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(Fortsetzung.)
Wir verließen Allan Fairford auf dem Verdeck der kleinen Schmuggler-Brigg in dem trostlosen Zustande, den Krankheit und Ekel bei einem fieberisch erhitzten Menschen von ängstlichem Gemüthe hervorbringen. Die Seekrankheit war indessen bei ihm nicht so stark, daß sie ihn völlig der Empfindung beraubt oder seine Aufmerksamkeit gänzlich von dem abgewandt hätte, was um ihn vorging. Wenn er über die Schnelligkeit und Beweglichkeit, womit »die kleine Fregatte« die Wogen durchschnitt, sich nicht freuen oder auf die Schönheit der Seeansichten um ihn her nicht Acht haben konnte, wo der entfernte Skiddaw sein Haupt erhob, gleichsam der in Wolken gehüllten Spitze des Criffels zum Trotz, der die schottische Seite der Solway-Mündung beherrschte, so hatte er doch Kraft und Besonnenheit genug, um dem Schiffskapitän, von dessen Charakter nach aller Wahrscheinlichkeit seine eigene Sicherheit abhing, eine besondere Aufmerksamkeit zu erweisen.
Nanty Ewart hatte das Steuerruder einem seiner Leute gegeben, – einem kahlköpfigen, alten Mann mit grauen Augenbrauen, der sein ganzes Leben damit hingebracht hatte, die Zollgesetze zu umgehen, und hie und da ein paar Monate Gefängnißstrafe auszuhalten, wegen Mißhandlung von Zollbeamten, Widersetzung gegen Beschlagnahme von Waaren u. dgl.
Nanty setzte sich bei Fairford nieder, brachte ihm noch zu seinem Thee andere Erfrischungen, die er für passend hielt, und schien in seiner Art aufrichtig bemüht, dessen Lage so angenehm zu machen, als die Umstände es zuließen. Fairford hatte auf diese Weise Gelegenheit, seine Gesichtszüge und sein Benehmen näher zu betrachten. Offenbar war Ewart, obgleich ein guter Seemann, doch nicht für dieses Element erzogen. Er war ziemlich gut unterrichtet, und schien es auch gern zu zeigen, denn er kam wieder auf den Sallust und Juvenal zurück; während auf der andern Seite seemännische Ausdrücke selten in die Unterredung hineinkamen. Von Person war er ein kleiner, artiger Mann, aber die tropische Sonne hatte seine ursprünglich schöne Gesichtsfarbe in ein Dunkelroth verwandelt, und die Galle, die sich oft durch sein Blut ergoß, hatte etwas schwarzgelbes hineingemischt, besonders war der weiße Theil des Auges so dunkel, als ein Topas. Er war sehr dünne, oder vielmehr abgemagert, und sein ganzes Wesen, wenn es gleich noch immer Gewandtheit und Thätigkeit zeigte, bewies doch wegen des übertriebenen Gebrauchs seines Lieblingsreizmittels, einen erschöpften Körperzustand.
»Ihr sehet mich scharf an,« sagte er zu Fairford. »Wäret Ihr ein so verdammter Zollaufseher, meine Hunde würden Euch bald genug gepackt haben.« Er schlug sein Oberkleid auseinander, zeigte Allan ein paar Pistolen zwischen diesem und der Weste, und legte zugleich seinen Finger auf den Hahn der einen. »Aber lassen wir das, Ihr seid ein ehrlicher Kerl, obgleich ziemlich verschlossen. Ich wette, Ihr haltet mich für einen seltsamen Menschen, aber ich kann Euch sagen, die, welche das Schiff den Hafen verlassen sehen, wissen wenig von den Gewässern, die es durchsegeln wird. Mein Vater, ein rechtschaffener, alter Herr, hätte wohl nie daran gedacht, mich als Befehlshaber der springenden Jenny zu sehen.«
Fairford äußerte, Mr. Ewarts Erziehung scheine weit über seiner jetzigen Beschäftigung zu stehen.
»Die mich nur vom Criffel nach den Solway-Morästen führt,« sagte der andere. »Ja, Freund, ich hätte sollen ein Ausleger des Worts werden, mit einer Perrücke, wie ein Schneekranz und einer Besoldung von – von – von 100 Pfund Sterling des Jahrs, denke ich. Ich kann aber, obgleich in meiner jetzigen Stellung, dreimal so viel ausgeben.« Hier sang er einen Vers aus einem alten northumbrischen Liede, indem er dabei die Bewegungen der Landes-Einwohner nachmachte:
»Willy Förster ging auf die See,
Silberne Schnallen an seinem Knie,
Er kommt zurück, und freiet mich,
Der ehrliche Willy Forster.«
»Ich zweifle nicht,« sagte Fairford, »daß Eure jetzige Beschäftigung einträglicher ist; ich sollte aber denken, die Kirche würde Euch – –«
Er hielt inne und bedachte sich, daß er hier nichts Unangenehmes sagen dürfe.
