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Die Hand drückt man einander seufzend dann,
Die Stund' ist da. Mit Schmerzen scheidet man.
Wo ist das Pferd? Die Rechnung? Ei, begehrt
Wird hier nicht Zahlung! wie der Wirth uns lehrt.
Liliput.
Wir verweilen nicht bei den Festlichkeiten des Tages, welche nichts hatten, was den Leser besonders anziehen könnte; der Tisch seufzte unter der gewöhnlichen Fülle, die von den Gästen mit der gewöhnlichen Eßlust verzehrt wurde – die Punschbowle wurde mit derselben Schnelligkeit, wie früher, gefüllt und geleert, die Männer tranken, die Frauen lachten – Claudius Halcro reimte, witzelte, und erhob John Dryden, der Udallar stieß mit vollem Glase an, und sang lustig den Chor mit, und der Abend endete sich, wie gewöhnlich in dem Putzgemache, wie Magnus Troil den Tanzsaal zu nennen beliebte.
Hier war es, wo Cleveland sich Magnus näherte, der zwischen seinen beiden Töchtern saß, und ihm ankündigte, daß er nach Kirkwall auf einer kleinen Brigg gehen würde, die Bryce Snailsfoot, der mit beispielloser Schnelligkeit seine Waaren losgeworden war, ausgerüstet hatte, um von dort neuen Vorrath zu holen.
Magnus hörte diese unerwartete Nachricht mit Erstaunen und nicht ohne Mißvergnügen an, und fragte Cleveland spitzig, seit wann er Bryce Snailsfoots Gesellschaft der seinigen vorziehe. Cleveland antwortete mit seiner gewöhnlichen Derbheit, daß Zeit und Fluth auf Niemanden warteten, und daß er seine besonderen Gründe dazu hätte, die Fahrt nach Kirkwall früher zu machen, als der Udallar die seinige anzutreten gedächte – daß er hoffe, ihn und seine Töchter auf dem großen Markte zu treffen, der binnen Kurzem gehalten würde, um dann mit ihnen nach Shetland zurückkehren zu dürfen.
Während er dieß sprach, hielt Brenda, so fest, als sie konnte, ohne die allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen, ihre Augen auf ihre Schwester geheftet. Sie bemerkte, daß Minna's bleiche Wange noch bleicher wurde, während Cleveland sprach, und daß sie durch das feste Zusammenschließen ihrer Lippen und ein leichtes Zusammenziehen ihrer Augenbrauen eine starke innere Bewegung zu verbergen suchte. Kein Wort entschlüpfte indeß ihren Lippen, und als Cleveland sich ihr näherte, nachdem er dem Udallar Lebewohl gesagt hatte, und sie küßte, wie es Gebrauch der damaligen Zeit war, empfing sie seinen Kuß, ohne ihn zu erwidern.
Allein auch Brenda's Stunde nahete, denn Mordaunt, den ihr Vater einst so sehr liebte, nahm jetzt ebenfalls kalten Abschied von ihm, ohne nur eines freundlichen Blickes gewürdigt zu werden. Es lag sogar Spott in dem Tone, womit Magnus dem Jünglinge eine glückliche Reise wünschte, und ihm empfahl, wenn ihm ein hübsches Mädchen auf dem Wege begegnete, nicht gleich zu glauben, daß sie in ihn verliebt wäre, weil sie ihm freundlich zulächelte. Mordaunt erröthete bei diesen Worten, die er als eine Beleidigung ansah, allein er dachte an Brenda, und unterdrückte jedes Gefühl des Unwillens. Jetzt nahm er Abschied von den Schwestern. Minna, deren Herz gegen ihn jetzt viel weicher gestimmt war, empfing sein Lebewohl nicht ohne Theilnahme, Brenda's Antheil aber ward in ihrem wohlwollenden Ausdrucke und in der Thräne, die in ihr Auge trat, so sichtbar, daß er sogar der Aufmerksamkeit des Udallars nicht entging, der halb unwillig ausrief: »Nun ja, Mädchen, das mag ganz recht sein, denn er war ein alter Bekannter; ich will aber nicht, daß er es bleiben soll!«
Mertoun, der das Zimmer langsamen Schrittes verließ, hörte diese schimpfliche Bemerkung noch halb, und war im Begriff, umzukehren, um sie zu ahnden. Allein sein Vorsatz ward ihm leid, als er Brenda zu ihrem Taschentuche greifen sah, um ihre Bewegung zu verbergen, und das Gefühl, daß diese Aufregung durch seine Abreise erregt würde, verscheuchte jeden Gedanken an ihres Vaters Unfreundlichkeit. Er entfernte sich; die übrigen Gäste folgten seinem Beispiele, und mehrere derselben, wie Cleveland und er selbst, nahmen schon jetzt Abschied, in der Absicht, ihre Heimreise am folgenden Morgen anzutreten.
