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Achter Brief.

Allan Fairford an Darsie Latimer.

Du magst deine Flügel zusammenschlagen und krähen so viel du willst. Du gehst auf Abenteuer aus, zu mir kommen sie ungesucht; ach und wie lieblich kamen meine, da sie in Form eines Clienten – einer schönen Clientin sogar, erschienen. Was denkst du dabei, Darsie, der du so ein geschworener Anhänger der Damen bist? Kann sich das nicht mit deinem Abenteuer, Salme zu Pferd zu erjagen, messen, und die Geschichte von einem ganzen Stamme Breitrandiger verdunkeln? – Doch ich muß methodisch verfahren.

Als ich heute aus dem College zurückkam, erstaunte ich sehr, ein breitgezogenes Lachen die starre Physiognomie des treuen James Wilkinson ausdehnen zu sehen; was, da der Umstand vielleicht nur ein Mal im Jahre vorfällt, allerdings Verwunderung erregen mußte. Zudem lag ein hinterlistiger Blick in seinem Auge, den ich eben so leicht von einem stummen Diener erwartet hätte (denn damit ist James in seiner gewöhnlichen Laune gar zu gut zu vergleichen). »Was Teufel gibt's denn, James?«

»Der Teufel mag wohl im Spiele sein, so viel ich verstehe,« sagte James mit einem anderen bedeutungsvollen Lächeln, »denn es war ein Frauenzimmer da, das nach Ihnen, Master Allan, frug.«

»Ein Frauenzimmer, das nach mir frug?« sagte ich erstaunt, (denn du weißt wohl, daß außer der alten Tante Teggie, die Sonntags zum Mittagessen kommt, und der noch älteren Lady Bedrooket, die zehnmal jährlich nach der vierteljährigen Zahlung ihrer Leibrente von 400 Mark nachfrägt, kaum eine weibliche Person sich unserer Thürschwelle nähert, da mein Vater alle seine weiblichen Clienten in ihren Wohnungen besucht); James betheuerte wiederholt, es sei eine Dame da gewesen, die namentlich nach mir gefragt habe. »So ein hübsches Ding,« fügte James hinzu, »wie ich nur je sah, seit ich mit Peg Baxter bei den Füsilieren stand.« Du weißt, daß alle freudigen Erinnerungen des James sich an die Periode seines Militärdienstes anreihen, denn die Jahre, welche er in dem unsrigen zubrachte, mögen langweilig genug gewesen sein.

»Hinterließ die Dame denn weder Name noch Adresse?«

»Nein,« erwiderte James, »aber sie frug, wann Ihr zu Hause sein würdet, und da bestimmte ich ihr die Mittagsstunde, wo das Haus ruhig und Ihr Vater in der Sitzung ist.«

»Schäme dich, James! wie kannst du denken, es sei bei der Sache etwas daran gelegen, ob mein Vater zu Hause ist oder nicht? die Dame wird doch hoffentlich eine anständige Person sein?«

»Das will ich meinen, Sir – sie ist keine von Eurer – (hier füllte James die Lücke mit einem leisen Pfeifen aus) – doch kenne ich sie nicht – mein Herr tobt gar gewaltig, wenn ein Frauenzimmer herein kömmt.«

Ich ging in meine Stube, keineswegs böse darüber, daß mein Vater abwesend war, obgleich ich es für nöthig gehalten hatte, dem James einen Verweis darüber zu geben, daß er es so eingerichtet hatte. Ich legte meine Bücher in Unordnung, um ihnen einen Anstrich reizender Verwirrung zu geben, kreuzte meine Rappiere, die seit deiner Abreise unbenutzt da lagen, an der Wand, damit die Lady sehen möge, daß ich tam Marte quam Mercurio wäre. – Ich versuchte es, meine Kleider zu ordnen, daß sie einem eleganten Morgen-Negligé ähnlich waren, gab meinem Haare den schwachen Schatten von Puder, der den Gentleman bezeichnet, legte meine Uhr und meine Cachets auf den Tisch, um damit anzuzeigen, daß ich den Werth der Zeit zu schätzen wüßte, und als ich nun alle diese Vorrichtungen getroffen, bei deren Erinnerung ich mich ein wenig schäme, wußte ich nichts Besseres zu thun, als das Zifferblatt anzuschauen, bis der Zeiger zwölf Uhr zeigen würde. Fünf Minuten verstrichen, die ich der Verschiedenheit unter den Uhren zuschrieb – fünf Minuten weiter machten mich ängstlich und zweifelhaft – fernere fünf Minuten würden mich in die höchste Ungeduld versetzt haben.

