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4. Kapitel

»Schon einmal hat Gott ein offenbares Wunder an ihr gezeigt,« sagte Herr Sagloba zu Wolodyjowski und Longinus im Quartiere Skrzetuskis, »ein offenbares Wunder sage ich, da er mir geholfen hat, sie diesen hündischen Händen zu entreißen und sie den ganzen Weg über zu beschützen – vertrauen wir, daß er sich noch einmal über uns und über sie erbarmt. Wenn sie nur am Leben blieb. Und ein Etwas flüstert mir zu, daß er sie wieder geraubt hat. Denn bedenkt, ihr Herren, er ist doch, wie die Kundschafter erzählten, nach Pulian bei dem Krschywonos der zweite Befehlshaber geworden – möchten ihn doch die Teufel ausweiden! – Also muß er bei der Einnahme von Bar gewesen sein.«

»Vielleicht hat er sie in der Menge der Unglücklichen nicht gefunden; es sind dort an zwanzigtausend Mannschaften erschlagen worden,« sagte Herr Wolodyjowski.

»Da kennt Ihr ihn schlecht. Und ich wollte schwören, daß er wußte, sie sei in Bar. Es kann also nicht anders sein, er hat sie aus dem Gemetzel gerettet und sie irgendwohin gebracht.«

»Ihr gebt uns da gar keine tröstliche Hoffnung, denn an Stelle des Herrn Skrzetuski wäre es mir lieber, sie wäre tot, als daß sie in diesen unreinen Händen bleiben sollte.«

»Auch das ist kein Trost, denn ist sie tot, so ist sie auch geschändet.«

»Es ist zum Verzweifeln!« sagte Wolodyjowski.

»O, zum Verzweifeln!« wiederholte Longinus.

Darauf sprach Sagloba:

»Wir dürfen die Arme nicht so verlassen, ohne das Geringste zu ihrer Hilfe zu unternehmen. Ich habe die alten Knochen schon genug in der Welt herumgeschleppt, für mich wäre es besser, wenn ich irgendwo in einer Bäckerei zum Erwärmen mich hinstrecken könnte, aber für diese Ärmste würde ich noch weit gehen, sei es selbst bis Stambul, und sollte ich aufs neue den Bauernkittel und die Laute umlegen, die Laute, welche ich nicht mehr ohne Abscheu sehen kann.«

»Ihr seid so erfinderisch, Herr, denkt über ein Hilfsmittel nach,« sagte Longinus.

»Es ist mir schon vieles durch den Sinn gegangen.«

»Wolodyjowski rückte ungeduldig hin und her und fragte:

»Welcher Art sind denn nun Eure Hilfsmittel?«

»Meine Hilfsmittel? Also zuerst müssen wir zu erfahren suchen, ob sie, die Arme, Allerliebste – die heiligen Engel mögen sie vor allem Bösen bewahren! – noch am Leben ist, und das können wir auf zweierlei Art: entweder finden wir unter den Kosaken treue und sichere Leute, welches unternehmen wollen, scheinbar zu den Kosaken überzugehen, sich unter Bohuns Leute zu mengen und von ihnen etwas zu erfahren suchen.«

»Ich habe reußische Dragoner!« unterbrach Herr Wolodyjowski, »unter ihnen finde ich solche Leute.«

»Wartet nur! ... oder wir fangen Kundschafter von den Halunken, welche Bar genommen haben, und fragen, ob sie nichts wissen. Sie alle sehen zu Bohun auf wie zu einem Regenbogen, so sehr gefällt ihnen sein Rittersinn; sie singen Lieder von ihm – daß ihre Kehlen verrosten möchten – und einer erzählt dem anderen, was er gemacht oder nicht gemacht hat. Hat er unser armes Kind gefangen, so ist es ihnen nicht verborgen geblieben.«

In diesem Augenblicke wurde die Tür geöffnet, und Skrzetuski trat herein. Der Schmerz schien sein Gesicht versteinert zu haben, eine solche Ruhe und Kühle wehte aus ihm. Dieses junge, so ernste und strenge Gesicht bot einen seltsamen Anblick; niemals schien ein Lächeln dasselbe zu erhellen, und der Tod selbst hätte in ihm nicht viel zu verändern gehabt. Der Bart war ihm lang, bis zur Hälfte der Brust gewachsen, seine rabenschwarzen Haare waren hier und da von Silberfäden durchzogen. Die Gefährten und Freunde errieten mehr den Schmerz in ihm, als daß er ihn merken ließ. Sonst war er geistesgegenwärtig, anscheinend ruhig und in seinem Soldatendienst fast noch eifriger als früher und ganz mit dem bevorstehenden Kriege beschäftigt.

