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Elftes Kapitel.

 

– – – – All' Eure alten Sitten,
Die lang' herstammenden Gebräuche will ich ändern;
Ihr sollt nicht essen, trinken, sprechen, Euch bewegen,
Nicht denken, ausseh'n, geh'n, wie Ihr gewohnt zu thun;
Veränderung soll selbst Euer Ehebett erleiden;
Es nahm der Bursch die Wand-, die Braut die Zimmerseite ein,
Denn jeden alten Brauch ich änd're, ich verwandle ihn,
Und nenn's – Reformation, – gewiß, ich thu's!

 

Der festliche Tag nahete, und noch war keine Einladung für den Gast gekommen, ohne den noch vor kurzer Zeit kein Fest auf der Insel hätte begangen werden können, während auf der andern Seite das Gerücht nur davon sprach, wie sehr der Capitain Cleveland bei der Familie von Burgh-Westra in Gunst stehe. Swertha und der alte Ranzelmann schüttelten die Köpfe zu dieser Veränderung, und gaben Mordaunt durch manchen hingeworfenen Wink und Fingerzeig zu verstehen, daß er sich diese Verdrängung selbst dadurch zugezogen hätte, daß er so thörichter Weise geschäftig gewesen wäre, den Fremden in Sicherheit zu bringen, als sein Leben von der nächsten Welle am Fuße der Klippen von Sumburgh abgehangen hätte. »Man muß dem Meere seinen Willen lassen,« sagte Swertha; »es hat noch Niemand Glück gebracht, sich ihm zu widersetzen.«

»Wahrhaftig,« sagte der Ranzelmann, »es sind kluge Leute, die der Welle und dem Winde ihren Gang lassen. Ein Halbertrunkener und ein Halberhangener haben noch Niemand Glück gebracht. – Wer erschoß Will Paterson von Noß? Der Holländer, den er vom Ertrinken rettete. Einem Ertrinkenden ein Brett oder ein Tau hinzuwerfen, mag Christenpflicht sein, aber ich sage: Hand von ihm, wenn ihr vor ihm sicher sein wollt.«

»Ihr seid ein kluger Mann, Ranzelmann, und ein würdiger,« wiederholte Swertha mit einem Seufzer, »und wißt besser wie irgend Einer, der je ein Netz ausgeworfen hat, wann und wo Ihr Eurem Nächsten helfen sollt.«

»In Wahrheit, ich habe manches Jahr erlebt,« antwortete der Ranzelmann, »und habe mit angehört, was alte Leute darüber mit einander gesprochen haben, und Niemand auf Shetland soll sagen können, daß er auf festem Grund und Boden für einen Menschen aus christlicher Liebe mehr thun kann, aber wenn Jemand aus dem Salzwasser um Hülfe schreit – das ist ein ander Ding.«

»Und nun, was sagt Ihr zu dem Kerl, dem Cleveland, der unserem Mordaunt so im Lichte steht?« sagte Swertha; »und zu Magnus Troil, der ihn noch am letzten Pfingsttage für die Zierde von Shetland erklärte, der Magnus, den man doch (wenigstens wenn er nüchtern ist) für den klügsten und reichsten Mann in Shetland hält?«

»Das kann ihm keinen Vortheil bringen,« sagte der Ranzelmann mit weiser Miene. »Es gibt indessen Fälle, Swertha, wo die Klügsten (zu denen ich mich denn doch auch mitrechne) wie wahre Einfaltspinsel handeln und Sachen thun, die eben so wenig zu Etwas führen, als wenn ich versuchen wollte, über die Spitze von Sumburgh zu klettern. Es ist mir selbst ein- oder zweimal in meinem Leben so gegangen. Aber wir werden bald sehen, was da herauskommt; etwas Gutes kann es unmöglich sein.«

Und Swertha antwortete in demselben Tone prophetischer Weisheit: »Nein, nein, Gutes kann auch daraus nicht entstehen; da habt Ihr ganz recht.«

