Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel.

In Gewändern von dunkler Farbe, wie in Trauer gekleidet, deren Schnitt mehr einer Matrone geziemte als ihrer Jugend, einfach bis zur Übertreibung, ohne allen Schmuck als ihren Rosenkranz, erfüllte nun Eveline die Pflicht einer Wärterin bei ihrem verwundeten Befreier, eine Pflicht, die die Sitte der Zeit nicht nur erlaubte, sondern gebieterisch erheischte. Rose und Dame Gillian waren ihr zur Seite; Maryorin, die sich in Krankenzimmern wie in ihrem Element befand, wurde in dem des jungen Ritters angestellt, um für alles, was sein Zustand erfordern könnte, Sorge zu tragen.

Eveline trat in das Zimmer mit einem leisen Schritt, um nicht den Kranken zu stören. Sie hielt an der Tür still und sah sich um. Es war einst ihres Vaters Zimmer, und sie hatte es seit seinem gewaltsamen Tode nicht betreten. Längs den Wänden hing ein Teil seiner Rüstungen und Waffen, mit Falkenhandschuhen, Jagdstangen und anderm Jagdgeräte. Diese Reliquien riefen wie leibhaftig die stattliche Gestalt des Sir Raymond vor ihre Seele. »Runzle nicht die Stirn, mein Vater,« ihre Lippen bildeten die Worte, aber die Stimme sprach sie nicht aus. »Runzle sie nicht! Eveline wird Deiner nie unwürdig sein!«

Pater Aldrovand und Amelot, Damians Page, saßen an seinem Bette und standen beim Eintritt Evelinens auf, und der Pater, der sich ein wenig mit der Heilkunde abgegeben, sagte zu Evelinen, der Ritter hätte ziemlich lange geschlafen und scheine eben jetzt zu erwachen.

Zu gleicher Zeit trat Amelot vor und bat schnell und leise, daß Ruhe im Zimmer herrschen möge und alle Zuschauer entfernt werden möchten. »Mein Herr,« sagte er, »pflegt zuweilen seit seiner Krankheit zu Gloucester etwas wild zu reden, wenn er vom Schlafe erwacht, und würde mit mir unzufrieden sein, erlaubte ich irgend jemand, alsdann in seiner Nähe zu bleiben.«

Demzufolge gebot Eveline den Frauen und dem Mönch, sich in das Vorzimmer zurückzuziehen, während sie in der Tür stehen blieb und ihren Namen von Damian nennen hörte, als er sich schmerzensvoll auf seinem Lager umwandte. »Ist sie in Sicherheit und unverletzt?« war seine erste Frage, und die Heftigkeit, in der er sie stellte, bewies, wie sehr ihm vor allem diese Sorge am Herzen lag. Als Amelot bejahend antwortete, seufzte er wie einer, dessen Brust von einer schweren Last befreit worden, und mit minder bewegter Stimme fragte er den Pagen, wo sie waren? – »Das Zimmer,« sagte er, »mit allem Geräte ist mir ganz fremd.«

»Mein teuerster Herr,« sagte Amelot, »Ihr seid jetzt zu schwach, um Fragen vorzulegen und Erklärungen zu empfangen.«

»Sei es, wo es sei,« sagte Damian, immer mehr zur Besinnung kommend. »Ich bin nicht an der Stelle, wohin mich meine Pflicht ruft. – Laßt meine Trompeten zu Pferde blasen – zu Pferde! – Und laß Ralph Genvil mein Banner tragen. – Zu Pferde! zu Pferde! Wir haben keinen Augenblick zu verlieren.«

Der verwundete Ritter machte einige Versuche, sich aufzurichten, wurde aber bei seiner Schwäche von Amelot mit geringer Mühe zurückgelegt. »Du hast recht,« sagte er und sank in liegende Stellung nieder. »Du hast recht, – ich bin zu schwach – doch warum soll mir auch die Kraft bleiben, wenn die Ehre verloren ist?«

Der unglückliche junge Mann bedeckte sein Gesicht mit den Händen und seufzte wie im Todeskampfe, doch schien der Schmerz mehr seine Seele als seinen Körper zu erschüttern. Eveline näherte sich seinem Bette mit schwankendem Schritte: sie fürchtete, sie wußte selbst nicht was, doch zeigte sie den innigsten Anteil an dem Schmerz des Leidenden. Damian blickte auf, wurde sie gewahr, und wiederum verhüllte er sein Angesicht mit seinen Händen.

»Wozu diese heftige Leidenschaft, Herr Ritter?« sagte Eveline mit einer anfangs schwachen, bebenden Stimme, die aber allmählich mehr Festigkeit und Sicherheit erhielt. »Kann es Euch, die Ihr zu den Pflichten der Ritterschaft geschworen habt, so großen Schmerz erregen, daß der Himmel Euch schon zweimal zum Werkzeug erwählte, Eveline Berenger zu retten?«

»O nein! nein!« rief er schnell aufeinander. »Da Ihr gerettet seid, ist alles gut – aber die Zeit drängt – ich muß sogleich aufbrechen – nirgends darf ich mich jetzt aufhalten – am allerwenigsten in diesem Schlosse – noch einmal, Amelot, laß die Leute aufsitzen!«

»Nein, mein guter Lord,« sagte das Fräulein. »Das kann nicht geschehen. Als Eure Schutzbefohlene kann ich meinen Beschützer nicht so plötzlich abreisen lassen – als Euer Arzt kann ich meinem Patienten nicht erlauben, sich selbst zu verderben. – Ihr könnt unmöglich ein Pferd besteigen.«

