerben, damit fort, Quadranten anzufertigen und zu verkaufen: Geigen, Flöten und andere Musikinstrumente herzustellen und zu reparieren; Häuser zu taxieren; Straßen zu vermessen; den Bau von Kanälen zu leiten – kurz, alles zu thun, was Vorteil brachte oder einen ehrlichen Gewinn versprach. Endlich fand Watt einen passenden Partner in einem anderen hervorragenden Führer auf dem Gebiet der Industrie – nämlich in Matthew Boulton aus Birmingham, einem geschickten, energischen und weitschauenden Manne, welcher es mit allem Eifer unternahm, den Kondensator als Arbeitskraft allgemein in Gebrauch zu bringen, und heute ist der Erfolg jener beiden Männer eine geschichtliche Thatsache.Nach dem Erscheinen der ersten Ausgabe dieses Buches hat sich der Verfasser in dem Werk: »Das Leben Boultons und Watts« bemüht, den Charakter und die Leistungen dieser beiden merkwürdigen Männer genauer zu schildern.
Eine Anzahl geistreicher Erfinder hat der Dampfmaschine von Zeit zu Zeit neue Kräfte verliehen, und durch mannigfache Abänderungen ist sie befähigt worden, fast allen gewerblichen Zwecken zu dienen – Maschinenwerte in Bewegung zu setzen; Schiffe zu treiben; Korn zu mahlen; Bücher zu drucken; Geld zu prägen; Eisen zu hämmern, zu glätten und zu walzen – kurz, jede Art mechanischer Arbeit zu verrichten, zu welcher Kraft erforderlich ist. Eine der nützlichsten Modifikationen der Dampfmaschine ist die von Trevithick geplante und schließlich von George Stephenson und seinem Sohne gebaute Eisenbahnlokomotive, welche sociale Umwälzungen von so ungeheuerer Wichtigkeit hervorrief, daß man wohl sagen kann, sie habe ihren Wirkungen nach auf den Fortschritt und die Civilisation der Menschheit einen größeren Einfluß ausgeübt als selbst der Wattsche Kondensator.
Eine der bedeutendsten Folgen der Wattschen Erfindung – wodurch eine fast unbegrenzte Macht in die Hände der Produzenten gegeben wurde – war die Begründung der Baumwollenmanufaktur. Als die Person, deren Name am engsten mit der Entstehung dieses großen Industriezweiges verknüpft ist, muß man ohne Zweifel Sir Richard Arkwright ansehen, dessen praktische Thatkraft und wunderbarer Scharfsinn vielleicht noch merkwürdiger waren als seine Erfindungen auf dem Gebiet der Mechanik. Seine Originalität als Erfinder ist allerdings in Zweifel gezogen worden, wie ja auch diejenige Watts und Stephensons. Arkwright stand vermutlich zu der Spinnmaschine in derselben Beziehung wie Watt zur Dampfmaschine und Stephenson zur Lokomotive. Er sammelte die bereits vorhandenen Gedankenfäden und verwob sie nach seinem eigenen Plan zu einem neuen und originellen Gewebe. Obgleich Lewis Paul aus Birmingham auf seine Erfindung eines Spinnwerks mit Walzen schon dreißig Jahre vor Arkwright ein Patent genommen hatte, so waren doch die von ihm konstruierten Maschinen in ihren einzelnen Teilen so mangelhaft, daß sie sich nicht praktisch verwenden ließen und die Erfindung demnach als ein Fehlschlag angesehen werden mußte. Von Thomas Highs aus Leigh, ein anderer unbedeutender Mechaniker, der Blätter für Webstühle verfertigte, heißt es ebenfalls, daß er die Spinnmühle und Spinnmaschine erfunden habe; aber seine Erfindungen waren gleichfalls unbrauchbar.
Sobald die Bedürfnisse der Industrie dringende Anforderungen an das Ingenium der Erfinder stellen, so pflegt gewöhnlich ein und derselbe Gedanke mehrere Köpfe gleichzeitig, zu beschäftigen – das ist der Fall gewesen mit der Dampfmaschine, der Sicherheitslampe, dem elektrischen Telegraphen und anderen Erfindungen. Viele scharfsinnige Geister ringen mit der Idee einer Erfindung, bis endlich der Meister, der starke Mann der Praxis, hervortritt und ihren ungeborenen Gedanken mit einem Schlage ins Leben ruft, indem er das Princip erfolgreich anwendet und so die Aufgabe vollbringt. Dann erhebt sich ein großes Geschrei unter den kleineren Erfindern, welche sich in dem Wettlauf überholt sehen, und so haben denn Männer wie Watt, Stephenson und Arkwright gewöhnlich ihren Ruf und ihre Rechte als praktische und erfolgreiche Erfinder gegen mancherlei Angriffe zu verteidigen gehabt.
Richard Arkwright ist gleich den meisten unserer großen Mechaniker aus den unteren Ständen hervorgegangen. Er wurde im Jahre 1732 zu Preston geboren. Seine Eltern waren sehr arm, und er war das jüngste von dreizehn Kindern. Er ging nie zur Schule: den einzigen Unterricht, den er genoß, verdankte er sich selber, und bis zu seinem Lebensende verursachte das Schreiben ihm große Mühe. Als Knabe kam er zu einem Barbier in die Lehre, und nachdem er das Gewerbe erlernt hatte, etablierte er sich in Bolton, wo er eine Kellerwohnung bezog, an deren Außenseite er diese Inschrift anbrachte: »Kommt zu dem unterirdischen Barbier! er rasiert euch für einen Penny.« – Als aber die anderen Barbiere sich von ihren Kunden verlassen sahen und deshalb ihre Preise nach seinem Vorbild herabsetzten, kündigte Arkwright – fest entschlossen, sein Geschäft in Flor zu bringen – an, daß er bereit sei, seine Gönner »sauber für einen halben Penny zu rasieren.« Nach einigen Jahren gab er seine Kellerwohnung »auf und begann einen Hausierhandel mit Haaren. Zu jener Zeit wurden Perücken getragen, und das Perückenmachen bildete einen wichtigen Zweig des Barbiergeschäfts. Arkwright pflegte nun auf die Gesindemärkte in Lancashire zu reisen, um sich die langen Zöpfe der jungen Frauen und Mädchen zu sichern, welche jene Märkte besuchten, und wie man sagt, hatte er in Geschäften dieser Art recht viel Glück. Er handelte auch mit einem chemischen Haarfärbemittel, welches er geschickt anzuwenden verstand, und woran er viel verdiente. Aber trotz seiner Strebsamkeit scheinen seine Einnahmen doch nur zum bloßen Lebensunterhalt hingereicht zu haben.
Als die Perücken aus der Mode kamen, gerieten die Perückenmacher in Not, und Arkwright, der einen Hang zur Mechanik hatte, kam nun auf die Idee, Maschinen zu erfinden oder – wie das Volk es nannte – ein »Hexenmeister« zu werden. Man bemühte sich damals vielfach, eine Spinnmaschine zu erfinden, und unser Barbier war entschlossen, sich gleich den anderen mit seinem Lebensschifflein aus das Meer der Entdeckungen zu wagen. Ganz ebenso wie viele Autodidakten derselben Richtung hatte er sich schon früher in seinen Mußestunden mit der Herstellung eines perpetuum mobile beschäftigt, und der Weg von einem solchen zu einer Spinnmaschine war nicht weit. Er betrieb seine Experimente so eifrig, daß er darüber sein Geschäft versäumte, seine kleinen Ersparnisse einbüßte und in große Armut geriet. Seine Frau – denn er hatte inzwischen geheiratet – ärgerte sich über diese vermeintliche Vergeudung von Zeit und Geld dermaßen, daß sie in einem plötzlichen Wutanfall seine Modelle ergriff und zerbrach, in der Hoffnung auf solche Weise die Ursache ihres häuslichen Elends zu beseitigen. Arkwright aber, eine hartnäckige und feurige Natur, war durch dies Benehmen seiner Gattin so erbittert, daß er sich augenblicklich von ihr trennte.
Auf seinen Reisen über Land war Arkwright mit einem Menschen, Namens Kay, einem Uhrmacher aus Warrington, bekannt geworden, der ihm bei der Herstellung einiger Teile seines Perpetuum mobile geholfen hatte. Manche vermuten daß dieser Kay ihn mit dem Princip der Walzenspinnwerke bekannt machte; andere aber behaupten, diese Idee sei zuerst in seinem eigenen Kopfe entstanden, als er zufällig einmal beobachtete, wie ein zwischen eisernen Rollen durchgleitendes Stück rotglühenden Eisens in die Länge gezogen wurde. Wie dem auch sei – jedenfalls nahm der Gedanke sogleich seinen Geist völlig in Anspruch, und da ihm Kay hinsichtlich der Ausführung keinen Rat zu geben vermochte, so grübelte er allein darüber nach. Arkwright gab nun das Auflaufen von Haaren auf und widmete sich ganz der Vervollkommnung seiner Maschine, deren Modell – unter seiner Leitung von Kay angefertigt – in der Aula des städtischen Gymnasiums zu Preston aufgestellt wurde. Als einer der Wahlmänner der Stadt hatte er bei der Stichwahl, durch welche der General Burgonne wiedergewählt wurde, mitzustimmen; aber seine Armut und die Dürftigkeit seiner Kleidung war so groß, daß eine Anzahl von Personen eine Geldsumme zusammenlegte, durch die ihm erst ein anständiges Erscheinen im Wahlraum ermöglicht wurde. Die Ausstellung seiner Maschine in einer Stadt, wo so viele Leute von der Arbeit ihrer Hände lebten, erwies sich als ein gefährliches Unternehmen. Draußen vor der Schule wurde von Zeit zu Zeit ein verdächtiges Murren laut, und eingedenk der Erfahrungen Kays, welcher infolge seiner Erfindung der Schnellschütze (Weberspule) vom Pöbel mißhandelt und zur Flucht aus Lancashire gezwungen wurde – sowie derjenigen des armen Hargreaves, dessen Spinnmaschine erst vor kurzem durch den Blackburner Jan-Hagel in Stücke geschlagen worden – faßte Arkwright den weisen Entschluß, sein Modell einzupacken und es an einem minder bedenklichen Orte aufzustellen. Er begab sich demgemäß nach Nottingham, wo er mehrere der dort ansässigen Bankiers um pekuniäre Unterstützung anging und solche auch schließlich von den Messrs. Wright erhielt, welche sich dazu verstanden, ihm eine Summe unter der Bedingung vorzustrecken, daß sie selbst an dem Nutzen der Erfindung beteiligt sein sollten. Die Maschine wurde jedoch nicht sobald vollendet als man gedacht, und die Bankiers empfahlen Arkwright, sich an die Messrs. Strutt und Need zu wenden, von denen der erstere der geistreiche Erfinder der patentierten Strickmaschine war. Herr Strutt erkannte sofort den Wert der Erfindung und associierte sich mit Arkwright, dem nun der Weg zum Glück geebnet war. Das Patent wurde auf den Namen des »Uhrmachers Richard Arkwright aus Nottingham« ausgestellt, und es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß dies im Jahre 1769, d. h. zu derselben Zeit geschah, als Watt seine Dampfmaschine patentieren ließ. Zuerst richteten die Unternehmer in Nottingham eine Baumwollenspinnerei ein, die durch ein Roßwerk getrieben wurde; bald danach gründeten sie zu Cromford in Derbyshire eine weit großartigere Spinnfabrik, deren bewegende Kraft ein Wasserwerk darstellte, welchem letzteren Umstand die Spinnmaschine den Namen »Spinnmühle« verdankte.
