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Probleme

Staatsmann und Feldherr

Cromwell, Friedrich, Napoleon – wenn das Geschick in einer Person den Staatsmann und den Feldherrn vereint, erübrigt sich eine Untersuchung über das Verhältnis beider zu einander. Da diese glückliche Einheit selten gewesen ist und sein wird, da die Beziehungen beider Kräfte aber in der Schicksalsstunde eines Volkes von entscheidender Bedeutung gewesen sind und wieder sein werden, so lohnt es die Mühe, sich über die beiden ineinander greifenden Wirkungskreise klar zu werden.

Klären wir zunächst die Begriffe. Unter »Staatsmann« ist in den nachfolgenden Darlegungen die politische Leitung eines Staates verstanden, wobei es gleichgültig ist, ob diese durch einen absoluten oder konstitutionell eingeschränkten Monarchen, einen Diktator, einen Präsidenten oder durch eine mehr oder weniger anonyme Regierung, ein Kabinett dargestellt wird. Wesentlich ist nur, daß an dieser Stelle alle Fäden des Staatslebens zusammen- und von ihr auslaufen, daß sie für ihre Ziele, für die »Staatskunst«, über alle »Ressorts« gebietet, so über die Finanzen, den Außendienst und – die Wehrmacht. Wenn ich vom »Feldherrn« spreche, so meine ich damit den sachkundigen Organisator, Ausbilder und Führer des Heeres im Frieden und im Krieg.

