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Fünftes Kapitel.

 

Ich bin hieher Hals über Kopf geritten.
Ich bringe Kunde mit und Neuigkeiten:
O, Seligkeit künd' ich und goldene Zeiten!

Schauspiel.

 

Fortuna, welche zuweilen ein Gewissen zu haben scheint, war dem gastfreien Udallar eine Genugthuung schuldig, und schickte deßwegen, um Burgh-Westra für die, durch den verunglückten Wallfischfang getäuschte Erwartung zu entschädigen, am Abend des Tages, an welchem sich diese Begebenheit zutrug, keine geringere Person als den Jagger, oder reisenden Kaufmann, wie er sich nannte, Bryce Snailsfoot, der mit großem Gepränge ankam, er selbst auf einem Klepper, und sein Gepäck, welches beinahe zu dem Doppelten des gewöhnlichen Umfanges gewachsen war, auf einem zweiten, der von einem barfüßigen und barhäuptigen Jungen geführt wurde.

Da Bryce sich als den Ueberbringer wichtiger Neuigkeiten ankündigte, so wurde er in das Eßzimmer geführt, wo er (denn in jener frühen Zeit machte man keinen Unterschied der Personen) sich niedersetzen mußte, und an einem Seitentische mit Speise und gutem Trank reichlich versehen wurde. Magnus ' aufmerksame Gastfreiheit ließ es nicht zu, daß ihm irgend eine Frage vorgelegt wurde, ehe er seinen Hunger und Durst gestillt hatte, worauf er mit dem Gefühle der Wichtigkeit, welches durch weite Reisen erweckt wird, erzählte, daß er gestern aus Kirkwall, der Hauptstadt von Orkney, in Lerwick angekommen wäre, und schon gestern hier gewesen sein würde, hätte nicht auf der Höhe von Fitful-Head der Wind so heftig geweht.

»Wir hatten hier keinen,« sagte Magnus.

»Dann hat also Jemand nicht geschlafen,« sagte der Hausirer; »und ihr Name fängt mit einem N. an; aber der Himmel ist über Allen.«

»Laßt uns lieber die Neuigkeiten von Orkney hören, Bryce, statt über eine Handvoll Wind so zu krächzen.«

»Neuigkeiten,« erwiderte Bryce, »wie man sie seit dreißig Jahren noch nicht gehört hat, nicht seit Cromwells Zeiten.«

»Es ist doch wohl nicht wieder eine Revolution im Werke?« sagte Halcro. »König Jakob ist doch wohl nicht zurückgekommen, wie König Karl damals?«

»Es sind Neuigkeiten,« sagte der Hausirer, »die zwanzig Könige und Königreiche dazu werth sind; denn was für Gutes haben die Revolutionen je gebracht? und ich glaube, wir haben ein Dutzend gesehen, große und kleine.«

»Ist irgend ein Indienfahrer von Norden herumgekommen?« fragte Magnus Troil.

»Ihr schießt näher an's Ziel, Voigt,« sagte der Jagger; »aber es ist kein Indienfahrer, sondern ein tüchtiges Kriegsschiff, bis an den Rand voll von Waaren, welche die Leute so wohlfeilen Kaufs losschlagen, daß ein ordentlicher Mann, wie ich, das Beste verkaufen kann, das je im Lande gesehen worden ist; das werdet Ihr gewiß zugestehen, wenn ich den Pack da öffne; denn ich rechne darauf, ihn etwas leichter wieder zurückzunehmen, als ich ihn herbrachte.«

»Ei, ei, Bryce,« sagte der Udallar, »du mußt einen guten Handel gemacht haben, wenn du wohlfeil verkaufst, aber was für ein Schiff war es denn?«

»Ich kann es wirklich nicht sagen – ich habe Niemand als den Capitain gesprochen, der ein sehr verständiger Mann war; aber es muß wohl auf dem spanischen Gebiet gewesen sein, denn es hat Seide und Atlas an Bord, und Taback und Wein, und keinen Mangel an Zucker, und tüchtige Säcke voll Silber und Gold, und einen schönen Goldstaub noch obendrein.«

»Wie sah es aus?« fragte Cleveland, der mit vieler Aufmerksamkeit zuzuhören schien.

»Ein starkes Schiff,« sagte der reisende Kaufmann; »aufgetakelt wie ein Schooner, segelt wie ein Delphin, wie sie sagen, führt zwölf Kanonen, und ist auf zwanzig gebohrt.«

»Hörtet Ihr des Capitains Namen?« sagte Cleveland mit leiserer Stimme als gewöhnlich.