Lache nur, so viel du willst; aber erinnere dich, Darsie, daß ich ein Jurist war, der seinen ersten Clienten erwartete, ein junger Mann, wie streng erzogen brauche ich dir nicht zu sagen, dem eine geheime Zusammenkunft mit einem jungen, schönen Frauenzimmer bevorstand. Aber ehe noch der dritte Termin von fünf Minuten abgelaufen war, hörte ich die Glocke leise und bescheiden ertönen, als wäre sie von einer schüchternen Hand berührt worden. James Wilkinson, in nichts schnell, ist, wie du weißt, besonders träge, beim Schellen der Hausglocke sogleich aufzumachen; ich rechnete daher auf gute fünf Minuten, bis sein abgemessener Schritt die Treppe hinabgegangen sein würde. Zeit genug, ein wenig durch die Jalousien zu schauen, dachte ich, und eilte demnach zum Fenster. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirth gemacht, denn James, der ebensowohl neugierig war wie ich, lag auf der Haustür im Hinterhalt, bereit beim ersten Schellen sogleich zu öffnen; ich hörte seine Stimme: »Hierher, Madame – ja, Madame – die Lady, Mr. Allan –« bevor ich noch den Stuhl erreicht hatte, auf welchem ich mir vorgenommen hatte, in aller juristischen Würde dasitzend, überrascht zu werden. Das Bewußtsein, im Lauschen halb und halb ertappt worden zu sein, vereint mit meiner natürlichen Schüchternheit, die das öffentliche Vertheidigen mir abgewöhnen soll, machten, daß ich verwirrt dastand, während die Lady, ihres Seits ebenfalls in Verlegenheit, auf der Schwelle der Stube stehen blieb. James Wilkinson, der noch die Fassung am meisten behalten hatte, und wahrscheinlich seinen Aufenthalt in der Stube verlängern wollte, beschäftigte sich damit, der Dame einen Stuhl hinzustellen, und rief mir durch diesen Wink die Regeln einer guten Erziehung in's Gedächtniß zurück.

Meine Besucherin war ohne Zweifel eine Lady, und wahrscheinlich nicht geringen Ranges; sehr bescheiden dazu, wenn ich nach der Schüchternheit und Grazie urtheilen darf, mit der sie sich bewegte, und auf meine Bitten niedersetzte. Auch ihre Kleidung war, wie es mir schien, schön und modern; doch war sie mit einem phantastisch gestickten Mantel von grüner Seide verhüllt, in welchem, so drückend es auch in dieser Jahreszeit sein mußte, ihr Körper ganz eingehüllt, und der noch obendrein mit einer Kaputze versehen war.

Der Teufel hole die Kaputze, Darsie! denn ich konnte gerade so viel ersehen, daß sie mich, da sie über das Gesicht gezogen war, des lieblichsten Anblicks beraubte, und daß sie aus Verlegenheit tief zu erröthen schien. Ich konnte sehen, daß ihr Teint wundervoll schön war – das Kinn lieblich gerundet – die Lippen wie Korallen – die Zähne wetteifernd mit Elfenbein. Aber weiter vermochte der kühne Blick nicht zu dringen, denn ein goldenes Schloß, mit einem Saphir geziert, schloß den neidischen Mantel am Hals der schönen Unbekannten, und die verzweifelte Kaputze verbarg den oberen Theil des Gesichts.

Ich hätte zuerst sprechen sollen, das ist unläugbar; aber ehe ich noch meine Sätze geordnet hatte, eröffnete die junge Dame selbst die Unterredung, wahrscheinlich durch mein Schwanken in Verzweiflung gebracht.

