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Wenn unser Freund, Alexander Fairford, die Folgen vorausgesehen hätte, welche die plötzliche Flucht seines Sohnes, die wir am Ende des vorigen Kapitels erwähnten, nach sich zog, so hätte leicht die Prophezeihung des verständigen alten Richters in Erfüllung gehen, und er um seinen Verstand kommen können. Doch auch so war es ihm schon arg genug zu Muth. Sein Sohn, der um zehn Grad in seiner Meinung dadurch gestiegen war, daß er ein juristisches Talent gezeigt hatte, welches ihm den Beifall der Richter und der Rechtsgelehrten verschaffte, welcher seiner Ansicht nach so viel Werth hatte, als der der ganzen übrigen Welt; sein Sohn also gab ihm jetzt ein volles Recht zu dem hohen Schätzungswerthe, den selbst seine väterliche Parteilichkeit sich von Allans Anlagen gemacht hatte. Auf der anderen Seite aber fühlte er sich selbst, einer Verheimlichung wegen, die er gegen den Sohn seiner Hoffnungen und seiner Wünsche angewandt hatte, etwas gedemüthigt.
Am Morgen des verhängnißvollen Tages hatte nämlich Mr. Alexander Fairford von seinem Correspondenten und Freunde, dem Provost Crosbie von Dumfries, einen Brief folgenden Inhalts erhalten:
»Mein werther Herr!«
»Ihre geehrte Zuschrift vom 25. v. M. durch Güte des Herrn Darsie Latimer ward mir richtig zugestellt, und ich erwies dem jungen Gentleman so viel Aufmerksamkeiten, als er anzunehmen für gut fand. Der Zweck meines gegenwärtigen Schreibens ist zweifach. Erstlich glaubt der Magistrat, es sei jetzt Zeit, die Sache mit der Mahl- und Mühlen-Gerechtigkeit in Anregung zu bringen; er glaubt mit Beweisen noviter repertum Sie in den Stand setzen zu können, den Rechten und dem Gebrauch der Stadt hinsichtlich der grana invecta et illata eine größere Ausdehnung verschaffen zu können. Betrachten Sie sich also als bevollmächtigt, mit Herrn Pest darüber zu sprechen, und legen Sie ihm gütigst die Akten vor, welche Sie durch den Postwagen erhalten werden. Der Magistrat glaubt, zwei Guineen für Sporteln worden hinreichen, da Mr. Pest schon drei Guineen für die Original-Urkunde erhielt.
Ich benutze diese Gelegenheit, Sie zu benachrichtigen, daß unter den Fischern am Solway ein großer Aufruhr ausgebrochen ist, bei welchem sie nicht allein auf eine höchst eigenmächtige Weise die Pfahlnetze an der Mündung des Flusses zerstörten, sondern noch überdieß das Haus des Quäker Geddes (eines der Haupttheilnehmer an der Pfahlnetz-Fischfang-Gesellschaft) angegriffen und stark beschädigt haben. Bedauere hinzufügen zu müssen, daß der junge Mr. Latimer in den Streit verwickelt war, und daß seit der Zeit alle ferneren Nachrichten über ihn mangeln. Man spricht von einem Morde, doch mag das nur so gesagt sein. Da der junge Gentleman ziemlich unregelmäßig lebte, so lange er sich in dieser Gegend aufhielt, so wie er z. B. mehr als einmal meine Einladung zum Mittagessen ausschlug, um mit wandernden Bierfiedlern und solchem Volke im Lande herum zu streifen, so wollen wir hoffen, daß seine gegenwärtige Abwesenheit abermals die Folge eines Jugendstreichs ist; weil aber sein Diener sich bei mir nach seinem Herrn erkundigt hat, so hielt ich es für wohlgethan, Sie durch die Post davon in Kenntniß zu setzen. Nur noch so viel, daß unser Sheriff eine Untersuchung angestellt hat, und einen oder zwei von den Aufrührern in Verhaft nehmen ließ. Kann ich Ihnen in der Sache dienlich sein, indem ich entweder den Mr. Latimer als vermißt anzeige und eine Belohnung für denjenigen bestimme, der Nachrichten von ihm geben kann, oder sonst auf eine Weise, so werde ich Ihren werthen Befehlen gehorchen, da ich stets zu Ihren Diensten bereit, mich achtungsvoll nenne William Crosbie.«
Als Mr. Fairford diesen Brief empfangen und durchgelesen hatte, war sein erster Gedanke, ihn augenblicklich seinem Sohne mitzutheilen und sogleich eine Estaffete oder einen königlichen Gerichtsboten mit den nöthigen Vollmachten abzusenden, um die genauesten Nachforschungen nach seinem ehemaligen Gaste anzustellen.