»Wir sprechen eben hier von Eurem Unglück, gnädiger Herr, welches auch das unsrige ist,« sagte Sagloba, »da – Gott ist unser Zeuge – nichts uns zu trösten vermag. Aber es wäre eine unfruchtbare Empfindelei, wenn wir Euch nur helfen wollten, Tränen zu vergießen, deshalb haben wir beschlossen, auch unser Blut fließen zu lassen, um die Ärmste, wenn sie noch auf Erden wandelt, aus der Gefangenschaft zu retten.«

»Gott lohne es euch,« sagte Skrzetuski.

»Wir wollen mit Euch gehen, und sei es bis in das Lager Chmielnizkis,« sagte Wolodyjowski, unruhevoll den Freund anblickend.

»Gott vergelte es!« wiederholte Skrzetuski.

»Wir wissen,« sprach Sagloba, »daß Ihr Euch zugeschworen habt, sie tot oder lebendig zu finden, somit sind wir bereit, und wäre es heute ...«

Skrzetuski hatte sich auf die Bank gesetzt, die Augen zu Boden gesenkt und antwortete nichts – Sagloba war ganz erzürnt darüber.

In der Stube herrschte Stillschweigen, nur unterbrochen durch die Seufzer des Herrn Longinus.

Wolodyjowski näherte sich Skrzetuski und schüttelte ihn an der Schulter: »Woher kommst du?« sagte er.

»Vom Fürsten.«

»Und was gibt es?«

»Ich gehe während der Nacht auf einen Streifzug.«

»Weit?«

»Bis vor Jarmolin, wenn der Weg frei ist.«

Wolodyjowski blickte hinüber zu Sagloba, sie verstanden sich sofort.

»Das geht nach Bar zu!« brummte Sagloba.

»Wir gehen mit dir. Du mußt um Urlaub nachsuchen und fragen, ob der Fürst dir keine andere Arbeit bestimmt hat.«

»So gehen wir zusammen. Ich habe noch etwas anderes zu fragen.«

»Und wir mit Euch!« sagte Sagloba.

Sie standen auf und gingen. Das Quartier des Fürsten lag ziemlich weit entfernt, am anderen Ende des Lagers. Herr Wolodyjowski mußte lange warten, ehe er mit Longinus vor dem Angesicht des Fürsten erscheinen durfte, aber dafür erlaubte derselbe sogleich, daß sie selbst reisen und auch einige ruthenische Dragoner ausschicken durften, die vorgeblich aus dem Lager fliehen, zu Bohuns Kosaken übergehen und diese über die Prinzessin aushorchen sollten. Zu Wolodyjowski sagte er:

»Ich ersinne für Skrzetuski immer neue Funktionen, denn ich sehe, daß er den Schmerz in sich verschließt, und daß dieser ihn aufzehrt. Er tut mir unaussprechlich leid. Hat er Euch nichts über sie gesagt?«

»Sehr wenig. Im ersten Augenblick fuhr er auf, um blindlings unter die Kosaken zu gehen, aber er erinnerte sich, daß die Fahnen in Kriegsbereitschaft stehen, und daß wir im Dienste des Vaterlandes sind, welches vor allem gerettet werden muß, und deshalb war er bei Eurer Fürstlichen Gnaden gar nicht. Gott allein weiß, was in ihm vorgeht.«

»Er wird auch schwer heimgesucht. Wache über ihm, denn ich sehe, du bist ihm ein treuer Freund.«

Herr Wolodyjowski verbeugte sich tief und ging hinaus, denn in diesem Augenblick trat in das Zimmer des Fürsten der Wojewode von Kijew mit dem Herrn Starosten von Stobnic, mit dem Herrn Dönhoff, dem Starosten von Sokol und anderen Reichswürdenträgern.