»Eine Trage – eine Bahre – einen Karren, den entehrten Ritter, den Verräter wegzuschleppen – alles noch zu gut für mich – ein Sarg wäre das beste von allem. Aber gib wohl acht, Amelot, daß er nur einer sei, wie für den geringsten Bauern, keine Sporen auf der Sargdecke – kein Schild mit dem alten Wappen der de Lacys, kein Helm mit dem ritterlichen Kamme darf den Leichenwagen dessen zieren, dessen Name entehrt ist.«

»Ist sein Verstand zerrüttet?« sagte Eveline und blickte mit Schrecken von dem Verwundeten auf seinen Diener hin, »oder steckt ein furchtbares Geheimnis hinter diesen abgebrochenen Worten? – Ist es so, so sprecht es aus, und kann es wieder gut gemacht werden durch Leben und Eigentum, so soll meinem Befreier nichts Uebles widerfahren.«

Mit niedergeschlagenem, traurigem Blick, sah Amelot sie an, schüttelte seinen Kopf und blickte dann auf seinen Herrn hin mit einer Miene, welche sagen wollte, daß er ihre Fragen in Damians Gegenwart nicht beantworten könnte. Lady Eveline bemerkte diesen Wink, schlich in das Vorzimmer und gab dem Amelot ein Zeichen, ihr zu folgen. Er gehorchte, nachdem er zuerst einen Blick auf seinen Herrn geworfen, der in derselben trostlosen Stellung verharrte, das Gesicht mit den Händen bedeckt, wie einer, der das Licht scheut und alles, was vom Licht beschienen wird.

Als Amelot im Vorzimmer war, gab Eveline ihren Dienern ein Zeichen, sich bis ans äußerste Ende zurückzuziehen, und befragte ihn nun heimlich, worauf die Worte der Sorge und Verzweiflung, die sein Herr gesprochen, zurückzuführen seien. »Du weißt,« sagte sie, »daß ich Deinem Herrn zu helfen verpflichtet bin, sowohl aus Dankbarkeit, weil er mich mit Gefahr seines Lebens gerettet hat – als auch weil er mein Verwandter ist. Sage mir daher, wie es um ihn steht, daß ich ihm helfe, wenn ich es vermag – das heißt,« setzte sie hinzu, und ihre Wange färbte eine dunkle Röte, »wenn es sich für mich schickt, die Ursache seines Kummers zu hören.«

Tief verneigte sich der Page; doch geriet er in so große Verlegenheit, als er zu sprechen begann, daß auch Eveline verwirrt und ratlos war. Demungeachtet drang sie in ihn, ohne Bedenken und Verzug zu sprechen, wenn nur das, was er zu sagen hätte, sich für sie schickte.

»Glaubt mir, edle Lady,« sagte Amelot, »augenblicklich würde ich Eure Befehle erfüllt haben, fürchtete ich nicht meines Herrn Zorn, daß ich ohne seine Erlaubnis von seinen Angelegenheiten rede. Da ich aber weiß, er ehrt Euch höher, als irgend einen Menschen auf der Welt, so will ich auf Euren Befehl, soviel sagen: wenn er von den Wunden geheilt und sein Leben gerettet wird, so würden doch seine Ehre und Würde in noch größere Gefahr geraten, sofern der Himmel nicht selbst Hilfe sendet.«

»Sprich weiter,« sagte Eveline, »und sei versichert, wenn Du Dich mir anvertraust, wirst Du Damian de Lacy keinen Nachteil bringen.«

»Ich glaube es wohl, Lady,« sagte der Page. »So wißt denn, wenn es Euch nicht bereits bekannt ist, daß die Bauern und der Pöbel, die im Westen die Waffen gegen den Adel ergriffen haben, behaupten, sie würden bei ihrer Empörung nicht allein von Randal de Lacy, sondern auch von meinem Herrn Sir Damian unterstützt.«

»Lügner sind es, die ihn eines so schändlichen Verrates gegen seinen eigenen Blutsfreund und seinen Landsherrn zu beschuldigen wagen,« sagte Eveline.

»Wohl weiß ich, daß sie lügen,« sagte Amelot, »aber das hindert nicht, daß ihre falschen Behauptungen bei denen Glauben finden, die ihn nicht genau kennen. Mehr als ein Ausreißer von den Unsrigen hat sich zu diesem zusammengelaufenen Gesindel gesellt, und das macht das böse Gerücht noch wahrscheinlicher. Und dann sagen sie, – sagen sie – daß – mit einem Wort – daß mein Herr danach strebe, die Ländereien seines Oheims, welche er für ihn verwaltet, an sich zu reißen, und daß, wenn der alte Connetable – ich bitte um Verzeihung, Mylady! – von Palästina heimkehren sollte, es ihm schwer werden dürfte, sein Eigentum zurückzuerhalten.«

»Diese elenden, niederträchtigen Menschen urteilen über andere nach ihren eigenen niedrigen Gesinnungen und glauben, daß solchen Versuchungen, denen sie selber nicht würden widerstehen können, auch edlere Naturen erliegen müßten. Aber sind denn wirklich die Empörer so vermessen und so mächtig? Wir haben von ihren Gewalttaten gehört, aber doch nur, als ob es ein kleiner Volksauflauf wäre?«