»Ich nannte ihn eben Capitain,« erwiderte Bryce Snailsfoot, »weil ich es mir eben zur Regel gemacht habe, die nie zu fragen, mit denen ich handele; denn es gibt, mit Eurer Erlaubniß, Capitain Cleveland, manchen ehrlichen Capitain, der seinen Namen nicht gern neben seinem Titel bekannt werden läßt, und wenn wir nur wissen, was für einen Handel wir machen, so liegt wenig daran, mit wem es geschieht.«

»Bryce Snailsfoot ist ein vorsichtiger Mann,« sagte der Udallar lachend; »er weiß, daß ein Narr mehr fragen kann, als ein kluger Mann beantworten.«

»Ich habe mein Lebenlang mit ordentlichen Handelsleuten zu thun gehabt, und weiß, daß es zu Nichts nützt, wenn man jeden Augenblick mit eines Menschen Namen herausplatzt; aber ich will dreist behaupten, daß dieser Mann »ein tüchtiger Capitain ist – und ein freigebiger dazu, denn alle Leute von seiner Mannschaft sind beinahe so gut gekleidet, als er – selbst die Vormast-Leute haben seidene Schärpen; ich sah manche Dame eine viel schlechtere tragen, und sich dabei mehr dünken. – Und was silberne Knöpfe, Schnallen und dergleichen Putz betrifft, so ist dessen kein Ende.«

»Dummköpfe!« brüllte Cleveland zwischen den Zähnen, und fügte dann hinzu: »Sie kommen wohl oft an's Land, um sich den Mädchen in Kirkwall in ihrem Staate zu zeigen?«

»Niemals ist nur die Probe von ihnen da. Der Capitain läßt sie selten an's Land gehen, ohne den Bootsmann mitzuschicken – ein so rauher Pechlappen, wie nur je einer ein Verdeck gescheuert hat, und Ihr könnt eben so leicht eine Katze ohne Krallen, als ihn ohne seinen Pallasch und seine zwei Paar Pistolen finden. Jedermann scheut ihn so sehr, wie den Capitain selbst.«

»Das muß Hawkins oder der Teufel sein,« sagte Cleveland.

»Nun, Capitain,« erwiderte der Jagger, »sei es der Eine oder der Andere, oder etwas von Beiden, so bedenkt, daß Ihr ihn so genannt habt, nicht ich.«

»Wie, Capitain Cleveland,« sagte der Udallar, »das ist vielleicht der Gefährte, von dem Ihr gesprochen habt?«

»Sie müßten sehr gutes Glück gehabt haben, um jetzt besser auszusehen, als da ich sie verließ. Sprachen sie davon, daß sie ihr anderes Schiff verloren hätten, Hausirer?«

»Allerdings,« erwiderte Bryce; »das heißt, sie sagten etwas von einem Gefährten, der auf diesem Meere zu Davie Jones gegangen wäre.«

»Und erzähltet Ihr ihnen, was Ihr davon wußtet?«

»Wer zum Teufel wär' solch' ein Narr,« sagte der Hausirer, »ihnen das zu sagen. Hätten sie erfahren, was aus dem Schiffe wurde, so wäre ihre nächste Frage die nach der Ladung gewesen, und Ihr werdet doch nicht wollen, daß ich uns ein bewaffnetes Schiff hier an die Küste herziehen soll, um die armen Leute um ein paar elende Lumpen zu plagen, welche die See an's Ufer geworfen hat?«

»Das nicht gerechnet, was man in deinem eigenen Pack gefunden haben dürfte, du Schuft!« sagte Magnus Troil, eine Bemerkung, die ein lautes Gelächter erregte. Der Udallar stimmte in die Fröhlichkeit ein, die sein eigener Scherz erweckt hatte, nahm indeß bald wieder seine ernste Miene an, und sagte mit ungewöhnlich gemessenem Tone: »Ihr mögt wohl lachen, meine Freunde, allein das ist eine Sache, welche sowohl Fluch als Schande über unser Land bringt, und ehe wir nicht die Rechte derer achten lernen, welche durch Wind und Wetter Verlust erleiden, verdienen wir von den Fremden, die uns beherrschen, bedrückt und gequält zu werden, wie dieß bis jetzt der Fall gewesen und noch ist.«