Diese bösen Prophezeihungen, welche von Zeit zu Zeit wiederholt wurden, blieben nicht ohne Einfluß auf Mordaunt. Er glaubte zwar nicht, daß das gute Werk, einen Ertrinkenden gerettet zu haben, als nothwendige und unausbleibliche Folge die unangenehme Lage herbeigeführt hätte, in der er sich jetzt befand; allein es war ihm, als ob eine Art von Zauber, dessen Beschaffenheit und Gewalt er nicht kenne, auf ihm laste, – kurz, daß irgend eine Macht, der er nicht gebieten könnte, auf sein Schicksal einwirke, und nicht eben freundlich. Seine Neugier und seine Besorgniß waren auf das Höchste gestiegen, und sein Entschluß, bei dem bevorstehenden Feste auf jeden Fall zu erscheinen, stand um so fester, da er die Ueberzeugung hatte, daß irgend etwas Ungewöhnliches, was seinen künftigen Aussichten und Lebensplänen eine bestimmte Richtung geben werde, stattfinden müsse.

Da Mordaunts Vater sich um diese Zeit ganz wohl befand, war es nöthig, daß der Sohn ihn von seinem vorhabenden Besuche in Burgh-Westra benachrichtigte. Dieß geschah, und der Vater wünschte den besonderen Grund zu wissen, der ihn veranlasse, gerade um diese Zeit dahin zu gehen.

»Es ist eine Zeit der Fröhlichkeit,« antwortete der Jüngling; »das ganze Land ist dort versammelt.«

»Und du willst wahrscheinlich die Zahl der Thoren vermehren helfen? So geh', aber nimm dich auf dem Wege, den du betreten willst, in Acht. Ein Fall von den Klippen von Foula könnte nicht gefährlicher sein.«

»Darf ich nach der Ursache dieser Warnung fragen?« erwiderte Mordaunt, die Schranken der Zurückhaltung, welche zwischen ihm und seinem sonderbaren Vater stattfanden, durchbrechend.

»Magnus Troil,« sagte der ältere Mertoun, »hat zwei Töchter. Du bist in dem Alter, in welchem junge Leute solches Flitterwerk mit den Augen der Zuneigung betrachten, damit sie späterhin den Tag verwünschen, der ihren Augen zuerst den Himmel öffnete. Ich sage dir, nimm dich vor ihnen in Acht. So gewiß, wie Sünde und Tod durch das Weib in die Welt kamen, so gewiß sind auch ihre süßen Worte und ihre noch süßeren Blicke das Verderben und der Untergang aller Derer, welche darauf bauen.«

Mordaunt hatte zuweilen Gelegenheit gehabt, sich von seines Vaters Widerwillen gegen das weibliche Geschlecht zu überzeugen, aber nie hatte er denselben so bestimmt und stark sprechen hören. Er erwiderte, daß Magnus' Töchter ihm nicht mehr gälten, als alle übrigen Frauenzimmer auf den Inseln; sie wären ihm jetzt sogar weniger werth, da sie ohne alle Ursache ihre Freundschaft mit ihm abgebrochen hätten.

»Und du gehst hin, sie wieder anzuknüpfen?« antwortete der Vater. »Thörichte Mücke, du hast einmal die Kerze umschwärmt, ohne dir die Flügel zu verbrennen, aber du bist nicht zufrieden mit der gefahrlosen Dunkelheit dieser Wildniß; du mußt zur Flamme zurück, die dich endlich gewiß verzehren wird. Doch weßhalb sollte ich Worte verlieren, dich von dem unvermeidlichen Schicksale abzuhalten. Geh', wohin es dich ruft!«

Am folgenden Tage, welches der nächste vor dem eigentlichen Feste war, machte sich Mordaunt nach Burgh-Westra auf den Weg, wechselsweise mit den Gedanken an Norna's Rath, an die bedeutungsvollen Worte seines Vaters, an die ungünstigen Voraussagen Swertha's und des Ranzelmannes von Jarlshof beschäftigt, und er konnte sich des Trübsinnes nicht erwehren, mit dem das Zusammentreffen so mancher böser Anzeichen seinen Geist zu umnachten anfing.