Wenn der gegenseitige Kummer Minna's und Brenda's auch die Zurückhaltung, welche zwischen den Schwestern entstanden war, nicht ganz zu beseitigen vermochte, so schmolz er in dieser Nacht doch wenigstens alle Kälte und Unfreundlichkeit. Sie vergossen Thränen indem sie sich umarmten, und wenn auch keine von ihnen sprach, so war doch jede der andern theurer, weil Beide fühlten, daß der Kummer, welcher diese Tropfen hervorlockte, eine gemeinsame Quelle hatte.
Es ist möglich, daß Minna's Herz der Kummer tiefer ergriffen hatte, wenn auch Brenda's Thränen reichlicher floßen; denn lange, nachdem die Jüngere sich schon, wie ein Kind, an ihrer Schwester Busen in den Schlaf geweint hatte, lag Minna noch wachend, die unbestimmte Dämmerung beobachtend, während Thräne auf Thräne langsam in ihrem Auge emporstieg, und ihre Wangen herabrieselte, sobald sie so schwer ward, daß ihre langen seidenen Augenlider sie nicht mehr zu tragen vermochten. Während sie so lag, in die trüben Gedanken versunken, durch welche diese Thränen herabgelockt wurden, glaubte sie, zu ihrem Erstaunen, Musik zu hören. Sie meinte Anfangs, es sei ein Schwank Claudius Halcro's, dessen phantastische Laune sich zuweilen in solche Abendständchen ergoß, allein es war nicht die Gue des alten Barden, sondern eine Guitarre, ein Instrument, das Niemand auf der Insel zu spielen verstand, als Cleveland, der es bei seinem Verkehr mit den südamerikanischen Spaniern vorzüglich zu behandeln erlernt hatte. Vielleicht lernte er in jenen Klimaten auch das Lied, das jetzt zwar unter dem Fenster eines Mädchens von Thule gesungen, doch gewiß nie für eine Bewohnerin eines so nördlichen und strengen Klima's gedichtet worden war, da er von Erzeugnissen der Erde und des Himmels sang, die hier durchaus unbekannt sind:
Sank die Schönheit schlummernd hin,
Dann ist Lieb' erwacht,
Die auf's Bett der Schläferin
Streut der Rosen Pracht.
Mög' ein süßer Traum dir nennen,
Was dieß Herz scheut, zu bekennen.
Weht um mich auch süßer Duft,
Bang' doch athm' ich hier!
Balsam würzet rings die Luft
Von den Palmen mir.
O, tränk' ich von deinem Munde
Süßern Nektar diese Stunde!
Hör' ihn, der dich treulich liebt,
Ewig treu dir bleibt;
Welchem Schmerz dein Schweigen gibt,
Und von hinnen treibt.
Lohne du sein treues Streben,
Laß ihn lieben, laß ihn leben!
Clevelands Stimme war kräftig, wohltönend und männlich, und paßte gut zu dem spanischen Liede, denn die Worte schienen eine Uebersetzung aus dieser Sprache. Wahrscheinlich würde seine Aufforderung nicht unbeachtet geblieben sein, hätte Minna aufstehen können, ohne ihre Schwester zu wecken. Allein das war unmöglich, denn Brenda, die, wie bemerkt, bitterlich geweint hatte, lag jetzt mit ihrem Gesichte auf dem Busen ihrer Schwester, einen Arm um sie geschlungen, wie ein Kind, das sich in den Armen seiner Wärterin in den Schlaf geweint hat. Es war Minna unmöglich, sich aus dieser Umschlingung zu befreien, ohne sie zu erwecken, und sie konnte deßwegen den schnell gefaßten Entschluß nicht ausführen, ihr Gewand zusammenzufassen und an das Fenster zu eilen, um mit Cleveland zu sprechen, der, wie sie nicht zweifelte, zu diesem Mittel seine Zuflucht genommen hatte, um sie noch einmal zu sehen. Dieser Zwang war ihr sehr lästig, denn wahrscheinlich war ihr Geliebter gekommen, ihr das letzte Lebewohl zu sagen; daß aber Brenda, die jetzt gegen Cleveland sehr eingenommen zu sein schien, erwachen und Alles mit anhören sollte, war ihr ein unerträglicher Gedanke.
Es entstand jetzt eine kurze Pause, während welcher Minna mehrmals mit so viel Behutsamkeit, als möglich, Brenda's Arm von ihrem Halse los zu machen suchte; allein sobald sie dieß versuchte, brummte die Schläferin unwillig, wie ein im Schlafe gestörtes Kind; ein Zeichen, daß die Fortsetzung des Versuches sie nur ganz munter machen würde.
Zu ihrem großen Verdrusse mußte also Minna still liegen und schweigen. Als ob ihr Geliebter aber glaubte, sich durch eine andere Melodie leichter Gehör zu verschaffen, sang er folgendes Bruchstück eines seemännischen Liedes:
Leb' wohl! zum letzten Mal hörst du
Von Liebe singen diese Stimme jetzt.
»Zieh' in den Krieg!« so riefest du mir zu.
Lohnt deine Liebe mich dafür zuletzt?