Die Umstehenden hingen bei diesem Verweise Magnus Troils die Köpfe. Vielleicht rührte Einige von ihnen, selbst von der besseren Klasse, das Gewissen, und Alle fühlten, daß die Begierde nach Plünderung bei den Pächtern und Untergebenen nicht immer mit dem gehörigen Nachdrucke in Schranken gehalten würde. Cleveland antwortete indessen ganz lustig: »Sind diese ehrlichen Kerle wirklich meine Kameraden, so stehe ich dafür, daß Keiner von ihnen das Land um ein paar Kisten, Hängematten und solches Zeug, das die Fluth von meiner armen Schaluppe an das Land gespült haben mag, nur im geringsten in Unruhe setzen wird. Was verschlägt es ihnen, ob der Bettel jetzt in Bryce Snailsfoots Händen oder im Meeresgrunde liegt, oder zum Teufel gegangen ist? – Schnalle also deinen Pack auf, Bryce, und zeige den Damen, was du mitgebracht hast; vielleicht findet sich eines oder das Andere darunter, das ihnen gefällt.«

»Es kann nicht das zweite Schiff sein,« flüsterte Brenda ihrer Schwester zu; »er hätte sonst mehr Freude zeigen müssen.«

»Es muß es sein,« antwortete Minna; »ich sah sein Auge bei dem Gedanken blitzen, mit den Gefährten seiner Gefahren wieder vereint zu sein.«

»Vielleicht blitzte es,« sagte ihre Schwester, noch immer heimlich, »bei dem Gedanken, Shetland zu verlassen; es ist schwer, die Gedanken des Herzens in dem Augenblicke zu lesen.«

»So urtheile wenigstens nicht unfreundlich von den Gedanken eines Freundes,« sagte Minna; »und dann, Brenda, wenn du dich irrst, so trifft der Irrthum dich nicht.«

Während dieses Zwiegesprächs war Bryce eifrig damit beschäftigt gewesen, die sorgfältig geordnete Umhüllung seines Packes loszuwickeln, die aus sechs wohlgemessenen Yards gegerbter Seehundsfelle bestand, die durch alle mögliche Arten von Knoten und Schnallen befestigt und gesichert waren. Indessen wurde er bei dieser Beschäftigung sehr oft durch die Fragen des Udallars und Anderer unterbrochen, welche etwas Genaueres über das fremde Schiff zu wissen wünschten.

»Waren die Offiziere oft am Lande, und wie wurden sie von den Leuten in Kirkwall aufgenommen?« fragte Magnus Troil.

»Außerordentlich gut,« antwortete Bryce Snailsfoot, »und der Capitain und einer oder zwei seiner Leute waren bei den Festlichkeiten und Tanzlustbarkeiten, welche in der Stadt gehalten wurden; allein es war da von Zoll – oder Abgaben an den König – oder so Etwas, die Rede, und einige von den angeseheneren Leuten, die sich der Sache als obrigkeitliche Personen oder dergleichen annahmen, wechselten einige Worte mit dem Capitain, und er weigerte sich, sie zu befriedigen, und dann mochten sie ihn wohl so etwas kälter behandeln, und er sprach davon, das Schiff nach Stromneß oder nach Langhope herumzubringen, denn es hatte unter den Kanonen von Kirkwall gelegen. Indessen glaube ich, es wird wohl dessenungeachtet in Kirkwall bleiben, bis der Sommermarkt vorüber ist.«

»Die Leute von den Orkney-Inseln,« sagte Magnus, »können es immer nicht erwarten, bis sie das schottische Halsband schärfer um ihren eigenen Hals angezogen haben. Ist es nicht genug, daß wir Scat und Wattle bezahlen, welche alle die öffentlichen Abgaben sind, die wir unter unserer alten norwegischen Regierung bezahlten, und muß man uns auch noch mit Zoll und Abgaben an den König kommen? Es ist eines ehrlichen Mannes Pflicht und Schuldigkeit, sich gegen diese Sachen zu stemmen. Das habe ich mein ganzes Leben hindurch gethan, und dabei will ich bis an mein Ende bleiben.«

Bei dieser Aeußerung erhoben sich unter den Gästen lauter Jubel und schallende Beifallsbezeigungen. Die meisten derselben waren mit Magnus Troils freisinnigen Ansichten in Betreff der Abgaben, wie dieß bei Leuten, die an einem so abgeschiedenen Orte lebten, und manchen außerordentlichen Bedrückungen ausgesetzt waren, sehr natürlich schien, ungleich mehr einverstanden, als in der Härte seines Urtheils über die gestrandeten Güter. Minna's Unerfahrenheit ließ sie indeß noch viel weiter gehen, als ihren Vater, indem sie Brenda zuflüsterte, so daß es Cleveland hörte, der geduldige Sinn der Orkadier hätte die Gelegenheit ungenützt vorübergehen lassen, welche die neueren Ereignisse ihnen dargeboten, die Inseln von dem schottischen Joche zu befreien.