»Ich sehe einen kalten Empfang in Burgh-Westra voraus,« sagte er, »aber mein Aufenthalt soll dann auch desto kürzer sein. Ich will nur wissen, ob dieser fremde Seemann mich verleumdet hat, oder ob sie aus bloßer Laune und Liebe zum Wechsel der Gesellschaft so handeln. Ist das Erste der Fall, so werde ich mich zu rechtfertigen wissen, und Capitain Cleveland mag sich dann nur vor den Folgen in Acht nehmen; ist es das Letztere, nun dann gute Nacht Burgh-Westra und alle seine Bewohner!«

Als er diese Möglichkeiten so in Gedanken überdachte, machten gekränkter Stolz und die rückkehrende Zuneigung für die, denen er jetzt auf ewig Lebewohl sagen zu müssen glaubte, daß ihm eine Thräne in das Auge trat, die er aber schnell und unwillig trocknete, während er seine Schritte verdoppelte.

Das Wetter war heiter und ruhig, und Mordaunt setzte seine Reise mit einer Leichtigkeit fort, welche einen auffallenden Gegensatz zu den Mühseligkeiten bildete, mit denen er zu kämpfen hatte, als er das letzte Mal denselben Weg machte; – und doch fiel der Vergleich nicht zum Vortheil der gegenwärtigen Reise aus.

»Meine Brust,« sagte er zu sich selbst, »war damals dem Winde bloßgestellt, aber das Herz darin war heiter und glücklich. Ich wollte, ich hätte jetzt dasselbe unbefangene Gefühl, wie damals, müßte ich es auch durch einen Kampf mit dem heftigen Sturme erkaufen, der damals auf diesen einsamen Hügeln tobte.«

Mit diesen Gedanken langte er gegen Mittag in Harfra an, wie sich der Leser erinnern wird, der Wohnung des geistreichen Mr. Yellowley. Unser Reisender hatte dießmal Sorge getragen, von der filzigen Gastfreiheit dieses Hauses, das jetzt auf der ganzen Insel deßwegen berüchtigt war, unabhängig zu bleiben, indem er in seinem Ränzel so viel Lebensmittel mit sich führte, daß sie sogar für eine längere Reise hingereicht haben würden. Aus Höflichkeit, oder vielleicht auch seine eigenen beunruhigenden Gedanken los zu werden, sprach Mordaunt in dem Hause ein und fand es in besonderer Bewegung. Triptolemus polterte, mit einem Paar großer Reiterstiefeln bekleidet, die Treppe auf und ab, und schrie dabei seiner Schwester und seiner Magd Tronda Fragen zu, die von diesen mit noch hellerem und längerem Gekreisch beantwortet wurden. Endlich erschien Miß Baby selbst, ihre ehrwürdige Gestalt in einen sogenannten Joseph gehüllt, ein weites Gewand, das einst grün gewesen war, jetzt aber durch Flecken und Flicken wirklich dem Kleide des Patriarchen ähnlich, dessen Namen es führte, d. h. ein Gewand von verschiedenen Farben. Ein Hut mit kirchthurmartigem Kopfe –den sie wahrscheinlich vor langen Jahren in einem Augenblicke gekauft hatte, wo die Eitelkeit den Sieg über die Habsucht davon trug, mit einer Feder darauf, welche so viel Wind und Regen ausgehalten zu haben schien, als ob sie dem Flügel einer Seemöve angehört hätte – vollendete ihren Anzug, wozu noch eine mit Silber beschlagene, altmodische Peitsche kam, welche sie in der Hand hielt. Dieser Anzug, so wie eine gewisse Geschäftigkeit, welche sich in dem Gange und dem Aeußeren der Mrs. Barbara Yellowley aussprach, schienen darauf hinzudeuten, daß sie sich anschickte, eine Reise zu unternehmen, wie man zu sagen pflegt, unbekümmert darum, wer es wisse oder nicht, daß dieß ihr Entschluß sei.