Aber Arkwrights Werk war gewissermaßen erst begonnen. Es galt noch alle funktionierenden Teile seiner Maschine zu vervollkommnen. Dieselbe war in seiner Hand der Gegenstand fortwährender Abänderungen und Verbesserungen, bis er ihr endlich einen hohen Grad praktischer und nutzbringender Vollkommenheit verlieh. Aber dieser Erfolg wurde erst durch lange und geduldige Arbeit erzielt; jahrelang blieben die Unternehmungen entmutigend und unvorteilhaft, indem sie große Summen ohne jeden Nutzen verschlangen. Als sich sichere Aussichten auf Erfolg zeigten, fielen die Fabrikanten von Lancashire über Arkwrights Patent her, um es in Stücke zu reißen; wie seiner Zeit die Minenbesitzer von Cornwall gegen Boulton und Watt zu Felde zogen, um ihnen die Vorteile der Erfindung ihrer Dampfmaschine zu rauben. Arkwright wurde sogar für einen Feind der Arbeiter erklärt, und eine Spinnerei, die er in der Nähe von Chorley einrichtete, wurde von einer Volksmenge in Gegenwart einer starten polizeilichen und militärischen Macht zerstört. Die Bewohner von Lancashire weigerten sich, seine Fabrikate zu kaufen, obwohl dieselben anerkanntermaßen die besten des Marktes waren. Dann wollten sie auch nicht die Patent-Taxe für die Benutzung seiner Maschinen zahlen und verschworen sich, ihn durch die Gerichte zu »zerschmettern.« Trotz der Empörung aller rechtlich denkenden Leute wurde Arkwrights Patent aufgehoben. Als er nach der Gerichtsverhandlung an dem Hotel vorüberging, in welchem seine Gegner wohnten, sagte einer derselben so laut, daß er es hören konnte: »Na, nun haben wir den alten Bartkratzer endlich matt gesetzt!« – worauf er kalt erwiderte: »O, das macht nichts! ich habe noch ein Rasiermesser übrig, mit dem will ich euch alle über den Löffel barbieren!« – Er gründete neue Spinnereien in Lancashire, Derbyshire und New-Lanark in Schottland. Auch die Spinnereien von Cromford gingen nach dem Ablauf seines Associations-Vertrags mit Strutt in seine Hände über, und die Menge und Güte seiner Fabrikate war so groß, daß er in kurzer Zeit den Handel völlig beherrschte und nicht nur die Preise festsetzte, sondern auch das Verhalten der anderen Baumwollspinner in der Hauptsache beeinflußte.
Arkwright war ein Mann von bedeutender Charakterstärke, unbezwinglichem Mut, großer Weltklugheit und fast genialer kaufmännischer Begabung. Während einer Periode seines Lebens nahm die mit der Organisation und Leitung seiner zahlreichen Fabriken verbundene schwere und andauernde Arbeit seine Zeit öfters von vier Uhr morgens bis neun Uhr abends in Anspruch. Im Alter von fünfzig Jahren machte er sich daran, die englische Grammatik zu studieren und sich im orthographischen Schreiben zu üben. Nach Überwindung aller Hindernisse hatte er die Genugthuung, die Früchte seiner Unternehmungen zu ernten. Achtzehn Jahre nach der Herstellung seiner ersten Maschine gelangte er in Derbyshire zu solchem Ansehen, daß man ihn zum Oberrichter der Grafschaft ernannte, und bald danach erhob ihn Georg III. in den Adelsstand. Er starb im Jahre 1792. Sei es zum Guten oder Schlimmen – in jedem Fall ist Arkwright der Begründer des modernen englischen Manufactursystems gewesen, d. h. eines Industriezweiges, welcher unzweifelhaft eine Quelle beträchtlichen Wohlstandes für zahlreiche Individuen wie für die ganze Nation dargestellt hat.
Auch in allen anderen großen Industriezweigen Englands begegnen wir energischen Geschäftsleuten, welche den in der Nachbarschaft ihres Wirkungskreises liegenden Orten reichen Nutzen brachten und nicht minder der Gesellschaft im allgemeinen zu erhöhter Macht und Wohlhabenheit verhalfen. Dahin gehören die Strutts aus Belver, die Tennants ans Glasgow, die Marshalls und Gotts aus Leeds; die Peels, Ushworths, Birleys, Fieldens, Ashtons, Heywoods und Ainsworths aus South-Lancashire, deren Nachkommen sich zum Teil in der politischen Geschichte Englands hervorgethan haben. Das ist vorzüglich mit den Peels aus South-Lancashire der Fall gewesen.
Der Begründer der Familie Peel war ein in der Mitte des vorigen Jahrhunderts lebender kleiner Freisasse, der die Besitzung Hole-House bei Blackburn bewirtschaftete, von welcher er später nach jener Stadt zog, wo er in einem Hause der Fischgasse wohnte. Robert Peel sah im Laufe seines Lebens eine große Familie, von Söhnen und Töchtern um sich aufwachsen; da aber das Land um Blackburn ziemlich unfruchtbar war, so schien ihm die Landwirtschaft für den Fleiß seiner Kinder gar zu geringe Aussichten zu bieten. Der Ort war jedoch schon seit langer Zeit der Mittelpunkt einer Lokalindustrie, deren unter dem Namen »Blackburner Sackleinen« gehendes Erzeugnis – aus leinenen Kettenfäden und baumwollenem Einschlag bestehend – hauptsächlich in der Stadt und deren Umgegend verfertigt wurde. Es war dazumal – d. h. vor der Einführung des Fabriksystems – üblich, daß fleißige Landleute mit ihren Familien die nicht von der Bodenbestellung in Anspruch genommene Zeit daheim mit Weberarbeit ausfüllten; und so fing denn auch Robert Peel einen kleinen Privathandel mit selbstgewebtem Kattun an. Er war reell und lieferte reelle Ware, und da er außerdem sparsam und fleißig war, so gedieh sein Geschäft. Er war aber auch unternehmend und einer der ersten, welche sich des jüngst erfundenen Krempelcylinders bedienten.
Doch bald lenkte sich Robert Peels Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Kattundruckerei – eine damals noch ziemlich unbekannte Kunst, und wahrend längerer Zeit beschäftigte er sich mit einer Reihe von Versuchen, welche das Drucken mit Maschinen zum Gegenstand hatten. Die Experimente wurden heimlich in seinem eigenen Hause angestellt, und das erforderliche Plätten der Stoffe besorgte eine der Frauen der Familie. Bei Leuten wie Peels pflegte man dazumal mittags aus zinnernen Tellern zu essen. Als er einmal auf einem solchen Teller ein Muster entworfen hatte, kam ihm plötzlich der Gedanke, man könnte davon einen umgekehrten Abdruck nehmen und denselben mit Hilfe von Farbe auf Kattun übertragen. In einer Hütte neben dem Gutshause wohnte eine Frau, die eine Wäschemangel zu vermieten hatte. Er ging zu ihr, ließ den Teller, dessen gravierte Stellen er mit Farbe bestrichen und mit einem Stück Kattun belegt hatte, unter der Mangel durchgehen und fand, daß ein befriedigender Abdruck entstanden war. Dies ist – wie man sagt – der Ursprung der mit Walzen betriebenen Kattundruckerei gewesen. Robert Peel vervollkommnete bald danach sein Verfahren, und das erste Muster, das er auf den Markt brachte, war ein Petersilienblatt – weshalb man ihn noch bis heutigen Tages in der Nachbarschaft von Blackburn »den Petersilien-Peel« nennt. Die Kattundruckerei vermittelst der Mule-Maschine – d. h. eines Holzcylinders mit erhabenem, und eines Kupfercylinders mit vertieftem Muster – kam später durch einen seiner Söhne, den Chef der Firma »Mssrs. Peel und Compagnie« zu Church, in Gebrauch. Durch seinen Erfolg ermutigt, gab Robert Peel bald nachher die Landwirtschaft auf und zog nach dem etwa zwei Meilen von Blackburn entfernten Dorf Brookside, wo er sich ausschließlich der Kattundruckerei widmete. Mit Hilfe seiner ihm an Energie gleichenden Söhne betrieb er dort das Gewerbe nutzbringend mehrere Jahre hindurch, und als die jungen Leute zu Männern herangewachsen waren, verzweigte sich das Unternehmen in mehreren Firmen des Namens »Peel,« von denen jede ein Mittelpunkt industrieller Thätigkeit und eine Quelle einträglicher Arbeit für viele Menschen wurde.
