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»Die Geduld ist der schönste und wertvollste Bestandteil der Seelenstärke und der seltenste obendrein ..... Die Geduld ist sowohl die Wurzel aller Freuden als auch aller Fähigkeiten. Die Hoffnung selbst hört auf, ein Glück zu sein, wenn sich die Ungeduld zu ihr gesellt.« –
John Ruskin.
»Il y a vingt et cinq ans passez qu'il ne me fut monstré une coupe de terre, tournée et esmaillée d'une telle beauté que – – – dèslors, sans avoir esgard que je n'avois nulle connoissance des terres argileuses, je me mis à chercher les émaux, comme un homme qui taste en ténèbres.«
Bernard Palissy.
Die Geschichte der Töpferkunst liefert uns zufällig einige der merkwürdigsten Beispiele geduldiger Beharrlichkeit, die auf dem Gebiet der Biographie zu finden sind. Wir wählen davon drei der frappantesten aus, die wir in den Lebensbildern des Franzosen Bernard Palissy, des Deutschen Johann Friedrich Böttger und des Engländers Josiah Wedgwood finden.
Obwohl die Kunst, gewöhnliche Thongefäße zu verfertigen, schon den meisten alten Völkern bekannt war, so hatte die Fabrikation glasierter Töpferwaaren doch eine sehr viel geringere Verbreitung. Sie wurde zwar von den alten Etruskern betrieben, wie das einzelne Stücke in antiquarischen Sammlungen beweisen; aber diese Kunst ging verloren und wurde erst in einer uns verhältnismäßig naheliegenden Zeit wieder ins Leben gerufen. Die etruskischen Thongefäße hatten im Altertum einen hohen Wert und wurden zur Zeit des Augustus mit Gold aufgewogen. Die Mauren scheinen unter sich das Geheimnis dieser Kunst bewahrt zu haben; denn sie übten dieselbe noch auf Majoren aus, als diese Insel ums Jahr 1115 von den Pisanern erobert wurde. Unter der fortgeschleppten Beute befanden sich viele thönerne Teller maurischen Ursprungs, die als Siegeszeichen in die Wände mehrerer alter Kirchen Pisas eingemauert wurden, wo man sie noch heute sehen kann. Etwa zwei Jahrhunderte später begannen die Italiener eine Nachahmung jener glasierten Thonwaren in den Handel zu bringen, der sie nach der eigentlichen, maurischen Stätte ihres Ursprungs den Namen »Majolika« gaben. Der Mann, welcher die Kunst des Glasierens oder Emaillierens in Italien neu belebte oder zum zweitenmal entdeckte, war ein florentiner Bildhauer, Namens Luca della Robbia.
Vasari nennt ihn einen Mann von unermüdlichem Fleiß, der den Tag über mit dem Meißel arbeitete und während des größeren Teils der Nacht zeichnete. Diese letztere Kunst betrieb er mit solchem Eifer, daß er für die späten Arbeitsstunden einen Korb mit Hobelspänen bereit zu stellen pflegte, in welchen er die Füße hineinsteckte, um sie und damit seinen ganzen Körper vor der Kälte zu schützen und sich solchergestalt fähig zu erhalten, an seinen Zeichnungen weiter zu schaffen. »Und ich bin darüber keineswegs erstaunt,« fährt Vasari fort. »Wer sich nicht frühzeitig daran gewöhnt, Hitze, Kälte, Hunger, Durst und andere Unannehmlichkeiten zu ertragen, wird sich nie in irgend einer Kunst hervorthun, und diejenigen sind vollständig im Irrtum, die da meinen, sie könnten behaglich alle Freuden der Welt genießen und doch dabei eine ehrenvolle Bedeutung erlangen – denn nicht durch Schlafen, sondern durch Wachen, Beobachten und beständiges Arbeiten steigt man empor und erwirbt sich Ruhm.«
Aber Luca vermochte sich trotz allen Fleißes, aller Emsigkeit nicht durch seine Bildhauerkunst zu ernähren. Nun kam ihm der Gedanke, er könnte seine Modellierarbeiten vielleicht an einem Material fortsetzen, das weicher und billiger wäre als Marmor. So begann er denn seine Modelle aus Thon herzustellen und machte allerhand Versuche, sie in einer Weise zu glasieren und zu brennen, die ihre Haltbarkeit erhöhte. Nach mannigfachen Bemühungen entdeckte er endlich eine Methode, nach welcher der Thon mit einer Masse überzogen wurde, die sich in einem Ofen bei starker Hitze in eine fast unzerstörbare Glasur verwandelte. Später entdeckte er noch ein Verfahren zum Färben der Glasur, wodurch die Schönheit derselben bedeutend erhöht wurde.
Der Ruhm der Erfindung Lucas verbreitete sich über ganz Europa, und die Proben seiner Kunst wurden weithin verschickt. Viele davon gingen nach Frankreich und Spanien, wo sie hoch im Preise standen. In jenen Tagen waren rohe, braune Krüge und Töpfe fast die einzigen Töpferwaren, die man in Frankreich anfertigte, und dieser Zustand hielt mit geringen Verbesserungen bis zur Zeit Palissys an – eines Mannes, der gegen ungeheuere Schwierigkeiten mit einem Heldenmut ankämpfte, der über die Ereignisse seines buntbewegten Lebens einen fast romantischen Schimmer ausgießt.
Bernard Palissy soll um das Jahr 1510 im südlichen Frankreich in der Diöcese Agen geboren sein. Sein Vater war wahrscheinlich ein Glasmacher, und Bernard erlernte dasselbe Handwerk. Seine Eltern waren arme Leute – so arm, daß sie ihm die Wohlthat irgendwelcher Schulbildung nicht zu teil werden lassen konnten. Er selbst äußerte später einmal: »Ich hatte keine anderen Bücher als den Himmel und die Erde, die allen zugänglich sind.« Er eignete sich jedoch die Kunst der Glasmalerei an; dazu lernte er zeichnen und später auch lesen und schreiben.
Als er etwa achtzehn Jahre alt war, geriet die Glasfabrikation in Verfall; und Palissy wanderte mit einem Felleisen auf dem Rücken aus dem väterlichen Hause in die Welt hinaus, um sich irgendwo einen Platz darin zu erobern. Er reiste zuerst nach der Gascogne; unterwegs arbeitete er in seinem Handwerk, wo man ihm nur Beschäftigung gab, und füllte auch gelegentlich einen Teil seiner Zeit mit Landvermessungen aus. Dann wandte er sich nordwärts und hielt sich eine Zeitlang in verschiedenen Orten Frankreichs, Flanderns und Niederdeutschlands auf.
In dieser Weise verbrachte Palissy weitere zehn Jahre seines Lebens, worauf er sich verheiratete, das Wandern aufgab und sich als Glasmaler und Feldmesser in der kleinen Stadt Saintes im Departement Basse-Charente niederließ. Dort wurden ihm Kinder geboren; und nicht nur seine Pflichten, sondern auch seine Ausgaben vermehrten sich, während er beim besten Willen nicht so viel verdienen konnte, als er brauchte. Er mußte sich daher zusammennehmen. Wahrscheinlich fühlte er, daß er noch zu etwas Besserem fähig war als zu dem mühseligen und unsicheren Geschäft der Glasmalerei, und so richtete er denn seine Aufmerksamkeit auf die verwandte Kunst des Bemalens und Glasierens von Töpferwaren. Doch war er auf diesem Gebiet vollkommen unwissend; denn er hatte, ehe er mit seinen Versuchen anfing, noch nie das Brennen von Thongefäßen mit angesehen. Er mußte sich die betreffenden Kenntnisse ohne jede Anleitung erwerben. Aber er hatte frohen Mut, Wißbegierde, unendliche Ausdauer und unerschöpfliche Geduld.
Was Palissy zu dieser neuen Kunst hinführte, war der Anblick eines eleganten italienischen Kruges, der wahrscheinlich aus den Händen Luca della Robbias hervorgegangen war. Ein scheinbar so geringfügiger Umstand würde auf einen gewöhnlichen Menschen – und vielleicht zu einer anderen Zeit auch auf Palissy – keinen besonderen Eindruck gemacht haben. Da der letztere aber damals gerade über einen Berufswechsel nachdachte, so erweckte jener Umstand in ihm den Nachahmungstrieb. Der Anblick des italienischen Kruges wandelte seine ganze Existenz um; und der Wunsch, den Schmelz zu entdecken, mit welchem jenes Gefäß glasiert war, nahm seinen Geist gleich einer Leidenschaft gefangen. Wäre er ledig gewesen, so würde er nach Italien gereist sein, um dort das Geheimnis zu erforschen; aber er war an Weib und Kind gebunden und konnte dieselben nicht im Stich lassen. So blieb er denn bei ihnen und tappte im Dunkel umher, in der Hoffnung, er werde das Verfahren der Anfertigung und Glasierung irdener Gefäße aus eigener Kraft entdecken.