Sie war die erste, welche Mordaunt bei seiner Ankunft erblickte, und sie begrüßte ihn mit einem etwas gemischten Gefühle. »Gott behüt' uns!« rief sie aus, »ist das nicht der muntere junge Mann, der das Ding um den Hals trägt, und der unsere Gans so ohne Umstände hinunter schlang, als ob es eine Seelerche gewesen wäre?« Ihre Bewunderung der goldenen Kette, welche damals einen so tiefen Eindruck auf ihr Gemüth gemacht hatte, sprach sie gleich im ersten Theile ihrer Rede aus, während die Erinnerung an den frühen Untergang der geräucherten Gans in die zweite Abtheilung verwiesen wurde. »Ich wette mein Leben darauf,« fügte sie sogleich hinzu, »daß er einen Weg mit uns geht.«

»Ich will nach Burgh-Westra, Mrs. Yellowley,« sagte Mordaunt.

»Und wir werden es sehr gern sehen, wenn Ihr uns Gesellschaft leistet,« entgegnete sie; »es ist wohl noch zu früh, um zu essen, wollt Ihr aber einen Gerstenkuchen und einen Schluck Bland? Es ist zwar nicht gut, wenn man mit vollem Magen reist, und Ihr verderbt Euch den Appetit für das Fest, das Eurer heute wartet, denn dort wird gewiß Alles vollauf sein.«

Mordaunt holte jetzt seinen eigenen Vorrath herbei, und nachdem er erklärt hatte, daß er sie nicht abermals belästigen wolle, ladete er sie ein, an dem Theil zu nehmen, was er hatte. Der arme Triptolemus, der nur selten ein halb so gutes Mittagsessen bekam, als seines Gastes Imbiß war, machte sich über die guten Sachen her, wie Sancho über den Schaum von Gamacho's Kessel, und selbst die Dame konnte der Versuchung nicht widerstehen; obgleich sie sich ihrer Eßlust mit mehr Mäßigung und einer Art Verschämtheit überließ. »Sie hätte das Feuer ausgehen lassen,« sagte sie, »denn es wäre Schade, das Holz in einem so kalten Lande zu vergeuden, und da sie überdieß sich sobald auf die Reise machen wollten, hätte sie auch keines vorräthig; eben so wenig könnte sie läugnen, daß des jungen Herrn Fleischwerk sehr gut aussähe, und überdieß wäre sie neugierig, zu sehen, ob die Leute in diesem Lande ihr Fleisch eben so einsalzten, wie dieß im Norden von Schottland geschähe. Aus diesen vereinten Rücksichten stellte dann Dame Baby einen tüchtigen Versuch an den Erfrischungen an, die sich ihr so unerwartet boten.

Als die extemporirte Mahlzeit vorüber war, drang der Verwalter darauf, die Reise anzutreten, und jetzt wurde es Mordaunt klar, daß die Freundlichkeit, mit der Mrs. Baby ihn empfangen hatte, keineswegs ohne Eigennutz war. Weder sie selbst noch der gelehrte Triptolemus hatten große Lust, sich ohne Führer in die Wildniß Shetlands zu wagen, und wenn sie auch einen ihrer Tagelöhner hätten mitnehmen können, so wäre doch dadurch, wie der umsichtige Landwirth bemerkte, wenigstens ein Tag an der Arbeit verloren gegangen. Und seine Schwester vergrößerte diese Besorgniß noch, indem sie als Echo zurückrief: »Eine Tagearbeit? – Zwanzig kannst du sagen, denn bringe nur ihre Nasen in den Geruch eines Kohltopfes und ihre Lungen in den Bereich einer Fidel, und steh', ob du sie dann sobald wieder zurückbringst.«

Mordaunts Ankunft zu so gelegener Zeit machte ihn – die guten Sachen, die er mitbrachte, ungerechnet – zu einem so willkommenen Gaste, als es Jemand an einer Thür sein konnte, die sich bei allen andern Gelegenheiten einem jeden Besuche verschloß; auch freute sich Herr Yellowley schon im Voraus darauf, seinem jungen Begleiter seine Verbesserungspläne in größter Ausführlichkeit mittheilen zu können, und in ihm zu haben, was ihm das Schicksal selten gewährte: die Gesellschaft eines geduldigen und bewundernden Zuhörers.