Er wußte wohl, daß die Sitten der Fischer zwar rauh, aber doch nicht gerade wild und blutgierig sind; und man hatte Beispiele, daß sie sich einiger Personen, welche sich in ihren Schleichhandel mischen wollten, bemächtigt, und sie nach der Insel Man, oder nach einem Orte geschleppt hatten, wo sie einige Wochen gefangen gehalten wurden. Natürlicherweise mußte also Mr. Fairford über das Schicksal seines ehemaligen Hausgenossen sehr beunruhigt sein, und wäre der Augenblick minder wichtig gewesen, so hätte er sich gewiß selbst auf die Reise gemacht, oder würde seinem Sohne erlaubt haben, auf Nachforschungen nach seinem Freunde auszugehen.
Wiederum sah er wohl ein, daß des armen Peter Peebles Prozeß vielleicht sine die aufgehoben würde, wenn der Brief in die Hand seines Sohnes käme. Er kannte die gegenseitige schwärmerische Zuneigung der jungen Leute, und mußte wohl einsehen, daß die Kenntniß von der gefährlichen Lage seines Freundes Latimer seinen Sohn nicht allein unwillig, sondern sogar unfähig machen würde, sich der Pflichten, welche ihm diesen Tag oblagen, zu entledigen, worauf doch der alte Gentleman einen so großen Werth legte.
Obschon mit widerstrebendem Gefühle, beschloß er doch nach reiflicher Ueberlegung, mit der Mittheilung der unangenehmen Nachricht, die er erhalten hatte, zu warten, bis sein Sohn die Geschäfte des Tages beendigt hätte. Er suchte sich selbst zu überreden, daß der Aufschub dem Darsie Latimer wenig schaden könnte, da ja seine eigene Thorheit, wie er's zu sagen wage, ihn in die Schlinge geführt habe, wo er durch eine augenblickliche Beraubung seiner Freiheit, die auf diese Weise nur auf einige Stunden verlängert würde, sehr angemessen bestraft wäre. Ueberdieß würde er dadurch Zeit gewinnen, mit dem Sheriff der Grafschaft – ja vielleicht sogar mit dem königlichen General-Anwalt, zu sprechen, um die Sache regelmäßig zu betreiben.
Zum Theil gelang der Plan, wie wir gesehen haben, und ward nur zuletzt durch seinen, wie er selbst beschämt gestand, höchst ungeschäftsmäßigen Mißgriff völlig verdorben, daß er den Brief des Provost in der Eile und in der Angst des Morgens unter andere Papiere mischte, die zu Peter Peebles Prozeß gehörten, und ihn, ohne das Versehen zu bemerken, seinem Sohne überreichte. Er pflegte bis an seinen Todestag noch zu versichern, daß er nie die Unvorsichtigkeit begangen hätte, ein Papier aus den Händen zu geben, ohne die Überschrift zu lesen, außer bei dieser unglücklichen Gelegenheit, wo er, mehr als sonst, Ursache hatte, seine Nachlässigkeit zu bereuen.
Von diesen Betrachtungen beunruhigt, empfand der alte Mann zum ersten Mal in seinem Leben, vor Scham und Verwirrung eine gewisse Abneigung, seinen Sohn zu sprechen; um also die Zusammenkunft, die ihn peinlich drückte, etwas zu verzögern, ging er zum Sheriff, fand aber, daß er in großer Eile nach Dumfries abgereist war, um in Person die gerichtliche Aufnahme, welche sein Stellvertreter an Ort und Stelle gemacht hatte, zu untersuchen. Der Schreiber des Sheriff konnte wenig über den Aufstand sagen, er hatte nur gehört, daß er ernsthaft gewesen und daß viel Schaden an Eigenthum und körperliche Gewaltthätigkeiten an Personen ausgeübt worden seien; aber so viel er wisse, wäre von keinem Morde die Rede.