Zuerst konnte er die Bestandteile der Glasur nur erraten; aber er stellte mannigfache Versuche an, um ihre Natur mit Sicherheit festzustellen. Er zerstampfte alle nur möglichen Substanzen, von denen er glaubte, daß sie den Schmelz hervorzubringen vermöchten. Dann kaufte er sich gewöhnliche thönerne Töpfe, brach sie in Stücke, bestrich die Scheiben mit den vermischten Droguen und setzte sie darauf der Glut eines von ihm selbst zu diesem Zweck angefertigten Ofens aus. Seine Experimente mißlangen, und das Ergebnis derselben, bestand nur in zerbrochenen Töpfen und in einer Vergeudung von Brennmaterial, Droguen, Zeit und Arbeit. Die Frauen, haben im allgemeinen keine besondere Sympathie für Bestrebungen, deren einziges, wahrnehmbares Resultat eine Verringerung der Mittel ist, die zur Anschaffung von Nahrung und Kleidung für die Kinder verwandt werden sollten; und so pflichtgetreu Palissys Gattin auch in anderen Beziehungen war, so wollte sie doch durchaus nicht in den Ankauf neuer irdener Töpfe willigen, die ihrer Meinung nach doch nur zum Zerbrechen da sein würden. Indes mußte sie schließlich nachgeben; denn Palissy wurde von dem Verlangen, das Geheimnis der Glasur zu ergründen, dermaßen beherrscht, daß er nicht davon abgebracht werden konnte.
Eine Reihe von Monaten und Jahren hindurch beschäftigte sich Palissy mit seinen Experimenten. Da sich der erste Ofen als unpraktisch erwiesen, so machte er sich daran, einen neuen im Freien zu errichten. Damit verschwendete er wiederum Holz, Droguen und Töpfe und vergeudete die Zeit, bis das Gespenst der Armut ihm und seiner Familie ins Gesicht grinste. »Auf solche Weise,« berichtet er, »verbrachte ich mehrere Jahre wie ein Narr mit Kummer und Seufzern, weil ich durchaus nicht zu meinem Ziel gelangen konnte.«
In den zwischen seinen Experimenten liegenden Pausen arbeitete er gelegentlich in seinen alten Berufszweigen – bemalte Glas, zeichnete Portraits und vermaß Land; aber der aus diesen Quellen fließende Erwerb war nur gering. Endlich war er außer stande, seine Versuche an seinem eigenen Ofen fortzusetzen, da er das Brennmaterial nicht mehr zu erschwingen vermochte. Aber er kaufte sich neue Töpfe, zerbrach sie wie vorher in drei- bis vierhundert Scherben, überzog diese mit Chemikalien und trug sie dann nach einer etwa ein und eine halbe Meile von Saintes entfernten Ziegelei, damit sie dort in einem gewöhnlichen Ziegelofen gebrannt würden. Nach dem Brennen überwachte er das Herausnehmen der Scherben und mußte zu seinem Kummer sehen, daß auch dieser Versuch gescheitert war. Aber obwohl enttäuscht, war er doch nicht entmutigt; denn er beschloß sofort, »von vorne anzufangen.«
Sein Feldmesserberuf hinderte ihn eine Zeitlang an der Fortsetzung seiner Experimente. Einem Regierungserlaß zufolge sollten die Salzsümpfe in der Nähe von Saintes zum Zweck der Grundsteuer-Erhebung vermessen werden. Palissy wurde mit dieser Vermessung und der Anfertigung der erforderlichen Karte betraut. Diese Arbeit nahm ihn einige Zeit in Anspruch und wurde ihm ohne Zweifel gut bezahlt; aber kaum war er damit fertig, so machte er sich auch schon mit verdoppeltem Eifer daran, »dem Geheimnis der Glasur weiter nachzuspüren.« Er zerbrach wiederum drei Dutzend irdene Töpfe, bestrich die Scherben mit den zubereiteten Mischungen und trug sie zu einem benachbarten Glasofen, um sie darin brennen zu lassen. Das Resultat erweckte ihm einen Hoffnungsschimmer, die größere Hitze des Glasofens hatte einige der Chemikalien zum Schmelzen gebracht; aber so eifrig Palissy auch nach der weißen Glasur suchte, vermochte er doch nichts davon zu entdecken.
Während weiterer zwei Jahre experimentierte er ohne ein befriedigendes Resultat: inzwischen wurden die Erträge seiner Vermessung der Salzsümpfe aufgebraucht, und er geriet wiederum in Armut. Aber er beschloß, noch eine letzte, große Anstrengung zu machen, und zerbrach mehr Töpfe als je. Über dreihundert mit seinen Chemikalien bestrichene Thonscherben wanderten in den Glasofen, und er selbst stand dabei, um die Resultate des Brennens festzustellen. Vier Stunden stand er so Wache; dann wurde der Ofen, geöffnet. Nur auf einer der dreihundert Scherben war der Überzug geschmolzen, und diese eine wurde zum Abkühlen herausgenommen. Als die Glasur erhärtete, wurde sie weiß – weiß und glänzend! Ja! die Thonscherbe war in der That mit einer weißen Emaille überzogen, die Palissy als »außerordentlich schön« beschreibt. Und zweifellos mußte sie ihm nach all dem langen und mühseligen Warten wunderschön erscheinen. Er lief damit zu seiner Frau, während er sich nach seiner eigenen Aussage »wie neugeboren« fühlte. Aber noch war das Ziel keineswegs erreicht. Der teilweise Erfolg dieser – seinem Vorhaben nach letzten – Anstrengung hatte nur die Wirkung, ihn zu weiteren Versuchen und Enttäuschungen zu führen.
Um die Erfindung, die er bereits gemacht zu haben glaubte, weiter zu vervollkommnen, beschloß er, in der Nähe seiner Wohnung einen Glasofen zu bauen, an welchem er seine Experimente heimlich fortsetzen könnte. Er errichtete den Ofen mit seinen eigenen Händen und schleppte die notwendigen Ziegel auf seinem Rücken vom Ziegelhof herbei. Er war Maurer und Handlanger in einer Person. Darüber vergingen sieben bis acht Monate. Endlich war der Ofen fertig und zum Gebrauch bereit. Palissy hatte indessen selbst eine Anzahl von Thongefäßen geformt, die ihrer Emaillierung harrten. Nachdem er sie einem vorbereitenden Brennprozeß unterworfen, überzog er sie mit der Emaille-Mischung und unterwarf sie wiederum der großen Feuerprobe im Ofen. Trotz seiner nahezu erschöpften Mittel hatte Palissy doch schon seit längerer Zeit für diesen letzten Versuch einen großen Haufen Brennmaterial aufgespart, der seiner Meinung nach genügen mußte. Endlich brannte das Feuer, und die Prozedur begann. Den ganzen Tag saß er vor dem Ofen, um das Feuer zu unterhalten. Auch die ganze Nacht hindurch wachte er und schob Brennmaterial nach. Aber die Glasur schmolz nicht. Darüber ging die Sonne auf. Seine Frau kam und brachte ihm sein kärgliches Frühstück – denn er mochte sich nicht vom Ofen wegrühren, den er von Zeit zu Zeit mit neuem Brennmaterial speiste. Der zweite Tag verrann, ohne daß die Glasur schmolz. Die Sonne ging unter, und eine zweite Nacht verstrich. Der bleiche, verstörte, unrasierte Palissy saß noch immer, zwar gebeugt, doch nicht gebrochen, vor seinem Ofen und wartete auf das Schmelzen der Glasur. Ein dritter Tag verstrich samt der Nacht – dazu ein vierter, fünfter und sechster. Ja! sechs lange Tage und Nächte wachte und arbeitete der unerschütterliche Palissy und mühte sich in einem hoffnungslosen Kampfe – und immer noch wollte die Emaille nicht schmelzen.