»In der vergangenen Nacht erhielten wir die Nachricht, daß sie sich in großer Menge zusammengezogen und Wild Wenlock mit seinen Reisigen in einem ungefähr zehn englische Meilen von hier entfernten Dorfe eingeschlossen und belagert hätten. Er sandte zu meinem Herrn und bat ihn als seinen Verwandten und Waffenbruder um Hilfe. Wir saßen heute früh auf, zu seinem Beistand zu ziehen – als« –

Er schwieg und schien nicht gern fortfahren zu wollen, Eveline nahm das Wort auf: »Als Ihr von der Gefahr hörtet, in der ich mich befand?« sagte sie. – »Ich wünschte, Ihr hättet lieber meinen Tod vernommen.«

»Gewiß, edle Lady,« sagte der Page mit einem Blicke auf den Boden, »nur eine so dringende Ursache konnte meinen Herrn bewegen, seine Truppen halten zu lassen und ihre Mehrzahl gegen die welschen Bergbewohner zu führen, da die Lage seines umzingelten Landsmannes und die ausdrücklichen Befehle des königlichen Statthalters ihm doch vorschrieben, gegen die Aufrührer zu ziehen.«

»Ich wußte es,« fügte sie, »ich wußte es, daß ich geboren ward zu seinem Verderben; aber mir scheint, das ist noch schlimmer, als wovon ich träumte. Ich fürchtete nur seinen Tod zu verursachen, nicht den Verlust seiner Ehre. – Um Gottes willen, Amelot, tu, was Du kannst, und das ohne Zeitverlust! – Auf der Stelle wirf dich aufs Pferd, und zu Deinen eigenen Leuten nimm so viel von den meinigen, wie Du zusammenbringen kannst! – Geh! sprenge fort, mein tapferer Jüngling, – zeige Deines Herrn Banner – zeige ihnen, daß seine Macht und sein Herz mit ihnen ist, wenn auch seine Person abwesend sein muß. – Eile – eile – kostbar ist die Zeit!«

»Aber die Sicherheit des Schlosses? – aber Eure eigene Sicherheit?« sagte der Page, »Gott weiß, wie gerne ich alles tun möchte, seine Ehre zu retten. Ich kenne meines Herrn Sinn. Sollte Euch durch meine Entfernung von Garde Douloureuse irgend ein Leides widerfahren, und hätte ich ihm auch dadurch Land, Leben und Ehre gerettet, ich möchte wohl eher seinen Dolch als Dank und Lohn dafür kosten.«

»Nichtsdestoweniger, teurer Amelot, mache Dich auf!« sagte sie, »sammle, was Du zusammenbringen kannst, und mache, daß Du davon kommst!«

»Ihr spornt ein williges Roß,« sagte der Knappe, – und war schon auf dem Sprunge, »auch sehe ich in meines Herrn Lage nichts Besseres zu tun, als seine Banner wenigstens gegen diese Feinde zu tragen.«

»Zu den Waffen denn!« rief Eveline mit Feuer, »zu den Waffen! und gewinne Dir die Sporen! Bringe mir die Gewißheit, daß Deines Herrn Ehre gerettet ist, und ich selbst will die Sporen Dir anschnallen. – Hier – nimm diesen geweihten Rosenkranz – befestige ihn an Deinem Helm – und möge der Gedanke an die heilige Jungfrau von Garde Douloureuse, die nie die Ihr Geweihten verließ, Dich stärken in der Stunde des Gefechts!«

Sie hatte kaum geendet, als schon Amelot davon geflogen war, und so viel Pferde zusammenbrachte, als er konnte, von seines Herrn Leuten sowohl, als von dem Burg gehörigen Gesinde. So hielten bald vierzig Mann zu Pferde im Schloßhofe. –

Aber obwohl bis dahin der Page willigen Gehorsam gefunden, als die Kriegsmänner hörten, daß sie zu einem gefährlichen Zuge aufbrechen sollten, wenngleich unter keinem andern Führer, als einem jungen Menschen von fünfzehn Jahren, so weigerten sie sich doch entschieden, das Schloß zu verlassen. Die alten Krieger de Lacys behaupteten, Damian selbst wäre noch zu jung, sie zu befehligen, und habe kein Recht, seine Gewalt nun gar einem Knaben zu übertragen; Berengers Leute sagten, ihre Gebieterin möchte zufrieden sein, daß sie am Morgen gerettet worden, statt nun noch die Besatzung des Schlosses zu vermindern und die Gefahr dadurch zu erhöhen. »Die Zeiten,« sagten sie, »sind stürmisch, und das klügste ist, ein steinernes Dach überm Kopf zu haben.« Je mehr die Krieger einander ihre Gedanken und Befürchtungen mitteilten, desto stärker wurde ihre Abneigung gegen das Unternehmen. Als nun Amelot, der inzwischen, nach Pagenart, sich darum kümmerte, daß sein Pferd gesattelt und vorgeführt würde, wieder in den Schloßhof zurückkehrte, sah er die Leute in wirren Gruppen stehen, einige zu Pferde, andere zu Fuß, alle in lautem Gespräch und in größter Unordnung, Ralph Genvil, ein Veteran, dessen Gesicht mit mancher Schramme gezeichnet war, stand abseits von den übrigen und hielt seines Pferdes Zaum in der einen Hand und in der andern den Fahnenschaft, um den das Banner de Lacys noch unentfaltet gewickelt war.