Mr. Fairford wanderte also mit seiner Neuigkeit nach Haus, und als er den James Wilkinson frug, wo sein Sohn sei, erhielt er zur Antwort: »Herr Allan wäre auf seiner Stube und sehr beschäftigt.«
»Wir müssen uns verständigen,« spricht Saunders Fairford zu sich selbst. »Besser einen Finger als die ganze Hand verlieren,« geht dann bis an die Thüre der Stube seines Sohnes, klopft erst leise, dann stärker, erhält aber keine Antwort. Beunruhigt durch das Stillschweigen, öffnet er die Thür des Zimmers – es war leer – unordentlich lagen die Kleider bei juristischen Werken und Papieren, als hätte der Bewohner sich schnell zu einer Reise vorbereitet. Als Mr. Fairford in großer Bewegung um sich sah, fiel sein Blick auf einen versiegelten Brief, an ihn adressirt, welcher auf dem Schreibtische seines Sohnes lag. Er enthielt folgende Worte:
»Mein theuerster Vater!«
»Es wird Sie hoffentlich weder sehr überraschen, noch sehr betrüben, wenn Sie hören, daß ich nunmehr auf dem Wege nach Dumfriesshire bin, durch eigene Erkundigungen Gewißheit über die Lage meines theuren Freundes zu erhalten, und um ihm wo möglich allen Beistand zu leisten, der in meinen Kräften steht, und der hoffentlich die gewünschte Wirkung nicht verfehlen wird. Ich will Sie, theuerster Vater, nicht beschuldigen, mir eine Nachricht, die so eng mit der Ruhe meines Gemüthes und mit meinem Glücke verbunden ist, verheimlicht zu haben; doch hoffe ich, wird diese Ihre Handlung meine gegenwärtige Beleidigung, wenn auch nicht ganz entschuldigen, doch wenigstens den wichtigen Schritt mildern, den ich unternommen habe, ohne Sie darum zu fragen, und der, wie ich ferner gestehen muß, unter den gegenwärtigen Umständen meinem ganzen Unternehmen Ihre Mißbilligung zuziehen kann. Zu meiner weiteren Entschuldigung kann ich nur noch hinzufügen, daß, wenn der Person, die mir nach Ihnen am theuersten auf Erden ist, ein Unglück (was Gott verhüten wolle) widerfahren ist, ewige Reue und Gewissensbisse auf meinem Herzen lasten werden, weil ich in gewisser Hinsicht vor der Gefahr, welche ihm drohte, gewarnt, und mit den Mitteln versehen sie abzuwenden, doch nicht augenblicklich zu seiner Hülfe eilte, sondern meine Aufmerksamkeit vorzugsweise den Geschäften dieses unglückseligen Morgens zuwendete. Keine Aussichten auf persönliche Auszeichnung, kurz nichts als Ihre ernsten, oft ausgesprochenen Wünsche konnten mich bis heute zurückhalten; und da ich nun meinen kindlichen Pflichten dieses Opfer gebracht habe, so werden Sie mich hoffentlich entschuldigen, wenn ich jetzt dem Ruf der Freundschaft und der Menschenfreundlichkeit folge. Seien Sie meinetwegen ganz außer Sorge; ich werde mich bei allen vorkommenden Vorfällen mit der gehörigen Vorsicht benehmen, denn sonst hätten mich meine vieljährigen juristischen Studia wenig genutzt. Ich bin für den Nothfall mit Geld und Waffen gehörig versehen, Sie können sich aber darauf verlassen, daß ich, außer im höchsten Nothfall, eine jede Gelegenheit vermeiden werde, mich der letzteren zu bedienen. Gott der Allmächtige segne Sie, mein theuerster Vater, und gebe, daß Sie mir den ersten und ich hoffe zugleich den letzten Schritt zum Ungehorsam verzeihen mögen, den ich mir jetzt oder in Zukunft vorzuwerfen haben werde. Ich verbleibe bis zum Tode Ihr getreuer und ergebener Sohn
Allan Fairford.«
*
P.S.