»Eine ehrenvollere verschafft haben, meint Ihr?« sagte Ewart höhnisch, und spritzte den Tabakssaft durch seine Vorderzähne; dann schwieg er einen Augenblick, und fuhr dann in einem Tone von Aufrichtigkeit, die aus einer innern Gewissensregung hervorging, fort; »ja, wahrhaftig, und eine tausendmal glücklichere dazu, ob ich gleich auch so meine vergnügten Stunden gehabt habe. Mein Vater (Gott segne den alten Mann!) war ein achter Sprosse von dem alten presbyterianischen Stamm, ging in seiner Pfarre umher, wie ein Kapitän auf seinem Hinterverdeck, und war stets bereit, zu Armen und zu Reichen zu gehen. Der Laird zog seinen Hut so rasch vor dem geistlichen Herrn ab, und der arme Mann seine Mütze. Wenn das Auge ihn sah – puh! Was hab' ich jetzt damit zu schaffen? – Er war in der That, wie Birgit sagt: Ein Mann, groß an Weisheit und Frömmigkeit. Aber er wäre wohl noch weiser gewesen, wenn er mich zu Hause behalten hätte, statt mich in meinem neunzehnten Jahre auf die Universität zu schicken, um die Gottesgelahrtheit zu studiren. Das war ein verdammter Mißgriff von dem alten Manne. Ja, und Mrs. Cantrips von Kittlebasket (denn anders schrieb sie sich gar nicht) war unsere Cousine im fünften Grad; die nahm mich deßhalb in Kost und Wohnung um sechs Schillinge die Woche, anstatt um sieben; das war eine schlechte Ersparniß, wie sich nachher auswies. Doch ihr würdevolles Wesen hätte mich in Ordnung erhalten können, denn sie las nie ein Kapitel in der Bibel, außer in der Cambridger Ausgabe bei Daniel gedruckt, und in gestickten Sammt gebunden. Mir ist's, als sähe ich sie noch! Und Sonntags, wenn wir statt Buttermilch ein Quart Zweipfennig-Bier zu unserer Suppe bekamen, wurde es immer in einem silbernen Kruge aufgesetzt. Sie hatte auch eine in Silber gefaßte Brille, während die meines Vaters nur in Horn gefaßt war. Diese Dinge machten anfangs ihren Eindruck, doch gewöhnten wir uns bald an den Glanz. Nun, Sir! – O Himmel! ich kann in meiner Geschichte fortfahren, es steckt mir im Halse, ich muß es in der That hinabflößen. Nun also, diese Dame hatte eine Tochter – Jeß Cantrips, ein schwarzäugiges, stattliches Ding – und als ob's der Teufel hätte so haben wollen, da war die verdammte Treppe zum fünften Stock, und ihr Fuß kam nie davon weg, ich mochte nun aus dem Collegium kommen, oder dahin gehen. Ich wäre ihr gern ausgewichen, Sir, gern bei meiner Seele! Denn ich war ein so unschuldiger Junge, als je einer von Lammerumir kam; da war aber keine Möglichkeit, zu entkommen, mich zurückzuziehen, oder zu fliehen, wenn ich nicht ein Paar Flügel bekam, oder eine Leiter erhielt, sieben Stock hoch, um durch's Fenster in meine Dachkammer hineinzukommen. Doch was soll ich Euch weiter erzählen? – Ihr wißt schon, wie all das enden mußte, ich würde das Mädchen geheirathet und mein Heil versucht haben, beim Himmel! das würde ich, denn sie war ein artiges und gutes Mädchen, bis sie und ich zusammen, Ihr kennt ja aber das alte Lied: Die Kirch' würd' uns nicht lassen sein. Ein wohlhabender Mann an meiner Stelle würde die Sache mit dem Kirchenschatzmeister um ein geringes Geld abgemacht haben, aber der arme Schlucker, der nicht einen Pfennig daran zu wenden hatte, und seine Cousine von Kittlebasket geheirathet hätte, würde durch Besteigung des presbyterianischen Bußthrons in Kurzem ihre Schwäche dem ganzen Kirchspiel haben verkündigen, und wie Othello sagt, im Angesichte der ganzen Versammlung, »seine Geliebte für eine H..e erklären müssen.«
»In dieser entsetzlichen Verlegenheit wagte ich nicht zu bleiben, wo ich war, und gedachte, heim zu meinem Vater zu gehen. Vorher aber trug ich Jack Hadaway, einem Burschen aus dem nämlichen Kirchspiele, und der im nämlichen höllischen Stockwerk mit mir wohnte, auf, ein wenig nachzuforschen, wie der alte Herr die Sache aufgenommen habe. Bald vernahm ich zu großer Vermehrung meiner tröstlichen Betrachtungen, daß der gute, alte Mann einen solchen Lärmen gemacht hatte, als ob seit Adams Zeiten Niemand noch sein Mittagsmahl ohne Dankgebet zu sich genommen habe. Sechs Tage lang rief er aus: Ischabod! Ischabod! der Ruhm ist gewichen von meinem Hause; und am siebenten