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17. Kapitel

Am anderen Morgen verließen die Kommissare und mit ihnen Skrzetuski Nowosiol, aber es war eine trübselige Reise, denn an jedem Halteplatz, in jedem Städtchen drohte ihnen der Tod, und überall Beschimpfungen, die noch schlimmer als der Tod waren, deshalb schlimmer, weil die Kommissare in ihren Personen die Würde und die Majestät der Republik repräsentierten. Herr Kisiel wurde krank, so daß man ihn auf allen Nachtherbergen samt dem Schlitten in die Häuser und Backstuben tragen mußte. Der Kämmerer von Lemberg vergoß Tränen über seine eigene Schmach und über die der Republik; der Kapitän Bryschowski wurde ebenfalls krank aus Ärger über die Schändlichkeit der Menschen und von den Mühen der Reise. So nahm Skrzetuski seine Stelle ein und führte den unglücklichen Zug unter Beschimpfungen, Drohungen, Mißhandlungen und unter Gefechten mit der Menge weiter.

In Bialogrod war es wieder, als sei die letzte Stunde der Kommissare gekommen. Das Volk erschlug den kranken Bryschowski, ermordete den Gesandten Gniasdowski, – und nur die Ankunft des Metropoliten, welcher zu einer Unterredung mit dem Wojewoden herbeieilte, verhinderte das geplante Gemetzel. In Kijew wollte man die Kommissare gar nicht in die Stadt lassen. Der Fürst Tschetwertynski kam am 11. Februar ohne eine Antwort von Chmielnizki zurück. Die Kommissare wußten nicht, was sie weiter tun, wohin sie sich wenden sollten. Den Rückzug schnitten ihnen die ungeheuren Banden ab, welche nur auf den Abbruch der Verhandlungen warteten, um die Gesandtschaft zu ermorden. Die Volksmenge wurde immer frecher. Man faßte die Pferde der Dragoner an den Zügeln und versperrte ihnen den Weg, warf Steine, Eisschollen und gefrorene Schneeballen in den Schlitten des Wojewoden. In Gwosdowo mußten Skrzetuski und Doniez eine blutige Schlacht liefern, in welcher sie mehrere Hundert des Gesindels zersprengten. Der Fahnenträger von Nowgorod und Sniarowski ritten wieder zu Chmielnizki, um ihm vorzustellen, daß er doch zu den Verhandlungen nach Kijew kommen möge, aber der Wojewode hatte wenig Hoffnung, daß sie lebend bis zu ihm gelangen würden. In Chwastowo mußten die Kommissare untätig zusehen, wie das Volk Gefangene beiderlei Geschlechts mordete; man ertränkte sie in Wunen, die man in das Eis auf dem Flusse schlug, begoß sie bei dem harten Frost mit Wasser, stach mit Mistgabeln nach ihnen und zog ihnen die Haut bei lebendigem Leibe mit Messern vom Körper. Solcher Tage waren achtzehn verflossen, ehe endlich von Chmielnizki die Antwort kam, daß er nicht nach Kijew kommen wolle, aber in Perejeslaw auf den Wojewoden und die Kommissare warten werde.

Die unglücklichen Botschafter atmeten auf, in dem Glauben, daß ihre Qual jetzt zu Ende sei; nachdem sie in Tripol den Dniepr überschritten hatten, begaben sie sich zur Nacht nach Woronkow, von wo sie nur sechs Meilen bis Perejeslaw hatten. Chmielnizki kam ihnen eine halbe Meile Weges entgegen, um scheinbar der königlichen Gesandtschaft eine Ehre zu erweisen, aber wie hatte er sich seit jener Zeit verändert, wo er sich erhoben hatte, um die vermeintliche Kränkung zu rächen – » quantum mutatus ab illo« – wie der Wojewode Kisiel mit Recht geschrieben hatte.