Da kam ihm der Gedanke, daß möglicherweise die Mischung der Glasur mangelhaft sei – daß vielleicht ein Flußmittel darin fehle; er begann daher neue Chemikalien zu zerstoßen und durcheinander zu mengen, um damit einen abermaligen Versuch anzustellen. So vergingen weitere zwei oder drei Monate. Aber woher sollte er neue Töpfe nehmen? Die, welche er zum Zweck des ersten Versuchs mit seinen eigenen Händen geformt hatte, waren durch das zu lange Brennen für das zweite Experiment unbedingt unbrauchbar geworden. Sein Geld war zu Ende, aber er konnte ja borgen. Sein Ruf war noch immer makellos, obwohl seine Frau und auch die Nachbarn ihm vorwarfen, daß er die Zeit mit thörichten Spielereien vergeude. Trotzdem gelang es ihm, von einem Freund eine genügend große Summe zur erneuten Anschaffung von Brennmaterial und Töpfen zu borgen, und nun war er zu weiteren Versuchen bereit. Die Töpfe wurden mit einer neuen Mischung überzogen und in den Ofen gestellt, worauf Palissy das Feuer entzündete.
Es war dies ein letztes, verzweifeltes Unternehmen. Das Feuer flammte auf; die Hitze wurde sehr stark – aber die Glasur kam nicht in Fluß. Das Heizmaterial ging zu Ende! Wie sollte er das Feuer unterhalten? Da war ja der Gartenzaun – der würde wohl brennen! Lieber den Zaun opfern als das Experiment aufgeben! Der Gartenzaun wurde abgebrochen und wanderte in den Ofen. Umsonst! Die Glasur schmolz nicht. Aber vielleicht würden weitere zehn Minuten genügen. Brennmaterial mußte um jeden Preis herbeigeschafft werden! In seiner Wohnung gab es ja noch Möbel und Wandbretter. Plötzlich hörte man in Palissys Hause ein krachendes Geräusch, und unter dem Geschrei seiner Frau und seiner Kinder, die allen Ernstes glaubten, der Hausherr habe den Verstand verloren, wurden Tische und Stühle zerbrochen und in den Ofen gesteckt. Doch die Emaille schmolz noch immer nicht. Jetzt waren noch die Wandbretter übrig. Wieder hörte man im Hause ein Geräusch, als ob Holz zerbrochen würde, und die Wandbretter wurden zerschlagen und gleich den Möbeln ins Feuer geworfen. Nun stürzte die Frau mit den Kindern auf die Straße hinaus und rannte wie rasend durch die Stadt, indem sie überall erzählte, der arme Palissy sei verrückt geworden und zerschlage seine eigenen Möbel zu Brennholz!Palissys eigene Worte sind diese: »Le bois m'ayant failli, je fus contraint brusler les estapes (étaies) qui soustenoyent les tailles de mon jardin, lesquelles estant bruslées, je fus contraint brusler les tables et planches de la maison, afin de faire fondr la seconde composition. J'estois en une telle angoise que je ne sçaurois dire: car j'estois tout tari et deseché à cause du labeur et de la chaleur du fourneau; il y avoit plus d'un mois que ma chemise n'avoit seiché sur moy, encore pour me consoler on se moquoit de moy, et mesme ceux qui me devoient secourir alloient crier par la ville que je faisois brusler le plancher; et par tel moyen l'on me faisoit perdre mon credit et m'estimoit – on estre fol. Les autres disolent que je cherchois à faire la fausse monneye, qui estoit un mal qui me faisoit seicher sur les pieds; et m'eu allois par les ruës tout baissé comme un homme honteux – – – – – personne ne me secouroit: Mais au contraire ils se mocquoyent de moy, en disant! Il luy apparient bien de mourir de faim, par ce qu'il delaisse son mestier. Toutes ces nouvelles venoyent à mes aureilles quand je passois par la ruë.« – Oeuvres Complètesde Palissy, Paris 1844«; De l'Art de Terre. p. 31.
Seit einem ganzen Monat hatte er nicht sein Hemd gewechselt, und er war vollkommen erschöpft – aufgerieben durch Arbeit, Sorgen, Nachtwachen und Nahrungsmangel. Dazu war er verschuldet und anscheinend am Rande des Ruins. Aber er hatte endlich das Geheimnis entdeckt; denn die letzte große Glut hatte die Emaille zum Schmelzen gebracht. Die gewöhnlichen braunen Küchentöpfe waren, als er sie aus dem abgekühlten Ofen herausnahm, mit einer weißen Glasur überzogen! Dieser Erfolg gab ihm die Kraft, Vorwürfe, Schmach und Verachtung zu ertragen und geduldig auf eine Gelegenheit zu warten, die ihm gestatten würde, seine Entdeckung in kommenden besseren Tagen zu verwerten.
Palissy engagierte nun einen Töpfer, damit dieser nach Zeichnungen des Auftraggebers irdene Gefäße anfertige; er selbst aber machte sich daran, mehrere Medaillonbilder aus Thon zu modellieren, die er gleichfalls zu glasieren gedachte.
Aber womit sollte er sich und seine Familie so lange ernähren, bis seine Waren zum Verkauf fertig sein würden? Glücklicherweise wohnte in Saintes ein Mann, der, wenn auch nicht an Palissys Verständigkeit, so doch an seine Redlichkeit glaubte. Dies war ein Gastwirt, welcher sich bereit fand, dem Bedrängten auf sechs Monate Kost und Logis zu geben, damit er während dieser Zeit in seiner Töpferarbeit fortfahren könne. Palissy sah sich bald außer stande, dem angeworbenen Gehilfen den bedungenen Lohn zu zahlen. Nachdem er schon seine Wohnung geplündert, konnte er nur noch seine eigene Person berauben, und wirklich trat er einige seiner Kleidungsstücke als Abschlagszahlung auf den fälligen Lohn an den Töpfer ab.
Palissy baute zunächst einen verbesserten Ofen, aber unglücklicherweise mauerte er ihn innen zum Teil mit Kieselsteinen aus. Diese platzten und zersprangen beim Heizen, und die Splitter fielen auf die Töpfe und blieben daran kleben. Obwohl die Glasur sich regelrecht bildete, war die Arbeit doch unheilbar verdorben und die sechsmonatliche Bemühung vereitelt. Zwar fanden sich Leute, welche die Waren trotz der erlittenen Beschädigungen zu einem niedrigen Preise kaufen wollten, aber Palissy ging nicht darauf ein, weil er meinte, er würde dadurch seine Ehre »schimpfieren und schänden;« so brach er denn den ganzen Schub entzwei. »Trotzdem,« berichtet er, »gab ich die Hoffnung nicht auf, sondern hielt mich tapfer; wenn mich zuweilen Bekannte besuchten, scherzte ich mit ihnen, obwohl mein Herz traurig war. – – – – – Das schlimmste Leid, das ich erdulden mußte, waren die Spöttereien und Anfeindungen von seiten meiner eigenen Hausgenossen, die in ihrer Unvernunft von mir verlangten, daß ich meine Arbeiten ohne die erforderlichen Mittel ausführen sollte. Jahrelang hatten meine Öfen kein Schutzdach, und während ich dabei saß, war ich aller Wut des Windes und Wetters ausgesetzt, ohne Hilfe und Trost – außer etwa dem, welchen mir das Miauen der Katzen auf der einen, und das Heulen der Hunde auf der anderen Seite gewähren konnte. Manchmal rüttelte der Sturm so heftig an den Öfen, daß ich gezwungen war, sie im Stich zu lassen und ins Haus zu flüchten. Vom Regen durchnäßt und in einer Verfassung, als wäre ich durch einen Morast geschleift worden, ging ich um Mitternacht oder bei Tagesanbruch mich niederlegen, indem ich ohne ein Licht ins Haus stolperte, von einer Seite zur anderen schwankend, als wäre ich betrunken, während ich doch in Wirklichkeit nur müde war vom nächtlichen Wachen und betrübt über die Nutzlosigkeit meiner Arbeit nach so langer Bemühung. Aber ach! mein Haus war für mich kein Zufluchtsort; denn durchnäßt und beschmutzt wie ich war, fand ich daheim eine schlimmere Verfolgung als da draußen, und ich muß mich noch heute wundern, wie ich so vielen Kummer habe überstehen können.«
Als sich seine Angelegenheiten in diesem Stadium befanden, wurde Palissy so schwermütig und niedergeschlagen, daß er fast zusammenbrach. Er wanderte in düsterem Trübsinn durch die Felder in der Umgegend von Saintes, mit zerlumpten Kleidern und selber fast zum Skelett abgemagert. In seinen Schriften beschreibt er in einer bemerkenswerten Stelle, wie feine Waden so zusammenschrumpften, daß die Strümpfe trotz, der Strumpfbänder nicht mehr darauf festhalten wollten,Toutes ces fautes m'ont causé un tel lasseur et tristess d'esprit, qu'auparavent que j'aye rendu mes émaux fusible à un mesme degré de feu, j'aye cuidé entrer jusque à la porte sepulchre aussi en me travaillant à tels affaires, je me suis trouvé l'espace de plus de dix ans si fort escoulé en ma personne, qu'il n'y avoit aucuno forme ny apparence de bosse aux bras ny aux jambes: ains estoyent mes dites jambes toutes d'une venue: de sorte que les liens de quoy j'attachois mes bas de chaussees estoyent, soudain que je cheminoissur les talons avec le residu de mes Chausses.« – Oeuvres sondern ihm beim Gehen bis auf die Hacken herabrutschten. Seine Familie machte ihm noch immer wegen seiner Unordentlichkeit Vorwürfe, und die Nachbarn verhöhnten ihn wegen seiner hartnäckigen Thorheit. So kehrte er denn für einige Zeit zu seinem früheren Gewerbe zurück, und nachdem er etwa ein Jahr lang durch fleißige Arbeit für den Unterhalt seiner Familie gesorgt und seinen Ruf unter den Nachbarn einigermaßen wiederhergestellt hatte, wandte er sich von neuem seiner Lieblingsbeschäftigung zu. Aber obgleich er sich um die Entdeckung der Glasur schon zehn Jahre vergeblich bemüht hatte, mußte er doch noch fast acht Jahre mühselig experimentieren, bis es ihm gelang, seine Erfindung zu vervollkommnen. Er eignete sich allmählich Geschicklichkeit und Sicherheit durch die Erfahrung an und sammelte praktische Kenntnisse aus seinen mannigfachen Mißerfolgen. Jeder gescheiterte Versuch war für ihn eine Lektion, die ihn etwas Neues über das Wesen der Glasur, über die Beschaffenheit der thonartigen Erden oder die Mischung der Thonsorten, sowie über den Bau und die Behandlung der Öfen lehrte.