»Wie steht es?« fragte ihn Herr Skrzetuski.

»Ich gehe mit dir, muß nur zuvor noch zu meiner Fahne, denn ich soll mehrere Leute irgendwohin schicken.«

»Gehen wir zusammen.«

Sie gingen, mit ihnen Longinus, Sagloba und der alte Sazwilichowski, welcher auch zu seiner Fahne ging. Nicht weit von den Zelten der Dragoner-Fahne Wolodyjowskis trafen sie den Herrn Lasrer, welcher an der Spitze einiger Adligen mehr schwankte als ging, da er, wie seine Gefährten, vollständig betrunken war. Bei diesem Anblick seufzte Herr Sagloba. Die beiden hatten sich nämlich bei Konstantinow liebgewonnen, weil sie, er und der Herr Kronenwächter, in einer gewissen Beziehung ganz gleiche Naturen hatten, so gleich, wie zwei Tropfen Wasser. Herr Lasrer war nämlich, abgesehen davon, daß er ein furchterregender, den Heiden gefährlicher Ritter war, wie es selten einen gab, dennoch ein berüchtigter Schlemmer, Schwelger und Würfelspieler, der die freie Zeit zwischen Schlachten, Gebet, Fehden und Totschlägereien über alles gern im Kreise solcher Menschen, wie Sagloba einer war, zu vertreiben liebte, auf Tod und Leben trinkend und schlechten Späßen lauschend. Er war ein Streithahn ersten Ranges, der ganz allein so viel Unfrieden stiftete, so oft gegen das Gesetz sich verging, daß er in jedem anderen Reiche längst um seinen Kopf gekommen wäre. Es lastete auf ihm auch manche Verurteilung, aber er machte sich schon in Friedenszeiten nicht viel daraus, und jetzt, während des Krieges, geriet vollends alles in Vergessenheit. Mit dem Fürsten hatte er sich schon bei Roslowze vereinigt und ihm bei Konstantinow nicht geringe Dienste geleistet, aber vom Augenblick der Ruhe in Sbarasch an wurde er immer unerträglicher durch den Lärm, den er oft hervorrief. Nebenbei gesagt, wäre wohl niemand imstande gewesen, zu zählen oder niederzuschreiben, wieviel Wein Sagloba bei ihm getrunken, wieviel er mit ihm geplaudert und ihm erzählt hatte, zur großen Freude des Wirtes, der ihn täglich einlud.

Aber seit der Nachricht von der Einnahme Bars war Sagloba ernst geworden, er hatte den Humor, die Lebendigkeit verloren und den Herrn Kronenwächter nicht mehr besucht. Herr Lasrer hatte sogar geglaubt, daß dieser joviale Edelmann irgendwohin vom Heere fortgegangen sei. Als er ihn jetzt plötzlich vor sich sah, streckte er ihm sogleich beide Hände entgegen und sagte:

»Seid mir gegrüßt, Herr! Weshalb kommt Ihr nicht mehr zu mir? Was treibt Ihr?«

»Ich leiste dem Herrn Skrzetuski Gesellschaft,« entgegnete der Edelmann melancholisch.

Der Herr Kronenwächter mochte Herrn Skrzetuski nicht leiden, weil er so ernst war, und nannte ihn einen Gelehrten. Er kannte sein Unglück genau, denn er war bei jenem Gastmahl in Sbarasch gegenwärtig, als die Nachricht von der Einnahme Bars gebracht wurde. Den Hauptmann an einem Knopf des Oberrockes fassend, fragte er ihn:

»Ihr weint also um Euer Mädchen? War sie schön? Wie?«

»Laßt mich, gnädiger Herr!« sagte Skrzetuski.

»Warte,« fuhr der Herr Kronenwächter fort.

»Im Dienste tätig, kann ich den Befehlen Ew. Gnaden nicht gehorchen,« entgegnete der Hauptmann.