»Was heißt das, Genvil?« fragte der Page ärgerlich, »warum besteigt Ihr nicht das Pferd und laßt das Banner wehen? – Und was veranlaßt diese Verwirrung?«

»Fürwahr, Herr Page,« sagte Genvil, ganz gelassen, »ich bin nicht in meinem Sattel, weil ich einige Achtung vor diesem alten seidenen Lumpen habe, den ich mit Ehren getragen, und ich möchte ihn nicht gerne irgendwohin tragen, wohin die Männer ihm nicht folgen wollen.«

»Heut wird nicht marschiert – heut wird nicht angegriffen – heut wird das Banner nicht entfaltet!« schrieen die Krieger, um der Rede des Fahnenträgers Nachdruck zu geben. »Wie, ihr Memmen, ist das Meuterei?« sagte Amelot und legte die Hand auf das Schwert.

»Droht mir nicht, Herr Page!« sagte Genvil, »und fackelt mir nicht mit Eurem Schwerte vorm Gesicht herum. Ich sage Dir, Amelot, sollte mein Schwert mit dem Deinigen zusammenkommen, nie sollte ein Dreschflegel mehr Spreu um sich geworfen haben, als ich Splitter aus Deinem eben flügge gewordenen, vergoldeten Bratspieß machen wollte. Seht her, hier sind Graubärte, die nicht Lust haben, sich nach der Laune eines Knaben ins Weite führen zu lassen. Was mich anbetrifft, mir ist's einerlei, ob der eine oder andere Knabe das Kommando hat. Aber ich bin für jetzt de Lacys Mann, und ich bin mir nicht klar, ob de Lacy es uns danken wird, wenn wir Wild Wenlock zu Hilfe ziehen. Warum führte er uns nicht diesen Morgen dahin? Statt dessen ließ er uns in die Berge marschieren.«

»Ihr wißt ja sehr gut, weshalb das geschah,« antwortete der Page.

»Ja, wohl wissen wir's, oder wenn wir's nicht wissen, so können wir es erraten,« antwortete der Fahnenträger mit wieherndem Lachen, in das mehrere seiner Gefährten einstimmten. »Ich will diese Verleumdung in Deinen falschen Hals stopfen, daß Du daran erwürgst!« sagte der Page, zog sein Schwert und warf sich blindlings auf den Bannermann, ohne auf den gewaltigen Unterschied ihrer Kräfte Rücksicht zu nehmen.

Genvil begnügte sich damit, seinen Angriff durch eine, wie es schien, ganz leichte Bewegung seines Riesenarmes zu parieren, wodurch er den Pagen zur Seite schob, indem er gleichzeitig einen Hieb mit dem Fahnenschaft auffing.

Ein neues, lautes Gelächter erfolgte, und Amelot, der alle seine Anstrengungen vereitelt sah, warf sein Schwert von sich, und indem ihm aus Stolz und Aerger die Tränen in die Augen traten, eilte er zur Lady Eveline zurück, ihr seinen Mißerfolg zu berichten. – »Verloren ist alles,« sagte er – »die feigen Schufte sind aufsässig und wollen nicht ausrücken, und der Tadel ihrer Feigheit und Zaghaftigkeit wird auf meinen teuern Herrn fallen.«

»Nie soll das geschehen,« sagte Eveline, »und sollte ich mein Leben aufopfern, es zu verhindern. – Folge mir, Amelot!«

Sie warf eine scharlachrote Schärpe um ihre dunkle Kleidung und eilte in den Hof. Gillian folgte ihr unter lebhaften Gebärden des Erstaunens und Mitleids; Rose folgte gleichfalls, sorgfältig alle Aeußerungen der Gefühle unterdrückend, die ihr Herz bewegten.

Eveline trat in den Schloßhof mit dem flammenden Auge und der glühenden Stirne, die ihre Vorfahren in Gefahr und Not zu zeigen pflegten, wenn ihre Seele gewaffnet war, dem Sturme die Spitze zu bieten. In diesem Augenblick schien sie größer als gewöhnlich, und mit klarer und fester Stimme, die dennoch die Zartheit des weiblichen Tons nicht verlor, redete sie die Meuterer also an: »Was ist das, Ihr Herren?« sagte sie – und indem sie sprach, zogen sich die breitschultrigen Gestalten der Krieger enger zusammen, als ob ein jeder für seine Person dem Vorwurf entgehen wollte. Sie glichen einer Gruppe plumper Wasservögel, wenn diese sich dicht aneinander schließen, dem Stoß des leichten, schönen Lerchenhabichts zu entgehen, die Ueberlegenheit seiner Natur und Zucht über ihre ungeschickte körperliche Kraft fürchtend. – »Was ist denn das?« fragte sie noch einmal, »denkt Ihr, es ist Zeit, Meuterei zu treiben, weil Euer Gebieter abwesend ist und sein Neffe und Stellvertreter auf dem Krankenbette liegt? – Haltet Ihr so Euren Eid? – Wollt Ihr so Eures Anführers Gewogenheit erlangen? – Schande über Euch, feige Hunde, die da zagen und den Rücken wenden, so wie sie den Jäger aus dem Gesicht verlieren!«

Eine Pause folgte. – Die Krieger blickten einander, dann Eveline an, als schämten sie sich ihrer Meuterei, ohne daß es ihr Trotz zuließ, zur gewohnten Manneszucht zurückzukehren.