Nach sechzehnjähriger Arbeit faßte sich Palissy endlich ein Herz und nannte sich »Töpfermeister.« Diese sechzehn Jahre hatte er zur Erlernung seiner Kunst gebraucht, war dabei sein eigener Lehrer gewesen und hatte mit den ursprünglichsten Anfangsgründen angefangen. Nun war er imstande, seine Waren zu verkaufen und seiner Familie eine behagliche Existenz zu schaffen. Aber er begnügte sich nie mit dem, was er erreicht. Er verbesserte sein Verfahren mehr und mehr, indem er nach einem möglichst hohen Grad der Vollkommenheit strebte. Er verwandte allerlei Gegenstände aus der Natur als Muster und bildete sie mit solcher Treue nach, daß der große Buffon von ihm sagte, »er sei ein so ausgezeichneter Naturforscher gewesen, wie ihn die Natur nur hervorzubringen vermöge.« Seine ornamentalen Schöpfungen gelten heute in den Sammlungen der Kunstliebhaber für kostbare Perlen und werden mit fast fabelhaften Preisen bezahlt.Bei der vor einigen Jahren in London stattfindenden Versteigerung der Kuriositätensammlung des Herrn Bernal erzielte eine kleine Palissysche Schüssel von zwölf Zoll Durchmesser, in deren Mitte eine Eidechse gemalt war, einen Preis von 162 Pfund. Die darauf angebrachten Verzierungen sind größtenteils genau dem Leben nachgebildet und stellten wilde Tiere, Eidechsen und Pflanzen dar, die er auf den Feldern von Saintes beobachtet hatte, und die er dann in geschmackvoller Zusammenstellung zur Ornamentierung eines Tellers oder einer Vase verwandte. Als Palissy auf der Höhe seiner Kunst stand, nannte er sich »Ouvrier de Terre et Inventeur des Ristics Figulines.«
Wir haben jedoch über die Leiden Palissys noch nicht zu Ende berichtet; es bleiben noch einige Worte darüber zu sagen. Da Palissy zu einer Zeit, als der Kampf gegen die protestantische Religion im südlichen Frankreich heiß entbrannte, dort als Bekenner derselben lebte und seine Ansichten furchtlos aussprach, so kam er in den Ruf eines gefährlichen Ketzers. Nachdem seine Feinde ihn denunziert hatten, drangen eines Tages die Diener der »Gerechtigkeit« in sein Haus und öffneten seine Werkstatt dem Pöbel, der die vorhandenen Kunstwerke zertrümmerte; während der Künstler selbst bei Nacht weggeschleppt und in einen Kerker zu Bordeaux geworfen wurde, um dort abzuwarten, ob man für gut fände, ihn an den Brandpfahl oder aufs Schafott zu schicken. Er wurde zum Feuertode verurteilt; aber ein einflußreicher Edelmann, der Connétable von Montmorency, verwandte sich für sein Leben – nicht weil er für Palissy oder dessen Religion eine besondere Achtung empfand, sondern weil kein anderer Künstler imstande war, die glasierten Fliesen für das prächtige Schloß anzufertigen, welches er sich damals zu Ecouen, etwa vier Meilen von Paris, erbauen ließ. Auf seine Veranlassung wurde Palissy durch ein königliches Edikt zum »Erfinder ländlicher Terrakotten« im Dienste des Königs und des Connétables ernannt, wodurch er sofort der Gerichtsbarkeit der Stadt Bordeaux entzogen wurde. Man gab ihn demgemäß frei, und er kehrte nun nach seinem Hause in Saintes zurück, welches er verwüstet und zerstört fand. Seine Werkstätte war des Daches beraubt, und seine Gefäße und Figuren lagen in Trümmern. Indem er den Staub der Stadt von seinen Füßen schüttelte, verließ er Saintes auf Nimmerwiederkehr und begab sich nach Paris, wo man ihm eine Wohnung in den TuilerieniIn den letzten Monaten hat Herr Charles Read, ein bemerkenswerter Kenner französisch-protestantischer Altertümer, einen der Öfen entdeckt, worin Palissy seine Meisterwerke brannte. Verschiedene Formen zur Herstellung von Köpfen, Pflanzen, Tieren und dergleichen wurden in wohlerhaltenem Zustande ausgegraben, alle mit seinem bekannten Stempel versehen. Der Ofen befindet sich unter der Louvre-Galerie auf der Place du Carrousel. einräumte, damit er dort die vom Connétable und der Königin-Mutter bestellten Arbeiten ausführe.
Palissy aber fertigte nicht nur mit Hilfe seiner beiden Söhne Töpferwaren an, sondern beschäftigte sich in den letzten Jahren seines Lebens auch mit der Abfassung und Veröffentlichung mehrerer Bücher über die Töpferkunst, um dadurch seine Landsleute zu belehren und sie vor den vielen Irrtümern zu bewahren, in die er selbst verfallen war. Er schrieb auch über Ackerbau, Festungsanlagen und Naturgeschichte und hielt sogar über den letzteren Gegenstand vor einer beschränkten Anzahl von Personen Vorlesungen. Er kämpfte gegen die Astrologie, die Alchimie und Zauberlehre, sowie gegen jeden ähnlichen Aberglauben. Er erweckte sich mannigfache Feinde, die ihn als einen Ketzer verschrieen und ihn abermals um seiner Religion willen in den Kerker – und zwar in die Bastille – brachten. Er war nun ein Greis von achtundsiebzig Jahren, der schon mit einem Fuß im Grabe stand; aber sein Geist war noch so mutig als je. Man drohte ihm mit dem Tode, falls er nicht seinen Glauben abschwören würde; aber er hing an seiner Religion mit derselben Hartnäckigkeit, mit welcher er dem Geheimnis der Glasur nachgespürt hatte. Der König Heinrich III. ging selbst zu ihm in den Kerker, um ihn umzustimmen. »Mein guter Meister,« sagte der König, »Ihr habt mir und meiner Mutter jetzt fünfundvierzig Jahre gedient. Wir haben es mit angesehen, daß Ihr inmitten der Scheiterhaufen und Metzeleien an Eurer Religion festhieltet. Aber jetzt werde ich von der Partei der Guisen und auch von meinem eigenen Volke so bedrängt, daß ich gezwungen bin, Euch den Händen Eurer Feinde zu überliefern, und wenn Ihr Euch bis morgen nicht bekehrt, so werdet Ihr verbrannt!« – »Sire,« antwortete der unerschütterliche Greis, »ich bin bereit, mein Leben zur Ehre Gottes hinzugeben. Ihr habt oft zu mir gesagt, daß ich Euch leid thäte; aber heute thut Ihr mir leid, weil Ihr es ausgesprochen habt, daß man Euch ›zwingt!‹ Das ist nicht königlich gesprochen, Sire! Nicht Ihr und auch nicht Eure Bedränger – die Guisen und Euer ganzes Volk – vermöchten so viel über mich; denn ich weiß zu sterben!«D'Aubigné, »Histoire Universelle« Der Geschichtschreiber fügt hinzu: »Nun seht die Unverschämtheit dieses Schelmes an! Sollte man nicht meinen, daß er den Vers des Seneca gelesen hätte: »On ne peut contraindre celui qui sait mourir: Qui mori scit, cogi nescit?« Palissy starb wirklich bald darauf als Märtyrer, wenn auch nicht am Brandpfahl. Er verschied nach etwa vierjähriger Gefangenschaft in der Bastille und beschloß dort still und friedlich ein Leben, das durch heldenhafte Arbeit, außerordentliche Geduld, unbeugsame Redlichkeit, sowie durch viele seltene und edle Tugenden ausgezeichnet war.Palissys Leben und Arbeiten sind in talentvoller und ausführlicher Weise von Professor Morley in seinem wohlbekannten Werke beschrieben worden. In dem vorstehenden kurzen Bericht sind wir im allgemeinen der Darstellung gefolgt, welche Palissy selbst von seinen Experimenten in seiner »Art de Terre« giebt.