»Ich fürchte aufdringlich zu sein, Sir – ich glaubte einen ältlichen Herrn zu finden.«

Das brachte mich wieder zu mir selbst. »Wahrscheinlich mein Vater, Madame. Aber Sie frugen nach Allan Fairford – meines Vaters Name ist Alexander.«

»Es ist ohne Zweifel Mr. Allan Fairford, welchen ich zu sprechen wünschte,« sagte sie mit noch größerer Verwirrung, »doch sagt man mir, er wäre schon bei Jahren.«

»Wahrscheinlich eine Verwechselung, Madame, zwischen meinem Vater und mir – unsere Taufnamen haben denselben Anfangsbuchstaben, obgleich sie verschieden enden. – Ich – ich – ich würde es für ein sehr glückliches Versehen halten, wenn ich die Ehre hätte, meines Vaters Stelle in irgend etwas, das Ihnen dienen könnte, zu vertreten.«

»Sie sind sehr gütig, Sir!« Pause, in welcher sie zweifelhaft schien, ob sie aufstehen oder sitzen bleiben sollte.

»Ich bin gerade im Begriff, meine juristische Laufbahn zu beginnen, Madame,« (hoffend, dadurch ihre Zweifel zu heben, um endlich zu hören, was sie wollte), »könnte Ihnen mein Rath oder meine Meinung vom geringsten Nutzen sein – obgleich ich nicht sagen kann, daß es viel bedeuten sollte – dennoch –«

Die Lady stand auf. »Ich bin Ihnen wahrlich für Ihre Güte sehr verbunden, Sir, zweifle auch keineswegs an Ihren Talenten. Doch will ich offen sein – ich kam hieher, um Sie zu sprechen, nun aber, da ich Sie treffe, halte ich es für besser, Ihnen meine Mittheilungen schriftlich zukommen zu lassen.«

»Ich hoffe, Madame, Sie werden nicht so grausam sein, mich nicht so peinigen. Bedenken Sie, daß Sie mein erster Client sind – Ihr Geschäft meine erste Consultation – machen Sie mir das Mißvergnügen nicht, mir Ihr Vertrauen zu entziehen, weil ich einige Jahre jünger bin, als Sie erwarteten. – Mein Fleiß, meine Aufmerksamkeit wird meinen Mangel an Erfahrung aufwiegen.«

»Ich zweifle keineswegs daran,« sagte die Lady in einem Tone, der darauf berechnet schien, die zuvorkommende Weise, mit der ich es gewagt hatte, sie anzureden, in die gehörigen Schranken zurückzuweisen. »Aber wenn Sie meinen Brief erhalten haben, so werden Sie selbst die Gründe billigen müssen, warum eine schriftliche Mittheilung für meinen Zweck geeigneter ist. Ich wünsche Ihnen guten Morgen, Sir!« Und so verließ sie das Zimmer, indem sie ihren getäuschten Consulenten scharrend, verbeugend, das entschuldigend zurückließ, was ihr allenfalls mißfallen haben möchte, obgleich die ganze Beleidigung darin zu bestehen schien, daß sie mich jünger fand, als meinen Vater.

Sie öffnete die Thüre – ging hinaus – eilte über den Gang, wandte sich um die Straßenecke, und steckte, glaub' ich, die Sonne in die Tasche, indem sie verschwand, so schnell schien vor meinen Augen Finsterniß und Nacht die Straße zu verdunkeln, als sie nicht mehr sichtbar war. Besinnungslos stand ich einen Augenblick da, und dachte nicht daran, welchen Schatz an Unterhaltung ich unseren wachsamen Freunden auf der anderen Seite des Rasens gewähren mußte. Dann stieg der Gedanke in mir auf, ihr nachzulaufen, um wenigstens Gewißheit zu erlangen wer oder was sie war. Ich auf und davon – renne durch den eingezäunten Rasenplatz, wo sie nicht mehr zu sehen war, und frug einen der Färbersburschen, ob er keine Lady den Rasenplatz hinab habe gehen sehen, oder ob er nicht bemerkt hätte, welchen Weg sie eingeschlagen habe.