Nach allem, was man über den Charakter des ersten, titellosen Robert Peel erfahren kann, muß er ein merkwürdiger Mann gewesen sein – pfiffig, scharfsinnig und weitschauend. Aber was man über ihn weiß, ist fast nur noch Tradition, und die Nachkommen derer, die ihn kannten, sterben rasch hinweg. Sein Sohn, Sir Robert Peel, äußerte sich mit bescheidenem Sinn folgendermaßen über ihn: »Mein Vater gilt mit Recht für den Begründer unserer Familie, und was den kommerziellen Wohlstand betrifft, so schlug er die Wichtigkeit desselben in nationaler Beziehung so hoch an, daß wir ihn oft sagen hörten, der Gewinn der Individuen sei klein im Vergleich zu dem nationalen Nutzen, welcher aus dem Handel erwachse.« –
Sir Robert Peel, der erste Baronet und zweite Fabrikant dieses Namens, hatte die ganze Unternehmungslust, Fähigkeit und Emsigkeit seines Vaters geerbt. Seine Stellung war bei seinem Eintritt ins Leben nicht viel höher als die eines gewöhnlichen Arbeiters: denn obwohl sein Vater die Grundlage zu dem künftigen Reichtum legte, hatte derselbe doch noch immer mit den Schwierigkeiten zu kämpfen, die aus ungenügendem Kapitalbesitz entspringen. Erst zwanzig Jahre alt, faßte Robert den Entschluß, sich in der Kattundruckerbranche, die er mittlerweile von seinem Vater erlernt hatte, selbständig, zu etablieren. Zu diesem Zweck associierte er sich mit seinem Onkel James Haworth und mit William Yates aus Blackburne das ganze Kapital, das sie zusammenbringen konnten, betrug nur ungefähr 500 Pfund, wozu William Yates das meiste beigetragen hatte. Der Vater des letzteren lebte als Hauseigentümer in Blackburn, wo er sehr bekannt und geachtet war. Da er selbst sich durch sein Geschäft ein Vermögen erworben hatte, so war er jetzt auch bereit, mit einer gehörigen Summe herauszurücken, um dem Sohne das Fortkommen in dem einträglichen, aber damals noch in den Kinderschuhen steckenden Kattundruckergewerbe zu erleichtern. Robert Peel – obwohl fast noch ein Knabe – vertrat in diesem Fall die praktische Geschäftskenntnis: aber man hat nicht unrecht gehabt, wenn man von ihm behauptete, »er trage einen alten Kopf auf seinen jungen Schultern.« Mit einer verhältnismäßig kleinen Summe kaufte man eine verfallene Kornmühle samt den anstoßenden Feldern in der Nahe der damals unbedeutenden Stadt Bury, in welcher man die Fabrikanlage noch lange Zeit danach »den Mühlengrund« nannte. Nachdem ein paar Holzschuppen errichtet worden waren, eröffnete die Firma im Jahre 1770 unter sehr bescheidenen Umständen ihre Kattundruckerei, mit welcher sie einige Jahre später eine Baumwollenspinnerei verband. Die einfache Lebensweise, in der sich die Geschäftsteilhaber einrichteten, erhellt aus den nachfolgenden Einzelheiten, die uns über den Anfang ihres Zusammenwirkens bekannt sind. William Yates war Familienvater und richtete sich eine bescheidene Häuslichkeit ein, in welcher er den unverheirateten Peel auf dessen Wunsch als Kostgänger aufnahm. Die Summe, welche der letztere anfänglich für Kost und Logis bezahlte, betrug nur acht Schillinge die Woche. Aber Yates hielt dies für zu wenig und bestand darauf, daß wöchentlich ein Schilling mehr gezahlt werden sollte. Darüber war Peel zuerst ungehalten, und es entstand eine Spannung zwischen den Partnern, die schließlich dadurch ausgeglichen wurde, daß Peel wöchentlich einen Sixpence zulegte. Das Älteste Kind von William Yates war ein Mädchen, Namens Ellen, und diese Kleine wurde bald der ausgesprochene Liebling des jungen Kostgängers. Wenn er von seinem sauren Tagewerk im »Mühlengrund« heimkehrte, pflegte er das kleine Mädchen auf seine Knie zu setzen und es zu fragen: »Nelly, du süßes, kleines Ding! willst du meine Frau werden?« – Und das Kind antwortete dann rasch: »Ja!« – wie es jedes andere Kind auch gethan haben würde. »Dann will ich auf dich warten, Nelly! Ich will dich heiraten und keine andere!« –
Und Robert Peel wartete wirklich. Daß das Mädchen mit der Zeit immer hübscher wurde, bestärkte ihn nur in seinem Entschluß, und nach zehn Jahren angestrengter Thätigkeit und rasch wachsenden Wohlstandes heiratete er Ellen Yates, als diese eben ihr siebzehntes Jahr vollendet. So wurde das hübsche Kind, welches der Kostgänger der Mutter und Geschäftsteilhaber des Vaters so oft auf den Knien geschaukelt, jetzt Frau Peel und schließlich Lady Peel, die Mutter des nachmaligen englischen Premierministers. Lady Peel war eine edle und schöne Dame, wohl geeignet, jede Lebensstellung mit Würde und Anmut auszufüllen. Sie besaß ausgezeichnete Geistesgaben und erwies sich in jeder Lage als die hochherzige und treue Beraterin ihres Gatten. Nach ihrer Verheiratung fungierte sie viele Jahre hindurch als sein Amanuensis, indem sie den größten Teil seiner Korrespondenz besorgte; denn Herr Peel selber drückte sich mit der Feder schwerfällig, wenn nicht gar unverständlich aus. Sie starb im Jahre 1803, nur drei Jahre nach der Erhebung ihres Gemahls in den Baronetsstand. Wie man sagte, hatte das Londoner Gesellschaftsleben – das so wenig der Lebensweise glich, an die sie von daheim gewöhnt war – ihre Gesundheit zerstört, und der alte Yates pflegte später öfters zu äußern: »Wenn der Robert unsere Nelly nicht zu 'ner Dame gemacht hätte, so lebte sie am Ende noch!« –
Die Laufbahn der Firma »Yates, Peel u. Compagnie« war eine ununterbrochene Reihe großartiger Erfolge: Sir Robert Peel selbst war die Seele des Geschäfts; er verband mit einer bedeutenden Energie und Ausdauer viel praktischen Scharfsinn und hervorragende kaufmännische Fähigkeiten – d. h. Eigenschaften, an denen es vielen der älteren Baumwollenspinner stark mangelte. Er war ein Mann von eisernen Nerven und Muskeln, den keine Arbeit ermüdete. Kurz, er war für die Kattundruckerei das, was Arkwright für die Baumwollenspinnerei bedeutete, und sein Erfolg war nicht minder groß. Die Vortrefflichkeit der verfertigten Artikel sicherte der Firma, die in Lancashire den allerbesten Ruf genoß, die Herrschaft über den Markt. Das Unternehmen gewährte nicht nur der Stadt Bury viele Vorteile, sondern auch in der Nachbarschaft – an den Flüssen Irwell und Roch – legten die Geschäftsinhaber ausgedehnte Werte an, und man sagte zu ihrem Lobe, daß sie nicht nur die Güte ihrer Fabrikate zur höchsten Vollkommenheit zu bringen suchten, sondern sich auch auf alle Weise bemühten, das Wohlbehagen und Gedeihen ihrer Arbeiter zu fördern, denen sie selbst in den ungünstigsten Zeiten lohnende Beschäftigung gaben.
Sir Robert Peel wußte den Wert neuer Erfindungen und verbesserter Produktionsmethoden wohl zu schätzen; zur Illustrierung dieser Thatsache mag auf die Bereitwilligkeit hingewiesen werden, mit welcher er in seinen Fabriken jene Neuerung einführte, welche man in der Kattundruckerei mit dem Namen der »Schutzpaste« bezeichnet. Das Verfahren besteht darin, daß man eine Paste oder Kleistermasse auf diejenigen Stellen des Stoffes aufträgt, welche weiß bleiben sollen. Diese Paste war von dem Geschäftsreisenden eines Londoner Handelshauses erfunden, welcher sie für eine unbedeutende Summe an Herrn Peel verkaufte. Der letztere mußte noch ein oder zwei Jahre experimentieren, bis er das Verfahren vervollkommnete und praktisch nutzbar machte; aber die schöne Wirkung und genaue Zeichnung der hervorgebrachten Muster stellte die Fabrik zu Bury mit einem Schlage an die Spitze aller Kattundruckereien des Landes. Andere, von dem gleichen Geist geleitete Firmen wurden durch Mitglieder derselben Familie zu Burnley, Foxhill-Bank und Altham in Lancashire, zu Salley-Abbey in Yorkshire, sowie später zu Burton-on-Trent in Straffordshire gegründet, und diese verschiedenen Fabrikanlagen erhöhten nicht nur den Wohlstand ihrer Besitzer, sondern beherrschten auch den ganzen Baumwollenhandel und waren die Schule, in welcher viele der tüchtigsten Kattundrucker und Fabrikanten aus Lancashire herangebildet wurden.
Zu beachten sind unter anderen hervorragenden Begründern von Industriezweigen der Reverend William Lee, welcher die Strickmaschine oder den Strumpfwirkerstuhl erfand, und John Heathcoat, der Erfinder der Klöppelmaschine – beides Männer von großer mechanischer Geschicklichkeit und Ausdauer, durch, deren Bemühungen der Arbeiterbevölkerung Nottinghams und der umliegenden Distrikte ein reiches Maß einträglicher Arbeit verschafft wurde. Die vorhandenen Berichte über die mit der Erfindung der Strickmaschine zusammenhängenden Umstände sind sehr verworren und widersprechen einander in vielen Punkten, obwohl über den Namen des Erfinders kein Zweifel besteht. Derselbe war kein anderer als William Lee, welcher ums Jahr 1563 zu Woodborough, einem sieben Meilen von Nottingham entfernten Dorfe, geboren wurde. Nach einigen Angaben war er der Erbe eines kleinen Freilehns; nach anderen aber war er ein armer Student,Die folgende Angabe, welche sich in einem Bericht über die von den Sheffielder Bürgern im Jahre 1573 verausgabten Geldsummen vorfindet, wird von manchen auf den Erfinder des Strumpfwirkerstuhls bezogen: »Item gegeben an William Lee, einen armen Scholaren aus Sheafield, um selbigen auf der Universität von Chambrydge unterzubringen und ihm Bücher und andere Dinge zu kaufen (welches Geld aber rückeistattet ward) XIII IIII (13 Schillinge und 4 Pfennige).« – Hunter: »History of Hallamshire« 141. der seit seiner frühesten Jugend mit der Armut zu kämpfen hatte. Er trat als Studierender niederen Grades im Mai 1579 in das Christus-Kollegium zu Cambridge ein und siedelte später in das St. Johannis-Kollegium über, wo er im Jahre 1582 oder 1583 den Grad eines Baccalaureus erlangte. Man glaubt, daß er sich um den Grad eines Magisters im Jahre 1586 beworben habe; doch scheint über diesen Punkt in den Berichten der Universität eine gewisse Unklarheit zu herrschen. Die gewöhnliche Angabe, daß er wegen einer den Statuten zuwiderlaufenden Heirat relegiert worden sei, ist unrichtig; denn da er nie ein Fellow – d. h. Stiftungsteilhaber – der Universität war, so konnte ihm ein solcher Schritt nicht zum Nachteil gereichen.
Zu der Zeit, da Lee die Strickmaschine erfand, amtierte er als Pfarrer zu Calverton bei Nottingham, und einige Schriftsteller wollen wissen, daß verschmähte Liebe den Anstoß zu seiner Erfindung gab. Der Pfarrer soll sich nämlich sterblich in eine junge Dame aus dem Dorfe verliebt haben, die aber ihrerseits seine Gefühle nicht erwiderte und bei seinen Besuchen ihrem Strickstrumpf und der von ihr geleiteten Strickschule mehr Aufmerksamkeit widmete als den Huldigungen ihres Verehrers. Diese Nichtachtung soll in seinem Gemüt einen solchen Groll gegen die Handstrickerei erzeugt haben, daß er den Entschluß faßte, eine Maschine zu erfinden, welche jener Kunst den Rang ablaufen und sie zu einer unnützen Beschäftigung machen sollte. Drei Jahre hindurch nahmen ihn die auf diese Erfindung hinzielenden Versuche in Anspruch, und er brachte seiner neuen Idee große Opfer. Als sich endlich eine Aussicht auf Erfolg zeigte, gab er sein Pfarramt auf und widmete sich ganz der Maschinenstrickerei. Diese Version der Geschichte verdanken wir Henson,»Geschichte der Strumpfwirker«] der sich seinerseits auf die Glaubwürdigkeit eines alten Strumpfwirkers beruft, welcher im Alter von zweiundneunzig Jahren im Collins-Hospital zu Nottingham starb, seine Lehrzeit aber unter der Regierung der Königin Anna verlebt hatte. Auch Deering und Blackner bezeichnen diesen Bericht als den in jener Gegend traditionellen, und es läßt sich vermuten, daß man durch eine solche Darstellung das Wappen der Londoner Strumpfwirker-Innung zu erklären versucht hat, welches eine Strickmaschine ohne Holzgestell aufweist, die von der einen Seite durch einen Geistlichen, von der anderen Seite durch eine Frau gestützt wird.