Das Leben Johann Friedrich Böttgers, des Erfinders des harten Porzellans, steht zu demjenigen Palissys in einem merkwürdigen Gegensatz, obwohl es auch einige eigentümlich interessante, fast romantische Umstände aufweist. Böttger wurde zu Schleiz im Voigtlande im Jahre 1685 geboren und kam mit zwölf Jahren zu einem Berliner Apotheker in die Lehre. Er scheint sich frühzeitig für Chemie interessiert und den größten Teil seiner Muße auf chemische Experimente verwandt zu haben. Diese hatten fast sämtlich ein und dasselbe Ziel – die Auffindung des »Steins der Weisen,« d. h. jener Kunst, durch welche gemeines Metall in Gold verwandelt werden soll. Nach Verlauf mehrerer Jahre behauptete Böttger, er habe jenes Universal-Zaubermittel der Alchimisten entdeckt und damit bereits Gold fabriziert. Er zeigte seine Kunst vor seinem Lehrherrn, dem Apotheker Zörn; und durch irgend einen Kniff machte er sowohl diesen als auch einige andere Zeugen glauben, daß er thatsächlich Kupfer in Gold verwandelt habe.
Das Gerücht, daß der Apothekerlehrling im Besitz des großen Geheimnisses sei, verbreitete sich mit Windeseile, und das Volk lief vor der Apotheke zusammen, um den merkwürdigen jungen »Goldkoch« zu Gesicht zu bekommen. Der Königs selbst wünschte ihn zu sehen und zu sprechen, und als Friedrich I. ein Stück Gold, das angeblich aus Kupfer hergestellt war, zum Geschenk erhielt, erschien ihm die Aussicht, eine unbegrenzte Menge davon anfertigen zu können, bei der damaligen großen Geldnot Preußens so lockend, daß er den Entschluß faßte, sich der Person Böttgers zu bemächtigen und ihn auf der starken Festung Spandau als »Goldmacher« zu beschäftigen. Aber der junge Apotheker, der des Königs Absicht ahnte und sich wahrscheinlich vor der Entdeckung seines Betrugs fürchtete, beschloß sogleich, über die sächsische Grenze zu entweichen, was er auch glücklich ausführte.
Vergeblich wurde auf Böttgers Ergreifung eine Belohnung, von 1000 Thalern gesetzt. Der Flüchtling entkam nach Wittenberg und stellte sich dort unter den Schutz des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, Friedrich Augusts I., welchen man »den Starken« nennt. Dieser selbst war dazumal in großer Geldverlegenheit und außer sich vor Freude bei der Vorstellung, daß er mit Hilfe des jungen Alchimisten Gold in jeder beliebigen Menge würde erhalten können. Böttger wurde demgemäß in aller Stille unter dem Schutz einer königlichen Eskorte nach Dresden gebracht. Er hatte Wittenberg kaum verlassen, als auch schon ein Bataillon preußischer Grenadiere vor den Thoren der Stadt erschien und die Auslieferung des Goldmachers verlangte. Aber es war zu spät; Böttger war bereits in Dresden angekommen und wohnte hier in dem »goldenen Hause,« wo er zwar mit aller Achtung behandelt, aber doch streng beaufsichtigt und überwacht wurde.
Der Kurfürst sah sich jedoch gezwungen, den »Goldmacher« für einige Zeit zu verlassen, da seine Gegenwart in Polen wegen der dort herrschenden, fast anarchischen Zustände dringend notwendig war. Aber voll Ungeduld nach dem kostbaren Metall, schrieb er von Warschau aus an Böttger, er möge ihm das Geheimnis mitteilen, damit er selbst das Umwandlungswerk vornehmen könne. So gedrängt, übersandte der junge »Goldkoch« dem Kurfürsten eine kleine Phiole mit einer »rötlichen Flüssigkeit,« welche nach seiner Behauptung alle in geschmolzenem Zustand befindlichen Metalle in Gold verwandelte. Diese wichtige Phiole nahm der Prinz Fürst von Fürstenberg in seine Obhut und eilte damit unter dem Schutze eines Garderegiments nach Warschau. Dort angekommen, gedachte man sogleich das Verfahren zu erproben. Der König und der Prinz schlossen sich in ein geheimes Zimmer des Palastes ein, umgürteten sich gleich richtigen »Goldköchen« mit einem Schurzfell und machten sich nun daran, Kupfer in einem Schmelztiegel zu schmelzen, um nachher die von Böttger gelieferte rote Flüssigkeit hinzuzuthun. Aber das Resultat war unbefriedigend: denn trotz all ihrer Anstrengungen blieb das Kupfer hartnäckig Kupfer. Nun fiel dem König aber ein, daß nach den Anweisungen des Alchimisten das Verfahren nur Erfolg haben könne, wenn die Flüssigkeit »in großer Herzensreinheit« angewandt würde, und da sich Se. Majestät bewußt war, den Abend in schlechter Gesellschaft zugebracht zu haben, so wurde das Mißlingen des Experiments dieser Ursache zugeschrieben. Als jedoch auch ein zweiter Versuch kein besseres Resultat lieferte, geriet der König in Wut; denn er hatte vor dieser zweiten Probe gebeichtet und die Absolution empfangen.
Friedrich August war nun entschlossen, Böttger zur Enthüllung des Geheimnisses der Goldmacherkunst zu zwingen, weil er darin für sich die einzige Möglichkeit sah, aus seiner pekuniären Bedrängnis herauszukommen. Als der Alchimist die Absicht des Königs erfuhr, entschied er sich abermals für die Flucht. Es gelang ihm, seinen Wächtern zu entwischen, und nach dreitägiger Reise erreichte er Ens in Österreich, wo er sich sicher glaubte. Doch die Häscher des Kurfürsten waren ihm auf den Fersen. Sie spürten ihn im »goldenen Hirsch« auf, umstellten das Gebäude und holten ihn selbst aus seinem Bett, und obwohl er sich heftig sträubte und die österreichischen Behörden um Beistand anrief, ward er dennoch gewaltsam nach Dresden zurückgebracht. Seit dieser Zeit stand er unter strengerer Bewachung als je und wurde bald danach auf die starke Festung Königstein übergeführt. Hier teilte man ihm mit, daß die königliche Schatzkammer vollkommen leer sei, und daß zehn polnische Regimenter ihren rückständigen Sold forderten und auf sein Gold warteten. Der König selbst besuchte ihn und drohte ihm in strengem Tone, er werde ihn hängen lassen, falls er nicht sofort Gold mache! (»Thu mir zurecht, Böttger, sonst laß ich dich hängen!«)
Jahre vergingen, ohne daß Böttger Gold machte, und trotzdem wurde er nicht gehängt. Ihm war es vorbehalten, eine Kunst zu entdecken, die wichtiger war als die Verwandlung des Kupfers in Gold – nämlich die Verwandlung des Thons in Porzellan! Die Portugiesen hatten aus China einige seltene Proben dieses Geschirrs herübergebracht welche mehr wert waren als ihr Gewicht in Gold. Böttgers Aufmerksamkeit wurde auf diesen Gegenstand zuerst durch Walter von Tschirnhaus hingelenkt, welcher ein Verfertiger optischer Instrumente und daneben auch ein Alchimist war. Tschirnhaus war ein Mann von Bildung und guter Herkunft, der sowohl bei dem Fürsten Fürstenberg als auch bei dem Kurfürsten in großem Ansehen stand. Er gab Böttger, der sich noch immer vor dem Galgen fürchtete, den vernünftigen Rat: »Wenn Ihr nicht Gold machen könnt, so macht etwas anderes – macht Porzellan!« –
Der Alchimist nahm diesen Wink auf und experimentierte Tag und Nacht. Er betrieb seine Forschungen eine Zeitlang mit großem Eifer, aber ohne Erfolg. Schließlich führte ihn eine rote Thonart, die man ihm zur Anfertigung seiner Schmelztiegel gebracht hatte, auf die richtige Spur. Er fand, daß dieser Thon in starker Hitze – ohne seine Form zu verändern – verglaste und sich dann in seiner Beschaffenheit vom Porzellan nur durch seine Farbe und seine Undurchsichtigkeit unterschied. Er hatte in der That durch einen Zufall das rote Porzellan entdeckt, das er nun herzustellen und als Porzellan zu verkaufen begann.
