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Herr Skrzetuski bewegte sich mit seinen Reitern in der Weise vorwärts, daß er tagsüber in Wäldern und Schluchten ausruhte, indem er dabei zahlreiche Wachen ausstellte, des Nachts aber weiterzog. Näherte er sich einem Dörfchen, so umringte er dasselbe gewöhnlich, so daß keine Seele heraus konnte; er nahm Lebensmittel und Futter für die Pferde; vor allem aber sammelte er Nachrichten über den Feind, worauf er weiter zog, ohne den Leuten etwas Böses zuzufügen. Nachdem er gegangen, wechselte er aber schnell den Weg, damit der Feind im Dorfe nicht etwa erfahren konnte, wohin er gezogen war. Der Zweck der Expedition war, zu erfahren, ob Krschywonos mit seinen vierzigtausend Mann Kamieniez noch belagere, oder ob er die fruchtlose Belagerung aufgegeben, dem Chmielnizki zu Hilfe gehe, um zusammen mit ihm zur entscheidenden Schlacht sich vorzubereiten, und ferner, was die Tataren aus der Dobrudscha taten, ob sie den Dniestr schon überschritten und sich mit Krschywonos vereint hatten, oder ob sie noch auf der anderen Seite des Flusses lagen.
Es waren das für das polnische Lager sehr wichtige Nachrichten, um welche sich eigentlich die Generalregimentarier selbst hätten bemühen müssen. Da ihnen, die unerfahrene Leute waren, das aber gar nicht in den Sinn kam, so nahm der Fürst-Wojewode von Reußen diese Last auf sich. Bestätigte es sich nämlich, daß Krschywonos mit den Bialogroder und Dobrudscher Horden die Belagerung des bisher noch unbesiegten Kamieniez aufgegeben und zu Chmielnizki stoßen wollte, so war es nötig, sobald wie möglich den letzteren anzugreifen, noch ehe er mit der Heeresmacht des ersteren sich vereinigte.
Inzwischen beeilte sich der Generalregimentarius, Fürst Dominik von Saslawski-Ostrog, gar nicht, und im Augenblick der Abreise Skrzetuskis erwartete man ihn erst in zwei bis drei Tagen im Lager.
Wahrscheinlich schmauste er nach seiner Gewohnheit unterwegs und ließ es sich wohl sein; unterdes verging die geeignete Zeit, die Macht Chmielnizkis zu brechen, und Fürst Jeremias verzweifelte bei dem Gedanken daran, denn, wenn der Krieg in dieser Weise weitergeführt wurde, so mußte nicht nur Krschywonos mit den Tatarenhorden des Dnieprlandes rechtzeitig bei Chmielnizki anlangen, sondern auch der Khan selbst mit allen seinen Kräften aus Perekop, Rohaj und dem Asowschen sich mit dem Saporogen-Hetman vereinigen.
Es liefen im Lager sogar schon Nachrichten um, daß der Khan bereits den Dniepr überschritten habe und mit zweitausend Pferden Tag und Nacht dem Westen zueile, aber Fürst Dominik kam und kam nicht.
Deshalb beschloß Skrzetuski, nicht nur Nachrichten über Krschywonos einzuziehen, sondern zu versuchen, ihn aufzuhalten.
Er verbreitete unter den eigenen Soldaten die Nachricht, daß sie nur als Vorhut der ganzen Division des furchtbaren Fürsten vorgingen, und dieselbe Nachricht verbreitete er überall, in allen Höfen, Dörfern und Städtchen, durch welche er seinen Weg nehmen mußte. Sie verbreitete sich mit Blitzesschnelle in Sbrutsch, Smotrytsch, Studschieniz, Uschka, Kaluschik, und eilte weiter, dem Laufe des Dniestr folgend, wie vom Winde getrieben, von Kamieniez bis nach Jahorlik. Sie wurde von den türkischen Paschas in Chozim, von den Saporogern in Jampol und den Tataren in Raschkow wiederholt. Und wieder erscholl der bekannte Ruf »Jarema kommt!«, welcher die Herzen des aufständischen Volkes, das vor Entsetzen zitterte und sich weder bei Tag noch bei Nacht sicher fühlte, stocken machte.