Leb' wohl! statt Liebeswonn' und Scherz,
Von denen, ach! mein Mund nun nicht mehr singt,
Biet' ich dem düstern Schicksalssturm mein Herz,
Und gehe, wo mich wilder Kampf umschlingt!
Es wagte kaum, dich anzuschau'n
Dieß Auge, dem fortan du bist entrückt!
Wohl aber will ich fürder ohne Grau'n
Den Feind erwürgen, der den Dolch gezückt.
Leb' wohl! entflohen ist mir weit
Mein Lebensglück und alle meine Lust!
Leb' wohl! Doch auch in Gram und herbem Streit
Wohnt stets dein Bild in meiner treuen Brust.
Er verstummte jetzt abermals, und abermals machte die, an welche die Serenade gerichtet war, einen Versuch, aufzustehen, ohne ihre Schwester zu wecken. Allein dieß war unmöglich, und es blieb ihr nur der quälende Gedanke übrig, daß Cleveland jetzt in seinem Schmerze, ohne einen einzigen Blick, ein einziges freundliches Wort von ihr Abschied nehmen mußte. Er, der so heftig war, der aber dieses Ungestüm mit so beharrlichem Willen unterordnete – hätte sie nur einen Augenblick finden können, ihm Lebewohl zu sagen – ihn von neuen Händeln mit Mordaunt abzuhalten – ihn zu beschwören, sich von solchen Kameraden loszumachen, wie er ihr beschrieben – hätte sie nur alles Dieß vermocht, wer weiß, welche Wirkung diese letzten Ermahnungen noch auf seinen Charakter, ja auf sein ganzes künftiges Leben gehabt haben würden.
Durch diese Gedanken mit Tantalusqualen gemartert, war Minna im Begriff, einen abermaligen und entscheidenden Versuch zu machen, als sie unter dem Fenster Stimmen hörte, und die Clevelands und Mertouns zu erkennen glaubte, welche in sehr heftigem Tone mit einander sprachen, jedoch zugleich so gedämpft als möglich, als ob die Sprechenden fürchteten, belauscht zu werden. Jetzt mischte sich Unruhe in ihr früheres Verlangen, aufzustehen, und auf einmal vollbrachte sie das, was sie vorhin vergebens versucht hatte. Es gelang ihr, Brenda's Arm von ihrem Halse loszumachen, ohne daß die Schläferin mehr als zwei oder drei undeutliche Worte murmelte; eben so eilig und geräuschlos warf Minna dann einen Theil ihrer Kleidung mit dem Vorsatze über, sich an's Fenster zu schleichen; ehe sie dieß jedoch vermochte, hörte sie, daß das Gespräch sich in den Lärm eines Handgemenges verwandelte, welches plötzlich mit einem tiefen Stöhnen endete.
Erschrocken über dieses letzte Unglückszeichen, sprang Minna an's Fenster, und suchte es zu öffnen, denn die Personen standen so dicht an der Mauer des Hauses, daß sie nichts sehen konnte, ohne den Kopf zum Fenster hinauszustecken. Die eiserne Haspe war aber eingerostet und verquollen, und die Eile, mit welcher sie sie aufzudrehen suchte, machte das Gelingen, wie gewöhnlich, noch schwerer. Als es gelungen war, und Minna sich begierig mit dem halben Körper zum Fenster hinausbog, waren die, von welchen die Töne hergerührt hatten, schon unsichtbar geworden, und sie konnte nur noch im Mondlichte einen Schatten dahingleiten sehen, während der Gegenstand, der ihn warf, um eine Ecke gegangen war, die ihn ihren Blicken entzog. Der Schatten bewegte sich langsam, und schien der eines Mannes zu sein, der einen andern auf den Schultern trug, ein Umstand, welcher Minna's Angst auf das Höchste steigerte. Das Fenster war vom Boden nicht höher, als etwa acht Fuß, und sie säumte keinen Augenblick, sich von demselben herabzuschwingen und den Gegenstand zu verfolgen, der ihr Schrecken erregt hatte.
Als sie aber an die Ecke des Gebäudes kam, hinter welchem der Schatten hervorgekommen zu sein schien, sah sie nichts, was ihr den Weg, den die Gestalt genommen hatte, im Geringsten hätte andeuten können, und ein kurzes Besinnen reichte hin, sie zu überzeugen, daß alle Versuche zu weiterer Verfolgung eben so unverständig, als fruchtlos sein würden. Außer allen den Vorsprüngen und Vertiefungen des vielwinkligen Hauses, seinen Außengebäuden, den verschiedenen Kellern, Niederlagen, Ställen u. s. w., welche ihre Nachforschungen vereiteln mußten, zog sich auch noch eine Reihe niedriger Felsen von hier aus nach dem kleinen Hafen hin, eigentlich eine Fortsetzung des Rückens, der dessen Damm bildete. Diese Felsen hatten manche Vertiefungen, Schluchten und Höhlen, und in eine von diesen konnte die Gestalt sich mit ihrer verhängnißvollen Last geflüchtet haben, denn verhängnißvoll, fürchtete sie, mußte sie sein.