Wenden wir uns zunächst den Friedensverhältnissen zu. Der Staatsmann wird sich die Frage vorlegen, was er will und was er kann. Die Beantwortung der ersten liegt auf rein politischem Gebiet und fällt ihm allein zu. Für die Lösung der zweiten wird er neben den politischen Rücksichten die militärischen in seine Rechnung einstellen müssen. Die Schaffung und Erhaltung der Wehrmacht ist keine Frage, die allein militärischer Beurteilung und Entscheidung unterliegt. Niemand hat für die Entwicklung des preußischen Heeres mehr getan als der »Staatsmann« Bismarck, weil er dieses Heer für seine politischen Ziele gebrauchte. Seine Zusammenarbeit mit Roon kann wohl vorbildlich genannt werden. Die militärischen Organisationsfragen im großen sind politischer Natur, so die Entscheidung zwischen allgemeiner Dienstpflicht und Söldnersystem. Die Länge der Dienstzeit bei der ersteren ist meist ein Kompromiß zwischen politischen und militärischen Wünschen. Entscheidend spricht die Finanzfrage mit und neben ihr das Außenressort, das in eigenen Rüstungen Förderung oder Schädigung der von ihm verfolgten Interessen sehen kann. Wettrüsten und Rüstungsbeschränkungen sind beide politische Fragen trotz ihrer militärischen Form. Man kann es dem Soldaten nicht verübeln, wenn er für die von ihm verantwortlich vertretenen Interessen hohe Forderungen stellt. Sie im Rahmen der allgemeinen Politik zu halten, ist Sache des Staatsmannes. Ist Deutschlands Flottenrüstung vor dem Krieg ein Grund für Englands Haltung gewesen, so fällt die Verantwortung dafür nicht dem Marineressort, sondern der für die Gesamtpolitik verantwortlichen Stelle zu. Von keinem Soldaten wird man verlangen können, daß er ein begeisterter Freund der Abrüstung ist; aber er wird sich mit ihr abfinden und in sie hineinfinden, wenn die Politik es erheischt, wenn der Staatsmann ihn zwingt. Gegensätze zwischen Außenressort und Heeresvertretung sind häufig und nicht auf Deutschland beschränkt gewesen. Sie auszugleichen ist Aufgabe des Staatsmannes. Dem Wesen ihrer Aufgaben nach sind beide Ressorts auf enge, dauernde und vertrauensvolle Zusammenarbeit angewiesen. So lange der ewige Friede nicht garantiert ist, wird die Außenpolitik die militärischen Kräfte, die eigenen und die fremden, in ihre Berechnungen einstellen müssen. Noch immer hängt die Geltung eines Staates in der Welt nicht zuletzt von seinem militärischen Können ab. Mag die Politik eines Landes auch noch so friedliche Ziele verfolgen, so sollte man doch annehmen, daß es für ihren Leiter nur erwünscht sein kann, wenn er bei der Durchführung seiner Pläne als letztes Mittel auf ein starkes Heer blickt. Mit von dessen Stärke wird es abhängen, wie weit er in seinen Forderungen gehen kann, was er sich von den anderen gefallen lassen muß. Der Staatsmann richtet an den Feldherrn die Frage: was kannst du? was können die andern? Und der Feldherr stellt die Gegenfrage: was willst du? was wollen die anderen? Aus diesem Gedankenaustausch ergibt sich für den Staatsmann die Erkenntnis, wie stark er den militärischen Stein in seinem Spiel bewerten kann, für den Feldherrn der Fingerzeig, in welcher Richtung er an der Vervollständigung seiner Rüstung zu arbeiten hat. Die vornehmliche Aufgabe des Feldherrn ist die Sicherung seines Landes gegen einen feindlichen Angriff. In diesem Bestreben ist er auf die Zusammenarbeit mit den verschiedensten Zivilressorts angewiesen; Finanzen, Verkehr, Industrie, Handel, Landwirtschaft sind bei der Aufgabe beteiligt und nicht zuletzt das Auswärtige Ressort. Diese Zusammenarbeit sicher zu stellen, ist Sache des leitenden Staatsmannes. Die Frage der Sicherheit eines Landes ist in erster Linie eine politische. Aufgabe der Außenpolitik ist es zunächst, die Bedrohung nicht zur Wirklichkeit werden zu lassen, ihr durch Schiedsverträge vorzubeugen und sich für den Fall tatsächlichen Angriffs Bundesgenossen zu sichern. Wenn dann wirklich der Krieg eintritt, muß die Diplomatie das Ihrige getan haben, damit er unter möglichst günstigen Voraussetzungen geführt werden kann. – Der Feldherr hat erfahren, welche Grenze er jeweils für die meist bedrohte halten muß, wo er mit unfreundlichen, wo mit zuverlässigen Nachbarn rechnen kann, wessen Unterstützung im Kriegsfall gesichert erscheint. Ihm wird die Mitteilung, ob sich drohende Wolken am politischen Horizont zeigen, und er kann seine Schlüsse ziehen, ob er seine Sicherungsmaßnahmen zu beschleunigen und zu verstärken hat oder nicht. Die Aufstellung der Pläne für den möglichen Kriegsfall ist Sache des Feldherrn; er bedarf aber für sie der grundlegenden Weisungen des Staatsmannes. Entscheidend für seine Maßnahmen ist es, zu wissen, ob es politisch zulässig oder wünschenswert ist, einem drohenden feindlichen Angriff durch den eigenen zuvorzukommen, oder ob die Gesamtlage ein rein defensives Verhalten erfordert. Der Feldherr wird die Vor- und Nachteile beider Handlungsweisen darlegen, und der Staatsmann entscheidet, ob sich politische oder militärische Interessen decken oder, bei Abweichungen zwischen beiden, welche ausschlaggebend sein sollen. Auch eine an sich friedfertige, nur auf Verteidigung des eigenen Landes bedachte Politik kann den ihr aufgezwungenen Krieg militärisch angriffsweise führen, wenn diese Form die sicherere und schnellere Erreichung ihres Zieles verspricht. Ob der militärisch vielleicht aussichtsreichere Angriff überwiegende politische Nachteile hat, ob es angezeigt und zulässig ist, anstatt des Feindes Kriegserklärung abzuwarten, ihm mit der eigenen zuvorzukommen, das sind Fragen, die verantwortlich der Staatsmann, nicht der Feldherr entscheidet.