»Eine Leddyk!« – sagte der Färber, indem er mich mit einer Regenbogenmiene anstarrte, »Mr. Allan, was packt Euch an, daß Ihr wie wahnsinnig ohne Hut herumlauft?«

»Der Teufel hole meinen Hut!« antwortete ich, rann aber doch zurück, ihn zu holen, raffte ihn auf, und lief spornstreichs wieder davon. Als ich aber die Ecke des Rasenplatzes zum zweiten Mal erreichte, hatte ich doch so viel Einsicht, einzusehen, daß nun alle Nachforschungen unnütz sein würden. Dann sah ich auch meinen Freund, den Färbergesellen, in vertraulicher Unterredung mit einem Genossen seiner Zunft, und war überzeugt, daß sie von mir sprachen, denn sie lachten zusammen. Auch hatte ich keine Lust, durch ein nochmaliges Rennen das Gerücht zu bestätigen, das wahrscheinlich vom Campells-Platz bis zu den Stufen des Mealmarket gedrungen wäre, daß nämlich der Advocat Fairford toll geworden sei; also schlich ich stille wieder in mein Zimmer zurück.

Meine erste Beschäftigung war es nun, alle Spuren der eleganten und phantastischen Zurichtung hinwegzuräumen, von denen ich einen so günstigen Eindruck erwartet hatte; denn nun war ich beschämt und ärgerlich darüber, daß ich auch nur einen Augenblick an die Art und Weise gedacht hatte, wie ich einen Besuch empfangen sollte, der so angenehm begonnen, so ungenügend geendet hatte. Ich stellte die Folio-Bände wieder auf ihren Platz – warf die Rappiere in den Kleiderschrank, indem ich mich dabei immer mit fruchtlosen Zweifeln quälte, ob eine Gelegenheit ungenützt vorbeigegangen, oder ob ich einer Falle entgangen sei, oder ob die junge Dame wirklich von der allzugroßen Jugend ihres Rechtanwaltes zurückgeschreckt worden sei. Unwillkürlich rief ich den Spiegel zu Hülfe, und dieser geheime Kabinets-Rath that den Ausspruch, daß ich kurz und untersetzt sei, daß meine Physiognomie sich mehr für die Schranken als für den Ball eigne – nicht schön genug, erröthende Jungfrauen zum Schmachten nach mir zu bewegen, oder daß sie gar Rechtsfälle erdenken sollten, um in mein Zimmer zu gelangen – doch auch nicht häßlich genug, diejenigen zu verscheuchen, die wirklicher Geschäfte wegen kommen – schwärzlich, das muß wahr sein, aber – nigri sunt hyacinthi – man kann gar viel Schönes zu Gunsten dieser Gesichtsfarbe sagen.

Endlich – da der gesunde Menschenverstand immer, wenn man nur will, die Oberhand behält – überzeugte ich mich in mir selbst, daß ich mich vor der Unterredung wie ein Esel betragen hatte, indem ich zu viel erwartet hatte – wie ein Esel während der Unterredung, weil ich es versäumt hatte, die wahre Absicht der Lady herauszubringen – und besonders als ein Esel, nun da es vorbei war – so viel darüber nachzudenken. Da ich aber nicht im Stande bin, an etwas Anderes zu denken, so bin ich entschlossen, künftiger Vorfälle wegen, daran zu denken.

Du erinnerst dich wohl noch Murthog O'haras, Vertheidigung der katholischen Lehre von der Ohrenbeichte; weil »seine Sünden immer schwer auf seinem Herzen lasteten, bis er sie dem Priester erzählt habe, wären sie aber einmal gebeichtet, so dächte er nicht mehr daran.« Ich habe also das Recept erprobt; und da ich nun meine geheime Demüthigung deinem vertrauten Ohre mitgetheilt habe, so will ich auch ferner nicht mehr an das Mädchen des Rebels denken, »die ohne Blick des Blickes mich beraubte.«