Böttger sah indessen wohl ein, daß die weiße Farbe eine wesentliche Eigenschaft des echten Porzellans sei, und er setzte daher seine Experimente in der Hoffnung fort, es werde ihm gelingen, auch dies Geheimnis zu ergründen. So vergingen mehrere Jahre, ohne daß er zum Ziel kam: bis wiederum ein Zufall sich ihm hilfreich erwies und ihn die Kunst lehrte, weißes Porzellan anzufertigen. Als er sich eines Tages im Jahre 1707 seine Perücke aufsetzte, fand er sie ungewöhnlich schwer und fragte den Diener, wie das käme. Dieser antwortete, daran wäre der zu der Perücke verwendete Puder schuld, welcher aus einer damals häufig zu diesem Zweck benutzten Erdart bestand.
Böttgers lebhafte Einbildungskraft erfaßte sofort diesen Gedanken. Jenes weiße, erdartige Pulver war möglicherweise gerade die Substanz, nach welcher er suchte: jedenfalls wollte er nicht verabsäumen, die Natur desselben zu ergründen. Seine fleißige Sorgfalt und Aufmerksamkeit wurde belohnt; denn es ergab sich bei der Untersuchung, daß der Hauptbestandteil des Haarpuders Kaolin war, dessen Fehlen bisher der Hauptgrund seiner Mißerfolge gewesen war. Diese Entdeckung führte in Böttgers geschickten Händen zu wichtigen Resultaten und erwies sich weit bedeutsamer als die etwaige Auffindung des »Steins der Weisen.«
Im Oktober des Jahres 1707 legte er dem Kurfürsten sein erstes Stück Porzellan vor, wodurch er ihn sehr erfreute, und es wurde nun sogleich beschlossen, daß Böttger die nötigen Mittel zur Vervollkommnung seiner Erfindung erhalten sollte. Nachdem man ihm einen geschickten Arbeiter aus Delft zum Gehilfen gegeben, begann er mit großem Erfolg Porzellan zu »drehen,« d. h. auf der Töpferscheibe zu formen. Er wandte sich nun gänzlich von der Alchimie ab und der Töpferkunst zu, was er durch folgende zweizeilige Strophe andeutete, die er über der Thür seiner Werkstätte anbrachte:
»Es machte Gott der große Schöpfer,
Aus einem Goldmacher einen Töpfer.«
Böttger stand jedoch noch immer unter strenger Aufsicht, weil man befürchtete, er könnte anderen das Geheimnis mitteilen, oder sich der Gewalt des Kurfürsten entziehen. Die neuen Werkstätten und Öfen, welche man für ihn baute, wurden Tag und Nacht von Truppen überwacht, und sechs höhere Offiziere wurden für die persönliche Sicherheit des Töpfers verantwortlich gemacht.
Böttgers weitere Versuche mit den neuen Öfen waren außerordentlich erfolgreich, und da das Porzellan, welches er anfertigte, hohe Preise erzielte, so wurde alsbald die Anlage einer königlichen Porzellanfabrik beschlossen. Man wußte, daß Holland einen Teil seines Reichtums der Delfter Fayence-Fabrikation verdankte. Warum sollte der Kurfürst nicht in gleicher Weise seine Finanzen durch die Anfertigung von Porzellan verbessern können? Demgemäß wurde am dreiundzwanzigsten Januar 1710 ein Regierungserlaß veröffentlicht, welcher die Gründung »einer großen Porzellanfabrik« auf der Albrechtsburg in Meißen anordnete. In diesem Erlaß, welcher auch in lateinischer, französischer und holländischer Sprache abgefaßt und durch die Gesandten des Kurfürsten allen europäischen Höfen zugestellt wurde, erklärte Friedrich August, er hätte – um das Wohl Sachsens zu fördern, welches unter dem Einfall der Schweden stark gelitten – seine Aufmerksamkeit den unterirdischen Schätzen des Landes zugewandt, und einigen fähigen Leuten, die er mit der Untersuchung betraut, wäre es gelungen, »eine Art roter Gefäße herzustellen, die der indischen Terra sigillataAlles chinesische und japanische Porzellan wurde früher »indisches Porzellan« genannt, wahrscheinlich weil es – nach Entdeckung des Kaps der guten Hoffnung durch Vasco de Gama – zuerst von den Portugiesen aus Indien nach Europa gebracht wurde. weit überlegen wären« – sowie ferner »buntes Geschirr und Tafeln, welche man schneiden, schleifen und polieren könnte, und welche den indischen Gefäßen in ihrer Beschaffenheit vollkommen glichen;« schließlich hätte man auch schon »einige Proben von weißem Porzellan« erzielt, und es stände zu hoffen, daß man auch diese Art bald in beträchtlicher Menge würde herstellen können.
Der königliche Erlaß richtete zum Schluß an »fremde Künstler und Handwerker« die Einladung, nach Sachsen zu kommen und sich in der unter dem Patronat des Königs stehenden Fabrik zu hohem Lohn als Gehilfen zu verdingen. Dieser königliche Erlaß läßt vielleicht am deutlichsten erkennen, wie es damals mit der Böttgerschen Erfindung stand.
Es ist in deutschen Berichten behauptet worden, daß Böttger in Anbetracht der großen Dienste, die er dem Kurfürsten und dem Lande Sachsen geleistet, zum Leiter der königlichen Porzellanfabrik ernannt worden sei und später den Baronstitel erhalten habe. Ohne Zweifel hätte er diese Ehren verdient, aber seine Behandlung war in Wirklichkeit eine ganz andere: sie war schäbig, grausam und unmenschlich! Zwei königliche Beamte, Namens Matthieu und Nehmitz, wurden als Direktoren der Fabrik über ihn gesetzt, während man ihm selbst nur die Stellung eines Aufsehers unter den Arbeitern einräumte und mit ihm im übrigen wie mit einem königlichen Gefangenen verfuhr. Als die Anlage der Fabrik seine Gegenwart in Meißen notwendig machte, wurde er durch Soldaten von Dresden aus hin- und zurücktransportiert, und selbst nach der Fertigstellung des Baues schloß man ihn nachts in sein Zimmer ein. Alles dies lastete schwer auf seinem Gemüt, und in wiederholten Briefen an den König bat er um Milderung seines Schicksals. Einige dieser Briefe sind sehr ergreifend. »Ich will mich mit ganzer Seele der Kunst der Porzellanmacherei widmen,« schreibt er bei einer Gelegenheit: »ich will mehr thun als irgend ein Erfinder je zuvor gethan; geben Sie mir nur die Freiheit, die Freiheit!« –
Aber gegen solche Bitten war der König taub. Er war bereit, Geld und Gunstbezeugungen auszuteilen, doch die Freiheit wollte er ihm nicht gewähren. Er sah Böttger als seinen Sklaven an. In dieser Stellung arbeitete der unglückliche Mann noch ein oder zwei Jahre: dann wurde er lässig. Der Welt und seiner selbst überdrüssig, ergab er sich dem Trunk; und so groß ist die Macht des Beispiels, daß – sobald dies bekannt wurde – fast sämtliche Arbeiter der Meißener Fabrik demselben Laster verfielen. Die Folge davon waren Streitigkeiten und Schlägereien, sodaß die Truppen häufig einschreiten und unter den »Porzellanern,« wie man die Arbeiter der Fabrik scherzweise nannte, Frieden stiften mußten. Nach einiger Zeit wurden sie allesamt – d. h. mehr als 300 – in die Albrechtsburg eingesperrt und als Staatsgefangene behandelt.