Da der Verwalter und seine Schwester zu Pferde reisen wollten, kam es jetzt darauf an, auch ihren Führer und Gesellschafter beritten zu machen. Dieß ließ sich indeß in einem Lande leicht bewerkstelligen, in welchem eine so große Anzahl rauchhaariger, langrückiger, kurzbeiniger Gäule frei auf den großen Mooren herumläuft, welche der gemeinsame Waideplatz für das Vieh jeder Ortschaft sind, wo Pferde, Gänse, Schweine, Ziegen, Schafe und kleine shetländische Kühe bunt durcheinander grasen, und das oft in so großer Anzahl, daß sie bei der kärglichen Vegetation nur spärliche Nahrung finden. Die einzelnen Besitzer haben allerdings ein bestimmtes Eigenthumsrecht auf diese Thiere, welche von Jedem derselben mit einem besondern Merkmale bezeichnet werden, das ihnen eingebrannt oder eingestochen wird; wenn indeß ein Reisender ein Pferd braucht, so bemächtigt er sich, ohne Weiteres, des ersten, das ihm in die Hand kommt, wirft ihm einen Strick über, reitet es, so weit er es braucht, und läßt dann das Thier laufen, das dann seinen Rückweg finden mag, so gut es kann, – eine Sache, worin die Pferde einen hinlänglichen Instinkt besitzen.

Obgleich dieser gemeinsame Gebrauch des Eigenthums eine der Abscheulichkeiten war, welche der Verwalter zu seiner Zeit abzuschaffen gedachte, so ermangelte er doch nicht, sich unterdessen eine so allgemeine Sitte, als ein kluger Mann, zu Nutze zu machen, eine Sitte, welche, wie er gestand, für die besonders bequem war, die (wie er gerade jetzt) keine eigenen Pferde besaßen, an denen der Nachbar das Vergeltungsrecht ausüben konnte. Es wurden daher drei Pferde vom Hügel geholt, kleine, zottige Thiere, mehr wilden Bären als Pferden ähnlich, die indeß genug Stärke und Feuer besaßen, und so viel Beschwerden, so schlechte Wartung ertragen konnten, als irgend ein Geschöpf in der Welt.

Zwei von diesen Pferden waren bereits da, und vollständig zur Reise gerüstet. Eines davon, bestimmt, die süße Bürde der Mrs. Baby zu tragen, hatte einen gewaltigen Quersattel von hohem Alter, eine Masse von Kisten und Polstern, unter der auf allen Seiten eine Schabracke von alten Teppichen herabhing, welche, ursprünglich für ein Pferd von gewöhnlicher Größe bestimmt, den kleinen Klepper von den Ohren bis zum Schweife und von dem Widerrist bis zum Huf bedeckte, so daß nichts frei blieb, als der Kopf, der aus diesen Umhüllungen keck hervorblickte, wie der Löwe auf einem Wappen aus einem Busch. Mordaunt hob die schöne Mrs. Yellowley nach Rittersitte auf's Pferd, und setzte sie mit einiger Anstrengung, wohlbehalten auf den Gipfel des bergartigen Sattels. Es ist wahrscheinlich, daß, während sie sich so aufgewartet und bedient sah, und das lange nicht gefühlte Bewußtsein hegte, ihre besten Kleider zu tragen, in Mrs. Baby's Geist einige Gedanken aufstiegen, welche für einen Augenblick die gewohnte Richtung derselben auf Ersparnis, die tägliche und alleinige Beschäftigung ihrer Seele, unterbrachen. Sie ließ einen Blick auf ihren verschossenen Joseph und auf die lange Satteldecke fallen, während sie, zu Mordaunt gewendet, die Bemerkung machte: Es sei doch bei schönem Wetter und in guter Gesellschaft etwas sehr Angenehmes, zu reisen, »wenn nicht,« fügte sie hinzu, indem sie einen zweiten Blick auf eine Stelle warf, wo die Stickerei etwas abgenutzt und zerrieben war, »das Reitzeug so sehr dabei litte.«

