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Elftes Kapitel.

Erzählung von Allan Fairford.

(Fortsetzung.)

Fünf Minuten nach dem Schlage Zwei erreichte Allan Fairford, der einen kleinen Umweg gemacht hatte, um seinen Brief auf der Post abzugeben, die Wohnung des Herrn Richter Crosbie, und wurde zu gleicher Zeit durch die Stimme dieses Stadtbeamten und des Landbeamten, seines Gastes, begrüßt, welche Beide ungeduldig auf das Essen warteten.

»Kommt, kommt, Mr. Fairford, die Edinburger Uhr geht später als die unsrige,« sagte der Richter.

»Kommt, kommt, junger Mann,« sagte der Laird, »ich erinnere mich Eures Vaters, wohl bei dem Kreuze, dreißig Jahre sind's – ich glaube, Ihr seid in Edinburg so spät daran als in London; um vier Uhr, nicht wahr?«

»So sehr sind wir nicht aus der Art geschlagen,« erwiderte Fairford, »aber gewiß gibt es viele Leute in Edinburg, die so übel berichtet sind, daß sie ihr Mittagsmahl bis drei Uhr hinausschieben, um volle Zeit zu haben, ihren Londoner Correspondenten zu antworten.

»Londoner Correspondenten!« sagte Mr. Maxwell; »was der Teufel hat denn das Volk von Alt-Reckin mit Londoner Correspondenten zu thun?«

»Die Kaufleute müssen doch ihre Waaren haben,« sagte Fairford.

»Konnten sie nicht unsere schottischen Manufacturwaaren kaufen, und ihren Kunden das Geld auf eine patriotische Weise aus ihren Taschen holen?«

»Die Damen müssen doch ihre Moden haben,« sagte Fairford.

»Können diese nicht ihren schottischen Mantel über den Kopf nehmen, wie ihre Mütter? Ein Mantel von buntem Zeug und einmal im Jahre ein Häubchen aus Paris, das könnte einer Gräfin genügen; Ihr aber habt nicht viele solche mehr, ich glaube – Mareschall, Airley, Winton, Wemyß, Balmerina – ja, ja, die Gräfinnen und Damen von Stand werden jetziger Zeit mit ihren Staatskleidern nicht viel Platz in Eurem Ballsaal einnehmen.

»Es fehlt indessen doch nicht an Leuten,« sagte Fairford, »man spricht schon von einem neuen Gesellschaftssaal.«

»Ein neuer Gesellschaftssaal!« sagte der alte jacobitische Laird – »uh! – ich hätte wollen dreihundert Menschen in Eurem Gesellschaftssaal unterbringen, aber kommt, kommt – ich will nicht weiter fragen, die Antworten schmecken alle nach neuen Lords, nach neuen Gütern, sie verderben mir nur den Appetit, und das wäre doch Schade, denn hier kommt Mistreß Crosbie, um uns anzukündigen, daß unsere Hammelskeule gar ist.«

Es war so; Mistreß Crosbie war nicht zugegen gewesen, wie Eva »obliegend wirklichen Sorgen«; eine Pflicht, wovon sie sich nicht für losgezählt achtete, weder durch den hohen Rang ihres Ehemannes unter den obrigkeitlichen Personen der Stadt, noch durch den Glanz ihres seidenen Kleides aus Brüssel, oder durch den höher geachteten Glanz ihrer Geburt, denn sie war eine geborene Maxwell, und wie ihr Ehemann oft seinen Freunden kund that, mit mehreren der ersten Familien in der Grafschaft verwandt. Sie war schön gewesen, und sah noch jetzt für ihre Jahre recht gut aus, und obgleich ihre Anwesenheit in der Küche ihren Teint in etwas erhöht hatte, so war es doch nicht mehr, als ein bescheidenes Auflegen von Roth auch gethan haben würde. Für den Herrn Richter war seine Dame gewiß ein Gegenstand des Stolzes, ja Einige sagen, sogar des Schreckens, denn von den weiblichen Mitgliedern der Familie Redgauntlet ging ein Gerücht, daß sie, sie mochten heirathen wo sie wollten, ihrem Eheherrn eben so gewiß eine graue Stute in den Stall brächten Eine sprichwörtliche Anspielung auf die Pantoffelherrschaft. als sich auf Wouvermann's Gemälden ein weißes Pferd befindet. Die gute Dame brachte auch, wie man glaubt, eine politische Würze in Master Crosbie's Haushaltung, und des Herrn Richters Feinde im Stadtrath pflegten die Bemerkung zu machen, daß er manche kühne Rede gegen den Prätendenten und für König Georg und die Regierung gehalten habe, wovon er hinter seinen Gardinen keine Sylbe vorzubringen gewagt haben würde; auch habe hie und da seiner Frau vorherrschender Einfluß ihn bewogen, etwas zu thun oder zu unterlassen, was mit den allgemeinen Betheuerungen seines Eifers für die Revolutions-Grundsätze gar nicht übereinstimmte. Das hatte in einer Hinsicht seine Richtigkeit, auf der andern Seite war es aber nicht weniger gewiß, daß Mistreß Crosbie äußerlich durchaus die gesetzmäßige Macht und rechtliche Obergewalt ihres Eheherrn anerkannte, und wenn sie auch in der That denselben nicht achtete, so schien sie es doch zu thun.

Diese stattliche Dame empfing den Mr. Maxwell, wie begreiflich, als Vetter mit Herzlichkeit und Herrn Fairford mit Höflichkeit; zugleich beantwortete sie die hausherrlichen Klagen des Herrn Richters respektsvoll damit, daß sie sagte, das Essen werde im Augenblick aufgetragen. »Aber seit Ihr den armen Mac Alpin, der die Stadtuhr sonst zu besorgen pflegte, abgesetzt habt, mein Lieber, ist sie keinen Tag mehr richtig gegangen.«

»Peter Mac Alpin, meine Liebe,« sagte der Richter, »machte sich für einen Mann im Amte zu viel zu thun, trank Gesundheiten u. s. w., die ein Mann schicklicher Weise nicht trinken sollte, am wenigsten aber einer, der im öffentlichen Dienste steht. Ich höre, daß er das Glockenspiel in Edinburg auch verloren hat, weil er am 10. Juni die Melodie spielen ließ: Ueber's Wasser zu Carl! das ist ein schwarzes Schaf, und verdient keine Aufmunterung.«

»Die Melodie ist doch so schlecht nicht,« sagte Summertrees, wandte sich an's Fenster, und summte halb, halb pfiff er die genannte Melodie, dann sang er den letzten Vers laut:

Meines Carls Namen will ich lieben und ehren.
Wenn ihn Viele auch hassen sehr,
Oh! säh' ich ihn doch zurücke kehren,
Und treiben die Whig's vor sich her.
Ueber das Wasser und über die See,
Ueber das Wasser hin zu Carl!
Alles tragen wir gerne, Wohl und Weh!
Und leben und sterben für Carl.