»Warte,« sagte Lasrer mit dem Eigensinn eines Betrunkenen. »Dir kommt der Dienst zu, nicht mir. Mir hat niemand etwas zu befehlen.«

Darauf wiederholte er mit gesenkter Stimme die Frage:

»War sie schön? Wie?«

Der Hauptmann runzelte die Brauen.

»So muß ich dem gnädigen Herrn sagen, daß es besser wäre, die wunde Stelle nicht zu berühren.«

»Nicht zu berühren? Fürchte nichts. Wenn sie hübsch war, so lebt sie.«

Das Gesicht Skrzetuskis überzog Totenblässe, aber er bezwang sich und sagte:

»Gnädiger Herr ... daß ich nicht vergesse, mit wem ich spreche ...«

Lasrer machte große Augen.

»Was soll das heißen? Ihr droht mir? Ihr mir? ... Wegen einer Dirne?«

»Geht Eures Weges, Herr Kronenwächter,« donnerte der alte Sazwilichowski, vor Zorn bebend.

»Ihr Kreaturen, ihr Grauröcke, Bedientenpack!« schrie der Kronenwächter.

»Ihr Herren, zieht die Säbel!«

Und indem er den seinen zog, sprang er auf Skrzetuski los; aber in diesem Augenblick sauste es von der Hand Skrzetuskis hernieder, und der Säbel des Kronenwächters flatterte wie ein Vogel in der Luft, er selbst hatte von dem Stoß das Gleichgewicht verloren und fiel, so lang er war, zu Boden.

Skrzetuski tat nichts weiter; er stand da, bleich wie ein Toter, als wäre er ernüchtert, unterdes entstand ein Tumult. Von einer Seite kamen die Soldaten des Kronenwächters herbei, von der anderen flogen die Dragoner Wolodyjowskis wie ein Schwarm Bienen aus der Klotzbeute hervor. Es wurden Rufe laut: »Schlag zu! Schlag zu!«

Viele von denen, die herbeieilten, wußten gar nicht, worum es sich handelte. Die Säbel klirrten, jeden Augenblick konnte sich der Tumult in eine allgemeine Schlacht verwandeln. Glücklicherweise hatten die Begleiter Lasrers bemerkt, daß immer mehr von Wischniowiezkis Soldaten herbeikamen; aus Furcht waren sie bereits nüchtern geworden, erfaßten den Herrn Kronenwächter und flohen mit ihm. Sicher wäre der Herr Kronenwächter, wenn er es mit weniger folgsamem Militär zu tun gehabt hätte, in kleine Stücke gehauen worden, aber der alte Sazwilichowski brauchte nur »Halt« zu rufen, und die Säbel verschwanden in die Scheiden.

Nichtsdestoweniger hallte das ganze Lager von dem Tumult wider, und das Echo desselben drang bereits bis zu den Ohren des Fürsten, als Herr Kuschel, welcher sich gerade im Dienste befand, in die Stube stürmte, in der der Fürst mit dem Wojewoden von Kijew, dem Starosten von Stobnic und dem Herrn Dönhoff Rat hielt, und rief: »Fürstliche Durchlaucht, die Soldaten schlagen sich mit Säbeln!«

In demselben Augenblick platzte der Herr Kronenwächter, blaß und fast sinnlos vor Wut, wie eine Bombe herein.

»Durchlaucht, Gerechtigkeit!« rief er. »In diesem Lager geht es zu wie bei Chmielnizki, es wird weder auf das Blut noch auf die Würde Rücksicht genommen. Würdenträger der Krone werden mit Säbeln geschlagen! Wenn Ew. Durchlaucht nicht Gerechtigkeit üben wollen, und die Schuldigen nicht zum Strange verurteilt werden, so muß ich selbst mir dazu verhelfen.«

Der Fürst sprang von seinem Sitz hinter dem Tische auf.

»Was ist geschehen? Wer hat den gnädigen Herrn angefallen?«

»Euer Offizier – Skrzetuski.«

Die größte Verwunderung malte sich auf dem Gesicht des Fürsten.

»Skrzetuski?«

Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und herein trat Sazwilichowski.

»Fürstliche Durchlaucht, ich war Zeuge,« sagte er.