– vier Uhr

Verwünscht sei ihr grüner Mantel, sie kann nichts besser als eine Fee sein; immer noch ist sie im Besitze meines Kopfes! Während des ganzen Mittagessens war ich entsetzlich zerstreut; glücklicherweise aber suchte mein Vater den Grund meiner Träumereien im abstracten Sinn des Lehrsatzes: Vinco vincentem, ergo vinco te; über welche juridische Lehre der Professor heute Morgen las. So ward ich frühzeitig entlassen in mein eigenes Zimmer zurückzugehen, und da studire ich auch wirklich in meinem Sinn über den Spruch vincere vincentem, um besser die thörichte Neugierde zu unterdrücken. – Ich denke, denn weiter ist es nichts, was sich wohl so gänzlich in Besitz meiner Einbildungskraft gesetzt haben mag, und mich beständig mit der Frage quält – wird sie schreiben oder nicht? Sie wird nicht – sie wird nicht schreiben, sagt die Vernunft, Die Form dieser und der folgenden Periode ist dem Laurence Stern (yoriks sentimental journeys 1744, pag. 44) nachgeahmt. Anm. d. Uebers. und fügt hinzu: »warum sollte sie sich die Mühe geben, in einen Briefwechsel mit Jemanden zu treten, der statt kühn, gewandt und zuvorkommend zu sein, sich als ein hasenfüßiger Bube bewies, und ihr allein das Mühselige einer nähern Erklärung überließ, statt ihr auf halbem Wege zuvorzukommen?« Dann aber sagte Phantasie: »sie wird ja schreiben, denn sie trug gar nichts von einer Person an sich, wie Ihr, Herr Vernunft, in Eurer Weisheit sie Euch vorstellt. Sie war schon völlig außer Fassung, ehe ich ihren Kummer durch ein unverschämtes Betragen meiner Seits vermehrte. Sie wird schreiben, denn – – – – –«

Beim Himmel, sie hat geschrieben, Darfie, welche Genugthuung! Hier ist ihr Brief, der von einem Knaben in die Küche geworfen ward, der zu ehrlich war, eine Bestechung von Geld oder Wiskey anzunehmen, und weiter nichts sagte, als er habe ihn nebst sechs Pence von einer gewöhnlich aussehenden Frau bekommen, als er nahe am Kreuze gespielt hätte.

*

An Allan Fairford Esquire, der Rechte Beflissener.

»Sir!

Verzeihen Sie das heutige Mißverständniß. Ich erfuhr zufällig, daß Mr. Darsie Latimer einen Vertrauten Freund an Hr. A. Fairford besitze. Als ich nach dieser Person frug, wies man mich zum Kreuze (wie man, glaube ich, die Börse Ihrer Stadt nennt), und bezeichnete mir einen ehrwürdigen, ältlichen Mann – Ihren Vater, wie ich nun sehe. Als ich in Browns Square, wo ich wußte, daß er wohnte, nachfrug, gebrauchte ich den vollen Namen Allan, was Ihnen natürlich die Störung meines heutigen Besuches zuzog. Wer bei weiterem Nachforschen muß ich wohl glauben, daß Sie in der Sache, auf die ich Ihre Aufmerksamkeit lenke, am thätigsten sein werden: und ich bedaure sehr, daß Umstände, welche von meinen besonderen Verhältnissen herrühren, mich verhindern, Ihnen persönlich das sagen zu können, was ich Ihnen nun in dieser Sache mittheilen will.

»Ihr Freund, Mr. Darsie Latimer, befindet sich in einer höchst gefährlichen Lage. Sie sind wahrscheinlich davon unterrichtet, daß er gewarnt wurde, sich nicht nach England zu wagen. – Nun hat er zwar diese freundschaftliche Warnung nicht geradezu überschritten, doch hat er sich der drohenden Gefahr so weit genähert, als er es nur dem Buchstaben nach thun konnte. Er hat seinen Aufenthaltsort in einer für ihn höchst gefährlichen Nachbarschaft gewählt; und nur eine schleunige Rückkehr nach Edinburg, oder wenigstens eine Reise nach entlegeneren Theilen Schottlands, kann ihn den Machinationen derer, die er als Feinde zu fürchten hat, entreißen. Ich muß geheimnißvoll reden, doch sind deßwegen meine Worte nicht minder gewiß, und ich glaube, Sie werden soweit die Verhältnisse Ihres Freundes kennen, daß Sie ersehen werden, daß ich Gegenwärtiges nicht hätte schreiben können, ohne darin eingeweihter zu sein, als Sie.