Unterdessen hatte ihr Bruder sein Pferd ganz dreist bestiegen, und da er, des heitern Wetters ungeachtet, einen großen rothen Mantel über seine übrigen Kleidungsstücke geworfen hatte, war sein Klepper sogar noch mehr verhüllt, als der seiner Schwester. Das Pferd war indeß wild und widerspenstig, so daß es von Zeit zu Zeit unter dem Gewicht des Triptolemus mit einer Lebendigkeit Sätze machte und courbettirte, welche ihn, seiner Abkunft aus Yorkshire ungeachtet, zu keinem festen Sitze in seinem Sattel kommen ließen; und da das Pferd selbst nur bei sehr genauer Untersuchung zu entdecken war, konnte man in einiger Entfernung glauben, die Sprünge desselben wären die freiwilligen Bewegungen des Reiters, die er mit seinen eigenen, ihm von der Natur verliehenen Beinen machte. Und wer mit einer solchen Voraussetzung auf Triptolemus sah, dem mußten der Ernst und sogar die Noth, die sich in seinen Gesichtszügen malten, im Gegensatz zu den lebhaften Capriolen, mit denen er an dem Moore hintanzte, höchst lächerlich vorkommen.

Nach der Einfachheit der Zeit und des Landes den ersten besten Klepper reitend, den er sich hatte zueignen können, und mit weiter keinem Reitzeuge versehen, als dem Strick, mit welchem er ihn lenkte, hielt Mordaunt mit dem würdigen Paare Schritt, während Mr. Yellowley, der seinen Führer mit Vergnügen so schnell beritten sah, bei sich beschloß, diesen rohen Gebrauch, Reisenden zu einem Pferde zu verhelfen, ohne dabei den Eigenthümer um Erlaubniß zu fragen, nicht eher abzuschaffen, als bis er selbst eine Heerde Pferde besäße – und man also an ihm das Recht der Vergeltung ausüben könnte.

Weniger nachsichtig bewieß sich Triptolemus indeß gegen andere Gebräuche oder Mißbräuche des Landes. Die Gespräche, welche er mit Mordaunt darüber führte, oder, um uns richtiger auszudrücken, die Reden, welche dieser anhören mußte, und welche die Veränderungen betrafen, die er auf den Inseln herbeiführen wollte, waren eben so lang als ermüdend. Mochte Triptolemus auch in den neueren Künsten unerfahren sein, durch welche ein Gut so verbessert wird, daß es am Ende dem Eigenthümer ganz durch die Finger gleitet, so besaß er doch für sich allein den Eifer, wenn auch nicht die Kenntnisse einer ganzen Ackerbaugesellschaft; auch wurde er von keinem seiner Nachfolger in dem erhabenen Geiste übertroffen, welcher es verschmäht, den Gewinn gegen die Kosten abzuwegen, sondern den Ruhm, eine große Neuerung einzuführen, gleich dem der Jugend, zum großen Theile als seine eigene Belohnung betrachtend.

Es gab in der wilden und bergigen Gegend, durch welche ihn Mordaunt führte, keinen Platz, der in seiner lebendigen Einbildungskraft nicht einen Plan zur Veränderung und Verbesserung erweckt hätte. Bald wollte er durch eine kaum gangbare Schlucht einen Weg bahnen, obgleich jetzt die zuverlässigen Geschöpfe, die sie ritten, hier kaum mit Sicherheit gehen konnten; bald wollte er an die Stelle der Skios oder Hütten, von trockenen Steinen aufgeführt, in denen die Eingeborenen ihre Fische einsalzten oder zubereiteten, bessere Häuser setzen; sie sollten, statt des Bland, gutes Ale brauen; da Wälder pflanzen, wo nie ein Baum wuchs, und nach ergiebigen Bergwerken suchen, wo man einen dänischen Schilling schon für eine sehr werthvolle Münze hielt. Alle diese Veränderungen, so wie noch manche andere wurden von dem würdigen Faktor beschlossen, der dabei mit dem größten Vertrauen von der Unterstützung und dem Beistande sprach, den er von den höheren Klassen, und namentlich von Magnus Troil, erwarte.