Es giebt aber auch andere, abweichende Berichte. Nach einem derselben hat sich Lee mit bei Erfindung des Strumpfwirkerstuhls beschäftigt, um die Arbeitslast einer ihm nahestehenden ländlichen Schönen zu erleichtern, die sich mit Strickarbeit plagen mußte. Ein anderer wieder behauptet, Lee sei verheiratet und so arm gewesen, daß seine Frau durch Strickarbeit zu ihrem Unterhalt habe beitragen müssen; da sei ihm bei der Beobachtung ihrer Finger der Gedanke gekommen, die Bewegung derselben vermittelst einer Maschine nachzuahmen. Diese letztere Geschichte scheint Aaron Hill, Esquire, in seinem Buche: »Bericht über den Aufschwung und die Entwicklung der Buchölfabrikation« (London, 1715) erfunden zu haben. Seine Angaben sind ganz und gar unzuverlässig. So behauptet er z.B., Lee sei Stiftsteilhaber (Fellow) eines Oxforder Kollegiums gewesen und wegen seiner Heirat mit einer Gastwirthstochter relegiert worden; wogegen es feststeht, daß Lee weder in Oxford studierte, noch daselbst heiratete, noch eine Stiftsstelle auf irgend einem Kollegium inne hatte, – Und der Schlußsatz des Herrn Hill, wonach Lees Erfindung die Wirkung hatte, »ihn und seine Familie glücklich zu machen,« ist ebenso unrichtig; denn der Strumpfwirkerstuhl brachte seinem Erfinder nur Elend und Not, und Lee ist in armseligen Verhältnissen in der Fremde gestorben.
Welches aber auch die mit der Erfindung des Strumpfwirkerstuhls oder der Strickmaschine zusammenhängenden Umstände gewesen sein mögen, soviel steht zweifellos fest, daß ihr Erfinder eine außerordentliche mechanische Begabung besessen haben muß. Daß ein in einem abgelegenen Dorfe wohnender Geistlicher, der den größten Teil seines Lebens in der Gesellschaft von Büchern verbrachte, der Erfinder einer Maschine von so seiner und komplizierter Konstruktion werden und die Strickkunst von dem langweiligen Verfahren des Aneinanderreihens von Maschen mit Hilfe von drei oder vier Nadeln in der Hand einer Frau plötzlich zu dem schönen und schnellen Webeprozeß der Strickmaschine erheben sollte: das ist eine in der Geschichte der Erfindungen vielleicht einzig dastehende Erscheinung. Lees Verdienst war um so größer als die mechanischen Künste damals noch in den Kinderschuhen steckten und man der Erfindung von Maschinen zum Zweck der Manufaktur noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Er war gezwungen, die einzelnen Teile seiner Maschine, so gut er's vermochte, aus dem Stegreif herzustellen und sich bei auftauchenden Schwierigkeiten der verschiedenartigsten Auskunftsmittel zu bedienen. Seine Werkzeuge waren unvollkommen und seine Materialien desgleichen: auch standen ihm keine geübten Arbeiter zur Verfügung. Der Überlieferung nach hatte der erste von ihm gefertigte Strumpfwirkerstuhl ein Preßgewicht von zwölf Pfund, aber keine Bleibarren – war auch fast ganz von Holz; selbst die Nadeln staken in Holzhebeln. Eine der Hauptschwierigkeiten, welche sich Lee entgegenstellten, war das Schlingen der Maschen, da die Nadelöhre fehlten; aber er half diesem Übelstand schließlich dadurch ab, daß er mit einer dreikantigen Feile Löcher in die Nadeln feilte.Blackner: »Geschichte Nottinghams.« Der Autor fügt hinzu: »Wir haben eine sichere, vom Vater auf den Sohn überlieferte Kunde, daß vor dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts ein einzelner Mann nicht imstande war, den Wirkstuhl in Bewegung zu setzen. Der eigentliche Wirker oder Weber brauchte einen Gehilfen, welcher das Streichen und Pressen besorgte; aber die Anwendung der Tritte und Schemel machte schließlich diese Arbeit überflüssig.« Allmählich wurde ein Hindernis nach dem anderen glücklich überwunden: und nach dreijähriger Arbeit war die Maschine so weit vervollkommnet, daß sie in Gebrauch genommen werden konnte. Nun begann der ehemalige, von seiner Kunst begeisterte Pfarrer in dem Dorfe Calverton Strümpfe zu wirken, und setzte diese Beschäftigung jahrelang fort, indem er auch seinen Bruder James und mehrere seiner Verwandten in der Ausübung der neuen Kunst unterwies. Nachdem Lee seiner Maschine einen hohen Grad der Vollkommenheit verliehen, empfand er den Wunsch, sich die Gunst der Königin Elisabeth zu sichern, deren Vorliebe für gestrickte seidene Strümpfe bekannt war; er reiste demgemäß nach London, um seinen Strumpfwirkerstuhl Ihrer Majestät zur Ansicht zu stellen. Zunächst jedoch zeigte er ihn mehreren Mitgliedern des Hofes, unter anderen dem Sir William (späteren Lord) Hunsdon, den er mit Erfolg darauf stricken lehrte; und durch Vermittlung dieser Herren erhielt er endlich eine Audienz bei der Königin, wobei er seine Maschine in Thätigkeit setzte Elisabeth ließ ihm indessen nicht die gehoffte Unterstützung zu teil werden: wie man sagt, stellte sie sich sogar der Erfindung feindlich gegenüber, weil sie meinte, dieselbe würde eine große Anzahl armer Leute, die sich mit Handstrickerei ernährten, brotlos machen. Ebensowenig gelang es Lee, andere Gönner in seinem Vaterlande zu finden; und da er sich samt seiner Maschine hier mißachtet zu sehen glaubte, so nahm er das ihm von Sully, dem klugen Minister Heinrichs IV. gemachte Anerbieten an und ging nach Rouen, um die Handwerker jener Stadt – die damals einen der wichtigsten gewerblichen Mittelpunkte Frankreichs bildete – in der Anfertigung und Handhabung des Strumpfwirkerstuhls zu unterweisen.
So kam denn Lee mit seinen Maschinen, von seinem Bruder und sieben Arbeitern begleitet, im Jahre 1605 nach Frankreich.
Er wurde in Rouen freundlich aufgenommen und begann schon die Strumpfwirkerei in großartigem Maßstabe – mit neun Stühlen zu gleicher Zeit – zu betreiben, als das Unglück ihn plötzlich von neuem heimsuchte. Sein Gönner Heinrich IV., von welchem er Belohnungen, Ehren und die zugesicherten Privilegien erhofft hatte, wurde durch den fanatischen Ravaillac ermordet; und damit hörte die Unterstützung und Begünstigung, deren er sich bisher erfreut, mit einem Schlage auf. Um seinen Ansprüchen bei Hofe Geltung zu verschaffen, reiste Lee nach Paris; doch da er Protestant und obendrein ein Ausländer war, blieben seine Vorstellungen unbeachtet. So kam es, daß der ausgezeichnete Erfinder, von Ärger und Kummer aufgerieben, bald danach zu Paris in äußerster Armut und Verlassenheit starb.
Dem Bruder Lees und den sieben Arbeitern gelang es, mit Verlust zweier Stühle nach England zu entkommen. Nach, Nottinghamshire zurückgekehrt, verband sich James Lee mit einem gewissen Ashton, einem Müller aus Thoroton, den der Erfinder selbst vor seiner Abreise von England in der Kunst des Strumpfwirkens unterrichtet hatte. Diese beiden eröffneten nun mit Hilfe ihrer Arbeiter und Maschinen in Thoroton den Betrieb einer Strumpfwirkerei, womit sie bedeutende Erfolge erzielten. Der Ort war für ihre Zwecke sehr günstig gelegen, da die in dem benachbarten Sherwooder Distrikt gezüchteten Schafe eine sehr langhaarige Wolle lieferten. Ashton soll die Konstruktion der Wirkstühle durch Einführung der Bleibarren bedeutend verbessert haben. Die Zahl der in den verschiedenen Teilen Englands gebrauchten Strumpfwirkmaschinen vergrößerte sich allmählich, und die fabrikmäßige Anfertigung von Strümpfen wurde schließlich ein wichtiger Zweig der einheimischen Industrie.
Eine der bedeutsamsten Abänderungen des Strumpfwirkerstuhls war diejenige, durch welche er zu einer im großen Maßstabe betriebenen Spitzenfabrikation brauchbar wurde. Im Jahre 1777 beschäftigten sich zwei Arbeiter, Namens Frost und Holmes, mit dem Anfertigen von Spitzen vermittelst eines von ihnen selbst verbesserten Wirkstuhls, und nach etwa dreißig Jahren hatte sich dieser Industriezweig so ausgebreitet, daß. 1500 Spitzenwebstühle im Gange waren, welche mehr als 15,000 Leuten Beschäftigung gaben. Aber infolge von Krieg, Modewechsel und anderen Umständen geriet die Nottinghamer Spitzenmanufaktur rasch in Verfall und fristete nur ein kümmerliches Dasein, bis John Heathcoat, der Tivertoner Parlaments-Abgeordnete, die Klöppelmaschine erfand, durch welche die Spitzenindustrie auf solider Grundlage wiederhergestellt wurde.
John Heathcoat war der jüngste Sohn eines ehrenwerten kleinen Farmers zu Duffield in Derbyshire, wo er im Jahre 1783 geboren wurde. In der Schule machte er stetige und rasche Fortschritte; doch kam er schon früh zu einem Verfertiger von Wirk- und Webstühlen in die Lehre, der in der Nähe von Loughborough wohnte. Der Knabe wußte bald mit seinem Handwerkszeug geschickt umzugehen und erwarb sich eine genaue Kenntnis aller Teile des Strumpfwirkerstuhls und auch des komplizierteren Kettenstuhls. In seinen Mußestunden grübelte er darüber nach, wie er diese Maschinen verbessern könnte; und sein Freund, der Parlamentsabgeordnete Bazley, konstatiert, daß er schon in dem frühen Alter von sechzehn Jahren den Plan faßte, eine Maschine zu erfinden, mit deren Hilfe sich ein Gewebe herstellen ließe, das den mit der Hand gefertigten Buckinghamer und französischen Spitzen gliche. Die erste praktische Verbesserung führte er an dem Kettenstuhl durch Anbringung eines sinnreichen Apparats ein, vermittelst dessen er spitzenartige »Fäustlinge« zu liefern vermochte; und dieser Erfolg veranlagte ihn dann, sich mit dem Studium der mechanischen Spitzenfabrikation noch weiter zu beschäftigen. Der Strumpfwirkerstuhl war in modifizierter Gestalt bereits zur Anfertigung gewebter Spitzen verwendet worden, wobei die Maschen ähnlich wie bei einem Strumpfe geschlungen wurden; aber das Fabrikat war lose und undauerhaft, daher auch nicht zufriedenstellend.
Viele scharfsinnige Mechaniker Nottinghams hatten sich seit langen Jahren mit dem Problem beschäftigt, eine Maschine zu erfinden, durch welche die Fäden des Gewebes bei der Bildung der Schlinge oder des Knotens zusammengedreht würden. Viele dieser Männer starben in Armut, andere wurden irrsinnig – alle aber in gleicher Weise sahen ihre Bemühungen scheitern. Die alte Kettenmaschine behauptete ihren Platz.
Kaum mehr als einundzwanzig Jahre alt, ging Heathcoat nach Nottingham, wo er schnell eine sehr gut bezahlte Stelle als Monteur für Strumpfwirker- und Kettenstühle fand und sich sowohl durch seine Erfindungsgabe als auch durch seinen hellen Verstand und seine verständige und solide Lebensführung allgemeine Achtung erwarb. Er grübelte auch hier über denselben Gegenstand nach, der seinen Geist schon so lange beschäftigte, und bemühte sich, eine Spitzenwebmaschine zu erfinden, welche die Fäden nicht nur verknüpfte, sondern auch doublierte. Zunächst studierte er die Anfertigungsmethode der Buckinghamer Spitzen, welche mit der Hand gearbeitet wurden; dabei überlegte er, auf welche Weise sich wohl dieselben Manipulationen mit Hilfe von Maschinen ausführen ließen. Es war eine langwierige und mühselige Aufgabe, die viel Beharrlichkeit und Scharfsinn erforderte. Sein Brotherr Elliot schilderte ihn zu jener Zeit als einen erfindungsreichen, geduldigen, genügsamen und stillen Menschen – ungebeugt durch Mißerfolg oder Irrtum, nie verlegen um Hilfsquellen oder Auskunftsmittel – und vor allem fest überzeugt, daß es ihm gelingen müsse, seine Theorien zu praktischer Anwendung zu bringen.