»Kann oder will er den hiermit gegebenen Rath nicht annehmen, so ist es meine Meinung, daß Sie ihm mit möglichster Eile nachreisen, und durch Ihre persönliche Gegenwart und Ihr Zureden die Gründe geltend machen, die schriftlich ohne Wirkung bleiben möchten. Nun nur noch ein Wort, und ich bitte Sie, es gütigst so aufzunehmen, wie es gemeint ist. Niemand kann den Gedanken hegen, als könne man Mr. Fairfords Eifer für den Dienst seiner Freunde durch käufliche Mittel beflügeln. Aber das Gerücht sagt, daß dem Mr. Fairford, der seinen Berufsstand noch nicht angetreten hat, wohl die Mittel fehlen könnten, wenn es ihm schon gewiß nicht an Eifer fehlt mit Schnelligkeit zu handeln. Möge H. Allan Fairford die einliegende Note als den ersten Ertrag seiner Berufsgeschäfte betrachten, und sie, die es sendet, hofft, daß es ein Omen eines unbegränzt glücklichen Erfolgs sein möge, obgleich es von einer so unbekannten Hand kömmt, wie die des

Grün-Mantels.«

Eine Bank-Note von zwanzig Pfund war eingeschlossen, und der ganze Vorfall machte mich vor Erstaunen sprachlos. Ich bin nicht im Stande, den Anfang meines Briefes, der die Einleitung zu dieser außerordentlichen Mittheilung bildet, zu überlesen. Ich weiß nur, daß er, obgleich mit einer Menge von Thorheiten vermischt (Gott weiß wie verschieden sie von meinen gegenwärtigen Gefühlen sind), dennoch eine gehörig genaue Beschreibung der geheimnißvollen Person gibt, von der dieser Brief kömmt, doch habe ich weder Zeit noch Geduld, den abgeschmackten Commentar von dem Texte zu trennen, den du so nöthig wissen mußt.

Verbinde nun diese aus so seltsame Weise empfangene Warnung mit dem Verbote, das dir dein Londoner Korrespondent, Griffith, England zu besuchen, auferlegte – mit dem Charakter deines Lairds der Solway-Seen – mit dem gesetzlosen Zustand des Volkes in dieser Gränzgegend, wo Verhaftsbefehle deßhalb nicht leicht ausgeführt werden können, weil beide Länder eifersüchtig auf Rechtseingriffe sind; erinnere dich, daß selbst Sir John Fielding meinem Vater sagte, er könne jenseits der Mauern von Dumfries der Spur keines Spitzbuben mehr nachgehen – denke daran, daß die Spaltung zwischen Whigs und Torys, Papisten und Protestanten diese Gegend immer noch in einem gährenden, verhältnißmäßig gesetzlosen Zustand erhält – denke an alles das, theurer Darsie, bedenke, daß du zu Mount Sharon bei einer Familie wohnst, die im gegenwärtigen Augenblick mit Gewaltthätigkeiten bedroht ist, und die, während sie auf der einen Seite durch ihren Eigensinn zu Gewaltthätigkeiten Anlaß gibt, auf der andern sich durch Grundsätze gebunden glaubt, keinen Widerstand leisten zu dürfen.

Laß dir ferner amtsmäßig sagen, daß die Gesetzmäßigkeit der Art Fische zu fangen, wie unser Freund Josua sie anwendet, von unseren besten Rechtsgelehrten sehr in Zweifel gezogen wird, und daß, wenn Pfahlnetze wirklich ein ungesetzmäßiger Eingriff in ihren Erwerb sind, auch eine Gesellschaft, die via facti verfährt, sie niederreißt und zerstört, in den Augen des Richters keines Aufruhrs schuldig ist. So daß du, wenn du in deinem gegenwärtigen Aufenthaltsort verweilst, wahrscheinlich in einen Streit verwickelt werden wirst, der dich nichts angeht, und somit deine Feinde, wer sie auch sein mögen, in den Stand setzest, in der Verwirrung eines allgemeinen Aufruhrs jeden Plan, den sie gegen deine persönliche Sicherheit im Schilde führen mögen, leicht auszuführen. Schmutzige Fischer, Wilddiebe und Schleichhändler sind eine Klasse Menschen, die weder die schönen Worte deines Quäkers noch deine Ritterthaten zurückschrecken werden. Wenn du Don Quixote genug bist, zur Verteidigung der Pfahlnetze und der Schwarzröcke die Lanze einzulegen, so bist du wahrlich ein verlorner Ritter: denn wie gesagt, ich zweifle sehr, daß die mächtigen Beschützer der Unschuld, die Gerichtsdiener und Constabels, sich für befugt halten werden, thätlich einzuschreiten. Mit einem Worte, kehre zurück, theurer Amadis; das Abenteuer mit den Solway-Pfählen ist Ew. Wohlgeboren nicht zugedacht. Komme zurück, und ich will bei deiner Nachforschung, die mehr Hoffnung darbietet, dein getreuer Sancho Pansa sein. Wir wollen zusammen herumschleichen, jene Urganda, jene Unbekannte im grünen Mantel sorgfältig ausspähen, die den geheimnißvoll geschürzten Knoten deines Schicksals besser lösen kann, als die weise Eppie von Buckhaven, ja als Cassandra selbst.