Und niemand zweifelte an der Wahrheit des Gerüchtes, die Generalregimentarier würden Chmielnizki angreifen, und Jarema den Krschywonos; das war selbstverständlich. Der letztere selbst glaubte daran und ließ mutlos die Hände sinken. Was sollte er tun? Dem Fürsten entgegengehen? Bei Konstantinow waren die Kräfte größer, und ein anderer Geist herrschte im Volke, und dennoch waren sie geschlagen worden; in viele Teile zersprengt, waren sie kaum mit dem Leben entkommen. Krschywonos hatte die Überzeugung, daß seine Kriegsknechte sich wie toll mit jedem anderen Heere der Republik unter einem anderen Führer schlagen, daß sie aber bei der Annäherung Jaremas alle auseinander stieben würden, wie eine Schar Schwäne vor dem Adler, wie der Steppenflaum vor dem Winde. Den Fürsten bei Kamieniez zu erwarten, war fast noch schlimmer. Krschywonos beschloß sich nach Osten zu wenden bis weit hin nach Brazlaw zu, seinen bösen Geist zu umgehen und den Chmielnizki zu erreichen zu suchen. Es war gewiß, daß er auf diesem Umwege nicht zur rechten Zeit bei jenem ankam, aber wenigstens konnte er rechtzeitig das Resultat erfahren und an die eigene Rettung denken.
Indes trug ihm der Wind eine neue Kunde zu, und zwar die, daß Chmielnizki schon geschlagen sei; Skrzetuski hatte sie gleich der ersten verbreitet. Nun wußte der unglückselige Krieger im ersten Augenblick gar nicht, was er tun sollte.
Darauf beschloß er um so fester, nach Osten zu ziehen und in der Steppe so weit als möglich vorzudringen – vielleicht stieß er auf Tataren und konnte bei ihnen Schutz suchen. Vor allen Dingen aber wollte er sich Gewißheit verschaffen, und so sann er eifrig nach, ob unter seinen Hauptleuten wohl einer zu finden sei, der zuverlässig und unerschrocken genug wäre, um ihn mit einer Streifpatrouille nach einem Kundschafter suchen zu lassen. Die Wahl war schwer; es fehlte an solchen, die Lust dazu gehabt hätten, und zu dieser Mission bedurfte man eines Mannes, der für den Fall, daß er in Feindeshände fiel, sich weder durch Feuerqual, noch durch das Pfählen, noch durch das Rad zu einer Aussage über die Fluchtpläne des Krschywonos zwingen ließ.
Endlich fand Krschywonos einen.
Eines Nachts schickte er nach Bohun und sagte zu ihm:
»Höre, Jurek, mein Freund! Jarema zieht mit großer Kriegsmacht gegen uns – wir Unglückliche sind verloren.«
»Ich habe auch davon gehört, daß er kommt. Wir beide, Brüderchen, haben ja schon davon gesprochen – aber weshalb sollen wir verloren sein?«
»Wir bezwingen ihn nicht. Einen anderen wohl, aber nicht den Jarema. Die Kriegsknechte fürchten sich vor ihm.«
»So gehen wir zu Chmiel, dort erringen wir Blut und Leute.«
»Man sagt, daß Chmiel von den Generalregimentariern schon geschlagen sei.«
»Das glaube ich nicht, Vater Maxim. Chmiel ist ein Fuchs, ohne die Tataren greift er die Lechen nicht an.«
»Das denke ich auch, aber man muß Gewißheit haben! Wenn jemand, der keine Furcht vor Jarema hat, mit einer Streifpatrouille vorginge und einen Kundschafter zu bekommen suchte, dem würde ich eine Mütze voll roter Goldgulden schenken.«
»Ich werde gehen, Vater Maxim, nicht, um rotes Gold zu gewinnen, sondern Kosaken- und Soldatenruhm zu suchen!«
»Und wieviel Begleitung soll ich dir mitgeben?«
»Ich werde nicht viele nehmen, mit einer kleinen Schar ist es leichter, sich zu verbergen und heranzuschleichen – aber fünfhundert tüchtige Jungens gebt mir, und ich stehe mit meinem Kopfe dafür ein, daß ich Euch Kundschafter bringe.«
»Reite sofort. In Kamieniez schießt man schon mit Kanonen vor Freude, den Lechen zum Willkommen und uns Unschuldigen zum Verderben.«
Bohun ging und sprang bald darauf aufs Pferd und ritt fort, ihm folgten seine treuen Krieger in das nächtliche Dunkel.