»Und warum,« sagte sie, »sollten wir nicht bei den vielen Veränderungen, welche die neueren Zeiten hervorgebracht haben, die Gelegenheit ergreifen können, eine Verbindung, welche durchaus nicht auf irgend eine Unterthanspflicht gegründet ist, zu brechen, um unter den Schutz Dänemarks, unseres Mutterlandes, zurückzukehren? Und warum sollten wir denn nicht noch jetzt das thun können, wenn auch die höheren Stände auf Orkney sich so in Familien-Verbindung und Freundschaft mit unsern Unterdrückern eingelassen haben, daß sie gegen den Pulsschlag des heldenmüthigen norwegischen Blutes, das sie von ihren Ahnherren erbten, fühllos geworden sind?«

Der letzte Theil dieser patriotischen Rede gelangte zufällig zu den erstaunten Ohren unseres Freundes Triptolemus, der sich bei seiner aufrichtigen Anhänglichkeit an die protestantische Erbfolge, und bei der Ueberzeugung von der Rechtmäßigkeit der Revolution, des folgenden Ausrufs nicht enthalten konnte: »Wie die Alten sungen, zwitschern die Jungen. Es ist doch ein glückliches Land, wo der Vater sich gegen die von der Regierung bestimmten Abgaben, und die Tochter gegen die königliche Regierung selbst auflehnt! Das kann, meinem Urtheil nach, nur mit Baum und Strick enden!«

»Bäume sind hier zu Lande selten,« sagte Magnus, »und was die Stricke betrifft, so brauchen wir die zu unserer Takelage, und können sie nicht zu Hemdkragen hergeben.«

»Und wer überhaupt,« sagte der Capitain, »Anstoß an dem nimmt, was diese junge Dame sagt, thäte besser, seine Ohren und Zunge zu einem sichereren Geschäft zu brauchen, als zu einem solchen Abenteuer.«

»Ja, ja,« sagte Triptolemus, »es frommt der Sache sehr wenig, Wahrheiten, welche einem stolzen Geiste so wenig behagen, als nasser Klee dem Magen einer Kuh, in einem Lande auszusprechen, wo die Bursche gleich bereit sind, das Messer zu ziehen, wenn ein Mädchen nur scheel sieht. Aber welche Sitten lassen sich auch da erwarten, wo die Leute eine Pflugschaar eine Markat nennen?«

»Hört einmal, Mr. Yellowley,« sagte der Capitain lächelnd, »ich hoffe, meine Sitten gehören nicht zu den Mißbräuchen, die Ihr abzustellen hierhergekommen seid, denn die Versuche dagegen dürften gefährlich ausfallen.«

»Eben so gefährlich, als vergeblich,« erwiderte Triptolemus trocken, »fürchtet indessen nichts von meinen Erinnerungen. Meine Bemühungen betreffen nur die Leute und Sachen, welche der Erde, nicht aber die, welche dem Meere angehören. – Ihr gehört nicht zu meinem Element.«

»So laßt uns Freunde sein, Ihr alter Schollensammler,« sagte Cleveland.

»Schollensammler!« sagte der Landwirth, sich der Studien aus seinen früheren Jahren erinnernd: »Schollensammler pro Wolkensammler, νεφεληγἑρετα Ζεὐς, graecum est – auf welcher Reise kamt Ihr zu der Lebensart?«

»Ich habe in meinem Leben sowohl Bücher als Meere durchlaufen,« sagte der Capitain, »aber meine letzten Reisen sind von der Art gewesen, mich meine früheren Kreuzzüge durch das Gebiet der klassischen Gelehrsamkeit ganz vergessen zu machen. Aber du, Bryce, komm' her; hast du endlich die Riemen losgemacht? Kommt nun Alle her, und laßt uns sehen, ob er irgend Etwas bei sich hat, das der Mühe lohnt, es anzusehen.«

Mit einem stolzen und zugleich verschmitzten Lächeln enthüllte der verschlagene Hausirer einen Vorrath von Waaren, welche diejenigen an Werth weit übertrafen, mit denen sonst seine Päcke gefüllt waren, und vorzüglich einige Stoffe und Stickereien von solcher Schönheit, und so auffallend mit Fransen besetzt oder geblümt, und mit solcher Pracht gearbeitet, in fremder Art und nach Arabesken-Mustern, daß ihr Anblick wohl eine vornehmere Gesellschaft, als die einfachen Bewohner von Thule geblendet haben könnte. Alle betrachteten und bewunderten, während Miß Yellowley ihre Hände emporhob und betheuerte, daß es eine Sünde sei, solche Kostbarkeiten nur anzusehen, und ärger als Mord, nach dem Preise derselben zu fragen.