hielt er eine Predigt, worin er sich über den Vorfall als über eine der großen Aufforderungen zur Demüthigung vor dem Herrn und als über eine Art von National-Vergehen ausbreitete. Ich hoffe, dieß trug zu seinem eigenen Troste bei, ich aber schämte mich so, daß ich meine Nase nicht in das Haus meines Vaters stecken wollte. Ich ging deßhalb nach Leith, vertauschte meinen groben, grauen Rock, wozu meine Mutter selbst das Garn gesponnen hatte, gegen eine Jacke wie diese, ließ meinen Namen in's Schiffsregister einschreiben, und segelte nach Plymouth, wo sie gerade ein Escadre nach Westindien ausrüsteten. Hier kam ich an Bord des Fearnought, Kapitän Daredevil, unter dessen Mannschaft ich bald den Teufel, das Schrecken meiner frühern Jugend, so wenig fürchten lernte, als den stärksten Schiffjungen. Anfangs regten sich einige Gewissensbisse, aber ich nahm das Gegenmittel (hier zeigte er auf seine Flasche), welches ich Euch empfahl, und das für Seelenkrankheit so gut ist, als für Magenkrankheit. Was? Ihr wollt nicht? Nun denn, so muß ich; auf Eure Gesundheit!«
»Ihr werdet, fürchte ich, Eure Erziehung in Eurer neuen Lage von geringem Nutzen befunden haben,« sagte Fairford.
»Verzeiht, Sir,« erwiderte der Kapitän der springenden Jenny; »mein Bischen Latein und Griechisch nützte mir freilich so wenig, als ein altes Stück Tau, aber mein Lesen, Schreiben und Rechnen kamen mir gut zu statten und brachten mich vorwärts. Ich wäre mit der Zeit Schulmeister, vielleicht noch etwas mehr geworden, aber dieser mächtige Trank, der Rum, besiegte mich zu oft, und so kam ich, mochte ich auch Segel aufsetzen, so viel ich wollte, doch nie recht von der Stelle. Vier Jahre brachten wir in dem glühenden Himmelsstrich zu, und ich kam endlich zurück mit ein wenig Prisen-Geld, und hatte noch den Gedanken, meine alte Universitätsgeschichte in Ordnung zu bringen und mich mit meinem Vater zu versöhnen. Ich fand Jack Hadaway, der mit einem Dutzend erbärmlicher Schuljungen die griechischen Conjugationen ableierte und eine hübsche Anzahl Geschichten in Bereitschaft hatte, um mich damit zu bewirthen. Mein Vater hatte über das, was er meinen Abfall nannte, sieben Sonntage gepredigt, und eben, als seine Pfarrkinder zu hoffen begannen, daß der Strom nun zu Ende sein werde, wurde er am 8ten Sonntag Morgens todt in seinem Bett gefunden. Jack Hadaway versicherte, daß ich, um durch das Schicksal des ersten Märtyrers meine Irrthümer abzubüßen, nur in meinen Geburtsort gehen dürfe, wo die Steine in den Straßen sich gegen mich, als den Mörder meines Vaters, erheben würden. Hier war aber auch ein hübsches, – nun, die Zunge blieb mir eine Stunde im Munde stille, und war am Ende nur fähig, Mrs. Cantrips herauszubringen. Dieß war wieder neuer Grund, zu meinem Tröster Zuflucht zu nehmen. Meine plötzliche Abreise, meines Vaters eben so plötzlicher Tod hatte die Zahlung der Rückstände von meinem Kostgelde verhindert; der Wirth war ein Krämer, und sein Herz so verfault, als die Baumwollenwaare, womit er handelte. Ohne Rücksicht auf ihr Alter oder die Art der Verwandtschaft, wurde Mylady Kittlebasket aus ihrer lustigen Wohnung herausgeworfen, ihre Suppenschüssel, ihr silberner Bierkrug, ihre mit Silber eingefaßte Brille und ihre Cambridger Bibel von Daniel wurden am Gerichtshof von Edinburgh an Meistbietenden verkauft, und sie selbst in's Arbeitshaus gebracht, wohin sie freilich sehr ungern ging; völlig draus erlöst, wie es ihre Freunde nur wünschen konnten, wurde sie aber, nämlich durch den Tod. Angenehme Zeitungen für mich, der ich der verdammte (er hielt einen Augenblick an) Origo mali gewesen war. Der beste Spaß war aber noch zurück; ich hatte gerade noch Kraft, den Namen Jeß herauszustammeln, und meiner Treu, er hatte auch dafür eine Antwort! Ich hatte die Jeß einen Handel gelehrt, und als ein kluges Mädchen hatte sie einen zweiten für sich ausgefunden; unglücklicher Weise waren aber beide Contreband, und Jeß Cantrips, Tochter der Lady Kittlebasket, hatte die Ehre, wegen Umherstreichens auf den Straßen und Taschen-Ausleeren ungefähr 6 Monate, ehe ich das Ufer betrat, nach den Kolonien transportirt zu werden.