Ein kurzes Bedenken überzeugte Minna, wie gesagt, von dem Thörichten jeder weiteren Verfolgung. Ihr nächster Gedanke war, die Familie zu wecken; allein dann mußte sie sagen, von was und von wem die Rede sei. Auf der andern Seite konnte aber dem Verwundeten, wenn er verwundet war – ach, wenn er tödtlich verwundet war – noch Hülfe geleistet werden, und in dieser Ueberzeugung war sie im Begriff, zu rufen, als sie Claudius Halcro's Stimme hörte, der, dem Anscheine nach, vom Hafen zurückkehrte, und nach seiner Weise ein Stück eines alten norwegischen Liedes sang, das man etwa so übersetzen könnte:
Was mein noch ist, sollst du vertheilen,
Geliebte, gute Mutter, du!
Die Armen, Traurigen laß eilen,
Mein Erbe wend' ich ihnen zu.
Gib ihnen meine schönen Pferde,
Die Falken, Hunde, sammt dem Wein;
Theil' unter sie die schöne Heerde,
Und die neun Schlösser obendrein.
Sollst nicht den Tod zu rächen hoffen,
Der mich nun führt zum Himmel ein,
Denn allen Tapfern steht der offen; –
Die Rache steht bei Gott allein.
Die sonderbare Uebereinstimmung zwischen dem Inhalte dieses Liedes und der Lage, in der sie sich selbst befand, erschien Minna als ein Wink des Himmels. (Man muß bedenken, daß wir hier beständig von einem Lande reden, in welchem auf Anzeichen und abergläubische Vorbedeutungen das größte Gewicht gelegt wurde, und wir fürchten zuweilen beinahe von denen kaum recht verstanden zu werden, deren begränzte Einbildungskraft sich keinen Begriff davon machen kann, wie mächtig jene zu gewissen Perioden der Ausbildung der menschlichen Gesellschaft auf den menschlichen Geist wirken können. Der Inhalt eines Verses, den man im Virgil aufschlug, wurde im siebzehnten Jahrhundert am englischen Hofe als eine sichere Vorbedeutung für die Zukunft angesehen; was Wunder also, wenn ein Mädchen von den wilden und entfernten shetländischen Inseln Verse, welche auf ihre gegenwärtige Lage paßten, als einen Wink des Himmels ansah.)
»Ich will schweigen,« sagte sie halblaut, »ich will meine Lippen verschließen:
Denn allen Tapfern steht der offen; –
Die Rache steht bei Gott allein!«
»Wer spricht da?« sagte Claudius Halcro etwas erschrocken; denn er hatte sich selbst durch seine Reisen in fremden Ländern von seinem heimathlichen Aberglauben nicht ganz losmachen können. In der Lage, in welche Furcht und Entsetzen sie gebracht hatten, konnte Minna Anfangs nicht antworten, und Halcro, der im Halbdunkel – denn sie stand im Schatten des Hauses, und der Morgen war trübe und neblich – eine weiße Gestalt vor sich stehen sah, fing an, sie in alten Reimen zu beschwören, welche sich ihm als passend für diese Gelegenheit darboten, und welche in ihrem Kauderwelsch einen wilden überirdischen Ton hatten, der in der hier folgenden Uebersetzung vielleicht verloren gegangen ist:
Beim heil'gen Magnus, dem Märtyrer, lang' verkannt,
Beim heiligen Ronan, der Unheil bannt;
Bei der Messe von Magnus, der heil'gen Marie: –
Gebiet' ich dir nun, entflieh', o, entflieh'!
Ein guter Geist mag bei mir weilen,
Der Böse mag von hinnen eilen!
Gehörst du der Luft,
So schwind' in Duft;
Gehörst du der Erde,
Zu Staube werde;
Bist du ein Gnom, sei auf der Hut,
Bist eine Nixe, such' die Fluth.
Bewohntest du die Erd' einmal,
Und trugst, wie wir noch, Noth und Qual;
Hast du im Schweiß dein Brod genossen,
Bis dich der Todesschlaf umschlossen,
Dann steig' in's Grab, in deinen Schrein,
Der dich schon lang geschlossen ein;
Den Würmern gib du Nahrung dort –
Was störst du uns an diesem Ort?
Bleib' dort, bis dich die Posaune schreckt,
Bis Michael alle Todten weckt!
Ich kreuze mich! Du aber flieh'!
Es geht mein Spruch zu Ende hie!
»Ich bin es, Halcro,« flüsterte Minna in so schwachem und leisem Tone, daß man ihn für die Antwort des beschwornen Gespenstes hätte halten können.
»Du? Du?« sagte Halcro, indem der Ton der Furcht bei ihm zu dem des größten Erstaunens überging: »Bei dem erbleichenden Mondlichte? Du bist es? Wer würde aber erwartet haben, dich, meine liebliche Nacht, in deinem eigenen Element herumwandern zu finden? – Aber, du sahst sie, denk' ich, so gut, als ich – wahrhaftig, es ist kühn genug von dir, ihnen folgen zu wollen.«
»Wem denn? wem denn?« sagte Minna, voll Erwartung, hier einige Aufklärung über den Gegenstand ihrer Furcht und Besorgniß zu erhalten.