Der Plan des Grafen Schlieffen für den Krieg nach zwei Fronten sah den Durchmarsch durch Belgien vor. Dieser Plan war der verantwortlichen politischen Leitung bekannt. Ließ sie ihn und die für seine Durchführung erforderlichen, weitgehenden Friedensvorbereitungen zu, so übernahm sie damit für die sich aus ihnen ergebenden politischen Folgen die Verantwortung. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Schlieffensche Plan, bei einer im Geist seines Schöpfers erfolgten Ausführung, die größte Wahrscheinlichkeit vor allen anderen in sich trug, den Krieg erfolgreich und vor allem schnell zu beenden. Gerade diese Aussicht auf schnelle Beendigung des Krieges mußte diesen Plan jedem an sich sympathisch machen. Die militärischen Vorteile seiner Absicht dem verantwortlichen Staatsmann klar und nachdrücklich darzulegen, war Aufgabe und Pflicht des Feldherrn. Die politischen Folgen und Gefahren zu beurteilen, war nicht seine Sache. Nehmen wir an, die politische Leitung hätte bei aller Würdigung seiner militärischen und damit letzten Endes auch politischen Vorteile doch dem Schlieffenschen Plan ihr Veto entgegengesetzt, so würde der Feldherr pflichtmäßig auf die Verminderung der Aussichten auf schnelle und erfolgreiche Lösung seiner Aufgabe hingewiesen und – einen anderen Plan aufgestellt haben. Schlieffen, der uns lehrte: »Nicht eine Methode, ein Mittel, eine Aushilfe, sondern viele«, wäre auch der veränderten Lage gewachsen gewesen. Ob er zu dem Entschluß gekommen wäre, wie es von englischer Seite nachträglich uns empfohlen wird, sich mit aller Kraft zunächst auf Rußland zu werfen und unsere Westgrenze nur zu verteidigen, mag dahingestellt sein. Rußlands Verteidigungskraft und sein Ausweicheraum sind groß und die Erfahrungen von 1812 schreckten. Mit schneller Beendigung des Krieges konnte die politische Leitung keinesfalls rechnen, aber mit einem Verteidigungskrieg im eigenen westlichen Grenzgebiet. Wohl lehrt Friedrich der Große, daß man um entscheidender militärischer Vorteile willen auch eigene Landesteile zeitweise »sakrifizieren« muß; aber der Entschluß zu solcher Preisgabe eigenen Bodens fällt immer politischer und militärischer Leitung gleich schwer. Gleichviel zu welchem Entschluß man kam, ein Ausweg war immer zu finden, auch wenn das Tor Belgien geschlossen blieb. Hier kommt es nur darauf an, die Verantwortlichkeiten für den folgenschweren Kriegsplan von 1914 klarzustellen, nicht um nachträglich Kritik zu üben, sondern als Beispiel für die Grundsätze, die dem Zusammenwirken von politischer und militärischer Leitung zugrunde liegen müssen. Die Verantwortung für den Plan selbst, für die auf ihn zu setzenden Hoffnungen, für seine Durchführbarkeit und seine militärischen Aussichten trug der Feldherr. Für die politischen Folgen der Ausführung des Planes und damit für seine Zulässigkeit im Rahmen der Gesamtpolitik war der Staatsmann verantwortlich. Die Schuld, daß der Plan nicht im Sinne seines Schöpfers zur Ausführung gekommen ist und daß er nicht zum militärischen Erfolg geführt hat, trifft allein den Feldherrn.

So ergibt sich bei den Vorbereitungen für einen möglichen Krieg die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Staatsmann und Feldherr und im besonderen der Ressorts des Auswärtigen und des Krieges. Je enger und vertrauensvoller dieser Meinungsaustausch ist, um so besser für das Ganze. Nur soll man weder die Diplomatie noch die Kriegskunst für eine Geheimwissenschaft halten, deren Rezepte nur dem Adepten zugänglich sein dürfen. Vielleicht hat es vor dem Krieg an dieser Zusammenarbeit bei uns gefehlt; dann wird die Schuld daran wohl auf beiden Seiten gelegen haben.

Wenden wir uns nun der Zusammenarbeit im Krieg zu. Für den Feldherrn ist es zunächst gleichgültig, ob der Staatsmann den Krieg, für dessen Ausbruch er, auch wenn er ihm aufgezwungen ist, die politische Verantwortung trägt, nur zur Verteidigung der eigenen Interessen oder um eines bestimmten Zieles willen führt. Für ihn gibt es nur die Aufgabe, die feindliche Kriegsmacht möglichst schnell und möglichst vollständig zu vernichten und damit den Gegner zum Verzicht auf seine politischen Pläne und zum Frieden zu zwingen. Bei der Durchführung dieser Aufgabe ist er vollständig selbständig. Man kann für diese Aufgabe am besten den Grundsatz anwenden, den wir einst gern mit dem Namen »Auftragstaktik« bezeichneten und der, im Anfang des großen Krieges vielleicht zu weitgehend ausgelegt, in seinem Verlauf leider allzusehr in Vergessenheit geraten, doch richtig bleibt. Man verstand darunter, im Gegensatz zu dem sich in Einzelheiten der Ausführung einmischenden bindenden Befehl, die Bezeichnung des zu erreichenden Ziels unter Überweisung der Mittel, aber unter voller Freiheit für die Durchführung des Auftrags. Dem lag der gesunde Gedanke zugrunde, daß der, welcher die Verantwortung für das Gelingen trägt, sich auch den Weg zu ihm wählen muß. Wie es ein Zeichen kleinen Geistes ist, sich einer Verantwortung zu entziehen, so ist es eine Überhebung, eine Verantwortung an sich zu reißen, der man nicht gewachsen ist. –