»Ich werde Sie mit der größten Pünktlichkeit von meinen Handlungen in Kenntniß setzen und Sie um Ihren gütigen Rath bitten. Ich hoffe, mein Aufenthalt wird nur kurz sein, und ich halte es für möglich, Darsien mit zurückzubringen.«
Dem alten Manne entfiel der Brief, der ihm die Gewißheit über das Unglück gab, das er gefürchtet hatte. Sein erster Gedanke war, die Post zu nehmen, um den Flüchtling zu verfolgen; dann aber siel ihm ein, daß: wenn sich Allan bei höchst seltenen Gelegenheiten widerspenstig gegen die patria potestas gezeigt hatte, seine natürliche Geschmeidigkeit und Nachgiebigkeit sich in Eigensinn verwandelte, und daß er jetzt, wo er volljährig und Mitglied der gelehrten Facultät, mithin berechtigt sei, nach eigenem Willen zu handeln, noch sehr die Frage wäre, ob er, im Falle er ihn einholte, im Stande sein würde, seinen Sohn zur Rückkehr zu bewegen. Bei der Möglichkeit des Mißlingens hielt er es für klüger, von dem Unternehmen abzustehen, da sogar den besten Fall angenommen die Verfolgung immer einen lächerlichen Anstrich auf die Sache werfen mußten, was dem Charakter seines Sohnes, der bedeutend in der öffentlichen Meinung gestiegen war, nur nachtheilig sein konnte.
Aber bitter genug waren Saunders Fairfords Betrachtungen, als er sich in Allans ledernen Arbeitsstuhl warf, den unseligen Brief wieder aufhob und einen unzusammenhängenden Commentar darüber anstellte. »Den Darsie zurückbringen? O, daran zweifle ich nicht – der schlechte Groschen kommt nur zu gewiß zurück. Ich wünsche dem Darsie nichts Schlimmeres, als daß er dahin geführt würde, wo der einfältige Narr, der Allan, ihn nie wieder zu sehen bekäme. Zur bösen Stunde betrat er meine Schwelle, denn seit der Zeit hat Allan seinen eigenen früheren Mutterwitz gegen des Anderen schellenkappenmäßige Thorheit und Unsinn vertauscht. – Mit Geld versehen? Da müßtest du mehr haben, als ich weiß, mein Freund, denn ich hielt dich in dem Punkt zu deinem eigenen Besten ziemlich genau. – Kann er sonst irgendwo Sporteln verdient haben? oder glaubt er etwa fünf Guineen wären unerschöpflich? Waffen! was will er, oder irgend Jemand, mit Waffen thun, der kein Soldat im Dienst oder kein Diebshäscher ist? Ich habe die Waffen satt, wenn ich sie schon für König Georg und seine Regierung führte. Aber das ist noch ein schlimmerer Handel als der bei Falkirk. – Gott steht' uns bei, wir sind arme unbeständige Geschöpfe! Wer hätte denken können, daß der Bursche, der eben erst so viel Anlagen zeigte, jetzt schon einem luftigen Taugenichts nachjagt, wie ein Hund der falschen Spur! Ach, lieber Himmel, es ist doch gar zu traurig, wenn eine brummige Kuh den schäumenden vollen Milcheimer umstößt. – Aber, bei all' dem, zerstört doch nur ein böser Vogel sein eigenes Nest. Ich muß den Skandal so gut als möglich zu verdecken suchen. – Was gibt's, James?«
»Ein Bote,« sagte James Wilkinson, »vom Mylord-Präsident; er hofft, Mr. Allan würde nicht bedeutend krank sein.«
»Vom Lord-Präsidenten? Gott steh' uns bei! – Ich will sogleich antworten; laß den Burschen ein wenig warten und gib ihm etwas zu trinken, James. – Wir wollen sehen,« sagte er, indem er ein Papier mit Goldrand hervorzog, »wie wir die Antwort einrichten können.«
Ehe aber noch seine Feder das Papier berührte, war James schon wieder da.
»Was gibt's schon wieder, James?
»Lord Bladderskates Bedienter frägt, wie sich Mr. Allan befindet, da er den Gerichtshof verließ – –«
»Nun ja, ja,« antwortete Saunders bitter; »er hat auch einen Spaziergang bei Mondschein gemacht, wie Mylords Neffe.«
»Soll ich das ausrichten, Sir?« sagte James, der als ein alter Soldat alle Dienstsachen buchstäblich nahm.
»Zum Teufel auch, nein, nein! – Laß den Burschen warten und gib ihm unser Bier zu versuchen. Ich will Sr. Herrlichkeit Antwort schreiben.«
Wieder ward das Goldpapier ergriffen, und nochmals öffnete James die Thür.
»Lord – schickte seinen Bedienten, sich nach Mr. Allan zu erkundigen.«
»Hol' der Teufel ihre Höflichkeit!« sagte der arme Saunders.