Es hält schwer, eine so komplizierte Erfindung wie die Klöppelmaschine mit Worten zu beschreiben. Sie stellte in der That ein mechanisches Klöppelkissen dar und ahmte in sinnreicher Weise die Fingerbewegungen der Spitzenmacherin bei der Teilung oder Verknüpfung der Faden des Gewebes nach. Bei der genauen Betrachtung einer mit der Hand gefertigten Spitze vermochte Heathcoat die Fäden in Längs- und Querfäden einzuteilen. Er begann seine Versuche damit, daß er gewöhnliche Bindfäden der Länge nach zur Herstellung der Kette auf einer Art Rahmen befestigte und dann die Einschlagsfäden vermittelst gewöhnlicher Drahtzangen zwischen den Kettenfäden durchzog und sie auf der entgegengesetzten Seite zwischen andere Drahtzangen klemmte; nachdem die Einschlagsfäden dann eine seitliche Wendung erhalten und doubliert worden, führte er sie in rückgängiger Bewegung durch die zunächst liegenden Kettenfäden, wobei die Knoten in derselben Weise geschlungen wurden wie bei der Handklöppelei. Er hatte also einen Mechanismus zu erfinden, der alle diese anmutigen und zierlichen Bewegungen ausführte, und dazu bedurfte er keiner geringen geistigen Anstrengung. Lange Zeit danach äußerte er einmal: »Die alleinige Schwierigkeit, die Querfäden an den bestimmten Stellen zusammenzudrehen oder zu doublieren, war so groß, daß ich die Aufgabe mir heute schwerlich übernehmen würde.« – Seine nächste Sorge war, sich kleine Metallscheiben zu verschaffen, die als Klöppel zur Hin- und Herführung der Fäden durch die Kette dienen sollten. Diese Scheiben wurden in beweglichen Leisten zu beiden Seiten der Kette eingefügt und durch eine zweckmäßige Maschinerie derart hin- und hergeschoben, daß sie die Fäden von einer Seite zur anderen leiteten und so das Gewebe herstellten. Schließlich gelang es ihm, seine Idee mit außerordentlicher Geschicklichkeit und großem Erfolg zur Ausführung zu bringen und im Alter von vierundzwanzig Jahren konnte er bereits ein Patent auf seine Erfindung nehmen.
Während dieser Zeit hatte sich seine Frau in fast ebenso großer Aufregung befunden als er selbst: denn sie kannte sehr wohl alle die Schwierigkeiten und Hindernisse, die sich seiner Erfindung entgegenstellten. Viele Jahre nach der glücklichen Überwindung derselben erinnerten sich beide noch lebhaft eines Gespräches, welches an einem ereignisreichen Abend zwischen ihnen stattfand. »Nun,« sagte die besorgte Gattin, »ist sie im Gange?« – »Nein,« war die niedergeschlagene Antwort; »ich habe sie noch einmal ganz auseinandernehmen müssen.« – Obgleich er selbst noch ziemlich hoffnungsvoll und heiter sprach, konnte die arme Frau ihre Gefühle doch nicht länger beherrschen, sondern ließ sich auf einen Stuhl sinken und weinte bitterlich. Sie brauchte aber nur noch wenige Wochen zu warten, bis der langersehnte und wohlverdiente Erfolg kam; und John Heathcoat war ein stolzer und glücklicher Mann, als er den ersten schmalen Spitzenstreifen, den seine Maschine geklöppelt, heimbrachte und in die Hände seines Weibes legte.
Wie es fast bei allen brauchbaren Erfindungen der Fall gewesen ist, wurden Heathcoats Rechte als Patentinhaber bestritten und seine Ansprüche als Erfinder angefochten. Auf die vermeintliche Hinfälligkeit des Patents pochend, bemächtigten sich die Spitzenfabrikanten keck der Klöppelmaschine und boten dem Erfinder Trotz. Andere Leute wieder nahmen Patente auf angebliche Verbesserungen und Abänderungen der Maschine; und erst als diese neuen Patentinhaber in Streit gerieten und miteinander prozessierten, wurden Heathcoats Rechte festgestellt. Als nämlich ein Spitzenfabrikant gegen einen anderen eine Klage wegen angeblicher Verletzung seines Patents anstrengte, gab die Jury in Übereinstimmung mit dem Richter ein Verdikt zu Gunsten des Angeklagten ab, welches sie mit der Erklärung begründete, daß eine wie die andere der in Frage stehenden Maschinen Verletzungen des Heathcoatschen Patents seien. Anläßlich dieses Prozesses – »Boville contra Moore« – erlernte Sir John Copley (der spätere Lord Lyndhurst), welcher in diesem Fall das Interesse des Herrn Heathcoat zu vertreten hatte, die Maschinenklöppelei, um sich über die Einzelheiten der Erfindung zu orientieren. Als er nämlich die Beschwerdeschrift seines Klienten durchgelesen, mußte er bekennen, daß ihm die Sache nicht ganz klar sei. Da sie ihm jedoch sehr wichtig erschien, erbot er sich, sofort über Land zu reisen und die Maschine so lange zu studieren, bis er sie völlig verstände. »Alsdann,« sagte er, »will ich Sie nach besten Kräften verteidigen.« – Er stieg demgemäß noch an demselben Abend in die Postkutsche und fuhr nach Nottingham, um den Fall in einer Weise zu ergründen, wie dies vorher wohl noch kein Advokat gethan. Den folgenden Morgen saß der gelehrte Rechtsanwalt an einer Klöppelmaschine und stand nicht eher auf, bis er eigenhändig und säuberlich ein Stückchen Spitze zu klöppeln vermochte und sowohl die Grundidee als auch die Einzelheiten der Maschine völlig begriffen hatte. Als der Fall zur Verhandlung kam, war der Rechtsgelehrte imstande, das Modell auf dem Tische mit solcher Leichtigkeit und Geschicklichkeit zu handhaben und die Eigenart der Erfindung mit solch einer glücklichen Klarheit darzustellen, daß Richter, Jury und Zuhörer darüber in gleiches Erstaunen gerieten; auch übte die gründliche Gewissenhaftigkeit und Meisterschaft, womit er diese Rechtssache behandelte, ohne Zweifel einen wesentlichen Einfluß auf die Entscheidung des Gerichtshofes aus.
Nachdem der Prozeß entschieden war, stellte Herr Heathcoat durch Nachforschungen fest, daß ungefähr sechshundert Maschinen nach seinem Patent in Gebrauch waren, und er beanspruchte nun von den Eigentümern derselben eine Taxe, die eine ansehnliche Summe ausmachte. Weil aber der Nutzen der Spitzenfabrikanten trotzdem ein sehr großer war, so wurde die Anwendung der Klöppelmaschine eine immer ausgedehntere, wobei freilich der Preis der Ware im Laufe von fünfundzwanzig Jahren von fünf Pfund pro Quadrat-Elle auf etwa fünf englische Pfennige herunterging. Während derselben Periode hat sich der durchschnittliche Ertrag des Spitzenhandels auf mindestens vier Millionen Pfund Sterling belaufen, und ungefähr 150,000 Arbeiter haben dadurch lohnende Beschäftigung gefunden.
Kehren wir nun zu der Leidensgeschichte des Herrn Heathcoat zurück! Im Jahre 1809 finden wir ihn in Loughborough in Leicestershire, wo er sich als Spitzenfabrikant niedergelassen. Dort betrieb er mehrere Jahre hindurch ein blühendes Geschäft, in welchem zahlreiche Arbeiter angestellt waren, deren Wochenlohn zwischen fünf und zehn Pfund variierte. Trotz der vermehrten Anzahl der Hände, die seit der Einführung der neuen Maschinen in der Spitzenmanufaktur verwendet wurden, begannen die Arbeiter doch heimlich untereinander zu flüstern, daß sie durch eben jene Maschinen geschädigt würden, und es bildete sich eine weitverzweigte Verschwörung, die den Zweck hatte, dieselben allerorten zu zerstören. Schon im Jahre 1811 brachen in den Strickwaren- und Spitzenfabriken der südwestlichen Teile von Nottinghamshire und der benachbarten Distrikte von Derbyshire und Leicestershire zwischen den Arbeitgebern und Arbeitnehmern Streitigkeiten ans, infolge deren sich zu Sutton in Ashfield ein Pöbelhaufe zusammenrottete, der sich am hellen Tage daran machte, die Strumpfwirkerstühle und Klöppelmaschinen der Fabrikanten zu vernichten. Nachdem einige der Rädelsführer ergriffen und bestraft worden, gingen die Mißvergnügten vorsichtiger zu Werke, betrieben jedoch die Zerstörung der Maschinen heimlich weiter, wo sich nur eine günstige Gelegenheit dazu bot. Da die Apparate eine so zarte Konstruktion hatten, daß ein einziger Hammerschlag sie unbrauchbar machen konnte, und da der Betrieb meistens in alleinstehenden Gebäuden, oft auch in weit von der Stadt entfernten Privathäusern stattfand, so bot sich die Gelegenheit zur Zerstörung der Maschinen außerordentlich leicht dar. In der Umgegend der Stadt Nottingham, die den Herd der Empörung bildete, organisierten sich die Maschinenstürmer zu regelrechten Verbindungen, welche ihre Pläne in nächtlichen Versammlungen verabredeten. Wahrscheinlich um sich ein Ansehen zu geben, breiteten sie das Gerücht aus, daß sie unter dem Oberbefehl eines Führers, Namens Ned Ludd oder General Ludd, ständen, weshalb sie auch den Namen »Ludditen« führten. Durch diesen Bund wurde nun die Zerstörung der Maschinen im Winter 1811 mit großem Nachdruck betrieben, wodurch schreckliches Elend entstand und viele Arbeiter brotlos wurden. Inzwischen machten sich die Eigentümer der Maschinen daran, dieselben aus den Dörfern und entlegenen ländlichen Gebäuden zu besserem Schutz in städtische Geschäftshäuser überzuführen. Die milden Strafen, welche die Gerichte über einige aufgegriffene Bundesmitglieder verhängten, scheinen die Ludditen ermutigt zu haben; denn bald nachher brach die wahnsinnige Bewegung von neuem los und verbreitete sich schnell über die nördlicheren und mittleren Fabrikdistrikte. Die Verbindung befleißigte sich jetzt einer größeren Heimlichkeit: die Mitglieder mußten einen Eid ablegen, durch den sie sich zum Gehorsam gegen die Befehle der Bundeshäupter verpflichteten, und wer die Pläne der Gesellschaft verriet, sollte mit dem Tode bestraft werden. Allen Maschinen wurde der Untergang geschworen – ganz gleich, ob sie zur Fabrikation von Tuch, Kattun oder Spitzen dienten, und es begann nun ein Schreckensregiment, welches mehrere Jahre dauerte. In Yorkshire und Lancashire wurden die Fabriken von bewaffneten Banden frech angegriffen und in vielen Fällen verwüstet oder verbrannt, sodaß man sie durch Soldaten oder Gendarmen schützen mußte. Die Fabrikherren wurden für vogelfrei erklärt; viele von ihnen wurden angefallen, einige getötet. Endlich schritt die Regierung energisch ein. Ein großer Teil der verblendeten Ludditen wurde festgenommen, und etliche büßten ihre Schuld mit dem Tode. So wurde die mehrjährige heftige Bewegung, welche die Maschinenstürmer hervorgerufen hatten, endlich gewaltsam unterdrückt.