Schließlich wurde Böttger ernstlich krank, und im Mai des Jahres 1713 erwartete man stündlich seine Auflösung. Der König war durch die Aussicht, einen so wertvollen Sklaven zu verlieren, sehr beunruhigt und gab ihm nun die Erlaubnis, unter militärischer Bedeckung spazieren zu fahren; als sich Böttger infolgedessen etwas erholte, wurde ihm gelegentlich auch gestattet, nach Dresden zu gehen. In einem Briefe, den der König im April des Jahres 1714 an Böttger schrieb, versprach er ihm die volle Freiheit; aber das Anerbieten kam zu spät. Körperlich und geistig gebrochen – abwechselnd arbeitend und trinkend, trotz gelegentlicher guter Vorsätze – dabei beständig kränkelnd infolge der langen Haft: so schleppte sich Böttger noch ein paar Jahre hin, bis er in seinem fünfunddreißigsten Lebensjahre am 13. März 1719 durch den Tod von seinen Leiden erlöst wurde. Er ward wie ein Hund zur Nachtzeit auf dem Johanniskirchhof zu Meißen begraben. Solcher Art war die Behandlung und das unglückliche Ende eines der größten Wohlthäter Sachsens.
Die Porzellanfabrikation erwies sich sogleich als eine wichtige Einnahmequelle für den Staat und brachte dem Kurfürsten so reiche Erträge, daß bald die meisten europäischen Fürsten seinem Beispiel folgten. Obwohl man in St. Cloud schon vierzehn Jahre vor Böttgers Entdeckung weiches Porzellan hergestellt hatte, so wurden doch die Vorzüge des harten Porzellans bald allgemein anerkannt. Im Jahre 1770 fabrizierte man es zuerst in Sèvres; und seitdem hat es das weichere Material fast ganz verdrängt. Gegenwärtig bildet die Porzellanmanufaktur einen der blühendsten Industriezweige Frankreichs und die vorzügliche Güte der dort gefertigten Waren läßt sich sicherlich nicht bestreiten. – Die Laufbahn Josiah Wedgwoods, des englischen Töpfers, war weniger verworren und bedeutend glücklicher als diejenigen Palissys oder Böttgers: sie fiel auch in bessere Zeiten.
Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts waren die Engländer hinter den anderen Großmächten Europas in Bezug auf industrielle Geschicklichkeit zurückgeblieben. Obgleich es in Staffordshire viele Töpfer gab – Wedgwood selbst gehörte einer umfangreichen Töpferfamilie gleichen Namens an – so waren die Produkte ihrer Kunst doch rohester Art, größtenteils einfache braune Gefäße, in die man, solange der Thon noch feucht war, Muster einkratzte. Den Bedarf an besseren Töpferwaren lieferte fast ausschließlich die Stadt Delft in Holland, und Trinkgefäße aus Steingut kamen von Köln herüber. Zwei ausländische Töpfer, die Gebrüder Elers aus Nürnberg, ließen sich für einige Zeit in Staffordshire nieder und führten einige Verbesserungen in der Töpferei ein: aber sie zogen bald darauf nach Chelsea, wo sie sich ausschließlich mit der Anfertigung ornamentaler Gegenstände beschäftigten. Bis jetzt hatte man in England noch kein Porzellan hergestellt, das von einem harten Instrument nicht hätte zerkratzt werden können, und lange Zeit hindurch war das aus Staffordshire kommende »weiße Tafelgeschirr« nicht von weißer, sondern von schmutzig-gelblicher Farbe.
So stand es, kurz gesagt, mit der Thonwarenfabrikation, als Josiah Wedgwood im Jahre 1730 zu Burslem geboren wurde. Als er vierundsechzig Jahre später starb, hatten sich die Umstände völlig geändert. Durch seine Thatkraft. Geschicklichkeit und Genialität gab er dem Gewerbe eine neue, solide Basis und »verwandelte« – nach den Worten seiner Grabschrift – »ein rohes, unbedeutendes Handwert in eine elegante Kunst und einen wichtigen Zweig des nationalen Handels.«
Josiah Wedgwood war einer jener unermüdlichen Männer, welche von Zeit zu Zeit aus den Reihen des einfachen Volkes hervorgehen und durch ihren energischen Charakter nicht nur die Arbeiterbevölkerung praktisch in industriellen Fertigkeiten unterweisen, sondern auch durch das von ihnen selbst gegebene Beispiel der Emsigkeit und Beharrlichkeit daß öffentliche Leben in all seinen Erscheinungen mächtig beeinflussen und so in hohem Grade zur Bildung des nationalen Charakters beitragen. Er war gleich Arkwright der Jüngste aus einer Familie von dreizehn Kindern. Sein Großvater wie auch sein Großonkel waren Töpfer, und dasselbe Gewerbe betrieb sein Vater, der bei seinem Tode den Sohn als unerwachsenen Knaben mit einem Erbteil von zwanzig Pfund hinterließ. Der junge Wedgwood hatte in einer Dorfschule lesen und schreiben gelernt; doch beim Tode des Vaters mußte er dieselbe verlassen und kam zu seinem älteren Bruder in die Lehre, in dessen kleiner Töpferwerkstätte er als »Dreher« beschäftigt wurde. Hier begann sein Arbeiterleben – um seine eigenen Worte zu gebrauchen – »auf der untersten Sprosse der Leiter,« als er kaum elf Jahre alt war. Er erkrankte bald danach an den Blattern, an deren Folgen er sein ganzes Leben hindurch zu tragen hatte, weil davon ein häufig wiederkehrendes Leiden am rechten Knie zurückblieb, von welchem er erst viele Jahre später durch die Amputation des Gliedes befreit wurde.
In der schwungvollen Lobrede auf Wedgwood, welche Herr Gladstone vor nicht langer Zeit in Burslem hielt, machte er die sehr treffende Bemerkung, daß jenes Leiden möglicherweise die Veranlassung zu Wedgwoods späterem Ruhm gewesen ist. »Es verhinderte ihn, der thätige, kräftige englische Arbeiter zu werden, der im Vollbesitz aller seiner Glieder ist und sie wohl zu gebrauchen weiß; aber es ließ ihn darüber nachdenken, ob er statt dessen nicht etwas anderes, vielleicht Größeres werden könnte. Es lenkte seinen Geist nach innen und trieb ihn an, den Gesetzen und Geheimnissen seiner Kunst nachzuforschen. Das Resultat bestand darin, daß er eine Auffassung und Handhabung derselben erlangte, die ein athenischer Töpfer vielleicht beneidet, sicherlich aber anerkannt haben würde.«Wedgwood, eine Rede, gehalten zu Burslem am 26. Oktober 1863 von dem Parlamentsmitglied W. E. Gladstone
Als Josiah seine Lehrzeit bei seinem Bruder beendet, verband er sich mit einem anderen Arbeiter und begann einen kleinen Handel mit selbstgefertigten Messergriffen, Schachteln und sonstigen häuslichen Gebrauchsartikeln. Danach associierte er sich mit wieder einem anderen Bekannten und beschäftigte sich jetzt mit der Anfertigung von Melonentellern, grünen, blattartigen Schälchen zu Eingemachtem, Leuchtern, Schnupftabaksdosen und dergleichen. Doch war sein Gewinn verhältnismäßig gering, bis er im Jahre 1759 auf eigene Rechnung ein Geschäft in Burslem eröffnete. Dort bethätigte er sich fleißig in seinem Gewerbe, indem er neue Artikel in den Handel brachte und sein Unternehmen immer mehr ausdehnte. Sein Hauptziel war die Herstellung einer gelblichen Fayence, die hinsichtlich der Form, Farbe, Glasur und Dauerhaftigkeit diejenige übertreffen sollte, welche man in Staffordshire anfertigte. Um die Sache gründlich zu erlernen, widmete er seine Mußezeit dem Studium der Chemie und stellte mannigfache Versuche bezüglich der Flußmittel, der Glasurarten und der verschiedenen Thonsorten an. Da er ein gründlicher Forscher und scharfer Beobachter war, so bemerkte er, daß eine gewisse kieselhaltige Erdart von ursprünglich schwarzer Farbe in der Hitze des Brennofens weiß wurde. Die Wahrnehmung und Erwägung dieser Thatsache brachte ihn auf den Gedanken, die Kieselerde mit dem roten Töpferthon zu vermengen, und dies wiederum führte ihn zu der Entdeckung, daß eine solche Mischung durch das Brennen eine weiße Farbe annimmt. Nun erübrigte ihm nur noch, dieses Material mit einer durchsichtigen Glasur zu überziehen, um eins der wichtigsten Produkte der Töpferkunst zu erhalten – jenes Produkt, welches unter dem Namen der »englischen Fayence« dazu bestimmt war, die größte kommerzielle Bedeutung und den ausgedehntesten Gebrauch zu erlangen.