»Gib auch ihm einen Schoppen – ich will Sr. Herrlichkeit schreiben.«
»Die Bursche werden Euch gern zu Willen sein, Sir, so lange der Becher schäumt. Aber wahrhaftig, das Geläute wird noch den Schellenzug zerreißen; da ist schon wieder Jemand.«
Er eilte also, von Neuem die Thür zu öffnen, und kam zurück, dem Mr. Fairford zu sagen, der Decan der Facultät sei da, sich nach Mr. Allan zu erkundigen. – »Soll ich ihm auch einen Schoppen geben?« sagte James.
»Bist du ein Narr, Kerl?« sagte Mr. Fairford, »führe den Herrn Decan in's Wohnzimmer.«
Indem er nun Stufe für Stufe ganz gemächlich die Treppe hinabstieg, hatte der verwirrte Geschäftsmann doch Zeit genug, so viel einzusehen, daß, wenn es möglich wäre, einer wahren Geschichte eine schöne Form zu geben, die Wahrheit immer leichter zum Ziel führt, als eine mit trügerischer List erdachte Fabel. Er sagte also seinem gelehrten Freunde, daß, obschon sein Sohn sich von der Hitze im Gerichtshof und von dem anhaltenden Studium bei Tag und Nacht unwohl befunden hätte, er doch glücklicherweise so weit wieder hergestellt sei, daß er im Stande gewesen wäre, einem plötzlichen Ruf auf's Land Folge zu leisten, welcher eine Sache auf Leben und Tod beträfe.
»Es muß wirklich eine wichtige Sache sein, die meinen jungen Freund in diesem Augenblick abruft,« sagte der gutmüthige Decan. »Ich hätte gewünscht, daß er seine Rede vollendet hätte, um den alten Lough ganz zu Boden zu werfen. Ohne Complimente, Mr. Fairford, es war eine so schöne Antrittsrede, als ich nur je hörte, nur thut es mir leid, daß Ihr Sohn sich nicht in der Rückantwort ergänzte. Es ist doch am Besten, wenn man das Eisen schmiedet, so lange es noch heiß ist.«
Mit bitterer Miene stimmte Mr. Saunders Fairford einer Meinung bei, die nur zu sehr auch die seinige war; doch antwortete er klüglich: »Das Geschäft, welches die Gegenwart seines Sohnes auf dem Lande unumgänglich nöthig mache, beträfe die Angelegenheit eines sehr reichen jungen Herrn, der ein vertrauter Freund Allans sei, und der nie einen wichtigen Schritt unternähme, ohne seinen rechtsgelehrten Freund zu Rath zu ziehen.«
»Gut, gut, Mr. Fairford, Sie müssens am besten wissen,« antwortete der Decan. »Ist Tod oder Heirath im Spiele, so muß man freilich vor einem Testament oder vor Ehepakten alles Andere liegen lassen. Mich freut es recht herzlich, daß Mr. Allan so weit wieder hergestellt ist, daß er eine Reise unternehmen kann, und wünsche Ihnen einen freundlichen guten Morgen.«
Da er mit dem Decan der Facultät so gut durchgekommen war, so schrieb Mr. Fairford den drei Richtern schnell Antwort und erzählte Allans Abreise auf dieselbe Weise. Gehörig versiegelt und adressirt überlieferte er sie dem James mit dem Befehl, die Bedienten zu entlassen, welche unter der Zeit einige Maß Zweipfennigsbier ausgetrunken hatten, wobei sie über einige Stellen im Corpus juris stritten, indem sie sich mit den Titeln ihrer Herren anredeten.
Die Arbeit, welche ihm das verursachte, und die Theilnahme, die so viele Personen von Ansehen im Gerichte an dem Wohlbefinden seines Sohnes äußerten, ermuthigten den niedergebeugten Geist unseres Saunders sehr bedeutend, und unter dem Schleier des Geheimnisses sprach er immerwährend von dem höchst wichtigen Geschäfte, das seinen Sohn abgehalten hatte, den wenigen Sitzungen beizuwohnen, welche das Gericht in dieser Session noch halten würde. Ja er versuchte es sogar, sein eignes Herz mit derselben Täuschung zu hintergehen; aber hier fiel die List minder glücklich aus, denn sein eigenes Gewissen sagte ihm, daß, wie groß auch der Zweck sein mochte, den er Darsie Latimers Händeln unterschob, er doch den Ruf nicht wieder herstellen konnte, den Allan wahrscheinlich verlor, indem er die Sache des armen Peter Peebles im Stich ließ.