Er kam ihnen nämlich mit einer Anzahl von Pferden, mit Hauptleuten, Esauls und Militärmusik, mit dem Roßschweif, wie ein regierender Fürst, entgegen. Der Zug der Kommissare hielt sofort an, aber er sprengte zu dem ersten Schlitten, in welchem der Wojewode saß, blickte eine Weile in dessen ehrwürdiges Gesicht, worauf er ein wenig die Pelzmütze lüftete und sagte:

»Ich begrüße euch, ihr Herren Kommissare, und Euch, Herr Wojewode. Es wäre besser gewesen, früher mit mir Verhandlungen zu beginnen, als ich noch kleiner war und meine eigene Kraft nicht kannte. Aber weil der König euch zu mir schickt, so nehme ich euch freudig in meinem Lande auf.«

»Seid gegrüßt, Hetman!« antwortete Kisiel. »Seine Majestät der König sendet uns, daß wir Euch seine Gnade kundtun und Gerechtigkeit üben sollen.«

»Für die Gnade danke ich,« entgegnete Chmielnizki, »und Gerechtigkeit habe ich mir schon allein – seht her, mit diesem hier, an euren Köpfen verschafft. (Hier schlug er an den Säbel.) Ich werde sie mir auch weiter verschaffen, wenn ihr mich nicht zufriedenstellt.«

»Ihr empfangt uns nicht zuvorkommend, Hetman der Saporogen, uns, die Gesandten des Königs.«

»Ich bin nicht gesonnen, im Frost zu unterhandeln, dafür gibt es eine andere Zeit,« entgegnete Chmielnizki barsch. »Laßt mich in Eurem Schlitten sitzen, Kisiel, denn ich will Euch die Ehre erweisen, mit Euch zusammen zu fahren.«

Indem er dies sagte, stieg er vom Pferde und näherte sich dem Schlitten. Kisiel aber rückte auf die rechte Seite, die linke für Chmielnizki freilassend.

Als dieser das sah, runzelte er die Stirn und schrie:

»Gebt mir die rechte Seite frei!«

»Ich bin ein Senator der Republik.«

»Was schert mich das! Herr Potozki ist der erste Senator und Krons-Hetman, und ich halte ihn trotzdem in Banden und lasse ihn, wenn ich will, schon morgen mit anderen auf den Pfahl ziehen.«

Die blassen Wangen Kisiels überzogen sich mit flammender Röte.

»Ich repräsentiere die Person des Königs!«

Chmielnizki blickte noch finsterer, aber er bezähmte sich und setzte sich zur linken Seite, indem er murmelte:

»Er kann König in Warschau sein, ich bin es in Reußen. Ich habe, wie ich sehe, euch noch nicht stark genug den Nacken gebeugt.«

Kisiel erwiderte nichts, erhob nur den Blick nach oben. Er hatte einen Vorgeschmack dessen, was seiner wartete, und mit Recht dachte er in diesem Augenblick, daß, wenn der Weg zu Chmielnizki ein Golgatha war, der Aufenthalt bei ihm das Martyrium selbst sei.

Die Pferde eilten der Stadt zu. Zwanzig Kanonenschüsse donnerten, alle Glocken läuteten. Chmielnizki sagte, als ob er verhüten wolle, daß die Kommissare diese Kundgebungen nicht etwa als eine ausschließlich ihnen erwiesene Ehre betrachten sollten, zum Wojewoden:

»So habe ich nicht nur euch, sondern auch andere Gesandte empfangen, die man zu mir schickte.«

Und Chmielnizki sprach die Wahrheit – man hatte tatsächlich schon Gesandtschaften zu ihm geschickt, wie zu einem regierenden Fürsten. Von Samoschtsch zurückkehrend, noch unter dem Eindruck der Königswahl und der Niederlagen durch das litauische Heer, hatte der Hetman nicht die Hälfte seines jetzigen Stolzes besessen; aber seit Kijew ihm mit Fackeln und Fahnen entgegengekommen war, seit die Akademie ihn mit den Worten begrüßt hatte: » tamquam Moisem, servatorem, salvatorem, liberatorem populi de servitute lechica et bono omine Bohan – von Gott gegeben,« – als man ihn zuletzt sogar » illustrissimus princeps« genannt hatte, da war nach den Worten seiner Zeitgenossen »die Bestie in ihm erwacht«. Er fühlte den Boden, der ihm bisher gefehlt hatte, unter seinen Füßen, und seine Kraft und sein Stolz wuchsen ins Unendliche.