»Ich kam nicht hierher, Rechenschaft zu geben, sondern Strafe zu fordern!« rief Lasrer.

Der Fürst wandte sich ihm zu und blickte ihn fest an.

»Langsam! Langsam!« sagte er leise und mit Nachdruck.

Es lag etwas so Schreckliches in seinen Augen und in der gedämpften Stimme, daß der Kronenwächter, obgleich seiner großen Frechheit wegen berühmt, plötzlich schwieg, als hätte er die Sprache verloren, und die Herren erbleichten.

»Sprecht!« sagte der Fürst zu Sazwilichowski.

Sazwilichowski erzählte die ganze Geschichte, wie der Herr Kronenwächter auf eine nicht nur eines Würdenträgers, sondern auch eines Edelmannes unwürdige Weise die Trauer des Herrn Skrzetuski verspottet und sich dann mit dem Säbel auf ihn geworfen hatte; welche große, bei seiner Tugend ungewöhnliche Mäßigung der Statthalter an den Tag gelegt, da er sich nur damit begnügt hatte, das Schwert aus des Gegners Hand zu schlagen – schließlich endete der Greis folgendermaßen:

»Da Euer Durchlaucht bekannt ist, daß bis zu meinem siebzigsten Jahre keine Lüge meine Lippen befleckt hat, und, solange ich lebe, nicht beflecken soll, so kann ich bei meinem Eide kein einziges Wort an meiner Aussage ändern.«

Der Fürst wußte, daß das Wort Sazwilichowskis dem Golde an Wert gleichkam, er kannte auch Herrn Lasrer nur zu gut. Aber er antwortete nicht gleich, er nahm eine Feder und fing an zu schreiben.

Nachdem er geendet, sah er den Herrn Kronenwächter an.

»Euch soll Gerechtigkeit widerfahren, gnädiger Herr!« sagte er.

Der Herr Kronenwächter wollte etwas sagen, aber es schien, als fehlten ihm die Worte, er stemmte nur die Hände in die Seiten, verbeugte sich und ging stolz aus der Stube.

»Selinski,« sagte der Fürst, »du gibst dieses Schreiben dem Herrn Skrzetuski.«

Herr Wolodyjowski, welcher nicht von der Seite des Statthalters gewichen, war etwas bekümmert, als er den Burschen des Fürsten hereintreten sah; er war gewiß, daß sie sich sogleich dem Fürsten stellen müßten. Statt dessen ließ der Knabe den Brief zurück und ging, ohne ein Wort zu sagen, hinaus. Skrzetuski reichte ihn, nachdem er ihn gelesen, dem Freunde.

»Lies,« sagte er.

Herr Wolodyjowski blickte hin und rief aus:

»Die Ernennung zum Obristen!«

Und Skrzetuski um den Hals fassend, küßte er ihn auf beide Wangen.

Die volle Obristenwürde in einer Husarenfahne war eine hohe Reichswürde. Derjenigen, in welcher Herr Skrzetuski diente, stand der Fürst selbst als Rittmeister vor, und nomineller Obrist war Herr Sufftschynski aus Sientschy, ein schon alter und längst aus dem aktiven Dienst ausgetretener Mann. Skrzetuski erfüllte tatsächlich seit langem die Pflichten des einen wie des anderen, was übrigens in anderen Fahnen, wo die beiden ersten Rangstufen zuweilen nur Titulatur- oder Ehrenstellen waren, des öfteren vorkam. Ein solcher diensttuender Leutnant, vielmehr Obrist, war Skrzetuski. Aber zwischen der faktischen Ausübung des Amtes, zwischen der Würde im nebensächlichen Sinne und der wirklichen, war doch ein großer Unterschied. Gegenwärtig war Herr Skrzetuski durch seine Ernennung zu einem der ersten Offiziere des Fürst-Wojewoden von Reußen geworden.

Aber während die Freunde vor Freude jauchzten, ihm zu der neuen Auszeichnung Glück wünschten, veränderten sich die Züge Herrn Skrzetuskis auch nicht einen Augenblick; das Gesicht behielt denselben versteinten, strengen Ausdruck, denn es gab keine Würde und Ehrenstelle mehr in der Welt, die dasselbe aufzuheitern vermocht hatten.