Er änderte den bittern Ton des affektirten Scherzes, und versuchte zu lachen; dann fuhr er mit seiner braunen Hand über seine braunen Augen und sagte in einem natürlichen Tone: »Arme Jeß!« Hier entstand eine Pause, bis Fairford in Mitleiden über des armen Mannes Seelenzustand, und in der Ueberzeugung, daß etwas in ihm sei, was ohne den frühen Irrthum und die darauf folgende Verworfenheit zu etwas Ausgezeichnetem und Edlem hätte heranwachsen können, die Unterredung durch die im Tone des Mitleids ausgesprochene Frage fortzuführen suchte, »wie er denn eine solche Last von Elend habe ertragen können.«
»Gut, sehr gut,« antwortete der Seemann; »ausnehmend gut, wie ein starkes Schiff einen plötzlichen Windstoß; laßt mich ein wenig besinnen! – Ich erinnere mich, daß ich dem Jack für seine interessanten und angenehmen Nachrichten sehr gefaßt dankte, zog dann meinen Beutel heraus mit meinem Schatz von Goldstücken, nahm zwei Stücke heraus, und bat Jack, den Rest aufzubewahren, bis ich wieder käme, denn ich wollte nach Alt-Reckie fahren; der arme Teufel sah angstvoll aus, aber ich schüttelte ihm die Hand, und rannte die Treppe hinab in solcher Verwirrung, daß ich trotz dem, was ich gehört hatte, bei jedem Schritte Jeß zu sehen hoffte.«
»Es war Markttag, und die gewöhnliche Menge Landstreicher und Narren hatte sich bei dem Gerichtsgebäude versammelt. Ich sah, daß Jedermann verwundert auf mich sah, und ich glaubte, einige hätten gelacht. Ich mag wohl auch sonderbare Gesichter genug geschnitten, und vielleicht mit mir selbst gesprochen haben. Als ich mich so behandelt sah, streckte ich die geballten Fäuste gerade vor mich hin, den Kopf vorwärts, und rannte nun wie ein Bock, wenn er einen Gang machen will, gerade die Straße hinab, stieß Gruppen von alten Lairds und Bürgern in Perrücken auseinander, und streckte Alles vor mir nieder. Ich hörte den Ruf: »haltet den Rasenden!« und die Stadtwache wiederholte ihn, aber Verfolgung und Widerstand waren vergebens. Ich verfolgte meinen Lauf, der Seeduft, glaube ich, führte mich nach Leith, wo ich mich bald nachher wieder fand, ganz ruhig am Ufer auf und ab spazierend, um das straffe Tauwerk der Schiffe zu bewundern, wobei ich daran dachte, wie eine Schlinge mit Einem, der darin hänge, wie eine Quaste sich ausnehmen würde.