Andere hatten indessen mehr Muth. Die Preise, welche der Kaufmann machte, waren – wenn er auch die Waaren nicht gerade, wie er selbst sagte, für gar nichts hingab – doch so mäßig, daß man sehen konnte, er müsse sie selbst sehr gut eingekauft haben. Die Wohlfeilheit der Sachen machte, daß sie sich schnell verkauften, denn in Shetland, wie überall, kaufen die verständigen Leute mehr in der klugen Absicht, einen guten Handel zu machen, als weil sie die Sachen wirklich nöthig haben. Lady Glowrowrum kaufte aus diesem Grunde allein sieben Röcke und zwölf Bruststücke, andere ältere Frauen, die ebenfalls zugegen waren, wetteiferten mit ihr in dieser scharfsinnigen Art von Sparsamkeit. Auch der Udallar machte bedeutende Ankäufe. Der Hauptabnehmer von Allem, was der Schönheit gefallen konnte, war indeß der tapfere Capitain Cleveland, der des Jaggers Vorrath durchwühlte, um Geschenke für die Damen in der Gesellschaft auszusuchen, wobei Minna und Brenda ganz vorzüglich bedacht wurden.

»Ich fürchte,« sagte Magnus Troil, »die jungen Frauenzimmer sollen diese schönen Geschenke als Andenken ansehen, und Eure Freigebigkeit ist nur ein sicheres Zeichen, daß wir Euch bald verlieren werden.«

Diese Frage schien den, an welchen sie gerichtet wurde, in Verlegenheit zu setzen.

»Ich weiß noch nicht,« erwiderte er mit einigem Zögern, ob dieß Schiff mein zweites ist oder nicht – ich muß selbst nach Kirkwall hinüber, um mich vollkommen von der Sache zu überzeugen, und denke dann nach Dunroßneß zurückzukommen, euch Allen Lebewohl zu sagen.«

»In dem Falle,« erwiderte der Udallar nach einer augenblicklichen Pause, »werde ich Euch, denk' ich, dahin bringen können. Ich sollte eigentlich auf den Markt nach Kirkwall gehen, um mit den Kaufleuten abzuschließen, an welche ich meine Fische geschickt habe, und ich habe es Minna und Brenda schon oft versprochen, daß sie einmal den Markt sehen sollten. Vielleicht führt Euer zweites Schiff, oder diese Fremden, wer sie nun sein mögen, Waaren, die mir anstehen. Ich habe meinen Boden unter'm Dache eben so gern voll von Gütern, wie meine Stube voll von Tänzern. Wir wollen in meiner eigenen Brigg nach Orkney segeln, und ich kann Euch eine Hängematte darin anbieten, wenn Ihr wollt.«

Dieses Anerbieten war Cleveland so annehmbar, daß er nach dem lebhaftesten Danke beschlossen zu haben schien, seine Freude dadurch thätlich an den Tag zu legen, daß er Bryce Snailsfoots ganzen Schatz in Geschenken an die Gesellschaft erschöpfte. Der Inhalt seiner Geldbörse ging in die Hände des Jaggers über, und dieß geschah mit einer Leichtigkeit und Gleichgültigkeit von Seiten des vorigen Besitzers, welche auf die größte Verschwendung, oder auf den Besitz eines größeren und unerschöpflichen Reichthums schließen ließ, so daß Baby ihrem Bruder zuflüsterte: »Wenn der Bursche so wegwerfen könnte, müßte er in einem zertrümmerten Schiffe eine einträglichere Reise gemacht haben, als alle Schiffer in Dundee das ganze Jahr hindurch in ihren festen Fahrzeugen.«

Der Aerger, mit welchem sie diese Bemerkung machte, wurde indeß sehr gemildert, als Cleveland, dessen Absicht zu sein schien, diesen Abend die gute Meinung Aller zu erkaufen, sich ihr mit einem Kleidungsstücke näherte, welches an Gestalt dem schottischen Plaid glich, aber von einer so weichen Wolle gewebt war, daß es sich wie Eider-Daunen anfühlte. »Dieß,« sagte er, »sei ein Theil von der Kleidung einer spanischen Dame, Mantilla genannt, und da es Miß Baby Yellowley gerade passen wurde, und gegen die Nebel des Klima's von Shetland sehr gut wäre, bäte er sie, es ihm zum Andenken zu tragen.« Die Dame geruhte, mit so viel herablassender Freundlichkeit, als ihr Gesicht auszudrücken vermochte, nicht allein diesen Beweis seiner Artigkeit anzunehmen, sondern verstattete dem Geber sogar, die Mantille über ihre hervorstehenden knochigen Schulterblätter zu breiten, und Claudius Halcro sagte: »Da hinge sie aller Welt zur Schau, als ob man sie zwischen zwei Wandschrauben ausgespannt hätte.«