»Nun, die Grablichter, die am Hafen tanzten,« antwortete Halcro: »die bedeuten nichts Gutes, sage ich dir – du weißt ja, wie es in dem alten Liede heißt:
Wenn die Leichenfackel lodert,
Ist es stets ein sich'res Mal,
Daß zum Grabe wird gefodert
Einer bald aus uns'rer Zahl.
»Ich ging bis halb zum Hafen, ihnen nachzusehen, aber sie waren verschwunden. Ich meine aber, ich sah ein Boot abstoßen – vielleicht Jemand, der noch in See geht. Ich wollte, wir hätten erst gute Nachrichten von dem Fischfange! – Norna verließ uns im Zorn, und dann die Grablichter! Nun – Gott helfe uns unterdessen. Ich bin ein alter Mann, und kann nur wünschen, daß Alles glücklich vorüber wäre. – Aber was ist das, meine artige Minna? Thränen in deinen Augen? – Und jetzt, wo ich dich in vollem Mondlichte sehe, auch barfuß, bei St. Magnus! Gäb' es denn keine Strümpfe auf Shetland, die für diese niedlichen Füße und Knöchel, die so weiß im Mondlicht erglänzen, gut genug gewesen wären? Wie, kein Wort? – Aergerlich vielleicht« – setzte er in einem ernsteren Tone hinzu – »über meinen Unsinn. Schäme dich, einfältiges Mädchen! – Bedenke, daß ich alt genug bin, dein Vater zu sein, und dich immer wie ein Kind geliebt habe.«
»Ich bin nicht böse,« sagte Minna, indem sie sich Gewalt anthat, zu sprechen; »aber sagt mir, hörtet Ihr nichts? – saht Ihr nichts? sie müssen bei Euch vorüber gekommen sein.«
»Sie?« sagte Claudius Halcro: »was meinst du damit? Die Grablichter? Nein, die kamen nicht bei mir vorüber; aber ich glaube wahrhaftig, sie sind bei dir vorüber gekommen, und haben dir Etwas angethan, denn du siehst so blaß aus, wie ein Gespenst. Komm, Minna, komm,« fügte er hinzu, indem er eine Seitenthür des Wohnhauses öffnete, »solche mitternächtliche Spaziergänge schicken sich besser für alte Dichter, als für junge Mädchen – und noch dazu, wenn sie so leicht gekleidet sind, als du! – Mädchen, du solltest dich ja vor dem Winde einer shetländischen Nacht bewahren, denn er bringt auf seinen Fittigen mehr Schlacken, als süße Düfte. – Und nun, Mädchen, geh' hinein; denn wie der herrliche John sagt, oder vielmehr, wie er nicht sagt – denn ich erinnere mich nicht so ganz deutlich mehr, wie seine Verse lauten – aber wie ich selbst in einem ganz artigen Gedichte gesagt habe, das ich schrieb, als meine Muse noch in ihrer Jugendzeit war:
Ein sittig Mägdlein steht nicht früher auf,
Als bis die Sonne hell begann den Lauf.
Schlaf hält die Augen ihr bedeckt,
Bis daß den Thau die Sonne weckt.
Und ihr leichtes Füßchen meidet
Noch den Grund, vom Thau bekleidet.
Wenn die Blumen auf sich thun,
Dann hört sie auch auf zu ruh'n!
»Halt, was kommt jetzt zunächst? – Laß sehen.«
Wenn der Geist des Declamirens sich Claudius Halcro's bemächtigte, vergaß er Zeit und Ort, und er würde seine Begleiterin jetzt vielleicht eine halbe Stunde in der freien Luft aufgehalten, und ihr dabei dichterische Ermahnungen gegeben haben, weßhalb sie schon längst im Bette hätte sein sollen. Minna unterbrach indessen durch die Frage, die sie zwar mit Ernst, aber mit kaum hörbarer Stimme aussprach, während sie Halcro zitternd und krampfhaft anfaßte, als ob sie sich gegen das Niedersinken hätte schützen wollen: »Saht Ihr Niemanden in dem Boote, das so eben in See ging?«
»Unsinn!« erwiderte Halcro, »wie konnte ich irgend Jemand sehen, da Licht und Entfernung mir gerade nur erlaubten, so viel zu unterscheiden, daß es ein Boot war, und nicht ein Nordkaper?«
»Aber es muß doch Jemand im Boote gewesen sein?« wiederholte Minna, und kaum wußte sie, was sie sagte.