»Ich befand mich an dem Versammlungsort der Matrosen, früher schon mein Zufluchtsort, ich stürzte hinein, fand eine oder zwei alte Bekanntschaften, machte ein halbes Dutzend neue, trank zwei Tage lang, ging dann an Bord eines kleinen Schiffes, – hin nach Porthmouth, und wurde dann in einem artigen, hitzigen Fieber an's Land in das Haslaar-Hospital gebracht. Was thuts? – Ich wurde besser – nichts kann mich umbringen– ich kam abermals nach Westindien, und da ich in der andern Welt noch nicht dahin kam, wohin ich zu kommen verdiente, so kam ich schon in dieser in ein Quartier, das schwarze Teufel zu Einwohnern, Flammen und Erdbeben u. s. w. zur Unterhaltung hatte. Nun, Bruder, ich that oder sagte etwas, ich kann nicht sagen, was – wie Teufels sollte ich auch, denn ich war betrunken, wie Davids Sau, Eine sprichwörtliche Redensart für eine starke Betrunkenheit, Die Frau eines gewissen David Cloyb, welcher eine sechsfüßige Sau im Stalle hatte, war dem Trunke sehr ergeben, weßhalb sie oft von ihrem Manne gezüchtigt wurde. Eines Tages ging sie völlig betrunken an den Stall. ließ die Sau heraus, und legte sich hinein, um der Züchtigung zu entgehen; unglücklicher Weise kam aber eine Gesellschaft um die berühmte Sau zu sehen; als die Thüre des Schweinstalls geöffnet wurde, sah man die Frau darin liegen, die von nun an Davids Sau hieß. Ihr wißt schon? Aber ich wurde gestraft, mein Junge, denn man ließ mich das Madchen küssen, das nicht spricht, als wenn es böse ist, und das ist des Kanoniers Tochter, Ein bei den Matrosen gewöhnlicher Ausdruck für eine Art von Züchtigung. Kamerad. Ja, des Predigers Sohn von – ich weiß nicht mehr, woher, – hat das Kratzen der Katze aus seinem Rücken. Dieß brachte mich auf, und als wir am Ufer waren, stieß ich nach einem heftigen Streite dem Burschen, den ich am meisten haßte, das Messer drei Zoll tief in den Leib, und flüchtete mich in den Wald. Es gab da eine Menge wilder Kerle an der Küste, und mag's wissen, wer es will, ich machte gemeinschaftliche Sache mit ihnen, seht Ihr – segelte unter der schwarzen Flagge und den Todtenbeinen, – war gut Freund mit der See und Feind Allem, was darauf schiffte.«
Obgleich es Fairford als einem Rechtsgelehrten nicht wohl bei der Sache war, sich mit einem so gesetzlosen Menschen in naher Verbindung zu sehen, hielt er es doch für das Beste, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und fragte Mr. Erwart so unbefangen als möglich, »ob er als Räuber glücklich gewesen sei?«
»Nein, beim Teufel! nein,« erwiderte Nanty; »ich konnte kein Stückchen Butter gewinnen, mir das Brod zu schmieren. Es war keine Ordnung unter uns, der, welcher heute Kapitän war, mußte morgen das Schiff fegen, und was die Beute betrifft, sie sagen, der alte Avery und ein paar andere Erzknicker hätten sich Geld gemacht; zu meiner Zeit ging aber Alles wieder fort, und zwar aus gutem Grunde, denn wenn so ein Bursche sich fünf Thaler erspart hätte, so würden sie ihm in seiner Hängematte den Hals abgeschnitten haben. Und dann war es immer ein grausames, blutiges Handwerk. – Pah! ich will nichts mehr davon sagen. Ich brach endlich mit ihnen, denn was sie einmal an Bord einer Schnaue thaten, – nun ich will nichts sagen – schlecht genug war's, denn es schauderte mich. Ich nahm in der Stille Abschied, benutzte die Amnestie, und war von der ganzen Sache los. Und so sitze ich nun hier, als Steuermann der springenden Jenny, einer Nußschale von einem Schiffe, aber sie geht durch das Wasser, wie ein Delphin. Wenn der heuchlerische Schurke zu Annan nicht wäre, der den größten Vortheil und keine Gefahr dabei hat, so stünde es um mich so gut, als ich's bedarf. Hier ist kein Mangel an meinem besten Freunde,« dabei wies er auf seine Branntweinflasche, »aber ich will Euch ein Geheimniß sagen, er und ich sind so gut mit einander bekannt worden, daß ich ihn allmälig wie einen Spaßmacher von Profession ansehe, der Euch zum Lachen bringt, daß Euch die Seite schmerzt, wenn Ihr ihn nur hie und da seht; wohnt Ihr aber in einem Hause mit ihm zusammen, so macht er Euch nur den Kopf dumm. Ich wette aber, der alte Bursche thut endlich noch das Beste für mich, was er thun kann.«
»Und was ist dieses?« sagte Fairford.
»Er tödtet mich, und es thut mir nur leid, daß es so lange dauert.«
So sprach er, sprang auf seine Füße, lief auf dem Verdeck hin und her, und gab seine Befehle mit der gewöhnlichen, Deutlichkeit und Bestimmtheit, trotz der beträchtlichen Menge Branntwein, die er allmälig während seiner Geschichte zu sich genommen hatte.