Erringt der Feldherr den kriegentscheidenden Sieg, so bringt er ihn der politischen Staatsleitung, dem Staatsmann, als hochwillkommene Unterlage für neue Entschließungen dar. So einfach wie dieser Satz entwickelt sich das kriegerische Geschehen freilich selten. Selten ist die Folge von Königgrätz und Nikolsburg, aber vielleicht vorbildlich für den Rollenwechsel zwischen Feldherrn und Staatsmann. Meist tauchen im Lauf des Feldzugs Probleme auf, bei denen sich die politischen Interessen in die rein militärischen einmengen. Rezepte lassen sich für den Ausgleich beider nicht geben; nur Takt auf allen Seiten und Erkenntnis der Gemeinsamkeit des Ziels können hier helfen oder der Machtspruch des Staatsmannes muß entscheiden. Das Ziel eines Krieges ist sein Ende. Diesem mit allen Mitteln zuzustreben, mit militärischen und politischen, ist Aufgabe aller beteiligten Faktoren. Der Feldherr kennt kein anderes Kriegsziel als das eine, die militärische Vernichtung des Feindes. Der Staatsmann mag bei Ausbruch des Krieges seine bestimmten Ziele gehabt haben, sie mögen sich auch im Lauf des Krieges und nach seinem Verlauf ändern, verengen, erweitern. Er wird dauernd das Urteil des Feldherrn hören über die militärische Lage, ihre Aussichten und Möglichkeiten, ebenso wie ihm sein diplomatischer Berater über die Wirkung des Kriegsverlaufs auf andere Staaten berichtet und ihn die inneren Ressorts über die Leistungsfähigkeit des eigenen Landes auf dem laufenden halten. Auf Grund aller dieser Nachrichten wird sich täglich der Staatsmann die Frage vorlegen, ob schon das Ende des Krieges herannaht, ob er schon sein Ziel erreicht hat oder ob seine Erreichung in greifbarer Nähe ist, ob dieses Ziel noch weiterer Opfer wert ist, ob endlich der Feind sich zu einem Frieden bereit findet. Fällt die Entscheidung nach allen diesen Überlegungen bei dem Staatsmann für die Fortsetzung des Kampfes, so setzt der Feldherr die Durchführung seines Auftrags mit dem alten Ziel fort. Die Schwierigkeiten nehmen zu, wenn der Krieg an räumlicher Ausdehnung wächst, wenn er auf mehreren Fronten, gegen verschiedene Gegner zu führen ist. Das Urteil darüber, gegen welchen Feind die Hauptkräfte zum entscheidenden Erfolg einzusetzen sind, fällt naturgemäß in erster Linie dem Feldherrn zu; aber schon in diesen Entschluß mischen sich politische Erwägungen über die möglichen und wahrscheinlichen Folgen des Sieges über den einen oder den anderen Gegner. Kräfteanhäufung an einer Stelle bedingt eine Schwächung an anderer, und politische Bedenken können bei der Möglichkeit eines Rückschlags an dieser oder bei der notwendigen Preisgabe eigenen Landes mitsprechen. Verdoppelt aber sind die Schwierigkeiten, wenn der Krieg mit Bundesgenossen zu führen ist. Wie die dem Krieg vorausgehende Bündnispolitik, also der Abschluß von Bündnissen, auch von Militärbündnissen, Sache des Staatsmannes ist, so bedarf auch die Zusammenarbeit der Bundesgenossen im Krieg dauernd der politischen Mitarbeit. Wenn auch die Einheitlichkeit des militärischen Oberbefehls anzustreben, ja nach den Erfahrungen des letzten Krieges Voraussetzung für den Erfolg ist, so kann man doch nicht mit dem völligen Aufgehen der staatlichen Machtmittel des einen Staates in die des anderen rechnen. Stets bleiben Sonderinteressen bestehen, denen Rechnung zu tragen nicht Sache des Feldherrn allein sein kann. Jeder Staat wird wünschen, seine Grenzen möglichst sicher geschützt zu sehen, und nur der gemeinsamen Erwägung zwischen Staatsmann und Feldherr wird es gelingen festzustellen, was aus militärischen Gründen hierfür gewährt werden kann, was aus politischen gewährt werden muß. Militärisch kann die Preisgabe eines Bundesgenossen erwünscht sein, welche die Politik nicht zuläßt. Eine Uneinigkeit zwischen diplomatischen und militärischen Ressorts, auch nur ein Nebeneinander in ihrer Tätigkeit, muß gerade im Bundeskrieg von den schädlichsten Folgen sein.