Obschon sich nun einstweilen der Dunst, welcher den Prozeß, oder vielmehr die Prozesse des unglücklichen Streitenden umgab, vor Allans Beredtsamkeit zertheilt hatte, wie der Nebel vor dem Donner des Geschützes, so schien er sich doch wieder, dick wie die Finsterniß Egyptens, darauf herabzulassen, als am zweiten Tage nach Allans Abreise Mr. Tough als Advokat der Gegenpartei das Wort nahm. Mit hohler Stimme, mit lang gezogenem Athem, mit ausdauernder Beharrlichkeit, in der Mitte eines jeden Satzes eine Prise nehmend, weil er sonst ohne Ende gewesen wäre – so erwiderte der alte, ausgediente Advokat alle Punkte, welche Allan in ein so helles Licht gesetzt hatte, und so gelang es ihm, den Schleier der Dunkelheit und der Unverständigkeit wieder vorzuziehen, der so lange Zeit Peebles Prozeß gegen Blainstanes verdunkelt hatte; so ward die Sache zur nochmaligen Berathung und abermaligem Vortrage aufgeschoben. Da der Ausgang der Sache den Erwartungen des Publikums bei Allans Rede nicht entsprach, so gab der Urtheilsspruch zu den verschiedenartigsten Vermuthungen Anlaß.
Die Meinung des Clienten war, daß die Schuld, erstens, an seiner Abwesenheit am ersten Tage der Verhandlung läge, da er, wie er sich ausdrückte, mit Branntwein, Usquebaugh, und anderen hitzigen Getränken aus Johns Kaffeehaus verführt wurde, und zwar per ambage des Peter Drudgeit, der dazu durch den Rath, den Anschlag und durch die Hinterlist des Saunders Fairford, seines Sachwalters, oder vorgeblichen Sachwalters, aufgemuntert worden sei. Zweitens, an der Flucht und dem freiwilligen Entlaufen des jüngeren Fairford, des Advokaten; alldieweil und deßwegen wolle er Vater und Sohn zugleich mit einer Bitt- und Klagschrift wegen Geschäftsveruntreuung belangen. So schien der anscheinende und wahrscheinliche Ausgang der Sache den trübsinnigen Saunders Fairford mit neuen Gegenständen des Kummers und der Demüthigung zu bedrohen, was ihn um so viel mehr kränkte, da sein eigenes Gewissen ihm sagte, daß die Sache wirklich weggeschleudert worden sei, und daß es nur einer kurzen Beleuchtung der früheren Gründe, gestützt auf die nöthigen Beweise und Facta bedurft hätte, um den Allan in den Stand zu setzen, mit dem bloßen Hauch seines Mundes die Spinnengewebe zu zerreißen, mit welchen Mr. Tough den Prozeß wieder umgarnt hatte. Aber es geht damit wie mit einem Ausspruch in contumaciam, man verliert, weil man nicht widersprechen kann.
Unterdessen verging fast eine Woche, ohne daß Mr. Fairford auf direktem Wege etwas von seinem Sohne hörte. Zwar ersah er aus einem Briefe des Mr. Crosbie, daß der junge Advokat glücklich in Dumfries angekommen sei, aber er erfuhr zugleich, daß er die Stadt verlassen hatte, um einige Nachforschungen anzustellen, deren Zweck nicht bekannt war. Der alte Mann, welcher auf diese Weise peinlichen Erwartungen und quälenden Rückerinnerungen überlassen und des häuslichen Umgangs beraubt war, an welchen er sich gewöhnt hatte, fing an, körperlich sowohl als geistig zu leiden. Er hatte den Entschluß gefaßt, selbst nach Dumfriesshire zu reisen, aber nachdem er ungewöhnlich und fast unerträglich auffahrend, verdrießlich und mürrisch gegen Schreiber und Bediente war, so setzte sich die bittere Laune in einem Podagra-Anfall, im Fuße fest. Wir wollen ihn also für jetzt diesem wohlbekannten Zähmer der hochaufstrebenden Geister überlassen, da die Fortsetzung unserer Geschichte in der nächsten Abtheilung eine Form annimmt, welche sowohl von dem erzählenden, als vom Briefstyl abweicht, dennoch aber das Eigenthümliche beider Arten hat.