»Ich sehe, was es ist, meine braven Freunde! – Euch mangelt ein Anführer – doch darauf sollt Ihr nicht lange warten. – Ich selbst will Euch anführen, und wenn ich gleich nur ein Weib bin, kein Mann unter Euch darf einen Schimpf befürchten, wo eine Berenger befehligt. – Rüstet meinen Zelter mit einem Stahlsattel aus,« rief sie, »und das im Augenblick!« – Sie hob des Pagen leichten Helm auf und warf ihn über ihr Haar, sie ergriff sein weggeworfenes Schwert und trat vor. – »Hier gelobe ich Euch meine ganze Kraft und meine Führung. Dieser Biedermann,« sie zeigte auf Genvil, »soll meinen Mangel an Kriegskenntnis ersetzen. Er sieht wie ein Mann aus, der schon manche Schlacht gesehen hat und wohl die junge Anführerin in ihrer Pflicht unterweisen kann.«

»Gewiß,« sagte der alte Krieger, wider Willen zum Lächeln gezwungen und doch zugleich den Kopf schüttelnd, »viele Schlachten habe ich gesehen, aber nie focht ich unter einem solchen Befehlshaber.«

»Demungeachtet,« sagte Eveline, als sie sah, wie aller Augen sich auf Genvil wandten, »werdet Ihr nicht – könnt Ihr nicht– wollt Ihr Euch nicht weigern, mir zu folgen. Ihr dürft's auch nicht als Soldat, denn meine schwache Stimme gibt Euch nur Eures eigenen Hauptmanns Befehle wieder. – Ihr könnt es auch nicht als Mann, denn eine Frau, eine verlorene, hart bedrängte Frau fleht Euch um Hilfe an – Ihr dürft's auch nicht als Engländer, denn Euer Vaterland verlangt Euer Schwert, und Eure Kameraden sind in Gefahr. – Laßt also das Banner wehen, und nun vorwärts!«

»Bei meiner Seele, ich möchte es gerne tun, schöne Lady!« antwortete Genvil und tat, als wickle er schon das Banner auf, »auch Amelot könnte uns schon genug anführen, wenn er sich von mir unterweisen ließe; aber ich weiß nicht, ob Ihr uns da auf den rechten Weg schickt.«

»Gewiß! Gewiß!« rief Eveline zuversichtlich, »der rechte Weg ist der, der Euch zur Befreiung Wenlocks und der Seinigen führt, die von den rebellischen Bauern belagert werden.« »Das ist mir nicht ganz klar,« sagte Genvil, noch immer zögernd, »unser Anführer hier, Sir Damian de Lacy, beschützt das Volk, einige sagen, er begünstigt sie sogar. Auch weiß ich, daß er einmal mit Wild Wenlock in Streit geriet über eine kleine Beleidigung, die jener der Frau des Müllers von Twinford zufügte. Wir werden schön wegkommen, wenn unser feuriger junger Anführer wieder auf den Beinen ist und erfährt, daß wir gegen die Partei kämpften, die er in Schutz nahm.«

»Seid überzeugt,« sagte das besorgte Fräulein, »je mehr er den Bürgerstand gegen Unterdrückung beschützt, desto mehr würde er gegen ihn auftreten, wenn die Bürger wieder andere unterdrücken wollten. – Steig auf und reite – rette Wenlock und seine Mannen – jeder Augenblick entscheidet über Tod und Leben! – Ich will mit meinem Leben und Lande mich verbürgen, daß, was Ihr hier tut, de Lacy als guten Dienst aufnehmen wird. – Auf denn, folgt mir!«

»Niemand kann sicherlich Sir Damians Absichten besser kennen als Ihr, schönes Fräulein,« antwortete Genvil. »Ja, auch hierin könnt Ihr ihn umstimmen, wie Ihr Lust habt. – So will ich denn mit den Leuten aufbrechen und dem Wenlock helfen, wenn es noch Zeit ist, wie ich's wohl hoffe; denn er ist ein wilder Eber, und wenn er sich wehrt, wird es die Bauern Blut genug kosten, ehe sie ins Horn blasen. – Aber bleibt Ihr in der Burg, schöne Lady! und verlaßt Euch auf Amelot und mich. – Komm, Herr Page, übernimm das Kommando, da es sein muß; wiewohl es, meiner Treu! schade ist, den Helm von dem schönen Kopf und das Schwert aus der schönen Hand zu nehmen. Beim heiligen Georg! Die Waffen da zu erblicken, gibt dem Soldatenhandwerk ein wahres Ansehen.«

Die Lady übergab demnach dem Amelot die Waffen und ermahnte ihn mit wenigen Worten, die zugefügte Beleidigung zu vergessen und männlich seine Pflicht zu tun. Indessen rollte Genvil langsam seine Fahne auf, dann warf er sie aus, und ohne den Fuß in den Steigbügel zu setzen, half er sich nur ein wenig mit der Lanze und schwang sich in den Sattel, so schwer bewaffnet er war. »Wenn es Euer Jugendlichkeit gefällig ist,« sagte er zu Amelot, und während der Page den Haufen in Reih und Glied stellte, flüsterte er seinem nächsten Kameraden zu: »Ich meine, weit herrlicher wär's, wenn uns statt dieses Burschen im alten Kittel das hübsche Weib im gestickten Gewand anführte – es geht nichts über einen verbrämten Weiberrock. – Sieh einmal, Stephen Pontoys – ich kann es jetzt dem Damian vergeben, daß er seinen Oheim und seinen eigenen guten Ruf über dieser Dirne vergißt; denn bei meiner Treu, das ist so eine, in die ich bis auf den Tod vernarrt sein könnte, versteht sich, so par amours. – Mögen die Weiber zum Kuckuck fahren! – Sie beherrschen uns, Stephan, bei jeder Gelegenheit und in jedem Alter. Sind sie jung, dann locken sie uns mit freundlichen Blicken und gezuckerten Worten und süßen Küssen und Liebespfändern; sind sie in mittleren Jahren, so machen sie uns willfährig durch Geschenke und Artigkeiten, roten Wein und rotes Gold; und wenn sie alt sind, so besorgen wir ihnen nur zu gern alle Aufträge, um nur ihre alten ledernen Gesichter loszuwerden. – Wohl hätte der alte de Lacy zu Hause bleiben sollen, seinen Falken zu bewachen. Aber uns, Stephan, kann das alles gleich sein, und wir können heute vielleicht Beute machen, denn diese Bauern haben mehr wie ein Schloß geplündert.«