Wedgwood hatte eine Zeitlang vielen Ärger mit seinen Brennöfen, wenn auch nicht annähernd in dem Maße wie Palissy; doch er überwand die Schwierigkeiten in derselben Weise wie jener: durch wiederholte Experimente und unermüdliche Geduld. Seine ersten Versuche in der Anfertigung von Tafelporzellan bildeten eine Reihe kläglicher Mißerfolge, durch welche die Arbeit von Monaten oft in einem Tage zerstört wurde. Erst nach vielfachen Bemühungen, bei denen er Zeit, Geld und Arbeit verlor, gelang es ihm, die geeignete Glasur zu entdecken; da er sich durch kein Mißlingen entmutigen ließ, so errang er sich endlich den Erfolg mit Hilfe der Geduld. Die Vervollkommnung der Töpferkunst wurde seine Lieblingsidee, die er keinen Augenblick aus den Augen ließ. Selbst als er alle Schwierigkeiten überwunden hatte und ein reicher Mann geworden war, der weißes Steingut und gelbliche Fayence in großer Menge für das In- und Ausland fabrizierte – selbst da noch arbeitete er weiter an der Verbesserung seiner Fabrikationsmethode, sodaß sein nach allen Seiten hin wirkendes Beispiel einen anregenden Einfluß auf die Thätigkeit des ganzen Distrikts ausübte und einen großen Zweig der englischen Industrie auf festere Grundlagen stellte. Er strebte nach der höchsten Vollendung und erklärte, er sei entschlossen, »lieber sein Gewerbe aufzugeben, als es zu erniedrigen.«
Wedgwood fand bei vielen Personen von Rang und Einfluß freundliche Unterstützung; denn da er selbst mit dem treuesten Pflichteifer arbeitete, so wurde ihm Hilfe und Ermutigung von seiten anderer pflichtgetreuer Arbeiter leicht zu teil. Er lieferte für die Königin Charlotte das erste königliche Tafelservice englischen Fabrikats – von jener Sorte, die man später »Königinnen-Fayence« nannte, und er erhielt dafür den Titel eines »königlichen Töpfers,« worauf er stolzer war, als wenn man ihn zum Baron gemacht hätte. Manches wertvolle Porzellanservice wurde ihm zur Nachahmung anvertraut, die ihm stets wunderbar gelang. Sir William Hamilton lieh ihm antike Kunstgegenstände aus Herkulanum, von welchen er genaue und schöne Kopien anfertigte. Die Herzogin von Portland überbot ihn bei der Versteigerung der Barberinischen Vase. Er bot dafür siebzehnhundert Guineen: aber Ihre Gnaden erstand das Objekt für achtzehnhundert Guineen. Als sie indes Wedgwoods Absicht erfuhr, lieh sie ihm die Vase großmütig zur Nachbildung. Er fertigte davon fünfzig Kopien mit einem Kostenaufwand von 2500 Pfund, der durch den Verkauf der Vasen nicht gedeckt wurde: aber er hatte doch seinen Zweck erreicht und bewiesen, daß englische Geschicklichkeit und Energie alles zu vollbringen vermag, was je von anderen geleistet wurde.
Wedgwood rief den Schmelztiegel des Chemikers, die Kenntnisse des Antiquars und die Geschicklichkeit des Künstlers zu seinen Bundesgenossen auf. Er wurde mit dem jungen Flaxman bekannt, und während er sein Talent großmütig unterstützte, erlangte er von ihm eine beträchtliche Anzahl schöner Muster für sein Thon- und Porzellangeschirr, mit deren Hilfe er Gegenstände von vortrefflichem Geschmack anfertigte, die dazu beitrugen, die Kenntnis der klassischen Kunst unter dem Volke zu verbreiten. Durch sorgfältiges Experimentieren und Studieren entdeckte er von neuem die Kunst, Porzellan- oder Thongefäße und ähnliche Artikel zu bemalen – eine Kunst, die schon von den alten Etruskern geübt wurde, aber zur Zeit des Plinius verloren ging. Wedgwood zeichnete sich auch auf wissenschaftlichem Gebiet aus, und der von ihm erfundene Pyrometer erinnert noch heute an seinen Namen. Er förderte unermüdlich alle Bestrebungen, die dem Gemeinwohl dienten, und der Trent- und Mersey-Kanal, welcher die Schiffahrtsverbindung zwischen der Ost- und Westküste der Insel vervollständigte, verdankt seine Entstehung hauptsächlich seinem gemeinnützigen Wirken in Verbindung mit dem Genie Brindleys. Da sich die Landstraßen des Distrikts in einem schauderhaften Zustand befanden, so plante und baute er eine zehn Meilen lange Chaussee, die durch seine Fabrikanlagen führte. Der Ruhm, den er sich erwarb, war so groß, daß seine Fabriken in Burslem und später auch diejenigen, welche er in Etruria gründete und baute, ein Anziehungspunkt für viele vornehme Gäste aus allen Teilen Europas wurden.
Durch Wedgwoods Thätigkeit wurde die Töpferei, die er auf der niedrigsten Stufe vorgefunden, ein Hauptindustriezweig Englands und anstatt den heimischen Bedarf von auswärts zu beziehen, exportierten wir bald Thongeschirr in großer Menge nach anderen Ländern – trotz der hohen Einfuhrzölle, die man dort von britischen Produkten erhob. Wedgwood stattete im Jahre 1785 – erst dreißig Jahre nach Beginn seines Wirkens – dem Parlament einen Bericht über seine Fabriken ab. Aus demselben ging hervor, daß er nicht etwa nur gelegentlich eine kleine Anzahl unbedeutender und schlecht bezahlter Arbeiter beschäftigte, sondern daß ungefähr 20,000 Personen direkt durch seine Thonwarenfabriken unterhalten wurden – ganz abgesehen von der noch größeren Zahl derer, welche indirekt dadurch in den Kohlenbergwerken oder beim Land- und Seetransport Beschäftigung fanden, oder auch ihr Brot der gesteigerten Unternehmungslust verdankten, die sich als eine Folge von Wedgwoods Thätigkeit in mannigfacher Weise in den verschiedenen Teilen des Landes offenbarte. Aber obwohl die zu seiner Zeit gemachten Fortschritte in der Töpferei sehr groß waren, so meinte Herr Wedgwood doch, daß sich diese Industrie noch in ihrer Kindheit befände, und daß die von ihm selbst eingeführten Verbesserungen klein seien im Vergleich zu dem, was in dieser Kunst durch fortgesetzten Fleiß und wachsende Einsicht der Fabrikanten, sowie durch weitere Ausnutzung der natürlichen Hilfsquellen und politischen Vorzüge Großbritanniens noch erreicht werden könnte. Und man muß gestehen, daß diese Ansicht durch die seitdem in diesem wichtigen Industriezweige gemachten Fortschritte bestätigt worden ist. Im Jahre 1852 wurden nicht weniger als 84,000,000 Stück Thongeschirr aus England nach anderen Ländern exportiert – abgesehen von dem, was für den inländischen Gebrauch angefertigt wurde. Aber nicht nur die Quantität und der Wert des Produkts verdient Beachtung, sondern auch die verbesserte Lage jenes Teils der Bevölkerung der in diesem wichtigen Industriezweige beschäftigt ist. Als Wedgwood seine Arbeiten begann, befand sich der Staffordshirer Distrikt in einem nur halb civilisierten Zustande. Die Einwohner waren arm, roh und an Zahl gering. Als Wedgwoods Fabrikthätigkeit fest begründet war, fand dort eine Arbeiterschar von der dreifachen Kopfzahl der ursprünglichen Bevölkerung reichliche Arbeit und guten Lohn, und die Hebung des moralischen Zustandes hielt mit der Verbesserung der materiellen Lage gleichen Schritt.
Männer wie diese dürfen mit Recht beanspruchen, als die industriellen Helden der civilisierten Welt angesehen zu werden. Ihr unerschütterliches Selbstvertrauen inmitten aller Prüfungen und Schwierigkeiten, ihr Mut und ihre Beharrlichkeit in dem Streben nach edlen Zielen – sind in ihrer Art nicht weniger heroisch als die Tapferkeit und der Opfermut des Soldaten oder des Seemanns, der seine Pflicht und seinen Stolz darin findet, mit Heldenmut das zu verteidigen, was iene wackeren Leiter der Industrie so mutig errungen haben.