Während der Capitain diesen Ritterdienst zur großen Ergötzung der Gesellschaft verrichtete, was von Anfang an seine Hauptabsicht dabei gewesen zu sein schien, hatte Mordaunt einen kleinen goldenen Rosenkranz in der Absicht gekauft, ihn Brenda zu schenken, sobald sich dazu eine passende Gelegenheit finden würde. Man kam wegen des Preises überein, und die Waare wurde bei Seite gelegt. Auch Claudius Halcro zeigte einiges Verlangen nach einer silbernen Dose von altfränkischer Form, um Taback, den er in großer Menge verbrauchte, darin aufzubewahren. Allein der Barde hatte selten baares Geld, und bei seiner wandernden Lebensweise brauchte er auch selten welches. Bryce, der bisher nur gegen baares Geld gehandelt hatte, behauptete jedoch, sein sehr kleiner Profit an solchen seltenen und ausgesuchten Sachen erlaube ihm nicht, dem Käufer Credit zu geben. Mordaunt errieth den Inhalt ihres Gesprächs aus der Art, wie sie miteinander flüsterten, wobei der Barde seine verlangenden Finger nach der Dose ausstreckte, und der vorsichtige Hausirer sie mit dem Gewichte seiner ganzen Hand zurückhielt, als ob er gefürchtet hätte, sie möge Flügel bekommen und in Claud Halcro's Tasche fliegen. Mordaunt Mertoun, der seinem alten Bekannten ein Vergnügen zu machen wünschte, legte indeß den Betrag der Dose auf den Tisch und sagte, »er würde Meister Halcro nicht gestatten, diese Dose zu kaufen, da er beschlossen hätte, ihm damit ein Geschenk zu machen.«

»Ich kann Euch unmöglich um Euer Geld bringen, mein theurer junger Freund,« sagte der Dichter; »die Wahrheit zu gestehen, erinnert mich diese Dose sehr lebhaft an die des herrlichen John, aus welcher ich in Mills Kaffeehause eine Prise zu nehmen die Ehre hatte, weßwegen ich auch meinen Zeigefinger und Daumen der rechten Hand weit höher achte, als jeden andern Theil meines Körpers; nur müßt Ihr mir erlauben, daß ich Euch das Geld wiedergebe, sobald mein Urkaster Stockfisch zu Markte kommt.«

»Das macht unter euch aus, wie ihr wollt,« sagte der Hausirer, indem er Mordaunts Geld einstrich; »die Dose ist verkauft und bezahlt.«

»Und wie könnt Ihr abermals verkaufen,« sagte Capitain Cleveland, der sich auf einmal in die Sache mischte, »was Ihr mir bereits verkauft habt?«

Alle waren über diesen Ausruf erstaunt, welcher ganz unerwartet ertönte, indem Cleveland, der sich von Miß Baby weggewendet hatte, plötzlich, und, wie es schien, nicht ohne Bewegung, wahrnahm, welche Gegenstände Bryce Snailsfoot jetzt losschlug. Auf diese kurze und hastige Frage antwortete der Jagger, der einen solchen Kunden nicht gern erzürnen wollte, stotternd, daß er, der Himmel sei sein Zeuge, nichts Uebles dabei im Sinne gehabt hätte.

»Wie? Nichts Uebles? Und Ihr verkauft das, was mir gehört?« sagte der Seemann, indem er seine Hand zu gleicher Zeit nach der Dose und dem Rosenkranze ausstreckte: »Gebt dem jungen Manne sein Geld wieder, und lernt künftig Euern Cours nach der Mittagslinie der Rechtlichkeit halten.«

Der Hausirer zog verwirrt und zögernd seinen ledernen Beutel heraus, um Mordaunt das Geld zurückzugeben, das er so eben eingesteckt hatte; allein der Jüngling war so leicht nicht abzufinden.

»Die Sachen,« sagte er, »sind gekauft und bezahlt – dieß waren Eure eigenen Worte, Bryce Snailsfoot; Meister Halcro hat sie mit angehört, und ich werde mir weder von Euch noch von irgend Jemand anderem mein Eigenthum streitig machen lassen.«

»Euer Eigenthum, junger Mann?« sagte Cleveland. »Es ist das meinige, – ich sprach mit Bryce über die Sachen einen Augenblick vorher, ehe ich mich von dem Tische wegwendete.«

»Ich – ich – ich hatte es nicht recht deutlich gehört,« sagte Bryce, der offenbar keiner Partei zu nahe treten wollte.