Mistreß Crosbie lächelte verstohlen dem Laird zu, indem sie sich zugleich das Ansehen tiefer Unterwerfung gab, während der Herr Richter, der den Gesang seines Gastes nicht hören wollte, im Zimmer umher ging mit einem Ansehen von unzweifelhafter Würde und Unabhängigkeit.

»Wohl, wohl, mein Lieber,« sagte die Dame mit dem ruhigen Lächeln der Unterwerfung, »Ihr versteht es am besten, und werdet thun, was Ihr für gut findet, diese Gegenstände sind weit über meinen Horizont, ich zweifle nur, ob die Stadtuhr je so richtig gehen und Eure Mahlzeit so richtig auf den Tisch kommen wird, als ich es wünschte, bis Peter Mac Alpin seinen Dienst wieder hat. Der Mann ist alt, kann nicht arbeiten, und leidet deßhalb Mangel; dennoch ist er der einzige, der eine Glocke zu richten versteht.«

Man kann hier im Vorbeigehen bemerken, daß trotz dieser Weissagung, zu deren Erfüllung die schöne Cassandra wahrscheinlich alle Mittel in Händen hatte, doch erst nach dem zweiten Rathstage das strafbare Benehmen des jacobitischen Glöckners in Vergessenheit kam, und daß ihm noch einmal das Geschäft zugetheilt wurde, für die Stadt die Zeit und für den Herrn Richter die Essensstunde zu bestimmen. Dießmal ging die Mahlzeit angenehm vorüber. Summertrees schwatzte und scherzte mit der leichten Unbefangenheit eines Mannes, der sich über seine Gesellschaft erhaben fühlt. Er war wirklich eine wichtige Person, wie sich aus seinem stattlichen Aeußern ergab; sein Hut war mit peins d'Espagne besetzt, sein Rock und seine Weste ehemals reich gestickt, jetzt aber ziemlich abgetragen. Seine glänzenden Hals- und Handkrausen waren nur, die erste etwas stark verrunzelt, und die andere etwas beschmutzt; auch darf sein langer Stoßdegen mit silbernem Gefäße hier nicht vergessen werden. Sein Witz oder vielmehr seine Laune gränzte an's Beißende, und zeigte ein unzufriedenes Gemüth; und obgleich er kein Mißfallen zeigte, wenn der Herr Richter einen Gegenwitz versuchte, so schien er es doch nur zu dulden, wie ein Fechtmeister, der seinem Zögling zuweilen gestattet, ihm einen Stoß beizubringen, nur um ihn zu ermuthigen. Des Lairds eigene Scherze waren indessen ausnehmend erfolgreich, nicht nur bei dem Herrn Richter und seiner Gemahlin, sondern auch bei der rothbackigen und rothbebänderten Magd, welche am Tisch aufwartete, und kaum gehörig zu besorgen vermochte, was ihr oblag, weil die Ausbrüche der Laune des Mr. Summertrees äußerst wirksam sich bewiesen. Allan Fairford allein blieb bei aller dieser Lustigkeit ungerührt, was um so weniger zu verwundern war, da nicht nur seine Gedanken mit einem wichtigeren Gegenstande beschäftigt waren, sondern auch die meisten Witze des Lairds in listigen Anspielungen auf unbedeutende Stadt- oder Familien-Vorfälle bestanden, mit welchen der Gast aus Edinburgh völlig unbekannt war. So schallte das Gelächter der Gesellschaft an sein Ohr, wie das träge Knistern des Holzes um einen Topf, nur mit dem Unterschiede, daß dadurch keine so nützliche Operation unterhalten oder begleitet wurde, wie das Kochen.

Fairford war froh, daß das Tischtuch weggenommen wurde, und als Mr. Crosbie nicht ohne einige wohlmeinende Winks rücksichtlich der genauen Mischung der Ingredienzien eine ansehnliche Bowle Punsch zu Stande gebracht hatte, worüber die Augen des alten Jacobiten zu glänzen anfingen, wurden die Gläser vorwärts geschoben, gefüllt, und jedes von seinem Eigenthümer wieder an sich gezogen, worauf der Herr Richter mit großer Emphase den Toast ausbrachte: »Der König.« Dabei richtete er einen bedeutenden Blick auf Fairford, der zu sagen schien: »Ihr könnt nicht zweifeln, wen ich meine, und darum ist es nicht nöthig, die Person näher zu bezeichnen.«

Summertrees wiederholte den Toast mit einem schlauen Winke gegen die Hausfrau, während Fairford schweigend sein Glas austrank.