»Ja, ja,« erwiderte Pontoys, »der Bauer geht auf Beute, damit der Soldat sie ihm abnimmt, ein recht kräftiges Sprichwort. Aber, ich bitte Dich, kannst Du mir nicht sagen, warum der Herr Page uns noch nicht abführt?«

»Pah!« antwortete Genvil, »der Stoß, den ich ihm gab, hat sein Gehirn ausgeleert – oder vielleicht hat er noch nicht alle seine Tränen hinabgeschluckt – denn sonst ist es ein vorschnelles Hähnchen für seine Jahre, wo es gilt, Ehre zu gewinnen. – Sieh! jetzt setzen sie sich in Bewegung. – Es ist doch ein sonderbares Ding, Stephen, dieses edle Blut; ein Kind, das ich eben zurechtgesetzt habe wie einen Schulknaben, muß nun uns Graubärte hinführen, wo es uns den Kopf kosten kann, und das auf Befehl einer muntern Lady.«

»Ich wette, Sir Damian ist Geheimschreiber bei meiner feinen Lady,« antwortete Stephen Pontoys, »so wie der Springinsfeld Amelot es bei Sir Damian ist; und so müssen wir armen Leute gehorchen und den Mund halten.«

»Aber dabei die Augen aufmachen, Stephen Pontoys, vergiß das nicht.«

Jetzt war man außerhalb der Tore des Schlosses und hatte den Weg nach dem Dorfe eingeschlagen, in welchem, nach der am Morgen erhaltenen Nachricht, Wenlock von einer überwiegenden Zahl der Rebellen belagert wurde. Amelot ritt an der Spitze der Schar, noch immer verdrossen über die in Gegenwart der Krieger empfangene Beleidigung und in Gedanken verloren, von wem er sich in seiner Unkenntnis sollte raten und helfen lassen. Früher hatte der Fahnenträger dies getan, und nun schämte er sich, eine Versöhnung mit ihm zu suchen. Aber Genvil, wiewohl stets ein Murrkopf, war nicht von Natur tückisch. Er ritt zu dem Pagen heran, machte ihm eine Verbeugung und fragte ihn mit allem Respekt, ob es nicht gut getan wäre, wenn einige ihrer am besten berittenen Leute vorauszögen, um auszukundschaften, wie es mit Wenlock stünde und ob es noch Zeit wäre, ihm Beistand zu leisten.

»Mich dünkt, Fahnenträger,« erwiderte Amelot, »Ihr solltet die Führung des Zuges übernehmen, da Ihr genau wißt, was zu tun ist. Ihr mögt um so besser zum Befehlen taugen, weil Ihr – doch will ich Euch keinen Vorwurf machen.«

»Weil ich so schlecht zu gehorchen weiß,« erwiderte Genvil, »das wollt Ihr sagen. Und meiner Treu, ich leugne es nicht, etwas Wahres steckt darin. Aber wir wollen eines närrischen Wortes oder einer übereilten Handlung wegen keine dummen Streiche machen. – Komm, laß Frieden unter uns sein!«

»Von ganzem Herzen!« erwiderte Amelot, »ich will sogleich einige Leute vorausschicken, wie Du mir geraten hast.«

»Nimm den alten Stephen Pontoys mit zwei von den Chester Speeren dazu. – Er ist so schlau wie ein alter Fuchs, und weder Hoffnung noch Furcht bringt ihn um eines Haares Breite weiter, als sein Scharfsinn gut heißt.«

Amelot befolgte den Wink, und auf seinen Befehl sprengten Pontoys und zwei Lanzen voraus, den Weg zu untersuchen und die Lage derer auszukundschaften, zu deren Hilfe sie heranrückten. »Jetzt, da wir auf dem alten Fuße stehen, Herr Page,« sagte der Fahnenträger, »sage mir, wenn Du es kannst, liebt nicht jene schöne Lady unsern artigen Ritter ›par amours'‹

»Das ist eine schändliche Verleumdung!« rief Amemlot voll Unwillen. »Seinem Oheim ist sie verlobt, und ich bin überzeugt, sie würde eher sterben, als einen solchen Gedanken hegen, und so auch mein Herr. Ich habe schon früher diesen ketzerischen Glauben bei Dir wahrgenommen, Genvil, und ich bat Dich, ihn zu verdammen. Du weißt ja auch, es kann nicht sein, denn Du weißt, daß sie fast gar nicht zusammenkommen.«