Die ausländischen Botschaften waren eine stillschweigende Anerkennung nicht nur seiner Macht, sondern auch seiner Souveränität. Die treue Freundschaft der Tataren, die er mit der gemachten Beute und der Mehrzahl der unglücklichen Gefangenen erkaufte, die dieser Führer des Volkes aus dem Volke zu nehmen ihnen nicht wehrte, sicherte ihm ihre Unterstützung gegen jeden Feind. Deshalb war Chmielnizki, der noch bei Samoschtsch die königliche Oberhoheit und den Willen der Monarchen anerkannt hatte, gegenwärtig vom Stolz geblendet, so überzeugt von seiner Stärke, den Unordnungen in der Republik und der Unzulänglichkeit ihrer Führer, daß er jetzt bereit war, gegen den König selbst die Hand zu erheben. Schon träumte seine düstere Seele nicht allein mehr von der Unabhängigkeit der Kosaken, von der Rückgabe der früheren Privilegien Saporogiens und von Gerechtigkeit, sondern von einem souveränen Staate, von dem Fürstenhut und dem Zepter für sich.

Die Kommissare zogen mit gesenkten Köpfen in die Höhle des Löwen, und der letzte Hoffnungsfunken erlosch in ihnen.

Skrzetuski, der hinter der zweiten Schlittenreihe ritt, betrachtete eifrig die Gesichter der Hauptleute, welche mit Chmielnizki gekommen waren; er forschte, ob Bohun nicht unter ihnen sei, denn nach den fruchtlosen Forschungen am Dniestr bis hinter Jahorlik war längst in seiner Seele ein Entschluß gereift als der letzte, einzige Ausweg. Er wollte Bohun aufsuchen und ihn zum Kampfe auf Leben und Tod fordern. Der unglückliche Ritter wußte zwar, daß in diesem Glücksspiel Bohun ihn ohne Kampf töten oder ihn den Tataren ausliefern konnte, aber er dachte besser von ihm; er kannte seine Tapferkeit, seine Tollkühnheit und war fast gewiß, daß Bohun, vor die Wahl gestellt, den ehrlichen Kampf um die Prinzessin wählen würde. So legte er sich denn in seiner schmerzzerrissenen Seele den Plan zurecht, den Bohun durch einen Eid zu binden, daß er im Falle seines Todes Helene frei ließe. An sich selbst dachte Skrzetuski dabei gar nicht, und bei der Annahme, daß Bohun sagen könne: »wenn ich sterbe, so ist sie weder für mich noch für dich!« war er bereit, auch darauf einzugehen, und seinerseits darauf zu schwören, wenn er sie nur seinen Händen entriß. Möge sie für den Rest ihres Lebens in einem Kloster Ruhe suchen; er hoffte, dieselbe zunächst im Kriege zu finden, später, wenn er etwa nicht fallen sollte, wollte er ebenfalls den Frieden im Habit suchen, gerade so, wie alle leidenden Seelen in jenen Zeiten es taten. Herr Skrzetuski sah seinen Weg klar und deutlich, und da man ihm in Samoschtsch den Gedanken zu einem Kampf mit Bohun einmal an die Hand gegeben, da die Nachforschungen in den Dniestr-Schluchten erfolglos gewesen waren, schien ihm dieser Weg der einzige zu sein, den er zu gehen hatte. Zu diesem Zweck war er in einem Atem, ohne zu rasten, vom Dniestr zu den Kommissaren geeilt, in der Hoffnung, in der Umgebung Chmielnizkis oder in Kijew unfehlbar den Bohun zu finden. Er hoffte das um so mehr, da nach dem, was Sagloba in Jarmoliniez gesagt hatte, der Rottenführer zur Hochzeit bei dreihundert Fackeln nach Kijew reisen wollte. Jetzt suchte ihn Skrzetuski umsonst unter den Hauptleuten.

Der Zug war jetzt bis an die Tore der Stadt gekommen. Beide Seiten des Weges und die Straßen waren mit Gesindel und bewaffneten Kosaken angefüllt, die aus Rücksicht auf die Anwesenheit Chmielnizkis nicht fluchten und nicht mit Schnee warfen, die aber düster auf die Kommissare blickten, die Fäuste ballten und die Säbelgriffe festhielten.

Skrzetuski formierte seine Dragoner zu vieren, richtete den Kopf hoch auf und ritt stolz und ruhig durch die breite Straße, den drohenden Blicken der Menge auch nicht die geringste Aufmerksamkeit schenkend. Im stillen aber dachte er, wie vieler Kaltblütigkeit, Selbstverleugnung und christlicher Geduld er bedürfen würde, um das, was er vorhatte, auszuführen und nicht beim ersten Schritt schon unterzugehen in diesem Meer des Hasses.


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