»Schön, mein junger Advokat!« sagte der Landedelmann, »mit Freuden sehe ich, daß bei der Fakultät doch noch Scham übrig geblieben ist, wenn gleich wenig Ehre. Einige von euch Schwarzröcken wollen heutzutage weder von dem Einen noch dem Andern hören.«

»Ich wenigstens, Sir, habe so viel von einem Rechtsgelehrten, daß ich mich nicht gerne in einen Streit einlasse, den ich zu führen keinen Auftrag habe – das hieße Zeit und Mühe verschwenden.«

»Geht, geht,« sagte die Lady, »wir wollen hier nicht über die Whigs und Torys streiten – mein Mann weiß, was er sagen soll, und ich weiß, was er denken sollte, und aus dem zu schließen, was gekommen und vergangen ist, so möchte wohl eine Zeit erscheinen, wo rechtschaffene Männer sagen, was sie denken, sie mögen Richter sein oder nicht.«

»Hört Ihr's, Herr Richter?« sagte Summertrees; »Euer Weib ist eine Zauberin, Ihr solltet ein Hufeisen an ihre Kammerthür nageln. Ha, ha, ha – –«

Dieser Spaß wurde nicht so gut aufgenommen, als die früheren Versuche des Lairds. Bei der Lady begann ein Donnerwetter aufzuziehen, und der Herr Richter sagte halb bei Seite: »Ein ernster Scherz ist kein Scherz mehr; Ihr werdet das Hufeisen glühend heiß finden, Summertrees.«

»Ihr könnt ohne Zweifel aus Erfahrung sprechen, Mr. Crosbie, ich habe nicht nöthig, zu sagen, daß ich alle Achtung habe vor dem alten und ehrwürdigen Hause der Redgauntlet.«

»Und dazu habt Ihr gute Ursache, denn Ihr seid mit ihnen verwandt, und kennet sowohl die noch Lebenden, als die bereits Verstorbenen recht gut.«

»In der That, Ihr habt Recht, Madame,« antworte der Laird, »denn ich und der arme Harry Redgauntlet, der zu Carlisle ausgerungen hat, waren ein Herz und eine Seele, und doch trennten wir uns nach kurzem Abschied.«

»Ach, Summertrees,« sagte Mr. Crosbie, »dieß war damals, als Ihr den Galgenbetrug spieltet, und den Namen Pate – in – Peril bekamet. Erzählt doch die Geschichte meinem jungen Freunde hier. Er hört einen solchen Pfiff gern, wie die meisten Advokaten.«

»Ich wundere mich über Euren Mangel an Vorsicht, Herr Richter,« sagte der Laird, ganz nach Art der Sänger, die sich weigern zu singen, wenn ihnen das Lied schon auf der Zungenspitze schwebt. »Ihr solltet doch bedenken, daß es gewisse alte Geschichten gibt, die man nicht mit völliger Sicherheit aller Derjenigen auftischen kann, die dabei betheiligt sind.«

»Ich hoffe,« sagte die Lady, »Ihr habt nicht zu fürchten, daß irgend etwas zu Eurem Nachtheil aus dem Hause getragen worden, Summertrees. Ich habe die Geschichte zwar schon gehört, je öfter ich sie aber höre, desto wunderbarer kommt sie mir vor.«

»Ja, Madame, aber man hat sich jetzt schon lange genug darüber gewundert, und es ist Zeit, damit aufzuhören,« antwortete Maxwell.

Fairford hielt es der Höflichkeit gemäß, zu sagen, er habe oft von der wundervollen Flucht Maxwells gehört, und nichts könnte ihm angenehmer sein, als einmal das Wahre an der Sache zu vernehmen.

Aber Summertrees blieb darauf, und wollte die Gesellschaft mit solchem altem Unsinne nicht um ihre Zeit bringen.

»Gut, gut,« sagte Mr. Crosbie, »ein freier Mann muß seinen Willen haben. – Was denkt ihr Leute in der Grafschaft denn von den Unruhen, welche in den Kolonien auszubrechen anfangen?«

»Herrlich, Sir, herrlich! Wenn die Dinge auf's Aeußerste gekommen sind, dann wird's besser, und auf's Aeußerste ist es gekommen. – Was aber meinen tollen Streich anbetrifft, wenn Ihr darauf besteht, die einzelnen Umstände anzuhören –« sagte der Laird, welcher zu merken begann, daß die Zeit, wo er seine Geschichte mit Anstand erzählen könne, allmälig vorüber gehe.

»Nun,« sagte Mr. Crosbie, »es war nicht meinetwegen, sondern diesem jungen Mann zu Liebe.«

»Gut, warum sollte ich nicht diesem jungen Manne ein Vergnügen machen? Auf's Wohl aller ehrlichen Leute daheim und in der Ferne! Zum Teufel die andern! – Aber Ihr, Mrs. Crosbie, habt die Geschichte auch schon gehört?«

»Nicht so oft, um sie langweilig zu finden,« sagte die Lady, und der Laird wandte sich ohne weitere Einleitung an Allan Fairford.

»Ihr habt doch schon von dem Jahre gehört, das man fünfundvierzig nennt, junger Mann, als die Köpfe aus dem Süden ihre letzte Bekanntschaft machten mit den schottischen Säbeln. Da gab es eine Art herumschweifender Bursche im Lande, die man Rebellen nannte – ich konnte nie ergründen, aus welcher Ursache. – Es sollten einige noch zu ihnen stoßen, die aber nie gekommen sind, – Ihr wißt schon, Mr. Crosbie, wen ich meine. – Endlich aber hatte der Spaß ein Ende. Geschorene Köpfe gab's vollauf, und rasirte Nacken kamen in die Mode. Ich erinnere mich nicht mehr recht, was ich that, als ich im Land herumstreifte mit Dolch und Pistolen im Gürtel, sechs Monate lang oder drüber; aber ich erwachte schwer aus einem unruhigen Traume, denn ich fand mich da zu Fuß an einem neblichten Morgen, meine Hand, wahrscheinlich damit sie nicht davonlaufe, in einer Handschelle, wie sie das Ding nennen, mit dem armen Harry Redgauntlet zusammengeschlossen; so gehen wir des Wegs mit noch einem Schock Anderer, die sich ebenfalls zu tief in den Sumpf gewagt hatten, einen Sergeanten von den Rothröcken mit zwei Reihen Dragoner zur Seite, um uns in Ruhe zu halten, und uns Muth zum Marsch zu machen. Wenn die Art zu reisen nicht sehr angenehm war, so war der Zweck der Reise auch nicht sehr lockend, denn Ihr versteht, junger Mann, daß man diese armen Rebellen nicht von Geschwornen ihrer eigenen lieben Landsleute richten lassen wollte, ob man gleich hätte denken sollen, sie hätten genug Whigs in Schottland finden können, um uns Alle hängen zu lassen; sie hielten es aber für passender, uns in Carlisle das Urtheil sprechen zu lassen, wo die Leute so eingeschüchtert waren, daß, wenn Ihr einen ganzen hochländischen Clan auf einmal in den Gerichtshof gebracht hättet, sie die Hände vor die Augen gehalten und geschrieen haben würden: Hängt sie Alle! nur um sie los zu werden.«