Zu den zahlreichen Fabrikbesitzern, deren Werke von den Ludditen angegriffen wurden, gehörte auch der Erfinder der Klöppelmaschine. An einem sonnenhellen Sommertage des Jahres 1816 drang eine mit Fackeln ausgerüstete Pöbelschar in seine Fabrik zu Loughborough und zündete dieselbe an, wobei siebenunddreißig Klöppelmaschinen zerstört wurden und ein Eigentumsschaden von 10,000 Pfund entstand. Zehn Aufrührer wurden wegen des Frevels verhaftet, und acht davon wurden hingerichtet. Herr Heathcoat verlangte eine Entschädigung von seiten der Grafschaft, die seine Forderung indes nicht bewilligte. Darauf entschied aber der Gerichtshof von Queens Bench zu seinen Gunsten und bestimmte, daß die Grafschaft ihm seine zehntausend Pfund zu ersetzen hätte. Die Beamten der Grafschaft suchten nun bei der Zahlung der Entschädigungssumme von Herrn Heathcoat die Zusicherung, zu erhalten, daß das Geld in der Grafschaft Leicester verausgabt würde: aber hierauf ging er nicht ein, da er schon beschlossen hatte, seine Fabrik nach einem anderen Orte zu verlegen. Zu Tiverton in Devonshire fand er ein großes Gebäude, welches ehemals als Wollwarenfabrik gedient hatte: seitdem aber der Tivertoner Tuchhandel in Verfall geraten, stand das Gebäude leer, und die Stadt selbst befand sich in einem Zustande allgemeiner Armseligkeit. Herr Heathcoat kaufte die alte Fabrik, renovierte und vergrößerte sie und begann dort eine Spitzenmanufaktur in noch größerem Maßstäbe zu betreiben als zuvor, indem er 300 Maschinen in Gang setzte und eine große Anzahl von Arbeitern zu hohem Lohn beschäftigte. Er betrieb nicht nur die Spitzenfabrikation, sondern noch verschiedene, damit zusammenhängende Industriezweige – Wie das Zwirnen von Garn und Seide, die Netzstrickerei und Appretur. Er richtete in Tiverton auch eine Eisenhütte und Fabriken zur Anfertigung landwirtschaftlicher Geräte ein – was sich für den Distrikt als eine große Annehmlichkeit erwies. Es war eine Lieblingsidee von ihm, daß die Dampfkraft sich dazu verwenden ließe, alle die mühselige Arbeit des Lebens zu verrichten, und er beschäftigte sich lange Zeit mit der Erfindung eines Dampfpfluges. Im Jahre 1882 war er damit so weit gediehen, daß er ein Patent darauf nehmen konnte, und obwohl der Heathcoatsche Dampfpflug seitdem durch den Fowlerschen verdrängt worden ist, so galt er doch seiner Zeit für die beste derartige Maschine, die bisher erfunden worden.
Herr Heathcoat war ein Mann von großen natürlichen Gaben. Er besaß einen gesunden Verstand, eine scharfe Beobachtungsgabe und hervorragende kaufmännische Gaben. Hiermit verband er Aufrichtigkeit, Redlichkeit und Unbestechlichkeit – d. h. diejenigen Eigenschaften, welche den wahren Ruhm des menschlichen Charakters ausmachen. An sich selbst unermüdlich arbeitend, ermutigte er gern strebsame junge Leute, – die in seinen Diensten standen– indem er ihre Talente förderte und ihre Energie aufmunterte. Wahrend seines eigenen arbeitsreichen Lebens erübrigte er doch noch Zeit genug, um Französisch und Englisch zu lernen, in welchen beiden Sprachen er sich genaue grammatikalische Kenntnisse aneignete. Außerdem bereicherte er seinen Geist durch das sorgfältige Studium der besten litterarischen Erzeugnisse, und es gab wenige Gegenstände, über die er sich nicht eine selbständige, durch Scharfsinn und Bestimmtheit ausgezeichnete Meinung gebildet hätte. Die zweitausend in seinen Diensten stehenden Arbeiter betrachteten ihn fast als ihren Vater, da er unermüdlich für ihr Wohlergehen und Fortkommen sorgte. Das Glück verdarb ihn nicht, wie es das mit so vielen thut: auch verhärtete er sein Herz nicht gegen die Ansprüche der Armen und Bedrängten, die allezeit seiner Teilnahme und Hilfe sicher sein durften. Um für die Erziehung der Kinder seiner Arbeiter zu sorgen, baute er für sie Schulen, welche ihn gegen 6000 Pfund Sterling kosteten. Dazu besaß er ein merkwürdig heiteres und lebhaftes Temperament, war bei allen Ständen gern gesehen und wurde von denen, die ihn am besten kannten, am meisten bewundert und geliebt.
Im Jahre 1831 erkoren die Wähler Tivertons Herrn Heathcoat, den sie als einen wahrhaften Wohlthäter ihrer Stadt betrachteten, zu ihrem Vertreter im Parlament, und er hatte diesen Vertrauensposten fast dreißig Jahre inne. Während eines großen Teils dieser Zeit war Lord Palmerston sein Kollege, und der edle Lord gab bei mehr als einer öffentlichen Gelegenheit der hohen Achtung Ausdruck, die er für seinen verehrungswürdigen Freund empfand. Als dieser sich im Jahre 1859 infolge hohen Alters und zunehmender Hinfälligkeit von seiner parlamentarischen Thätigkeit zurückzog, schenkten ihm dreizehnhundert seiner Arbeiter als Zeichen ihrer Verehrung ein silbernes Tintenfaß und eine goldene Feder. Er genoß seine Muße jedoch nur noch zwei Jahre: im Januar 1861 starb er im Alter von siebenundsiebzig Jahren, indem er den Ruhm eines redlichen, tugendhaften, männlichen und erfindungsreichen Geistes hinterließ, auf den seine Nachkommen wohl stolz sein dürfen.
Wir wenden uns nun zu einer Lebenslaufbahn ganz anderer Art – zu der des berühmten, aber unglücklichen Jacquard, dessen Leben gleichfalls in bemerkenswerter Weise den Einfluß zeigt, den ein genialer Mensch selbst in der bescheidensten Lebensstellung auf die Industrie eines Landes auszuüben vermag. Jacquard war der Sohn eines schwer arbeitenden Ehepaars zu Lyon; sein Vater war ein Weber, seine Mutter punktierte Muster. Infolge ihrer großen Armut konnten die Eltern ihm nur eine äußerst dürftige Erziehung geben. Als er so weit war, daß er ein Handwerk erlernen sollte, that ihn sein Vater zu einem Buchbinder in die Lehre. Ein alter Buchhalter, der die Geschäftsbücher des Lehrherrn führte, gab dem jungen Jacquard etwas Unterricht in der Mathematik. Der Bursche zeigte aber bald eine merkwürdige Begabung für die Mechanik, und einige seiner Erfindungen setzten den alten Buchhalter so in Erstaunen, daß er dem Vater des Jünglings riet, seinen Sohn in einem anderen Berufe unterzubringen, wo derselbe zur Entfaltung seiner Talente einen weiteren Spielraum fände als in dem Buchbindergewerbe. Der junge Mensch wurde nun Lehrling bei einem Messerschmied, derselbe behandelte ihn aber so schlecht, daß er ihm bald danach entlief, worauf er zu einem Typengießer in die Lehre kam.
Nach dem Tode seiner Eltern war Jacquard gewissermaßen gezwungen, die beiden Webstühle seines Vaters zu übernehmen und damit dessen Handwert fortzusetzen. Er machte sich sogleich daran, die Stühle zu verbessern, und wurde von seinen Erfinder-Ideen so in Anspruch genommen, daß er darüber das Arbeiten vergaß und bald mit seinen Mitteln zu Ende war. Nun verkaufte er seine Webstühle, um seine Schulden zu bezahlen: zu gleicher Zeit bürdete er sich eine neue Last auf, indem er sich eine Frau nahm, für deren Unterhalt er jetzt auch noch zu sorgen hatte. Er geriet in immer größere Armut, und um seine Gläubiger zu befriedigen, verkaufte er sein Häuschen. Vergeblich suchte er Beschäftigung – die Leute hielten ihn für einen Müßiggänger, der die Zeit mit seinen Erfinderträumen vergeudete. Endlich fand er Arbeit bei einem Leinwandweber in Bresse; doch ging er allein dorthin – seine Frau blieb in Lyon und ernährte sich kümmerlich durch die Anfertigung von Strohhüten.
Während einiger weiterer Jahre hören wir nichts von Jacquard; doch scheint er sich unterdessen fortgesetzt mit Verbesserungen des Webstuhls – zum Zweck der leichteren Herstellung gemusterter Zeuge – beschäftigt zu haben; denn im Jahre 1790 trat er mit einem von ihm erfundenen Apparat zur Teilung der Kettenfäden hervor, welcher, wenn er an dem Webstuhl angebracht wurde, die Dienste eines Gehilfen überflüssig machte.
Die verbesserte Maschine verschaffte sich langsam, aber sicher Eingang, und zehn Jahre nach ihrer Erfindung waren in Lyon 4000 Exemplare davon in Thätigkeit. Jacquards Bemühungen wurden, durch die französische Revolution gewaltsam unterbrochen, und im Jahre 1792 finden wir ihn in den Reihen der Lyoner Freiwilligen, welche gegen die Konventsarmee unter dem Oberbefehl Dubois Crancés fochten. Die Stadt wurde genommen, und Jacquard floh zur Rheinarmee, in welcher er bis zum Range eines Feldwebels avancierte. Er hätte Soldat bleiben können; da aber sein einziger Sohn an seiner Seite erschossen wurde, desertierte er und kehrte nach Lyon zurück, um sich wieder mit seiner Frau zu vereinigen. Er fand sie in einer Dachkammer, wo sie sich noch immer mit der Anfertigung von Strohhüten beschäftigte. Während er mit ihr in der Verborgenheit lebte, kehrte sein Geist zu den Erfindungen zurück, über die er in früheren Jahren so viel nachgegrübelt; aber zur Anstellung von Versuchen fehlte es ihm an Mitteln. Jacquard sah sich jedoch bald in die Notwendigkeit versetzt, sein Versteck zu verlassen und Arbeit zu suchen. Schließlich nahm ihn ein intelligenter Fabrikant in Dienst, und während er nun bei Tage arbeitete, beschäftigte er sich nachts mit seinen Erfindungen. Es war ihm der Gedanke gekommen, daß man die Webstühle in Bezug auf die Herstellung der Muster noch sehr verbessern könnte, und er sprach davon eines Tages mit seinem Herrn, wobei er sein Bedauern darüber äußerte, daß seine beschränkten Mittel ihm nicht die Ausführung seiner Ideen gestatteten. Glücklicherweise hatte der Fabrikant Verständnis für den Wert dieser Pläne; mit lobenswerter Großmut stellte er seinem Untergebenen eine beträchtliche Geldsumme zur Verfügung, damit derselbe die beabsichtigten Verbesserungen mit Muße ausprobieren könne.