»Wie sollte ich das wissen?« sagte Genvil, »und wie solltest Du es wissen? – Bewache sie auch noch so streng – viel Wasser schleicht durch die Mühle, das Müller Hob nicht gewahr wird. – Sie schreiben sich, das kannst Du nicht leugnen.« »Ich leugne es,« sagte Amelot, »so wie ich alles leugne, was ihre Ehre antastet!« – »Doch wie in des Himmels Namen erlangt er eine so genaue Kenntnis von allem, was sie beginnt? Erst heute morgen haben wir ein Beispiel dafür erlebt.«

»Wie soll ich das erklären?« antwortete der Page. »Es gibt doch gewiß solche Wesen, die wir Heilige und gute Engel nennen, und lebt eines auf Erden, das ihres Schutzes würdig ist, so ist es Eveline Berenger.«

»Wohl gesagt, Herr Geheimnisbewahrer,« erwiderte Genvil lachend, »aber das geht bei einem alten Reitersmann nicht durch. Heilige und Engel! Wahrhaftig! Ein sehr heiliges Treiben!«

Der Page wollte seine Verteidigung fortsetzen, als Stephan Plontoys mit seinen Begleitern zurückkehrte. »Wenlock wehrt sich tapfer,« rief er aus, »obgleich ihn diese Bauern grausam in den Klauen haben! Die großen Armbrüste tun gute Dienste, und ich zweifle nicht, er wird sich halten können, wenn es Euch nur gefällig ist, etwas scharf zuzureiten. Sie haben die Barrieren gestürmt und hatten eben von neuem angegriffen, wurden aber wieder zurückgetrieben.«

Die Schar ritt nun rascher weiter, und so erreichte man bald den Gipfel einer kleinen Anhöhe, an deren Fuß das Dorf lag, wo Wenlock sich verteidigen mußte. Die Luft hallte von Geschrei und dem Jubel der Aufrührer wider, die so zahlreich wie Bienen, mit dem verbissenen Mute, der dem Engländer eigentümlich ist, die Palisaden umschwärmten und sich bemühten, sie niederzureißen oder hinüberzuklettern, trotz des heftigen Hagels von Pfeilen und Steinen, durch den sie fast ebenso große Verluste erlitten wie durch die Schwerter und Streitäxte dort, wo es zum Handgemenge kam.

»Wir kommen zur Zeit! wir kommen zur Zeit!« rief Amelot, ließ die Zügel fallen und schlug fröhlich in die Hände. – »Schwinge Dein Banner in die Luft, Genvil – laß es recht sichtbar wehen vor Wenlock und seinen Leuten. Kameraden! Halt! laßt Eure Rosse einen Augenblick verschnaufen. – Höre doch einmal, Genvil, wenn wir auf jenem breiten Fußweg uns auf die Wiese hinabzögen, wo dort das Vieh ist.«

»Bravo! mein junger Falke!« antwortete Genvil, dessen Liebe zur Schlacht angesichts der Spieße und beim Schall der Trompete aufflammte. »Das gibt uns ein freies Feld zum Angriff auf jene Buben.«

»Was für eine dicke, schwarze Wolke die Schufte machen!« sagte Amelot, »aber wir wollen das Tageslicht hineinbringen mit unsern Lanzen. – Sieh, Genvil, die Belagerten ziehen eine Flagge auf, um uns zu zeigen, daß sie uns gesehen haben.«

»Für uns ein Zeichen!« rief Genvil aus. – »Beim Himmel, es ist die weiße Flagge – das Zeichen der Uebergabe.

»Uebergabe! Das werden sie sich doch nicht einfallen lassen, da wir zur Hilfe kommen,« erwiderte Amelot, als zwei oder drei Trauertöne aus den Trompeten der Belagerten mit einem donnernden, lärmenden Jubelruf der Belagerten zusammenklangen und kein Zweifel mehr möglich war.

»Wenlocks Fahne sinkt,« sagte Genvil, »und die Bauern dringen von allen Seiten in die Verschanzungen ein. Feigheit oder Verräterei ist das. Was ist nun zu tun?« – »Auf sie anrücken!« sagte Amelot, »den Platz wiedernehmen und die Gefangenen befreien.

»Anrücken? Wirklich?« antwortete der Fahnenträger, »nach meinem Rat gehen wir nicht um eines Pferdes Länge weiter. Soviel Nagel in unserm Küraß sind, soviel Bogenschüsse bekommen wir, ehe wir noch den Hügel hinabgeritten sind. Und nachher den Platz stürmen – es wäre wahrer Unsinn!«

»So komm doch ein wenig weiter mit mir vor,« sagte der Page, »wir finden vielleicht einen Weg auf, wo wir ungesehen hinabkommen können.«

Demzufolge ritten sie ein klein wenig vorwärts, um den vordern Abhang des Hügels zu untersuchen, indem der Page noch immer an die Möglichkeit glaubte, mitten im Tumult hinunterzukommen, als Genvil ungeduldig antwortete: »Unbemerkt! – Ihr seid schon bemerkt worden – dort kommt ein Geselle, so schnell sein Pferd nur traben kann, auf uns zu.«

Indem er noch so sprach, hatte sie der Reiter schon erreicht. Er war ein kleiner, untersetzter, dicker Bauer, in ganz gemeiner Jacke und Hose von Fries, eine blaue Mütze auf dem Kopfe, die er tief über die buschigen roten Haare gezogen hatte. Seine Hände waren voll Blut, und an seinem Sattelbogen hing ein leinener Sack, gleichfalls mit Blut befleckt. »Ihr gehört zu Damian de Lacys Haufen, nicht wahr?« sagte der rohe Bote, und als sie die Frage bejahten, fuhr er mit derselben plumpen Höflichkeit fort, »Hob, der Müller von Twinford, empfiehlt sich dem Damian de Lacy, und da er dessen Absicht kennt, die Unordnung im Gemeinwesen zu verbessern, so schickt er ihm hier Zoll von der Grütze, die er gemahlen hat,« und hiermit nahm er aus dem Sacke ein menschliches Haupt – und hielt es dem Amelot hin. »Es ist Wenlocks Haupt,« sagte Genvil, – »wie seine Augen starren!«

»Sie werden nicht mehr nach Weibern starren,« sagte der Bauer. »Ich habe ihm das Gelüst versalzen.« – »Du?« rief Amelot entsetzt.