»Ja, ja,« sagte der Richter, »das war eine schnelle Justiz; das geb' ich zu.«

»Schnell,« sagte seine Frau; »ich möchte nur, die, welche sie angeordnet, stünden vor den Geschworenen, ich wollte sie ihnen empfehlen!«

»Ich vermuthe, der junge Rechtsgelehrte hält dieß für ganz recht,« sagte Summertrees auf Fairford blickend, – »ein alter Rechtskundiger würde anders gedacht haben. Indeß ein Knittel mußte gefunden werden, um den Hund niederzuschlagen, und man wählte einen recht schweren. Nun, ich hielt meinen Kopf besser beisammen, als mein Geführte, der arme Kerl; denn ich hatte glücklicherweise weder an Weib noch an Kind zu denken, und Harry Redgauntlet hatte beides. – Ihr habt Harry gesehen, Mrs. Crosbie?«

»Wahrhaftig ja,« sagte sie mit einem Seufzer, den wir früheren Erinnerungen zu schenken pflegen, deren Gegenstand nicht mehr ist. »Er war nicht so groß als sein Bruder, und überhaupt ein feinerer Mann. Nachdem er sich ein großes, englisches Vermögen erheirathet hatte, hielt man ihn für keinen so guten Schotten mehr, als Eduard.«

»Da hatten die Leute unrecht,« sagte Summertrees, »der arme Harry war keiner von den großsprecherischen, einherstolzirenden Gecken, die von dem reden, was sie gestern thaten, oder morgen thun wollen; wenn irgend etwas gerade zu thun war, da hättet Ihr den Harry Redgauntlet sehen sollen. Ich sah ihn bei Culloden, als Alles verloren war, mehr thun, als zwanzig jener aufgeblasenen Prahler, bis die Soldaten, die ihn gefangen nahmen, schrieen, man solle ihm nichts zu Leid thun, so habe es Jemand ausdrücklich befohlen; denn er war der Tapferste von Allen. Nun, als ich an Harry's Seite ging und ich fühlte, daß er im Morgennebel meine Hand mit emporhob, um sich die Augen auszuwischen, denn wegen der Fesseln konnte er nicht anders, da meinte ich, mein Herz müsse um ihn brechen. Unterdessen probirte und probirte ich, meine Hand so klein als eine Damenhand zu machen, ob ich nicht allenfalls aus meiner eisernen Handschelle herausschlüpfen könne. Ihr könnt denken,« sagte er, indem er seine breite, knochigte Hand auf den Tisch legte, »daß ich genug zu thun hatte, mit meiner Hand so groß als eine Hammelsschulter, aber Ihr seht, die Faustknochen sind sehr groß, und so mußten sie mir die Handschelle ziemlich weit lassen; endlich schlüpfte ich mit meiner Hand heraus und wieder hinein, der arme Harry war aber so tief in seine Gedanken versenkt, daß ich ihm das, was ich that, nicht bemerklich machen konnte.«

»Warum nicht?« sagte Allan Fairford, für den die Erzählung interessant zu werden anfing.

»Weil eine ungeschlachte Bestie von einem Dragoner hart an der andern Seite ritt, und ich ihn eben so gut in's Geheimniß gezogen hätte, als Harry, und dann würde es nicht lange angestanden haben, bis eine Pistolenkugel durch meine Mütze geschlagen hätte. – Ich mußte also so gut wie möglich für mich selber sorgen, und, bei meiner Seele, es war Zeit, denn der Galgen stand mir schon vor dem Gesichte. Wir machten zu Moffat Halt, um zu frühstücken. Die Moore, über die wir marschirten, kannte ich recht gut, da ich in sehr verschiedenen Zeiten auf jedem Morgen Landes in dieser Gegend gejagt hatte. Seht, so wartete ich, bis ich an dem Rande des Teichs von Erickstane war. Ihr kennt den Platz, man nennt ihn gewöhnlich des Marquis Ochsenstand, weil die Bursche Annandale ihr gestohlenes Vieh dorthin zu treiben pflegen?«

Fairford bezeugte seine Unwissenheit.

»Ihr müßt's gesehen haben, als Ihr des Weges daher kamt; es sieht aus, als ob vier Hügel ihre Köpfe zusammensteckten, um alles Tageslicht von dem dunkeln, tiefen Raume zwischen ihnen auszuschließen. Eine tiefe, schwarze, gräulich aussehende Höhle ist da, und geht so schroff wie möglich gerade vom Wege hinab. Auf dem Grunde findet sich ein kleiner Bach, wo man es kaum für möglich halten sollte, daß er seinen Weg aus den hart aneinander liegenden Hügeln herausfinden könne.«

»Keine gute Passage, in der That,« sagte Allan.