Obgleich Fairford sich nicht weniger als wohl fühlte, versuchte er doch, aufzustehen und nach dem Vordertheil der Brigg sich zu begeben, sowohl um des schönen Anblicks zu genießen, als auch um den Lauf, den die Brigg nähme, sich zu merken. Zu seinem großen Erstaunen ging das Schiff, anstatt querüber nach dem entgegengesetzten Ufer zu steuern, den Fluß hinab, und anscheinend in das irische Meer hinaus. Er rief Nanty Ewart herbei, drückte sein Erstaunen darüber aus, und fragte, »warum sie nicht gerade hinüber nach einem Hafen in Cumberland steuerten?«
»Warum? das ist einmal eine vernünftige Frage,« erwiderte Nanty; »als ob ein Schiff so gerade in seinen Hafen einlaufen könnte, wie ein Pferd in den Stall; oder als wenn ein Schleichhändler den Solway so sicher durchschiffen könnte, als ein königlicher Kutter! Warum? das will ich Euch sagen, Bruder. – Wenn ich nicht einen Rauch aufsteigen sehe von Bowneß, das ist das Dorf dort an dem Vorgebirge, muß ich 24 Stunden wenigstens in See bleiben, denn wir müssen das Wetter darnach messen, ob die schlauen Füchse fort sind.«
»Und wenn Ihr das Signal der Sicherheit sehet, Meister Ewart, was ist dann zu thun?«
»Nun dann, in diesem Falle muß ich die Nacht abwarten, und dann setze ich Euch nebst den Fässern und dem andern Gerumpel an's Land bei Skinburneß.«
»Und werde ich dann den Land treffen, für den ich den Brief hier habe?« fuhr Fairsord fort.
»Das,« sagte Ewart, »wird sich hernach ausweisen; das Schiff hat seinen Lauf, der Schleichhändler seinen Hafen; aber es ist nicht so leicht zu sagen, wo man den Land finden kann; aber mehr als 20 Meilen auf oder ab, kann er nicht von hier sein, und es wird meine Sorge sein, Euch zu ihm zu führen.«
Fairford konnte dem Schauder nicht widerstehen, der ihn durchzuckte, wenn er sich erinnerte, daß er so ganz in der Gewalt eines Mannes sei, der nach seinem eigenen Geständnisse ein Seeräuber, und aller Wahrscheinlichkeit nach ein Geächteter und ein Schleichhändler war. Nanty Ewart vermuthete die Ursache seines unwillkürlichen Schauders.
»Was, zum Henker! würde ich gewinnen,« sagte er, »wenn ich eine so niedere Karte, als Ihr seid, in der Hand behielte? Hab' ich nicht schon manches Trumpf-Aß in der Hand gehabt, und ehrlich wieder ausgespielt? Ja, die springende Jenny kann auch etwas Anderes tragen, als Fässer. Setzet nur vor Ewart ein S und ein T, und buchstabirt es zusammen. Versteht Ihr mich jetzt?«
»Wahrhaftig nicht,« sagte Fairford; »ich weiß durchaus nicht, worauf Ihr anspielt.«
»Nun, beim Jupiter! du bist entweder der unergründlichste oder der dümmste Bursche, den ich je gesehen habe, – oder es ist mit dir nicht richtig. Ich wundere mich, wie Summertrees so ein zärtliches Ding längs dem Ufer aufgabeln konnte. Wollt Ihr mich seinen Brief sehen lassen?«
Fairford nahm keinen Anstand, seinen Wunsch zu erfüllen, dem er, wie er wohl merkte, nicht füglich widerstehen konnte. Der Befehlshaber der springenden Jenny blickte sehr aufmerksam die Aufschrift an, drehte dann den Brief hin und her, untersuchte genau jeden Federzug, als ob er eine gezierte Handschrift beurtheilen wollte; dann händigte er den Brief Fairford wieder ein, ohne eine einzige Bemerkung.
»Nun, ist es jetzt richtig mit mir?« fragte der junge Rechtsgelehrte.
»In der Hinsicht, ja,« antwortete Nanty; »mit dem Briefe hat es seine völlige Richtigkeit; ob aber Ihr richtig daran seid oder nicht, das ist Eure Sache mehr, als die meinige.« Er schlug hierauf mit einem Messerrücken an einen Feuerstein, zündete eine Cigarre an, so dick als sein Finger, und begann mit großer Emsigkeit zu rauchen.
Allan Fairford hörte nicht auf, ihn mit schwermüthigen Blicken zu betrachten, getheilt zwischen dem Interesse, das er an dem unglücklichen Manne nahm, und einer sehr natürlichen Besorglichkeit wegen des Ausganges seines eigenen Abenteuers.