»Allerdings,« antwortete der Dichter, »Boote gehen selten aus eigenem Antriebe nach dem Winde. Aber komm; das ist Alles Albernheit, und deßwegen, wie die Königin in einem alten Stücke sagt, das von dem trefflichen Willo' Avenant wieder für das Theater bearbeitet wurde: zu Bette, zu Bette, zu Bette!«
Sie trennten sich, und Minna's Glieder trugen sie mit Mühe durch mehrere abgelegene Gänge wieder zu ihrem Zimmer, wo sie sich behutsam neben ihrer noch immer schlafenden Schwester niederlegte, in einer Stimmung voll der allerquälendsten Besorgnisse. Daß sie Cleveland gehört hatte, war gewiß, der Inhalt der Gesänge ließ daran keinen Zweifel; und wenn sie nicht eben so fest überzeugt war, daß sie den jungen Mertoun im heftigen Zanke mit ihrem Geliebten hörte, so war doch der Eindruck davon lebhaft geblieben. Das Stöhnen, mit dem das Handgemenge zu enden schien, das furchtbare Anzeichen, woraus sich schließen ließ, daß der Sieger den leblosen Körper seines Opfers hinweggetragen – Alles schien darauf hinzudeuten, daß der Kampf mit einer unglücklichen Begebenheit endete. »Und wer von den Unglücklichen war gefallen? Wer hatte ein blutiges Ende gefunden? Wer hatte den furchtbaren und blutigen Sieg davon getragen? –« Dieß waren Fragen, worauf die leise Stimme der inneren Ueberzeugung antwortete, daß ihr Geliebter, Cleveland, nach Charakter, Gemüth und Gewohnheiten zu schließen, wahrscheinlich der Ueberlebende sei. Diese Betrachtung gewährte ihr unwillkürlich einen Trost, den sie sich aber kaum zu erlauben wagte, wenn sie bedachte, daß er durch das Verbrechen ihres Geliebten und die Zerstörung von Brenda's Glückseligkeit getrübt würde.
»Unschuldige, unglückliche Schwester!« das waren ihre Gedanken: »Du bist zehnmal besser, als ich, denn du machst bei deinen Vorzügen so wenig Ansprüche. Wie ist es möglich, daß ich aufhöre, eine Herzensangst zu empfinden, die aus meinem Busen in den deinigen überströmt?«
Während diese quälenden Gedanken sie beunruhigten, konnte sie sich nicht enthalten, ihre Schwester an ihren Busen zu drücken, und that dieß mit solcher Innigkeit, daß Brenda erwachte, nachdem sie einen tiefen Seufzer ausgestoßen hatte.
»Bist du es, Schwester?« sagte sie; »mir träumte, ich läge auf einem von den Denkmälern, das Claudius Halcro uns so oft beschrieben hat, auf denen das Bild des darunter Ruhenden in dem Steine ausgehauen ist. Mir träumte, daß ein solches Marmorbild an meiner Seite läge, daß es auf einmal Leben und Bewegung erhielte, und mich an seine kalte, feuchte Brust drückte – und nun bist du es, Minna, und in der That eben so kalt. – Dir ist nicht wohl, meine theuerste Minna! Um Gotteswillen, laß mich aufstehen und Euphane Fea rufen. – Was fehlt dir? Ist Norna wieder hier gewesen?«
»Rufe Niemand,« sagte Minna, sie zurückhaltend, »mir fehlt nichts, wogegen irgend Jemand ein Mittel haben könnte; es sind nur Besorgnisse irgend eines Unglücks, ärger, als Norna es je verkünden konnte. Aber, Gott ist über Allem, meine theure Brenda, laß uns also zu ihm beten, damit Er, der allein es vermag, das Böse zum Guten wendet.«
So wiederholten sie denn gemeinschaftlich ihr gewöhnliches Gebet um Stärke und Schutz von oben, und schickten sich wiederum zum Schlafe an, ohne etwas weiter als »Gott segne dich« zu einander zu sagen, als ihre Andacht verrichtet war; indem sie so dem Himmel gewissenhaft ihre letzten wachen Worte weihten, wenn auch menschliche Gebrechlichkeit sie verhinderte, dieß mit ihren Gedanken ebenfalls zu thun. Brenda schlief zuerst ein, und auch Minna war endlich, nach einem standhaften Kampfe mit den dunkeln und bösen Ahnungen, welche sich ihrer Einbildungskraft wieder aufzudringen begannen, so glücklich, dem Schlummer in die Arme zu sinken.