»Ihr könnt wohl so sprechen, so schlimm der Act war, Sir, es war nur eine Wahl, und obgleich mir die Haut schauderte, wenn ich an den Rumpler dachte, den ich machen sollte, so faßte ich mir doch ein Herz. Und als wir eben an die Ecke des Ochsenstandes von Johnstones kamen, schlüpfte ich mit meiner Hand aus der Handschelle heraus, und rief dem Harry Redgauntlet zu: Folge mir! dann drückte ich mich unter dem Bauche des Dragonerpferdes hin, schlug mit Blitzesschnelle meinen Mantel um mich, warf mich auf die Seite, denn ich konnte hier keinen Fuß aufstellen, und kugelte nun hinab über Haidekraut, Brombeersträuche und Tannenwurzeln, gerade wie ein Faß hinabrollen würde. Bei Gott, Sir, ich muß noch lachen, wenn ich daran denke, wie die Schurken von Rothröcken Gesichter geschnitten haben mögen, denn der Nebel war, wie gesagt, sehr dick, darum merkten sie nicht, daß sie an einer so halsbrechenden Stelle waren. Halb war ich hinunter; denn das Kugeln geht schneller, als das Klettern, ehe sie ihre Waffen ergreifen konnten, dann ging's aber piff! paff! puff! auf der Straße, aber der Kopf war mir so toll, daß ich nicht daran denken konnte, oder auch nur an die harten Püffe, die ich von den Steinen erhielt. Ich behielt indessen meine Sinnen beisammen, was Jeder für wunderbar halten wird, der je den Platz gesehen hat, ich half mir mit den Händen so gut ich konnte und kam endlich auf den Grund. Hier lag ich einen Augenblick, aber der Gedanke an den Galgen kann so gut, als alle Riechflaschen in der Welt, einen Mann zu sich selbst bringen. Ich sprang auf wie ein vierjähriges Füllen. Alle die Hügel tanzten um mich, wie große, dicke Bienenschwärme. Ich hatte aber keine Zeit, daran zu denken, besonders da der Nebel sich durch das Feuern zerstreut hatte. Ich konnte die Schurken sehen, wie sie an der Kante des Moorbruchs herumkrochen, und ich glaube, sie sahen mich auch, denn einige begannen an dem Hügel hinabzuklettern, aber mehr wie alte Weiber in ihren rothen Mänteln, wenn sie von einer Feldpredigt nach Hause kommen, als wie ein gewandter Bursche, gleich mir. Darum hielten sie bald, und luden ihre Gewehre; Gott befohlen, ihr Herren, dachte ich, wenn es so geht. Wenn ihr noch ein Wort mit mir zu reden habt, so mögt ihr nur nach Carnefraw-Gauns kommen. Und so machte ich mich davon, und nie kam ich schneller über die Moore, als damals, und hielt auch nicht eher an, als bis ich drei Gewässer von ziemlicher Tiefe (denn es hatte kurz vorher geregnet), ein halbes Dutzend Berge, und ein paar tausend Acker Haide und Sumpf zwischen mir und meinen Freunden, den Rothröcken, hatte.«

»Dieser Streich war es, der Euch den Namen Pate – in – Peril erwarb,« sagte Mr. Crosbie, füllte die Gläser und rief, während sein Gast, aufgeregt durch die Erinnerung, welche die That in ihm erweckte, mit triumphirender Miene nach Ausdrücken des Beifalls und einer gleichen Gesinnung umher sah, mit großem Emphase aus: »auf Eure gute Gesundheit! und möget Ihr Euren Hals immer in einem solchen Abenteuer wagen.«

»Hum! Ich weiß nicht,« antwortete Summertrees. »Ich möchte keiner zweiten Versuchung ausgesetzt sein, doch wer weiß?« Hier machte er eine tiefe Pause.

»Darf ich fragen, was aus Eurem Freund wurde?« sagte Allan Fairford.

»Ach, der arme Harry,« erwiderte Summertrees; »ich sage Euch, es kostet immer Zeit, sich zu einem solchen Abenteuer zu entschließen, wie es mein Freund Crosbie nennt; Neil Maclean, der gerade hinter uns ging, aber das Glück hatte, dem Galgen ebenfalls durch einen listigen Streich zu entgehen, hat mir nachher erzählt, daß nach meinem Ausreißen der arme Harry bewegungslos stehen blieb, obgleich alle unsere mitgefangenen Brüder einen Lärmen machten so stark sie nur konnten, um die Aufmerksamkeit der Soldaten abzuziehen. Er rannte endlich hinweg, da er aber die Gegend nicht kannte, floh er, entweder aus Verwirrung oder weil er den Abhang für gar zu steil hielt, den Hügel links hinauf, anstatt sich mit Einemmal hinabzuwagen; so wurde er leicht verfolgt und gefangen. Wäre er meinem Beispiel gefolgt, so würde er auch genug Hirten gefunden haben, die ihn verborgen und ernährt hätten, wie mich, bis bessere Tags kamen.«

»Er fiel wegen seines Antheils an der Insurrektion?« sagte Allan Fairford.

»Allerdings,« sagte Summertrees, »sein Blut war zu roth, als daß man es zu einer Zeit hätte schonen sollen, wo diese Farbe so gesucht war. Er wurde hingerichtet, Sir, wie Ihr es nennt, d. h. er wurde mit kaltem Blute ermordet, wie so manche andere wackere Gesellen. – Wohl, auch wir werden unsern Tag haben – aufgeschoben ist nicht aufgehoben – sie halten uns Alle für todt und begraben – aber,« – hier füllte er sein Glas, murmelte einige undeutliche Drohungen, trank es aus, und nahm dann wieder seinen gewöhnlichen Ton an, welcher gegen das Ende seiner Erzählung ein wenig gestört worden war.

»Was wurde aus Mr. Redgauntlets Kind?«

» Master Redgauntlet! Es war Sir Henry Redgauntlet, und sein Sohn, wenn das Kind noch lebt, heißt Sir Arthur – ich nannte ihn Harry wegen unserer genauen Bekanntschaft, und Redgauntlet als das Oberhaupt seiner Familie – sein eigentlicher Name war Sir Henry Redgauntlet.«

»Sein Sohn ist also todt?« fragte Allan Fairford. »Es ist doch Schade, wenn ein tapferer Stamm aussterben sollte.«

»Er hat einen Bruder hinterlassen,« sagte Summertrees, »welcher jetzt der Repräsentant der Familie ist. Und es ist auch gut so, denn ob er gleich in vieler Hinsicht unglücklich ist, so wird er doch die Ehre seines Hauses besser aufrecht erhalten, als ein unter diesen erbitterten Whigs, den Verwandten der Gemahlin Sir Henry's erzogener Knabe; denn sie stehen mit der Familie Redgauntlet auf keinem guten Fuße; erbitterte Whigs sind sie in jeder Hinsicht. Es war eine tolle Heirath zwischen Sir Henry und seiner Gemahlin. Das arme Ding, sie wollten ihr nicht gestatten, ihn im Gefängniß zu sehen, und da sein ganzes Eigenthum in Beschlag genommen und geplündert war, so hätte es ihm an den gewöhnlichsten Notwendigkeiten gefehlt, ohne die Anhänglichkeit eines weit bekannten blinden Geigers. Ich habe ihn selbst bei Sir Henry gesehen, vor und während der Geschichte. Ich hörte, er habe in den Straßen von Carlisle die Geige gespielt, und das Geld, was er bekam, seinem Herrn gebracht, während er in dem Schlosse eingesperrt war.«