In der Zeit von drei Monaten hatte Jacquard einen Webstuhl erfunden, welcher die Maschinenleistung an die Stelle der lästigen und mühsamen Arbeit des Handwebers setzte. Der verbesserte Webstuhl figurierte auf der nationalen Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1801 und erhielt eine bronzene Medaille. Jacquard hatte auch die Ehre, in Lyon von dem Minister Carnot besucht zu werden, der ihm persönlich zu dem Erfolge seiner Erfindung gratulieren wollte. Im folgenden Jahre setzte die Londoner »Gesellschaft der Künste« einen Preis für die Erfindung einer Maschine aus, durch welche man Fischernetze und Schutznetze für Schiffe herstellen könnte. Jacquard hatte hiervon gehört, und als er eines Tages seinen gewohnten Spaziergang durch die Felder machte, sann er über den Gegenstand nach und entwarf den Plan zu einer derartigen Maschine. Sein Freund, der Fabrikant, gab ihm abermals die Mittel zur Ausführung seiner Ideen, und in drei Wochen war Jacquards Erfindung fertig.
Das Gerücht hiervon kam dem Präfekten des Departements zu Ohren; der Erfinder mußte vor ihm erscheinen und ihm den Mechanismus des Werkes erklären, worauf ein Bericht über diesen Gegenstand an den Kaiser abgeschickt wurde. Jacquard ward nun nach Paris berufen und dem Kaiser vorgestellt, der ihn mit all der Achtung empfing, die dem Genius gebührt. Die Audienz dauerte zwei Stunden, und durch die Leutseligkeit des Kaisers zutraulich gemacht, beschrieb Jacquard demselben die weiteren Verbesserungen, die er zum Zweck des Musterwebens noch an den Webstühlen anzubringen gedachte. Das Resultat dieser Unterredung war, daß ihm eine Wohnung in dem Museum der Künste und Gewerbe angewiesen wurde, wo er wahrend der Dauer seines Aufenthalts die Werkstätte benutzen durfte und ein angemessenes Fahrgeld zu seinem Unterhalte empfing.
Nachdem er sich im Museum eingerichtet, machte sich Jacquard daran, die einzelnen Teile seines verbesserten Webstuhls zu vervollkommnen. Er hatte hier den Vorteil, die vielen vortrefflichen mechanischen Apparate, welche in diesem großen Schatzhause des menschlichen Geistes enthalten waren, genau besichtigen zu dürfen. Unter den Maschinen, die seine Aufmerksamkeit in besonderem Grade erregten und ihn auf die Spur seiner Erfindung führten, befand sich ein zur Herstellung geblümter Seidenstoffe bestimmter Webstuhl, welchen der berühmte Automaten-Fabrikant Vaucanson angefertigt hatte.
Vaucanson war ein Erfindergenie ersten Ranges. Der Erfindungsdrang war in ihm so mächtig, daß er fast zu einer unbezwinglichen Leidenschaft wurde. Der Ausspruch, daß ein Dichter »geboren,« nicht »gemacht« wird, läßt sich mit gleicher Berechtigung auf den Erfinder anwenden; denn wenn dieser auch ebenso wie jener vieles der Kultur und den günstigen Zeitumständen verdankt, so plant und konstruiert er seine Maschinen und Apparate doch hauptsächlich zur Befriedigung des ihm innewohnenden Triebes. Dies war in hervorragender Weise bei Vaucanson der Fall; denn seine künstlichsten Werke zeichneten sich nicht sowohl durch Nützlichkeit als durch den merkwürdigen Scharfsinn aus, der sich in ihnen offenbarte. Schon als Knabe, wenn er am Sonntag mit seiner Mutter zu einem nachbarlichen Plauderstündchen ging, unterhielt er sich während desselben damit, daß er durch die Ritzen einer Bretterwand die Pendelbewegungen einer Uhr im Nebenzimmer beobachtete. Er bemühte sich, den Vorgang zu begreifen, und nachdem er mehrere Monate über den Gegenstand nachgedacht hatte, wurde ihm der Mechanismus der Hemmung klar.
Seit jener Zeit war sein Geist ganz von dem Gegenstand der mechanischen Erfindungen in Anspruch genommen. Mit einigen selbstgefertigten rohen Werkzeugen stellte er eine hölzerne Wanduhr her, welche die Stunden mit einer merkwürdigen Genauigkeit anzeigte; zugleich schnitzte er für eine kleine Kapelle mehrere Engelfiguren, welche die Flügel bewegen konnten und einige Priestergestalten, die verschiedene gottesdienstliche Handlungen verrichteten. Um etliche andere von ihm geplante Automaten anfertigen zu können, begann er Anatomie, Musik und Mechanik zu studieren, was ihn Jahre hindurch in Anspruch nahm. Der Anblick des Flötenspielers im Tuileriengarten weckte in ihm den Entschluß, eine ähnliche, auf einem Instrument spielende Figur zu erfinden, und nach mehrjähriger Bemühung und Arbeit, worin er noch durch Krankheit behindert wurde, gelang es ihm, seinen Plan auszuführen. Er verfertigte zunächst einen Flageolettspieler, auf welchen – als die sinnreichste seiner Erfindungen – eine Ente folgte, welche schwamm, tauchte, trank und gleich einer wirklichen Ente schnatterte. Danach konstruierte er für die Tragödie »Kleopatra« eine Natter, welche zischte und der Schauspielerin an die Brust fuhr. Vaucanson beschränkte sich indes nicht auf die Anfertigung von Automaten. Im Hinblick auf seinen Scharfsinn bestimmte ihn der Kardinal Fleury zum Inspektor der französischen Seidenfabriken, und kaum hatte er dies Amt angetreten, so plante er auch schon mit seinem unbezwinglichen Erfindungstrieb neue Verbesserungen an den zur Verarbeitung der Seide dienenden Apparaten. Eine dieser Verbesserungen war seine Maschine zum Spinnen und Zwirnen der Seide. Dieselbe brachte aber die Lyoner Seiden-Arbeiter, welche dadurch brotlos zu werden fürchteten, dermaßen gegen ihn auf, daß sie nach ihm mit Steinen warfen und ihn fast umbrachten. Trotzdem setzte er seine Erfindungen fort und konstruierte nun eine Maschine zur Anfertigung geblümter Seidenstoffe, mit einem Apparat versehen, welcher die Fäden so zurichtete, daß sie in den verschiedenen Docken oder Strähnen alle die gleiche Stärke hatten.
Als Vaucanson im Jahre 1782 nach langer Krankheit starb, vermachte er seine Maschinensammlung der Königin, welche aber wenig Wert darauf gelegt zu haben scheint, da die Sammlung bald danach aufgelöst wurde. Doch die Maschine zur Anfertigung geblümter Seidenstoffe wurde glücklicherweise in dem Museum der Künste und Gewerbe aufbewahrt, wo sie Jacquard unter den vielen merkwürdigen und interessanten Stücken der Sammlung fand. Sie erwies sich ihm sehr nützlich; denn sie brachte ihn sofort auf die Spur der wichtigsten Verbesserung, die er an seinem Webstuhl einführte.
Ein Hauptteil der Vaucansonschen Maschine war ein durchlöcherter Cylinder, der durch die bei der Umdrehung erscheinenden Löcher die Bewegung gewisser Nadeln regelte und die Kettenfäden derartig verteilte, daß ein bestimmtes, allerdings einfaches Muster entstand. Jacquard griff diese Idee mit Eifer auf, machte sich aber mit dem Genie des wahren Erfinders sogleich an ihre Verbesserung. Nach Verlauf eines Monats war seine Webmaschine fertig. Mit dem Vaucansonschen Cylinder verband er einen langen Streifen durchlöcherter Pappe, vermittelst dessen die Kettenfäden dem Weber dargereicht wurden – während ein anderer Apparat demselben die Farbe des Weberschiffes andeutete, welches er zu werfen hatte. Auf solche Weise wurde der Schaftzieher wie der Musterstecher überflüssig. Der erste Gebrauch, den Jacquard von seinem Webstuhl machte, bestand darin, daß er mehrere Ellen prächtigen Stoffes webte, welche er der Kaiserin Josephine zum Geschenk machte. Napoleon war mit den Leistungen des Erfinders außerordentlich zufrieden: er ließ mehrere Webstühle nach dem Jacquardschen Modell von den besten Fabrikanten anfertigen und verehrte sie seinem Günstling, welcher darauf nach Lyon zurückkehrte.
Dort hatte er das gewöhnliche Schicksal der Erfinder. Seine Mitbürger sahen ihn als ihren Feind an und ließen ihm die Behandlung zu teil werden, die seinerzeit Kay, Hargreaves und Arkwright in Lancashire erfuhren. Die Arbeiter glaubten, der neue Webstuhl würde ihrem Gewerbe schaden und sie um ihr Brot bringen. Auf der Place des Terreaux fand eine stürmische Versammlung statt, in welcher die Zerstörung der Maschinen beschlossen wurde. Die Ausführung dieses Vorhabens wurde zwar durch das Militär vereitelt: aber Jacquard ward für vogelfrei erklärt und in effigie gehängt.
Der »Conseil des Prud'hommes« bemühte sich vergeblich, die Aufregung zu dämpfen; er wurde selbst in Acht und Bann gethan. Schließlich teilte sich die Erbitterung der Massen auch den »Prud'hommes« mit, welche zum größten Teil aus ehemaligen Arbeitern bestanden und daher mit dieser Klasse sympathisierten; einer von Jacquards Webstühlen wurde weggeschleppt und auf offener Straße in Stücke gebrochen. Es erfolgten darauf Zusammenrottungen des Pöbels; und bei einer solchen Gelegenheit wurde Jacquard von einer wütenden Menge, die ihn ertränken wollte, den Quai entlang geschleppt und nur mit Mühe gerettet.
Trotzdem konnte der hohe Wert des Jacquardschen Webstuhls nicht in Abrede gestellt werden, und sein Erfolg war nur eine Frage der Zeit. Von einigen englischen Seidenfabrikanten wurde Jacquard aufgefordert, nach England herüberzukommen und sich dort niederzulassen. Aber ungeachtet der rohen und grausamen Behandlung, die er von seiten seiner Mitbürger erfahren, gestattete sein großer Patriotismus ihm doch nicht, dies Anerbieten anzunehmen. Nun aber bemächtigten sich die englischen Fabrikanten seines Webstuhls, und die Lyoner Fabriken mußten jetzt auch, um nicht überflügelt zu werden, schleunigst die Jacquardsche Maschine einführen, die bald danach in allen Zweigen der Weberei gebraucht wurde. Die Resultate zeigten, daß die Besorgnisse der Arbeiter ganz unbegründet gewesen. Statt die Arbeit zu vermindern, hat der Jacquardsche Webstuhl dieselbe mindestens um das zehnfache vermehrt. Die Zahl der Personen, welche in den Lyoner Fabriken mit der Herstellung gemusterter Seidenstoffe beschäftigt waren, wurde von Herrn Leon Faucher im Jahre 1833 auf 60,000 angegeben, und seitdem ist ihre Zahl noch beträchtlich gewachsen.