Unterdessen war Skrzetuski schon bis Jarmolin vorgedrungen; dort war er auf Widerstand gestoßen, hatte den Einwohnern eine Bluttaufe bereitet, und nachdem er ihnen angekündigt, daß am morgigen Tage der Fürst Jeremias nachkomme, ließ er den müden Soldaten und Pferden Ruhe.
Hierauf versammelte er die Gefährten zu einer Beratung und sagte ihnen:
»Bis hierher hat uns Gott glücklich geführt. Ich merke auch an der Angst, welche das Bauernvolk befällt, daß sie uns allesamt für die Vorhut des Fürsten halten und glauben, daß die ganze Heeresmacht uns nachkommt. Aber wir müssen uns vorsehen, daß nicht nur ein und derselbe Haufe überall umherzieht. Deshalb müssen wir eine größere Fläche Land einnehmen, damit an mehreren Orten zugleich von uns gehört wird, damit wir hier und da die Widersetzlichen niederhauen, damit wir Schrecken verbreiten und überall dieselben Gerüchte ausstreuen; deshalb meine ich, daß wir uns teilen müssen.«
»Dieser Meinung bin auch ich,« sagte Wolodyjowski, »wir wollen uns vor ihren Augen vermehren.«
»Herr Obrist, Ihr seid unser Führer, Ihr habt zu befehlen,« sagte Longinus.
»Ich werde also über Zinkow nach Soladkowce gehen, und, wenn es sich tun läßt, noch weiter,« sagte Skrzetuski. »Ihr, Herr Statthalter Longinus, geht geradeaus in die Niederung auf Tatarschysk; du, Michael, reite bis nach Kupin, und Herr Sagloba wird bis Sbrutsch bei Satanowo vordringen.«
»Ich?« sagte Herr Sagloba.
»So ist es. Ihr seid ein erfinderischer Mensch und voll von guten Einfällen; ich dachte, Ihr würdet Euch gern diesem Auftrage unterziehen, aber wenn das nicht der Fall ist, so wird die vierte Abteilung der Wachtmeister Kosmatsch nehmen.«
»Er wird sie nehmen, aber unter meinem Kommando!« rief Sagloba, welchen plötzlich der Gedanke verklärte, daß er der Führer einer besonderen Abteilung sein würde. »Wenn ich fragte, warum, so tat ich das nur, weil es mir leid tut, mich von Euch zu trennen.«
»Habt Ihr aber auch Erfahrung in militärischen Dingen?« fragte Wolodyjowski.
»Ob ich Erfahrung habe? Es hatte noch kein Storch daran gedacht, Euch dem Vater und der Mutter zu bringen als Geschenk, als ich schon größere Streifpatrouillen als diese hier führte.«
»So reitet, Herr, und streut überall die Nachricht aus, daß Chmielnizki geschlagen ist und der Fürst schon Ploskirow passiert hat,« sagte Skrzetuski. »Nehmt nicht den ersten besten Kundschafter, aber wenn Ihr auf Streifpatrouillen von Kamieniez her stoßt, so bemüht Euch, solche Leute zu fangen, die über Krschywonos berichten können, denn diejenigen, welche wir bis jetzt haben, machen widerstreitende Aussagen.«
»Könnte ich doch dem Krschywonos selbst begegnen« – rief Sagloba – »daß ihm doch die Lust zum Patrouillieren käme, ich würde ihm Pfeffer mit Ingwer eingeben! Fürchtet nichts, ihr Herren, ich werde diese Vagabunden singen – bah! sogar tanzen lehren!«
»In drei Tagen treffen wir wieder in Jarmolin zusammen, und jetzt gehe jeder seines Weges,« sagte Skrzetuski. »Und ich bitte, die Leute zu schonen, meine Herren.«
»In drei Tagen in Jarmolin!« wiederholten Sagloba, Wolodyjowski und Longinus.