Der Sturm, den Halcro erwartet hatte, trat wirklich gegen Tagesanbruch ein – ein heftiger, mit Regen gemischter Windstoß, wie man ihn unter diesen Breiten selbst während des schönsten Wetters hat. Von dem Pfeifen des Windes, und dem Plätschern des Regens auf den Schindeldächern der Fischerhütten erwachte manche arme Frau, und rief ihren Kindern zu, die Hände zu erheben, und sich mit ihr zum Gebete für die Sicherheit des theuren Gatten und Vaters zu vereinigen, der jetzt gerade in der Gewalt der aufgeregten Elemente war. Rings um das Haus in Burgh-Westra heulten die Schornsteine und die Fenster klirrten. Die Streben und Stützen in dem höheren Theile des Gebäudes, größtentheils aus Triebholz gezimmert, ächzten und bebten, als ob sie fürchteten, von dem Sturme aus einander gerissen zu werden. Magnus Troils Töchter schliefen jedoch so sanft und süß fort, als ob Chantrey's Meißel sie aus Marmor gebildet hätte. Der Windstoß war inzwischen vorüber gegangen, und die Sonne, welche die Wolken zerstreute, die sich nach der andern Seite hinzogen, schien hell in die Fenster. Minna fuhr zuerst aus dem Schlafe empor, in welchen körperliche Anstrengung und geistige Erschöpfung sie versenkt hatten, stützte sich auf den Arm, und begann, sich die Ereignisse zurückzurufen, welche ihr nach diesem Zwischenraume tiefer Ruhe beinahe wie unhaltbare Gesichter der Nacht erschienen, und sie war fast ungewiß, ob nicht die Schrecken, deren sie sich von dem Augenblicke an erinnerte, wo sie aus dem Bette gesprungen war, die Gebilde eines Traumes gewesen wären, welchen einige äußere Laute vielleicht in ihrer Seele erregt hatten.
»Ich will Claudius Halcro sogleich aufsuchen gehen,« sagte sie; »er wird etwas von diesen sonderbaren Tönen wissen, da er um diese Zeit auf den Füßen war.«
Mit diesen Worten sprang sie aus dem Bette, hatte aber kaum einen Augenblick aufrecht dagestanden, als ihre Schwester ausrief: »Gerechter Himmel! Minna, was hast du an deinem Fuße, an deinem Knöchel?«
Sie sah herab, und bemerkte mit einem Erstaunen, das an Todesangst gränzte, daß ihre beiden Füße, besonders aber einer derselben, dunkelroth gefärbt waren, als ob getrocknetes Blut daran klebe.
Ohne Brenda zu antworten, eilte sie an's Fenster, und warf einen verzweiflungsvollen Blick auf das Gras hinab, denn von dort mußte sie jenen verhängnißvollen Flecken mit heraufgebracht haben. Allein der Regen, der dort dreifach stark, sowohl vom Himmel als von der Dachrinne, herabgeströmt war, hatte den verrätherischen Zeugen hinweggewaschen, wenn je ein solcher vorhanden gewesen war. Alles war frisch und rein, und die Grashalme, mit Regentropfen belastet und unter ihnen sich beugend, blitzten in der hellen Morgensonne wie Diamanten.
Während Minna auf das flimmernde Grün hinabblickte, die großen, dunkeln Augen, durch den gewaltigen Schrecken noch erweitert, fest darauf geheftet, hing Brenda sich an sie, und drang in sie, ihr zu sagen, ob und wie sie sich beschädigt habe.
»Es muß mich ein Stück Glas durch den Schuh geschnitten haben,« sagte Minna, welche die Nothwendigkeit einsah, irgend einen Vorwand aufzusuchen, »ich hatte es gar nicht gefühlt.«
»Und sieh einmal, wie stark es geblutet hat,« sagte ihre Schwester. »Liebste Minna,« fügte sie hinzu, indem sie ein befeuchtetes Handtuch holte, »laß mich das Blut abwischen – du kannst dich vielleicht mehr beschädigt haben, als du denkst.«
Indem sie sich aber näherte, wies Minna die angebotene Hülfe rauh und heftig zurück, da sie keinen andern Weg sah, die Entdeckung zu verhindern, daß das Blut, mit welchem sie befleckt war, nicht aus ihren Adern gekommen sei. Die arme Brenda, welche sich keines Unrechts bewußt war, das sie ihrer Schwester zugefügt hatte, trat zwei oder drei Schritte zurück, als sie sah, daß ihre Dienste so schnöde verachtet wurden, und sah Minna mit Blicken an, in denen sich zwar mehr das Erstaunen gekränkter Liebe als Unwillen malte, in denen aber auch Mißvergnügen deutlich zu lesen war.
»Schwester,« sagte sie, »ich dächte, wir hätten erst gestern Abend unter uns ausgemacht, daß wir uns wenigstens lieben wollen, komme auch, was da wolle.«
»Es kann sich zwischen Abend und Morgen auch viel ereignen,« – antwortete Minna, welcher diese Worte eher von ihrer Lage ausgepreßt wurden, als daß sie die freiwilligen Dolmetscher ihrer Gedanken gewesen wären.
»Es kann in einer so stürmischen Nacht allerdings viel vorgegangen sein,« antwortete Brenda; »denn sieh nur, selbst der Zaun um Euphane's Küchengarten ist umgerissen, aber weder Wind, noch Regen, noch irgend etwas Anderes kann unsere Liebe abkühlen, Minna.«
»Allein es kann sich etwas ereignen,« erwiderte Minna, »das sie verwandeln kann, in ...«
Das Uebrige sprach sie so undeutlich vor sich hin, daß es nicht verstanden werden konnte, und zugleich wusch sie die Blutflecken von ihrem Fuße und rechten Knöchel ab. Brenda, welche noch immer in einiger Entfernung stand und sie betrachtete, suchte vergebens, irgend einen Ton anzustimmen, der das Wohlwollen und Vertrauen ihnen wieder herstellen könnte.