Ich scherze, Darsie, denn um dich zu überzeugen, gelangt man oft eher mit Scherz als mit Gründen zum Ziel; doch ist es mir schwer um's Herz, ich kann den Ton nicht halten. Nimmst du auf die Freundschaft, die wir uns so oft zugeschworen haben, auch nur einen Augenblick Rücksicht, so lasse doch, ich bitte dich, für dieses Mal nur, den Antrieb deines kühnen, romantischen Gemüths meinen Wünschen nachstehen. Trübe Gedanken flößt es mir ein, daß die Nachricht, die meinem Vater von diesem Mr. Herries mitgetheilt wurde, mit dem Warnungsbrief der jungen Dame übereinstimmen möchte, und daß du, wenn du hier wärest, von dem einen oder der anderen etwas erfahren könntest, was über deine Geburt und Verwandtschaft Licht verbreiten könnte. Du wirst doch also hoffentlich eine thörichte Laune nicht einer Aussicht vorziehen, die sich dir darbietet. Ich würde dem Winke gemäß, den der Brief der jungen Dame enthielt (denn gewiß verdient ihr Rang diesen Titel), dir jetzt alle diese Gründe mündlich mittheilen, statt sie dem Papiere anzuvertrauen. Doch weißt du, daß der Tag meiner Prüfung festgesetzt ist; schon bin ich den Examinatoren vorgestellt worden, schon ist meine Thesis bestimmt. Freilich sollte mich das Alles nicht zurückhalten, aber mein Vater würde eine Unregelmäßigkeit bei dieser Gelegenheit als einen Todesstoß betrachten für alle Hoffnungen, denen er in seinem Leben am meisten nachhing, nämlich, daß ich mein Examen mit einigem Glanz bestehen würde. Ich meines Theils weiß wohl, daß es nicht viel Schwierigkeiten hat, diese Prüfung zu bestehen, wie hätten sie sonst manche aus unserer Bekanntschaft bestehen können? Aber für meinen Vater sind diese Formalitäten eine erhabene, ernste Feierlichkeit, nach welcher er sich schon lange sehnte, und wenn ich mich in diesem Augenblick entfernte, so könnte es ihn nahe an Wahnsinn bringen. Doch werden meine Gedanken stets abwesend von mir sein, wenn du mich nicht umgehend versicherst, daß du hierhereilst. Unterdessen habe ich Hanna gebeten, dein kleines Zimmerchen in den möglichst besten Stand zu richten. Ich kann nicht erfahren, ob mein Vater dir schon geschrieben hat; auch hat er von seiner Unterredung mit Birrenswork nicht mehr gesprochen; aber wenn ich ihn auch nur eine Spur von der Gefahr merken lasse, in welcher du schwebst, so bin ich überzeugt, daß er meine Bitte um deine schleunige Rückkehr gut heißen wird.

Noch ein Grund. – Ich muß herkömmlicher Weise unsern Freunden bei meiner Aufnahme ein Mittagessen geben, und mein Vater, der bei dieser Gelegenheit alle seine gewöhnlichen Rücksichten auf Oekonomie beseitigt, wünscht, daß es recht glänzend werde. Komme also her, bester Darsie, oder ich schicke, ich schwör' es dir zu, Prüfung, Mittagessen und Gäste zum Teufel, und komme, persönliche Genugthuung von dir zu fordern. Der Deinige in großer Angst.

A.F.


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