Trotz der betäubenden Kraft seines Zeitvertreibs schien Ewart doch zu errathen, was in der Seele seines Passagiers vorging, denn nachdem sie eine Zeitlang schweigend einander betrachtet hatten, warf er plötzlich seine Cigarre aus das Verdeck hin und sagte: »Wohlan denn, wenn Ihr um mich bekümmert seid, so bin ich es um Euch; der Henker hole mich, wenn ich seit den 2 Jahren, da ich Jack Hadaway zum Letztenmale sah, mich um irgend ein Menschenkind bekümmerte. Der Mensch war so fett geworden, wie ein norwegischer Wallfisch, hatte eine große, dicke Holländerin geheirathet, die ihn mit 6 Kindern beschenkt hatte. Ich glaube, er kannte mich nicht, und dachte, ich wolle ihn berauben; indeß nahm ich eine demüthige Miene an, und sagte ihm, wer ich wäre. Der arme Jack würde mir Obdach und Kleider gegeben haben, und sprach von meinen Goldstücken, die in der Bank lägen, wenn ich sie bedürfte. O Himmel! wie stimmte er den Ton um, als ich ihm meinen Lebenslauf erzählte, und daß er mir mein Geld herausgeben sollte, um mich los zu sein. Nie sah ich ein so verstörtes Gesicht, sagte ihm aber, es sei Alles nur ein Schnack, die Goldstücke seien alle sein, von nun an bis in Ewigkeit, und so rannte ich hinweg. Ich befahl einem unserer Leute, ihm eine Kiste Thee und ein Faß Branntwein zurückzulassen; dann erst verließ ich den armen Jack. Ich glaube, Ihr seid in 10 Jahren die zweite Person, für die Nanty Ewart etwas mehr gegolten hat, als ein Tabaksstopfer.«
»Vielleicht, Mr. Ewart, lebt Ihr hauptsächlich mit Menschen, die zu sehr für ihre eigene unmittelbare Sicherheit besorgt sind, um viel an das Unglück Anderer zu denken.«
»Und mit wem lebt Ihr denn,« erwiderte Nanty scharf. »Wie mit Verschwörern, die zu keinem bessern Ende es bringen mit ihren Verschwörungen, als zum Galgen; mit Brandstiftern, welche die Funken mit nassem Zunder auffangen. Ihr mögt ebensowohl ein Grunzen von einem todten Schweine hören, als Unterstützung erhalten aus Wales oder Cheshire. Ihr denkt, weil da ein Topf siedet, müsse Euer Schaum nun oben auf kommen. Ich weiß das besser, beim – –! All' dieß Getöse und diese Aufstände, die nach Eurer Meinung Euch die Bahn brechen sollen, haben auf Eure Angelegenheit gar keine Beziehung, und das beste Mittel, dem ganzen Reich auf einmal zur Einigkeit zu verhelfen, wäre das Gerücht eines solchen Unternehmens, worein sich die alten, tollen Gesellen einlassen wollen.«
»Ich bin in der That nicht in solchen Geheimnissen, worauf Ihr anzuspielen scheint,« sagte Fairford; und mit einem Lächeln setzte er, entschlossen, Nanty Ewarts mittheilende Stimmung zu gleicher Zeit möglichst zu benützen, hinzu: »Und wenn ich es wäre, so würde ich es nicht für klug halten, sie so sehr zum Gegenstand des Gesprächs zu machen. Aber ich bin überzeugt, solche kluge Leute, wie Summertrees und der Laird, werden wohl Briefe wechseln ohne Gefahr für den Staat.«
»Ich verstehe, Freund, ich verstehe,« sagte Nanty Ewart, bei welchem endlich doch die genossene Flüssigkeit und der Tabaksdampf eine bedeutende Aenderung hervorzubringen schienen. »Worüber die beiden Herren korrespondiren? die Frage können wir übergehen, pflegte unser alter Professor zu sagen; und was Summertrees betrifft, so sage ich nichts, denn ich kenne ihn als einen alten Fuchs. Aber der Laird ist ein Feuerbrand in dem Lande, der alle ehrlichen Leute aufregt, die ihr Glas Branntwein in Ruhe trinken sollten; der erzählt ihnen Geschichten von ihren Vorfahren und vom Jahre fünfundvierzig, sucht alles Wasser auf seine Mühle zu leiten, und spannt seine Segel nach allen Winden auf. Und weil das Volk zu London wegen einiger Lasten und Beschwerden murrt, so glaubt er, er dürfe nur den Finger aufheben, um sie für seine Sache zu gewinnen. Auch bekommt er von Einigen Aufmunterung, weil sie seiner Geldspenden bedürfen, und von Andern, weil sie für die nämliche Sache fochten, und sich schämen, zurückzutreten; von Andern, weil sie nichts zu verlieren haben; und endlich von Narren, die mit Allem unzufrieden sind. Wenn er aber Euch oder irgend Jemand, ich sage nicht