»Ich glaube kein Wort davon,« sagte Mrs. Crosbie, glühend vor Unwillen. »Ein Redgauntlet wäre zwanzigmal gestorben, ehe er von einem Geiger etwas genommen hätte.«

»Ho ho! nicht oben hinaus, das ist alles Unsinn und Uebermuth,« sagte der Laird von Summertrees. »Die leckersten Hunde essen auch schlechte Brocken, Base Crosbie, Ihr wißt nicht, was einige Eurer Freunde in jener Zeit thun mußten um ein Näpfchen voll Suppe oder um ein Stück Brod. Ich habe z. B. ein Scheerenschleifersrad mehrere Wochen lang herumgeführt, theils aus Noth, theils um mich zu verbergen, da habe ich an jedes alten Weibes Thür bigg, bigg, wigg, wigg, gemacht, und wenn Ihr einmal Eure Scheeren geschliffen haben wollt, ich kann es für Euch thun, wenn mein Rad in Ordnung ist.«

»Ihr müßt mich erst um Erlaubniß bitten,« sagte Mr. Crosbie, »denn ich habe mir erzählen lassen, daß Ihr die sonderbare Mode habt, einen Kuß statt des Pfennigs zu nehmen, wenn Euch der Kunde gefiel.«

»Kommt, kommt, mein Herr,« sagte die Lady aufstehend, »wenn der Punsch bei Euch über das Essen die Oberhand bekömmt, dann ist es Zeit, mich zurück zu ziehen. Wenn Ihr aber eine Tasse Thee wollt, meine Herren, so kommet auf mein Zimmer.«

Allan Fairford war nicht sehr betrübt über die Entfernung der Dame. Sie schien, obgleich nur im vierten Grade verwandt, doch zu viel auf die Ehre des Hauses Redgauntlet zu halten, um nicht durch die Nachforschungen nach den Verhältnissen des jetzigen Oberhaupts, welche er zu machen gesonnen war, in Unruhe gebracht zu werden. Sonderbare verwirrte Vermuthungen stiegen in seiner Seele auf aus der unvollkommenen Erinnerung an die Erzählung vom wandernden Willin, und unwillkürlich drang sich ihm der Gedanke auf, sein Freund, Darsie Latimer, sei der Sohn des unglücklichen Sir Henry. Ehe er aber solchen Vermuthungen nachhing, mußte er zu entdecken suchen, was gegenwärtig aus ihm geworden war. Wenn er in den Händen seines Oheims war, konnte da nicht einige Eifersucht wegen Vermögen und Rang entstehen, welche einen so harten Mann, wie Redgauntlet, zu schlimmen Maßregeln gegen einen Jüngling verleiten mochte, den er nicht nach seinen Absichten zu modeln im Stande war? Schweigend überlegte er dieß, während die Gläser mehrmals um die Bowle herumgingen, und wartete bis der Hr. Richter, gemäß seinem eigenen Vorschlag, der Sache erwähnen würde, weßwegen er ihn ausdrücklich mit Mr. Maxwell von Summertrees bekannt gemacht hatte. Scheinbar hatte der Herr Richter sein Versprechen vergessen, oder war wenigstens nicht sehr eilig, es zu erfüllen. Er sprach mit großem Ernste von der Stempelakte, welche gerade damals den amerikanischen Colonien drohte, und über andere Gegenstände der Tagespolitik, aber sagte kein Wort von Redgauntlet. Allan sah bald, daß er die Nachfrage, die er im Sinne hatte, selbst beginnen müsse; und beschloß, demgemäß zu verfahren.

Diesem Entschluß zu Folge ergriff er die erste Gelegenheit, die sich ihm bei einer Pause in der Discussion der Colonialpolitik darbot, und sagte: »Ich muß Euch, Mr. Crosbie, an Euer gütiges Versprechen erinnern, mir einige Nachricht über den Gegenstand zu verschaffen, wegen dessen ich so besorgt bin.«

»Wahrhaftig!« sagte Mr. Crosbie nach augenblicklichem Besinnen, »das ist so, Mr. Maxwell, wir wünschen Euch wegen einer wichtigen Sache um Rath zu fragen. Ihr müßt wissen, in der That, Ihr müßt gehört haben, daß die Fischer zu Brocken-Burn und höher hinauf die von Solway einen Angriff auf die Stecknetze des Quäckers Geddes unternommen und Alles dem Sande gleich gemacht haben.«

»In der That, ich hab' es gehört, Mr. Crosbie, und es freut mich, daß sich die Bursche selbst Recht verschafft haben gegen eine Sitte, welche die obern Fischer noch zu einer Art von Gluckhennen gemacht hätte, um die Fische zu hegen, welche das Volk unten dann fangen und essen soll.«

»Wohl,« sagte Allan, »darauf kommt es indessen hier nicht an. Aber ein junger Freund von mir war zu jener Zeit, als sich dieser Vorfall ereignete, bei Mr. Geddes, und seit dem hat man nichts mehr von ihm gehört. Nun meint unser Freund, Herr Crosbie, daß Ihr uns rathen könntet« – –

Hier wurde er von Mr. Crosbie und Mr. Summertrees unterbrachen, welche Beide zu gleicher Zeit zu sprechen anfingen, der Erste, um jedes Interesse, das er an der Sache haben konnte, in Abrede zu ziehen, und der Letzte, um einer Antwort zu entgehen.