Er stand jedoch auf, um zum Fürsten zu gehen und zu danken.

Nach einiger Zeit kehrte der Obrist Skrzetuski zurück. »Mein Herr,« sagte er zu Herrn Longinus, »der Fürst hat Euch zum Statthalter ernannt.«

»O Gott, o Gott!« stöhnte Herr Longinus, die Hände wie zum Gebet faltend.

»Der Fürst hätte ebensogut die livländische Stute Podbipientas dazu ernennen können!« brummte Sagloba.

»Nun, und der Streifzug? Wie steht es damit?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Wir reiten unverzüglich,« antwortete Skrzetuski.

»Wieviel Leute hat der Fürst mitzunehmen befohlen?«

»Eine Kosaken- und eine Walachenfahne, zusammen fünfhundert Mann.«

»Ha! Das ist ja ein Kriegszug, kein Streifzug, aber wenn es so ist, so ist es Zeit, daß wir aufbrechen.«

»Zum Aufbruch, zum Aufbruch!« wiederholte Sagloba. »Vielleicht steht uns Gott doch bei, daß wir irgend eine Nachricht erhalten.«

Zwei Stunden später, mit dem Sonnenuntergang, ritten die vier Freunde vom Tschothaner Stein fort, dem Süden zu. Fast zu derselben Zeit verließ der Herr Kronenwächter samt seinen Leuten das Lager. Diesem Abmarsch sahen eine Menge Ritter aus den verschiedenen Fahnen unter Geschrei und Verhöhnungen zu. Die Offiziere bildeten einen Kreis um Herrn Kuschel, welcher ihnen erzählte, aus welchem Grunde der Herr Kronenwächter hinausgetrieben wurde, und wie das gekommen war.

»Ich brachte ihm den Befehl des Fürsten,« sagte Herr Kuschel, »und glaubt mir, geehrte Herren, es war eine bedenkliche Mission, denn als er ihn gelesen hatte, fing er an zu brüllen wie ein Ochs, wenn er mit dem Eisen gezeichnet wird.«

»Gut, gut! Ich werde gehen, wenn man mich fortjagt! Zum Fürsten Dominik werde ich gehen, welcher mich freundlicher aufnehmen wird! Ich werde nicht (sprach er) mit Bettlern zusammen dienen, aber ich werde mich rächen (schrie er), so wahr ich Lasrer bin! So wahr ich Lasrer bin! – Und für diese Kreatur muß ich Satisfikation bekommen!!«

»Ich glaubte, der Zorn würde ihn ersticken; er schlug aus Wut ein um das andere Mal mit dem Streitkolben auf den Tisch, daß er zersplitterte. Und ich muß euch sagen, geehrte Herren, ich bin nicht sicher, ob dem Herrn Skrzetuski nichts Böses geschieht, denn mit dem Kronenwächter ist nicht zu spaßen. Er ist ein erbitterter und stolzer Mann, der noch keine Beleidigung ungestraft ließ.«

Unterdes hatte sich der Obrist, von den Anschlägen, welche der Kronenwächter gegen ihn machte, nichts ahnend, an der Spitze seiner Abteilung immer mehr vom Lager entfernt in der Richtung nach Orschygowze, nach Böhu und Medwedowska zu. Obgleich der September alle Blätter auf den Bäumen gelb gefärbt hatte, war die Nacht hell und warm, wie im Juli, denn so war nun einmal dieses ganze Jahr, welches fast gar keinen Winter gehabt hatte. Im Frühjahr war alles schon zu einer Zeit erblüht, wo in anderen Jahren noch tiefer Schnee in den Steppen lag. Nach einem sehr nassen Sommer waren die ersten Herbstmonate trocken und milde, mit blassen Tagen und hellen Nächten. Sie ritten also auf gutem Wege nicht besonders vorsichtig, da sie noch zu nahe dem Lager waren, um einen Überfall befürchten zu müssen, – sie ritten schnell, der Statthalter mit mehreren Pferden voraus, hinter ihm Wolodyjowski, Sagloba und Longinus.


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