Nehmen wir an, daß sich der Krieg nun seinem Ende zuneigt. Die Anregung zum Friedensschluß kann vom Feldherrn ausgehen. Im glücklichen Falle kann er einen von ihm erfochtenen Sieg für so ausschlaggebend halten, daß er die militärische Widerstandskraft des Feindes als gebrochen ansieht. Ebenso kann er eine eigene Niederlage für so entscheidend erklären, daß ihm ein weiterer Widerstand keine Aussicht auf Erfolg zu bieten scheint. Endlich kann er das Nachlassen der Kräfte des Feindes, aber auch das der eigenen voraussehen und den Staatsmann pflichtmäßig und rechtzeitig darauf hinweisen. Jetzt hat der Staatsmann das Wort und die Verantwortung. Im ersten Fall wird er prüfen und festzustellen versuchen, ob der eigene Erfolg tatsächlich den Feind friedensbereit gemacht hat, ob er also bereit ist, den vom Staatsmann angestrebten Frieden zu schließen. Ob seine Forderungen politisch erreichbar sind oder ob ihre Höhe zu einer Verlängerung des Krieges führen muß, das zu entscheiden ist seine Sache. Der Feldherr wird nach seinem Erfolg den Krieg fortzusetzen in der Lage sein; aber der Vorwurf der Kriegsverlängerung kann ihn nicht treffen. Gegenüber dem Eingeständnis der eigenen Niederlage steht der Staatsmann vor der Frage, ob er versuchen soll, möglichst schnell den Frieden zu schließen, der natürlich nur unter für ihn ungünstigen Bedingungen zu haben sein wird, oder ob er trotz der Erklärung des Feldherrn in der Fortsetzung des Krieges das kleinere Übel vor dem ungünstigen Frieden sieht. Vielleicht glaubt er, hoffnungsfreudiger als der Feldherr, noch an einen Umschwung aus eigener Volkskraft, vielleicht rechnet er mit einem helfenden Eingreifen von außen. Nimmt er die Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges auf sich, dann hat der Feldherr nur die Aufgabe, nach besten Kräften auch ohne Hoffnung auf militärischen Erfolg den Krieg weiterzuführen. In gleicher Lage ist er, wenn der Feind nach seinem Sieg ein Eingehen auf Friedensverhandlungen ablehnt. Am schwierigsten ist die Entscheidung, wenn von dem zu erwartenden Ermatten der einen oder der anderen Seite die Rede ist. Schwer ist die Verantwortung des Feldherrn, der sein maßgebendes Urteil über eine nicht sichere Zukunft abgeben soll; aber er darf nicht zögern auch mit dem schmerzlichen Zugeständnis der eigenen herannahenden Schwäche, wenn er dem Staatsmann dadurch die Möglichkeit gibt, den Friedensschluß noch rechtzeitig anzubahnen, ehe vielleicht eine Katastrophe viel ungünstigere Bedingungen aufzwingt. Für den Staatsmann ist in diesem Fall die Entscheidung nicht leichter, weil auch er mit unsicheren Faktoren rechnet. Der Anstoß zu Friedensanregungen kann auch von anderer Seite gegeben werden; es kann vom Feind ein Angebot kommen, es können außenstehende Mächte intervenieren oder mit aktiver Einmischung drohen, es kann auch der Staatsmann sein Kriegsziel für erreicht, den Feind für verhandlungsbereit ansehen. Auf politischem Gebiet entsteht also die Möglichkeit des Friedensschlusses. Entschließt sich aus solchen Gründen heraus der Staatsmann zum Eintritt in Friedensverhandlungen, so haben die militärischen Rücksichten zurückzutreten. Es mag dem Feldherrn bei bisherigem günstigen Verlauf seiner Operationen schwer fallen, auf volle, vielleicht aussichtsreiche Ausnutzung zu verzichten; er hat sich der politischen Entscheidung des Staatsmannes zu beugen. Diesem fällt die Verantwortung zu, ob der Augenblick zum Friedensschluß richtig gewählt war. Beide, Staatsmann und Feldherr, haben um den Frieden Krieg geführt.

Der Friedensschluß ist Sache des Staatsmannes, wenn auch seinen Verhandlungen die militärischen Erfolge oder Mißerfolge zugrunde liegen. Der Feldherr, vor dem Abschluß zu Rate gezogen, kann militärische Wünsche, wenn für solche Raum gegeben ist, vorbringen und sie besonders dann vertreten, wenn ihre Erfüllung eine Erhöhung der Sicherheit des Landes, also eine vermehrte Friedensgarantie mit sich bringt. Zu diesem Zweck kann er sogar bei glücklichem Ausgang des Krieges Grenzkorrekturen wünschen. Weitere Forderungen zu stellen ist nicht seine Aufgabe. Den Frieden zu gewinnen ist Sache des Staatsmannes; der Feldherr hat Ruhmes genug, wenn er den Krieg gewann.


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