»Ich glauben?« sagte Mr. Crosbie, »ich habe gar nicht wieder daran gedacht; mir ist die Sache ganz gleichgültig gewesen.«

»Und ich, ich soll Euch rathen!« sagte Mr. Maxwell, »was der Teufel kann ich Euch weiter rathen, als daß Ihr den Ausrufer holen laßt, um Euer verlorenes Schaf in der Stadt auszuschreien, wie man es bei Wachtelhunden oder entflogenen Papagayen macht?«

»Mit Eurer Erlaubniß,« sagte Allan ruhig aber entschlossen; »ich muß Euch um eine ernstere Antwort bitten.«

»Wie, Herr Advokat,« antwortete Summertrees, »ich dachte, es wäre Euer Geschäft, den Lehnsleuten Rath zu ertheilen, und nicht Euch von armen einfältigen Landedelleuten Rathes zu erholen.«

»Wenn nicht gerade Rath, so ist es doch bisweilen unsere Pflicht, Fragen vorzulegen, Mr. Maxwell.«

»Ja, Sir, wenn Ihr Eure Perrücke und Eure Robe anhabt, dann müssen wir Euch schon das gewöhnliche Privilegium der Advokaten und der Weiber zugestehen, zu sagen, was Euch beliebt. Wenn Ihr aber Euren Amtsschmuck nicht anhabt, so ist die Sache anders, wie kommt Ihr dann dazu, anzunehmen, daß ich mit dem aufrührerischen Vorgang in Verbindung stehe, oder mehr davon wissen soll, wie Ihr, was dort vorging? Die Frage geht von einer sehr unpassenden Voraussetzung aus.«

»Ich will mich erklären,« sagte Allan, entschlossen, dem Mr. Maxwell keine Gelegenheit zu geben, die Unterredung abzubrechen; »Ihr seid ein genauer Freund von Mr. Redgauntlet, er ist beschuldigt, an diesem gewaltsamen Angriff Theil genommen, und mit Gewalt sich der Person meines Freundes Darsie Latimer bemächtigt zu haben, eines jungen Mannes von Vermögen und Einfluß, nach dessen Schicksal zu forschen ich fest entschlossen bin. Dieß ist der klare Stand der Sache, und alle dabei interessirten Parteien, Euer Freund insbesondere, werden Ursache haben, mir für die gemüßigte Art dankbar zu sein, womit ich die Sache zu leiten gesonnen bin, wenn ich mit verhältnißmäßiger Offenheit behandelt werde.«

»Ihr habt mich mißverstanden,« sagte Maxwell in einem schon weit milderen Tone; »ich sage Euch, ich sei der Freund des letzten Sir Henry Redgauntlet gewesen, der im Jahre 1745 zu Hairibie, nahe bei Carlisle, hingerichtet wurde, aber ich kenne Niemanden, der jetzt den Namen Redgauntlet führt.«

»Ihr kennt doch Mr. Herries von Birrenswork,« sagte Allan lächelnd, »dem der Name Redgauntlet zusteht?«

Maxwell sah den Mr. Crosbie mit einem scharfen, vorwurfsvollen Blick an, erheiterte aber sogleich seine Stirne, und ging in einen Ton von Zutrauen und Offenherzigkeit über. »Ihr müßt nicht unwillig sein, Mr. Fairford, daß die armen verfolgten Eidweigerer ein wenig auf ihrer Hut sind, wenn solche gewandte junge Männer, wie Ihr, Nachforschungen anstellten. Ich selbst, ob ich gleich außer aller Verlegenheit bin, und meinen Hut bei Sonnen- oder Mondschein am Kreuze D. h. bei dem Gerichtshofe. so keck aufsetzen kann, wie Ihr, bin ich doch so gewöhnt gewesen, den Zipfel meines Mantels vor's Gesicht zu halten, daß ich, meiner Treu noch jetzt, wenn so ein Rothrock schnell auf mich zukommt, mein Rad und meinen Schleifstein auf einen Augenblick herbeiwünsche. Der arme Redgauntlet aber ist noch weit schlimmer daran, der steht noch, wie Ihr gehört haben werdet, unter der Ruthe des Gesetzes, das Zeichen des Thiers ist noch auf seiner Stirne, der arme Mann, und dieß macht uns vorsichtig, sehr vorsichtig, was wir sicherlich gegen Euch nicht nöthig haben, da ein Mann von Eurem Ansehen und Wesen einen unglücklichen Edelmann sicherlich nicht hintergehen wird.«

»Im Gegentheil, Sir,« sagte Fairford, »ich wünschte Mr. Redgauntlets Freunden eine Gelegenheit zu geben, ihn aus aller Verlegenheit zu bringen, indem sie die augenblickliche Befreiung meines Freundes Darsie Latimer bewerkstelligen. Ich will die Versicherung geben, daß die Sache ruhig und ohne Untersuchung vorübergehen soll, wenn meinem Freunde nichts Schlimmeres, als eine kurze Einkerkerung widerfahren ist; allein diesen für einen Mann, der die Gesetze schon vorher so schwer gekränkt, und nun auf's Neue so gröblich verletzt hat, so erwünschten Ausgang kann nur eine schleunige Genugthuung herbeiführen.«

Maxwell schien in Nachdenken verloren, und wechselte mit dem Herrn Richter einige Blicke, die nicht sehr tröstlicher Art waren. Fairford stand auf, und ging im Zimmer umher, um ihnen Gelegenheit zu einer Unterredung zu geben, denn er hoffte, daß der sichtbare Eindruck, den er auf Summertrees gemacht hatte, seinem Vorhaben gedeihlich werden würde. Sie ergriffen die Gelegenheit, und wisperten einander in die Ohren, der Laird auf eine ziemlich heftige Weise, während der Herr Richter im verlegenen und entschuldigenden Tone antwortete. Einige abgebrochene Worte vernahm Fairford, dessen Gegenwart sie zu vergessen schienen, da er im Hintergrund des Zimmers stand, scheinbar beschäftigt, die Figuren auf einem schönen indischen Schranke zu betrachten, den Mr. Crosbie von seinem Bruder, einem Schiffkapitän im Dienst der Compagnie, zum Geschenk erhalten hatte; was er hörte, überzeugte ihn, daß sein Vorhaben und die Hartnäckigkeit, womit er es verfolgte, zwischen den Herren Streit erregt hatte. Dem Mr. Maxwell entfuhren endlich die Worte: »und ihn so mit begossenem Schwanze nach Hause zu schicken, wie einen Hund, der in fremden Küchen gestohlen hat.« Mr. Crosbie schob eine starke Verneinung dazwischen, »nicht daran zu denken – macht die Sache nur schlimmer – meine Lage – mein Vortheil – ihr glaubt nicht wie hartnäckig – gerade wie sein Vater« –