»Ja, ich selbst,« erwiderte der Bauer, »ich bin Groß-Justitiarius der Gemeinden in Ermangelung eines Bessern.«

»Groß-Henker willst Du sagen,« erwiderte Genvil.

»Nennt es so, wie Ihr wollt,« erwiderte der Bauer, »wahrlich, es geziemt sich doch für Männer im Staate, ein gutes Beispiel zu geben. Ich heiße keinem Menschen was tun, was ich nicht auch bereit bin zu tun. Es ist ebenso leicht einen Menschen selbst aufzuhängen, als zu sagen, hängt ihn auf! Es soll keine Trennung der Aemter stattfinden in der neuen Welt, die jetzt glücklicherweise in Altengland erschaffen wird.«

»Elender!« rief Amelot, »trage dieses blutige Geschenk dem zurück, der Dich geschickt hat. Wärst Du nicht auf gutes Vertrauen gekommen, ich hätte Dich mit meiner Lanze an die Erde genagelt. – Aber seid versichert, Eure Grausamkeit soll furchtbar vergolten werden. – Komm, Genvil, laß uns zu unsern Leuten zurückkehren; unser Weilen kann hier zu nichts weiter dienen.«

Der Kerl, der einen ganz andern Empfang erwartet hatte, starrte ihnen einige Augenblicke nach, dann steckte er seine blutige Trophäe wieder in den Sack und ritt zurück zu denen, die ihn abgesandt hatten.

»Das kommt davon, wenn man sich in Liebeleien mischt,« sagte Genvil. »Da mußte sich Sir Damian mit Wenlock zanken, weil jener mit der Frau des Müllers was vorgehabt hat, und nun glauben die Bauern steif und fest, unser Herr sei auf ihrer Seite. Es wäre noch alles gut, wenn nicht andere dieselbe Meinung hätten. – Ich wollte, wir wären aus all der Verwirrung hinaus, die einen solchen Verdacht uns auf den Hals ladet – ja, und sollte ich mein bestes Pferd darum geben – ich kann es ohnedies leicht in dem harten Dienst verlieren, und ich wünschte, das wäre noch das Schlimmste, was es uns kosten kann.«

Mißmutig und ermüdet kehrten sie zur Burg von Garde Douloureuse zurück, und nicht ganz ohne Verlust, indem einige hin und wieder zerstreut zurückblieben, da die Pferde müde wurden, andere wieder diese Gelegenheit benutzten, zu den Banden der Aufrührer und Plünderer überzulaufen, die sich jetzt in verschiedenen Gegenden sammelten und durch solche liederlichen Ausreißer verstärkt wurden. Amelot fand bei seiner Rückkehr in das Schloß, daß der Zustand seines Herrn noch immer sehr bedenklich war, und daß Lady Eveline, obgleich schon sehr erschöpft, sich noch nicht zur Ruhe begeben hatte, sondern seine Rücklehr mit Ungeduld erwartete. Ihrem Befehl gemäß, wurde er sogleich zu ihr geführt, und mit schwerem Herzen berichtete er ihr den fruchtlosen Ausgang seines Unternehmens.

»So mögen die Heiligen sich unser erbarmen!« sagte Lady Eveline. »Es scheint, als sei ich mit einer Seuche oder Pest behaftet, die alle die befalle, die sich meine Wohlfahrt angelegen sein lassen. Von dem Augenblick an, wo sie das tun, werden selbst ihre Tugenden für sie Fallstricke, und was in jedem andern Falle ihnen Ehre erwerben würde, bringt den Freunden Eveline Berengers Verderben.«

»Fürchtet nichts, schöne Lady,« sagte Amelot. »Es gibt noch Männer genug in meines Herrn Lager, diese Störer der öffentlichen Ruhe zu unterdrücken. Ich will mich nur so lange verweilen, bis ich seine Befehle vernommen habe, und dann will ich morgen fort und eine hinreichende Macht zusammenziehen, um die Ruhe in diesem Teile des Landes wiederherzustellen.«

»Ach, Ihr kennt doch das Schlimmste noch nicht,« erwiderte Eveline. »Seit Ihr fortzogt, erhielten wir Kunde, daß alle Soldaten in Sir Damians Lager schon längst des untätigen Lebens überdrüssig wären, das sie in letzter Zeit hier führen mußten. Durch die Nachricht von der Verwundung, ja vom Tode ihres Anführers völlig mutlos gemacht, hätten sie nun samt und sonders sich aufgemacht und wären verschwunden. Doch sei guten Mutes, Amelot!« sagte sie, »dies Haus ist fest genug, einen noch schwereren Sturm auszuhalten, und wenn alle Menschen Euren Herrn in Wunden verlassen, so ist es um so mehr die Sache Eveline Berengers, ihren Befreier zu pflegen und zu beschützen.«


 << zurück weiter >>