»Ei was,« sagte der Udallar, »wir wollen keinen Streit über Kleinigkeiten anfangen; wir werden gleich wieder auf den Dachboden gerufen werden – so pflegte er das Zimmer zu nennen, das als Tanzsaal gebraucht wurde – und wir müssen Alle bei guter Laune dahin gehen; Bryce mag heute Abend die Sachen behalten, und morgen werde ich selbst entscheiden, wem sie zufallen sollen.«

Die Gesetze des Udallars waren in seinem Hause so unumstößlich, wie die der Medier. Die beiden jungen Männer traten, nachdem sie einander mit Blicken finsteren Mißvergnügens angesehen hatten, nach verschiedenen Seiten ab.

Selten ist der zweite Tag einer verlängerten Festlichkeit dem ersten gleich. Sowohl Geist als Körper sind ermüdet, dem erneuerten Aufwande von Belebung und Anstrengung nicht gewachsen, und dem Tanze in Burgh-Westra fehlte daher viel von der Lebendigkeit, die ihn gestern beseelt hatte. Es war noch eine Stunde bis Mitternacht, als sich Magnus Troil, wiewohl mit Widerstreben, und nachdem er die Ausartung der jetzigen Zeit beklagt, und den Wunsch geäußert hatte, den neueren Hialtländern etwas von der Kraft mittheilen zu können, welche seinen eigenen Körper belebte, genöthigt sah, das Zeichen zum allgemeinen Aufbruche zu geben.

In dem Augenblicke, wo dieß stattfand, zog Halcro Mordaunt Mertoun etwas auf die Seite, und sagte, daß er von Capitain Cleveland einen Auftrag an ihn hätte.

»Einen Auftrag?« sagte Mordaunt, und sein Herz schlug etwas höher, als er hinzusetzte: »Eine Herausforderung, nicht wahr?«

»Eine Herausforderung?« wiederholte Halcro; »wer hat auf unsern friedlichen Inseln je von einer Herausforderung gehört? Meinst du, daß ich wie Einer aussehe, der Jemanden eine Herausforderung bringt, und namentlich unter allen Menschen dir? – Ich gehöre nicht zu den händelsüchtigen Narren, wie der herrliche John sie nennt, und es war nicht gerade ein Auftrag, den ich auszurichten hatte; es ist nur, daß Capitain Cleveland, wie ich finde, einmal seinen Kopf auf den Besitz der Sachen setzt, die du ausgesucht hast.«

»Er soll sie aber nicht haben, das schwöre ich Euch,« erwiderte Mordaunt Mertoun.

»Aber so höre mich doch an,« sagte Halcro; »es scheint nach den Zeichen oder Wappen darauf, daß sie früher sein Eigenthum waren; wenn du mir jetzt wirklich die Dose schenken wolltest, wie du mir versprachst, so würde ich dem Manne sein Eigenthum wiedergeben.«

»Und Brenda möchte es wohl eben so machen,« dachte Mordaunt bei sich selbst, und erwiderte daher sogleich laut: »Ich habe mir die Sache überlegt, mein Freund; Capitain Cleveland mag die Spielereien hinnehmen, auf die er einen so großen Werth setzt, jedoch unter dieser einen Bedingung –«

»Du wirst Alles mit deinen Bedingungen verderben,« sagte Halcro; »denn wie der herrliche John sagt, so sind die Bedingungen nur ...«

»Hört mich geduldig aus, sage ich. Meine Bedingung ist, daß er die Spielereien statt des Gewehres behält, das ich von ihm bekommen habe, und so ist Keiner dem Andern weiter verpflichtet.«

»Ich sehe, wo du hinaus willst – das ist die ganze Geschichte von Sebastian und Dorax. Nun gut, so sage dem Hausirer, daß er Cleveland die Sachen wiedergeben soll – er ist nicht klug, daß er sie haben will – und ich will Cleveland von deinen Bedingungen unterrichten, denn sonst möchte der ehrliche Bryce wohl am Ende doppelte Zahlung für einfache bekommen, und ich glaube, sein Gewissen würde dadurch nicht sehr bedrückt.«

Mit diesen Worten ging Halcro, um Cleveland aufzusuchen, während Mordaunt, der Snailsfoot erblickte, wie er sich als eine Art bevorrechtete Person in den Haufen am Ende des Tanzsaals gemischt hatte, zu diesem ging, um ihm zu sagen, daß er die streitigen Sachen an Cleveland übergeben möchte, sobald er Gelegenheit dazu hätte.