Was nun Jacquard selbst anbetrifft, so verlebte er den Rest seiner Tage in Frieden – nur daß dieselben Leute, welche ihn einst den Quai entlang schleppten, um ihn zu ertränken, sich bald darauf dazu drängten, ihn zur Feier seines Geburtstages im Triumph auf ihren Schultern dieselbe Straße entlang zu tragen. Doch seine Bescheidenheit lehnte eine derartige Demonstration ab. Als aber der Magistrat von Lyon ihn bat, sich zum Nutzen der Lokalindustrie mit der Verbesserung seiner Maschine zu beschäftigen, ging er gern darauf ein und empfing dafür ein mäßiges Jahrgehalt, dessen Betrag er selbst festgesetzt hatte. Nachdem er die geplante Verbesserung ausgeführt, zog er sich im Alter von sechzig Jahren nach Oullins, dem Geburtsorte seines Vaters, zurück, um dort sein Leben zu beschließen. Daselbst hat er im Jahre 1820 den Orden der Ehrenlegion erhalten und ist dann im Jahre 1834 dort auch gestorben und begraben. Es wurde zu seinem Gedächtnis ein Standbild errichtet, aber seine Verwandten blieben arm, und zwanzig Jahre nach seinem Tode sahen sich seine beiden Nichten gezwungen, die goldene Medaille, welche Ludwig XVIII. ihrem Onkel verliehen, für einige hundert Franken zu verkaufen. »Das,« sagt ein französischer Schriftsteller, »war die Erkenntlichkeit der Lyoner Seidenfabrikanten gegen einen Mann, dem sie einen so großen Teil ihres Erfolges verdankten.«
Es wäre leicht, die Märtyrergeschichte der Erfinder noch weiter auszuspinnen und die Namen anderer, gleich ausgezeichneter Männer zu nennen, welche – ohne entsprechende eigene Vorteile – die Entwicklung unserer zeitgenössischen Industrie gefördert haben. Denn es ist in der That nur zu häufig vorgekommen, daß der Genius den Baum pflanzte, dessen Früchte nachher der geduldige Stumpfsinn pflückte. Aber wir wollen uns für jetzt auf den kurzen Lebensabriß eines Erfinders von verhältnismäßig neuerem Datum beschränken und dabei auf die Schwierigkeiten und Entbehrungen hinweisen, mit denen ein erfinderischer Geist so oft zu kämpfen hat. Wir reden von Josua Heilmann, dem Erfinder der Krempelmaschine.
Heilmann wurde im Jahre 1796 zu Mülhausen, dem Mittelpunkte der elsässer Baumwollenmanufaktur, geboren. Sein Vater hatte ein derartiges Geschäft, und Josua trat mit fünfzehn Jahren in dasselbe ein. Er blieb zwei Jahre darin thätig, während welcher er sich in seinen Mußestunden mit Maschinenzeichnen beschäftigte. Darauf arbeitete er weitere zwei Jahre in dem Bankhause seines Onkels zu Paris, wo er gleichzeitig das Studium der Mathematik in den abendlichen Freistunden fortsetzte. Als einige seiner Verwandten eine kleine Baumwollenspinnerei in Mülhausen gründeten, wurde der junge Heilmann bei den Messrs. Tissot u. Reh in Paris untergebracht, um die Geschäftspraxis dieser Firma zu erlernen. Zu gleicher Zeit machte er Studien in dem Museum der Künste und Gewerbe, wo er den Vorlesungen beiwohnte und die dort aufgestellten Maschinen gründlich besichtigte. Er ließ sich auch von einem Spielzeugfabrikanten praktischen Unterricht im Drechslerhandwerk erteilen. Nachdem er eine Zeitlang so fleißig gearbeitet, kehrte er nach dem Elsaß zurück, um den Bau der Maschinen für die neue Fabrik in Vieux-Thann zu beaufsichtigen, welche bald danach fertiggestellt und in Betrieb gesetzt wurde. Das Gedeihen der Fabrik erlitt jedoch durch eine eintretende Handelskrisis eine so schwere Schädigung, daß sie in andere Hände überging, worauf Heilmann nach Mülhausen zu seinen Eltern zurückkehrte.
Er hatte sich mittlerweile vielfach mit Erfindungen beschäftigt, die speziell auf das Weben und Spinnen der Baumwolle Bezug hatten. Eins seiner ersten Projekte war eine Stickmaschine mit zwanzig gleichzeitig arbeitenden Nadeln: es gelang ihm, dieselbe in sechs Monaten zu vollenden. Für diese Erfindung, die er auf die Ausstellung von 1834 schickte, erhielt er eine goldene Medaille und den Orden der Ehrenlegion. Andere Erfindungen folgten in rascher Reihenfolge – ein verbesserter Webstuhl; eine Maschine zum Abmessen und Zusammenlegen der Stoffe; eine Verbesserung der »Spindelbäume« der englischen Baumwollenweber und ein Apparat zum Aufwinden der Kette, sowie verschiedene Abänderungen an den zum Herrichten, Spinnen und Weben von Seide und Baumwolle dienenden Maschinen. Eine seiner sinnreichsten Erfindungen war sein Webstuhl zur gleichzeitigen Herstellung zweier Stücke Sammet oder sammetartigen Stoffes, welche durch die gemeinsame Oberkette miteinander verbunden waren und nach ihrer Fertigstellung vermittelst eines Messers und beweglichen Hebels voneinander getrennt wurden. Aber die allerschönste und allersinnreichste seiner Erfindungen war die Krempelmaschine, deren Geschichte wir nun kurz erzählen wollen.
Heilmann hatte sich seit mehreren Jahren eifrig mit der Erfindung einer Maschine zum Krempeln langfaseriger Baumwolle beschäftigt, da die gewöhnliche Flockenmaschine sich zur Zubereitung des zu spinnenden Rohmaterials – besonders der feineren Sorten – unzulänglich gezeigt hatte und zudem viel Material vergeudete. Um diesen Übelständen abzuhelfen, setzten die elsässer Baumwollenspinner für eine verbesserte Krempelmaschine einen Preis von 5000 Franken aus, und Heilmann war sofort entschlossen, sich an der Konkurrenz zu beteiligen. Was ihn dazu veranlaßte, war nicht Gewinnsucht; denn er war verhältnismäßig reich, da ihm seine Frau ein beträchtliches Vermögen zugebracht hatte. Man konnte ihn häufig sagen hören: »Es wird niemand etwas Großes vollbringen, der sich beständig fragt, was für einen Nutzen er davon haben könnte.« Ihn trieb hauptsächlich der unwiderstehliche Drang des Erfinders, der ein Problem lösen muß, sobald es sich ihm darstellt. Das Problem war aber in diesem Fall schwerer als er dachte. Das eingehende Studium dieses Gegenstandes beschäftigte ihn mehrere Jahre hindurch, und die Ausgaben, in welche es ihn stürzte, waren so groß, daß das Vermögen seiner Frau aufgebraucht wurde und er selbst in Armut geriet, ohne imstande zu sein, seine Maschine zu vollenden. Seit jener Zeit hing für ihn die Möglichkeit, seine Idee zur Ausführung zu bringen, einzig von der Hilfe seiner Freunde ab.
Während er noch mit pekuniärer Bedrängnis und anderen Schwierigkeiten kämpfte, starb seine Frau – in dem Glauben, daß ihr Gatte ruiniert sei. Derselbe ging bald darauf nach England, wo er noch weiter an seiner Maschine experimentierte. Von den ausgezeichneten Maschinenfabrikanten Sharpe, Roberts und Compagnie ließ er sich ein Modell davon anfertigen; als dasselbe aber nicht in gewünschter Weise arbeiten wollte, geriet er fast in Verzweiflung. Um seine Familie zu besuchen, kehrte er nach Frankreich zurück, immer noch mit dem Gedanken beschäftigt, der seinen Geist ganz in Beschlag nahm. Als er eines Abends vor seinem Kamin saß und über das harte Los der Erfinder und das Unglück nachdachte, welches so oft deren Familien trifft, sah er halb unbewußt zu, wie sich seine Töchter kämmten und ihr langes Haar zwischen den Fingern durchgleiten ließen. Da kam ihm plötzlich der Gedanke, daß er aller Bedrängnis ledig wäre, wenn es ihm nur gelänge, vermittelst einer Maschine jenes Verfahren nachzuahmen, bei welchem die langen Haare ausgekämmt, die kurzen aber durch eine umgekehrte Bewegung des Kammes zurückgeschoben wurden. Wir wollen hier daran erinnern, daß diese Begebenheit aus Heilmanns Leben der Gegenstand eines schönen Bildes des Hofmalers Elmore ist, welches im Jahre 1862 auf der Gemälde-Ausstellung der königlichen Akademie zu sehen war. Diese Idee verfolgte er weiter, ersann einen Apparat für das scheinbar einfache, aber in Wirklichkeit sehr komplizierte Verfahren des mechanischen Kämmens oder Krempelns und brachte so endlich nach langer Bemühung seine Erfindung zustande. Die besondere Schönheit des Verfahrens kann nur von demjenigen gewürdigt werden, der die Maschine arbeiten gesehen und dabei beobachtet hat, wie sehr ihre Bewegungen dem Prozeß des Kämmens der Haare gleichen, durch welchen Lee recht eigentlich auf diese Erfindung gebracht worden war. Man hat von seiner Maschine gesagt, daß sie »mit dem zarten Druck menschlicher Finger arbeite.« Sie kämmt die Baumwollenschicht an beiden Enden, legt die Fasern genau einander parallel, trennt die langen von den kurzen und vereinigt jene zu einem Vließ, diese zu einem anderen. Mit einem Wort – die Maschine arbeitet nicht nur mit der Zartheit und Genauigkeit der menschlichen Hand, sondern auch mit der sinnreichen Feinheit des menschlichen Geistes. Der kommerzielle Wert der Erfindung besteht hauptsächlich darin, daß durch sie auch die gröbere Baumwolle für feinere Gespinste verwendbar wird. Die Fabrikanten wurden dadurch instand gesetzt, die passendsten Fasern für die teuersten Stoffe auszuwählen und die feineren Garnsorten in viel größeren Quantitäten herzustellen. Man vermochte vermittelst dieser Maschine die Baumwolle so sein zu spinnen, daß ein einziges Pfund der zubereiteten Baumwolle einen Faden von 334 Meilen Länge lieferte und sich, wenn es zu einer der feineren Spitzenarten verarbeitet wurde, von dem ursprünglichen Wert eines Schillings bis zu seinem Übergang in die Hände des Konsumenten zu einem Wert von 300 bis 400 Pfund Sterling erhob.
Die Schönheit und Nützlichkeit der Heilmannschen Erfindung wurde sogleich von den englischen Baumwollenspinnern anerkannt. Sechs Firmen aus Lancashire vereinigten sich und kauften das Patent auf die Baumwollenspinnerei für England zum Preise von 30,000 Pfund: die Wollenspinner zahlten die gleiche Summe für das Privilegium, das Verfahren auch auf die Wolle anzuwenden, während die Messrs. Marshall aus Leeds für das Vorrecht, auch den Flachs mit jener Maschine bearbeiten zu dürfen, 20,000 Pfund hergaben. So strömte dem armen Heilmann schließlich der Reichtum in Fülle zu. Aber er lebte nicht lange genug, um ihn zu genießen. Er starb, als der Erfolg nur eben seine mühselige Arbeit gekrönt, und sein Sohn, der seine Entbehrungen geteilt, folgte ihm bald nach.
Die Wunder der Zivilisation vollziehen sich auf Kosten solcher Existenzen wie dieser.