Sie wisperten nun noch enger zusammen, endlich aber erhob Mr. Crosbie das sinkende Haupt; er sprach in einem freundlichen Tone; »kommt, setzt Euch nieder zu Eurem Glas, Mr. Fairford, wir haben unsere Köpfe zusammengestreckt, und Ihr sollt sehen, daß unser Fehler es nicht sein wird, wenn Ihr nicht ganz zufrieden gestellt werdet, und Mr. Darsie Latimer wieder seine Geige unter den Arm nehmen kann. Aber Summertrees glaubt. Ihr müsset Euch dabei einer persönlichen Gefahr aussetzen, und dieß werdet Ihr nicht wagen wollen.«

»Meine Herren,« sagte Fairford, »ich werde sicherlich keine Gefahr scheuen, wodurch mein Zweck erreicht werden kann; aber ich lege es Euch auf Euer Gewissen, auf Eures, Mr. Maxwell, als eines Mannes von Ehre und eines Edelmannes, und auf das Eurige, Mr. Crosbie, als einer obrigkeitlichen Person und eines treuen Unterthan, daß Ihr mich in dieser Angelegenheit nicht irre leitet.«

»Nein, was mich betrifft,« sagte Summertrees, »ich will Euch mit Einemmal die Wahrheit sagen, und offen gestehen, daß ich Mittel weiß, den armen Redgauntlet zu sehen; und dieß will ich thun, wenn Ihr es verlangt, und ihn beschwören, Euch so zu behandeln, wie Euer Geschäft es erfordert; aber der arme Redgauntlet ist sehr verändert, ja, die Wahrheit zu sagen, sein Temperament war nie das beste, indessen will ich Euch vor jeder größeren Gefahr sicher stellen.«

»Davor werde ich mich selbst schützen,« sagte Fairford, »indem ich eine hinreichende Bedeckung mitnehme.«

»In der That,« sagte Summertrees, »das werdet Ihr nicht thun, denn für's Erste, glaubt Ihr, daß wir den armen Mann in die Hände der Philister liefern würden, da im Gegentheil mein einziger Zweck war, die Sache in jeder Hinsicht auf eine feierliche Weise abzuthun, und ich nur darum den Schlüssel in Eure Hand gebe? Und zweitens, er ist klug genug, daß, wenn Ihr mit Soldaten oder Constablern oder etwas dergleichen ihm nahe kommt, ich Euch dafür stehen kann, daß Ihr ihn nie erwischen werdet.«

Fairford bedachte sich einen Augenblick, und überlegte, daß der Vortheil, diesen Mann zu sehen, um Kenntniß von der Lage seines Freundes zu erhalten, mit keiner persönlichen Gefahr zu theuer erkauft sei: wenn er aber den für sich selbst sichersten Weg einschlug, und die Gesetze zu Hülfe nahm, so sah er wohl, würde er der nöthigen Nachrichten beraubt sein, die ihn leiten mußten, oder Redgauntlet würde von der Gefahr benachrichtigt, wahrscheinlich das Land verlassen, und seinen Gefangenen mit sich führen. Er wiederholte daher: »ich verlasse mich auf Euer Ehrenwort, Mr. Maxwell, und werde allein Euern Freund aufsuchen. Ich zweifle kaum, daß ich ihn zur Vernunft bringen, und von ihm genügenden Aufschluß über Mr. Latimer erhalten werde.«

»Ich zweifle auch nicht daran,« sagte Mr. Maxwell von Summertrees, »doch wird es immer eine Zeitlang dauern, und Ihr werdet Verzug und Unbequemlichkeit dabei haben. Meine Versicherung geht nicht weiter.«

»Ich nehme sie, wie sie gegeben wurde,« sagte Allan Fairford; »aber laßt mich fragen, wäre es nicht besser, da Eures Freundes Sicherheit Euch so sehr am Herzen liegt, und Ihr sicherlich die meinige mit Willen nicht in Gefahr bringen werdet, daß der Hr. Richter oder Ihr mit mir geht, wenn Mr. Redgauntlet nicht zu weit entfernt ist, um zu versuchen, ihn zur Vernunft zu bringen?«

»Ich! – Ich gehe keinen Schritt,« sagte der Hr. Richter; »dessen seid versichert, Mr. Allan. Redgauntlet ist meines Weibes Vetter im vierten Grad, das ist nicht zu läugnen, wäre er aber auch der letzte von ihren und meinen Verwandten, so würde es doch meinem Amte schlecht anstehen, mit Rebellen zu verkehren.«

»Ja, oder mit Eidweigerern zu trinken,« sagte Maxwell, und füllte sein Glas, »ich würde eben sowohl erwarten können, Claverhouse bei einer Feldpredigt zu finden, und was mich betrifft, Mr. Fairford, so kann ich gerade aus dem entgegengesetzten Grunde nicht mitgehen. Es würde unter der Würde des Richters dieser blühenden und loyalen Stadt sein, mit Redgauntlet zu verkehren, und bei mir würde es heißen: Sag mir, mit wem du gehst u.s.w. Da würde eine Post nach London abgehen mit der Zeitung, zwei solche Jakobiten, wie Redgauntlet und ich, hätten auf der Haide eine Zusammenkunft gehabt – die habeas Corpusakte würde suspendirt werden – die Fama würde von Carlisle bis an des Landes Ende in die Trompete stoßen, und wer weiß, der Windstoß könnte mein ganzes Vermögen mir unter den Fingern wegblasen, und meinen Körper noch einmal in das Loch bei Erickstone? Nein, nein, behüte mich der Himmel – ich will in des Hrn. Richters Kabinet gehen, und einen Brief an Redgauntlet schreiben, und Euch anweisen, wie Ihr ihn überliefern sollt.«

»Da ist Dinte und Feder in dem Zimmer,« sagte Mr. Crosbie, und deutete auf die Thüre eines Gemachs, in welchem sein nußbaumener Schreibtisch und sein ostindischer Schrank sich befanden.

»Eine Feder, die schreiben kann, hoffe ich?« sagte der alte Laird.

»Sie kann schreiben, und orthographisch, beides in der rechten Hand,« antwortete Mr. Crosbie, indem der Laird sich zurückzog und die Thür hinter sich zumachte.


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