»Ihr habt recht, Mr. Mordaunt,« antwortete der Jagger; »o Ihr seid ein kluger, umsichtiger junger Mann – gute Worte wenden den Zorn ab – und ich selbst will gern alles Mögliche thun, um Euch, so viel ich es noch mit meinen geringen Kräften vermag, gefällig zu sein; denn zwischen dem Udallar von Burgh-Westra und diesem Capitain Cleveland ist ein Mensch gewissermaßen zwischen dem Teufel und der See, und es hätte leicht sein können, daß sich der Udallar am Ende bei dem Streite auf Eure Seite schlug, denn er ist ein Mann, der die Gerechtigkeit liebt.«

»Um die Ihr Euch, wie es scheint, nicht viel kümmert, Mr. Snailsfoot,« sagte Mordaunt, »denn da das Recht so augenscheinlich auf meiner Seite war, würde gar kein Streit entstanden sein, wenn Ihr es für gut befunden hättet, die Wahrheit zu bezeugen.«

»Mr. Mordaunt,« sagte der Jagger, »ich muß gestehen, daß wirklich so gleichsam eine Art von Schein oder Schatten von Wahrheit auf Eurer Seite war; allein die Gerechtigkeit, mit der ich zu thun habe, ist nur die Handelsgerechtigkeit, eine Elle von gehöriger Länge zu führen, wenn sie nicht etwa durch das Darauflehnen bei meinen langen und mühseligen Reisen unten etwas abgenutzt ist, und nach richtigem Maaß und Gewicht zu verkaufen, vierundzwanzig Mark auf das Ließpfund; ich habe aber nichts mit der Gerechtigkeit zu thun, die zwischen einem Menschen und dem andern entscheidet, wie ein Voigt oder Richter bei unserem Ober-Gerichtshofe.«

»Das verlangte auch Niemand von dir, sondern nur, nach deinem Gewissen Zeugniß zu geben,« antwortete Mordaunt, dem weder die Rolle gefiel, welche der Jagger bei dem Streite gespielt hatte, noch die Auslegung, die er seiner Nachgiebigkeit unterzuschieben schien.

Bryce Snailsfoot blieb indessen die Antwort nicht schuldig. »Mein Gewissen, Mr. Mordaunt,« sagte er, »ist nach meiner Weise so zart, wie nur irgend eines Menschen Gewissen sein kann; allein es ist etwas furchtsamer Art, kann hitzige Leute nicht gut leiden, und nie laut sprechen, wenn es Händel gibt. Ueberhaupt hat es immer eine schwache und leise Stimme.«

»Auf die du auch nicht sehr zu hören pflegst,« sagte Mordaunt.

»Und doch gibt es auf Eurer Brust Etwas, was gerade das Gegentheil beweist.«

»In meiner Brust?« sagte Mordaunt ärgerlich; »was weiß ich von dir?«

»Ich sage auf Eurer Brust, Mr. Mordaunt, und nicht darin. Ich bin überzeugt, daß Niemand die Weste auf Eurer mannhaften Brust ansehen kann, ohne gestehen zu müssen, daß der Kaufmann, der Euch ein solches Stück Zeug für vier Thaler verkaufte, Recht und Gewissen kennen, und einen Kunden gut behandeln mußte; und so solltet Ihr nicht so böse auf mich sein, weil ich hier bei dem Streit um Nichts und wider Nichts meinen Athem gespart habe.«

»Ich böse?« sagte Mordaunt, »einfältiger Mensch! Ich habe keinen Groll gegen Euch.«

»Das ist mir sehr lieb,« sagte der reisende Krämer; »ich erzürne mich absichtlich mit Niemanden, und am allerwenigsten mit einem alten Kunden, und wenn Ihr meinem Rathe folgen wollt, so fangt mit Capitain Cleveland keinen Streit an. Er gehört zu den Gurgelabschneidern und Haudegen, die nach Kirkwall gekommen sind, und die sich eben so wenig daraus machen, einen Menschen aufzuschlitzen, wie wir, einen Wallfisch abzustreifen. – Es ist ihr Handwerk, zu fechten; sie leben davon, und da sind sie im Vortheil gegen Euresgleichen, die es nur unter sich und zum Zeitvertreibe thun, wenn sie gerade nichts Besseres anzufangen wissen.«

Die Gesellschaft hatte sich jetzt beinahe ganz zerstreut. Mordaunt lachte über des Jaggers Klugheitsregeln, wünschte ihm gute Nacht, und ging nach seiner eigenen Schlafstätte hin, die ihm Erik Scambester (der sowohl das Kammerdiener- als Kellermeister-Amt versah) in einem kleinen Zimmer, oder vielmehr Kämmerchen, in einem der Vorgebäude angewiesen hatte, wo zu diesem Zwecke eine Hängematte angebracht war.


 


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