»Du hattest recht, Minna,« sagte sie, »nicht zu leiden, daß dir Jemand helfe, eine so unbedeutende Schramme zu verbinden – hier, wo ich stehe, kann man sie kaum sehen.«
»Die schmerzlichsten Wunden sind die,« erwiderte Minna, »die man von außen nicht gewahr wird, – siehst du irgend Etwas?«
»O ja,« antwortete Brenda, so wie es ihrer Schwester am besten gefallen sollte: »ich sehe eine ganz unbedeutende Schramme; ja jetzt, wo du den Strumpf anziehst, kann ich nichts mehr sehen.«
»Du siehst auch wirklich Nichts,« antwortete Minna, etwas wild hin, »aber die Zeit wird bald kommen, wo man Alles, – ja, Alles sieht und erfährt.«
Mit diesen Worten eilte sie, sich vollends anzuziehen, und ging dann voran zum Frühstück, wo sie ihren Platz unter den Gästen einnahm; allein sie sah so bleich und gespensterartig aus, ihre Art und ihre Reden waren so verändert, daß die ganze Gesellschaft dadurch aufmerksam gemacht wurde, und ihr Vater, Magnus Troil, in die größte Unruhe gerieth. Die Vermuthung der Gäste über eine Unpäßlichkeit, welche eher geistig als körperlich zu sein schien, waren mannigfach. Einige meinten, das Mädchen sei mit dem bösen Blick angesehen worden, und munkelten etwas von Norna von Fitful-Head; Andere sprachen von der Abreise des Capitains Cleveland, und munkelten dabei, es sei doch eine Schande für ein junges Frauenzimmer, so an einem Landläufer zu hängen, von dem Niemand etwas wüßte; und dieser verächtliche Beiname wurde dem Capitain ganz besonders von Miß Baby Yellowley gegeben, während sie um ihren alten, knöchernen Hals den schönen Ueberwurf schlang, mit welchem eben dieser Capitain sie beschenkt hatte. Die alte Lady Glowrowrum hatte ihr eigenes System, worüber sie sich gegen Miß Yellowley – nachdem sie Gott gedankt, daß ihre Verwandtschaft mit der Familie von Burgh-Westra von der Seite der Mutter des Mädchens, einer wackeren Schottin, herkomme – folgendermaßen vernehmen ließ:
»Denn, seht einmal, Miß Yellowley, so hoch auch die Troils die Nase tragen mögen, so gibt es dennoch Leute, die da wissen (hier gab sie einen bedeutenden Wink), daß sie eine Biene in der Mütze haben; – daß Norna, wie sie sie nennen, denn es ist auch nicht ihr rechter Name, zuweilen auch nicht so ganz bei Verstande ist; – und die, welche die Ursache kennen, sagen, der Voigt sei auf eine oder die andere Weise damit in Verbindung, denn er will nie ein böses Wort über sie hören. Ich war nur damals in Schottland, sonst wollte ich die wahre Ursache auch schon wissen, wie andere Leute. Jedenfalls ist eine Art Wildheit in dem Blute. Ihr wißt wohl, tollen Leuten kann man nicht gut widersprechen, und das ist bekannt, daß der Voigt so wenig Widerspruch ertragen kann, als nur irgend Jemand in Shetland. Allein man soll von mir nie sagen können, daß ich irgend etwas Uebles von einem Hause geredet hätte, mit dem ich so enge verbunden bin. Darauf will ich Euch aber nur aufmerksam gemacht haben, Miß, daß wir durch die Sinclairs mit einander verwandt sind, nicht durch die Troils – und die Sinclairs sind weit und breit als ein besonnenes Geschlecht bekannt, Miß. Doch ich sehe, der Abschiedstrunk geht herum.«
»Ich weiß nicht,« sagte Miß Baby Yellowley zu ihrem Bruder, sobald die Lady Glowrowrum sich wieder von ihr abgewandt hatte, »was mich die alte Frau immer so be [Fehlt Text?Re., GB]Mißt. Sie könnte doch auch wohl wissen, daß das Blut der Clinkscales noch eben so gut ist, als das von irgend einer Glowrowrum.«
Die Gäste nahmen inzwischen einen eiligen Abschied, kaum bemerkt von Magnus, dessen Aufmerksamkeit so ganz auf Minna's Unpäßlichkeit gerichtet war, daß er sie, gegen seine gastfreundschaftliche Gewohnheit, ohne Gegengruß gehen ließ. Und so schloß unter Besorgniß und Krankheit das Sanct Johannis-Fest, dessen Feier zu dieser Jahreszeit auf Burgh-Westra immer so großes Aufsehen machte, und wodurch jetzt die Lebensregeln des Kaisers von Aethiopien noch um eine vermehrt wurden, nämlich: mit wie wenig Zuverlässigkeit der Mensch auf die Tage rechnen kann, die er der Freude bestimmt.