wen, in diesen Handel verwickelt hat, durch die Hoffnung, daß irgend etwas Gutes herauskommen soll, so ist er eine verdammte Lockente, und das ist Alles, was ich von ihm sagen kann; Ihr aber seid eine Gans, und dieß ist schlimmer, als eine Lockente oder eine lahme Ente Lahme Ente; so nennen die Stockjobbers diejenigen Spieler, welche durch übertriebene Spekulationen sich zu Grunde gerichtet haben. Hier ist es also sprichwörtlich von Jemand zu verstehen, dessen Unternehmen mißglückt ist. zu sein. Hier wird nur auf das Wohl König Georgs III. und der wahren, presbyterianischen Religion, und auf das Verderben des Papsts, des Teufels und des Prätendenten getrunken! Ich sage Euch etwas, Mr. Fairford; ich bin nur zum zehnten Theil Eigenthümer des kleinen Dings hier, der springenden Jenny, nur zum zehnten Theile, und muß segeln, wenn die andern Eigenthümer wollen. Wenn ich aber ganzer Eigenthümer desselben wäre, ich würde diese kleine Brigg nicht zur Fähre Eures alten, jakobitischen Gesindels machen, Mr. Fairford, – ich würd´ es nicht thun, meiner Seel´; sie sollten auf´s Brett treten, Auf das Brett treten ist soviel, als an den Galgen kommen, weil der Verurtheilte auf ein Brett treten muß, das nachher unter ihm weggezogen wird. bei den Göttern, wie ich es von bessern Leuten gesehen habe, als ich noch unter einer gewissen Farbe segelte. Da es aber Contreband ist, und an Bord meines Schiffes, und ich den Befehl, wie ich segeln soll, in der Hand habe, so muß ich sie dahin bringen, wohin sie bestimmt sind. – Nun, John Roberts, hebt ein wenig das Steuer! – Und so, Mr. Fairford, was ich thue, das thue ich nur, wie der verdammte Schurke Turnpenny sagt, im Geschäftswege.«
Er hatte die letzten fünf Minuten nur mit Schwierigkeit gesprochen, und fiel jetzt der Länge nach auf´s Verdeck hin, durch die Menge der eingenommenen geistigen Getränke endlich zum Schweigen gebracht, ohne jedoch eine Spur von der Fröhlichkeit oder Ausgelassenheit eines Berauschten gezeigt zu haben.
Der alte Matrose kam vorwärts und schlug einen Schiffermantel um die Schultern des Schlafenden, blickte auf Fairford und sagte: »Schade um ihn, daß er diesen Fehler haben muß; denn ohne ihn würde er ein so wackrer Bursche sein, als jemals einer mit Rindsleder auf dem Verdecke umherging.«
»Und was müssen wir denn thun?« sagte Allan Fairford.
»Laviren, um sicher zu gehen, bis wir das Zeichen sehen, und dann dem weitern Befehle gehorchen.«
So sprach der alte Mann, kehrte zu seinem Geschäft zurück, und überließ es dem Passagiere, sich an seinen eigenen Gedanken zu ergötzen, kurz darauf sah man eine lichte Rauchsäule von dem kleinen Vorgebirge aufsteigen.
»Jetzt kann ich Euch sagen, Herr, was wir zu thun haben,« sagte der Matrose, »wir halten jetzt die See und laufen dann mit der Abendfluth bei Skinburneß ein; oder wenn dort kein Licht ist, segeln wir in den Wampool-Fluß, und setzen Euch bei Kirkbride oder Leaths mit dem langen Boot an´s Land.«
Fairford, schon vorher unwohl, sah ein, daß dieß ihn noch auf einige Stunden zu dem leidenden Zustand verdamme, welchen sein zerrütteter Magen und sein schmerzhaft angegriffener Kopf nur mit Mühe ausdauern würden. Hier gab es aber kein Gegenmittel, als Geduld und die Erinnerung, daß er für seinen Freund leide. Als die Sonne höher stieg, wurde ihm schlimmer, und sein Geruchsinn schien einen krankhaften Grad von Schärfe zu erhalten, nur um die verschiedenen Gerüche, von denen er umgeben war, von dem Pechgeruch an, bis zu den zusammengesetzten Gerüchen der Schiffsladung, desto besser einzuziehen und zu unterscheiden. Sein Herz schlug bei der Hitze heftig, und er fühlte, daß ein heftiges Fieber in vollem Anzuge sei.
Die Seeleute, die, soweit es ihr Beruf erlaubte, sehr höflich und aufmerksam waren, bemerkten sein Leiden, und der Eine war bemüht, ihm einen Sonnenschirm aus einem alten Segel zu machen, während ein Anderer ihm Limonade bereitete, das einzige Getränk, zu dessen Genuß man ihn bewegen konnte. Nachdem er diese getrunken hatte, fiel er in einen, obwohl nicht erquickenden Schlummer.