»Ich werde,« sagte er, »ehe wir einige Stunden älter geworden sind, dem Manne einige meiner Ansichten mitgetheilt haben, und Ihr werdet sehen, wie dankbar er sich gegen den bezeugen wird, der seine Kenntnisse, die weit besser sind, als Reichthum, so vermehren hilft.«

»Ich würde Euch doch nicht rathen, darauf zu fest zu bauen,« erwiderte Mordaunt warnend; »Magnus Troils Boot ist schlimm zu regieren – er liebt es, seinen eigenen Weg zu gehen, den Weg, den man hier zu Lande gewohnt ist, und Ihr werdet Eure Pferde eher lehren, wie ein Seehund unterzutauchen, als Magnus dahin bringen, eine schottische Sitte statt einer norwegischen anzunehmen. Und doch ist er vielleicht bei aller seiner Anhänglichkeit an alte Gebräuche in seiner Freundschaft eben so veränderlich, als ein Anderer.«

» Heus, tu inepte!« sagte der Schüler von St. Andrew's; »anhänglich oder nicht, was will das sagen? Stehe ich nicht hier an meinem Platze und habe ich nicht die Gewalt? Und soll ein Voigt – welchen barbarischen Namen sich dieser Magnus Troil noch immer gibt – sich herausnehmen dürfen, sich ein Urtheil anzumaßen und Gründe abzuwägen, mir gegenüber, der ich die Stelle des Kämmerlings der Orkney- und Shetlands-Inseln vertrete?«

»Und dennoch,« entgegnete Mordaunt, »würde ich Euch nicht rathen, zu rasch gegen seine Vorurtheile in das Feld zu ziehen. Magnus Troil hat von der Stunde seiner Geburt bis zu diesem Tage nie einen größeren Mann als sich selbst gesehen; und es ist sehr schwer, ein altes Pferd zum ersten Male zu zäumen. Ueberdieß hat er nie in seinem Leben Geduld gehabt, lange Auseinandersetzungen anzuhören, und es ist daher sehr möglich, daß er Eurer beabsichtigten Neuerung den Krieg ankündigt, ehe Ihr Zeit gehabt, ihn von den Vortheilen derselben zu überzeugen.«

»Wie meint Ihr das, junger Mann?« sagte der Verwalter. »Kann es auf diesen Inseln Jemand geben, der so verblendet wäre, die beklagenswerthen Mängel des hiesigen Ackerbaues nicht einzusehen? Kann ein Mensch,« fügte er mit steigender Stimme hinzu, »oder selbst ein Vieh, das Ding ansehen, das sie die Unverschämtheit haben, eine Kornmühle zu nennen, ohne bei dem Gedanken zu beben, daß das Korn einem so elenden Mahlwerkzeuge übergeben wird? Die Menschen müssen ja wenigstens fünfzig solcher Mühlen in jedem Kirchspiele haben, die alle auf ihrem erbärmlichen Mühlsteine sich fortwälzen, unter einem Schindeldache, das nicht dicker als ein Bienenkorb ist, – und das statt einer einzigen, schönen stattlichen Mühle, deren Klappern Ihr durch das ganze Land hören könnt, und die das Mehl zu Viertelmetzen auf einmal zum Mahlloche herausschüttet.«

»Ja, ja, Bruder,« sagte seine Schwester, »du sprichst so klug, wie immer. Je mehr Kosten, desto mehr Ehre, – die Redensart führst du immer im Munde. Kömmt es dir denn nie in deinen klugen Kopf, Mensch, daß Jedermann hier seine Handvoll Mehl mahlt, ohne sich um Herren-Mühlen und Drehlinge, und Saugwerke, und um alles das Zeug zu bekümmern? Wie oft habe ich dich mit dem alten Edie Happer, dem Müller in Gründleburn, ja selbst mit seinem Mühlknappen, über Mahlgeld in und außer der Stadt, Schutzbretter, Zapfen, Knappenschaft und dergleichen streiten hören; und nun willst du alles Das einigen wenigen armen Leuten aufdringen, die sich Mühlen bauen, wie sie sie gerade brauchen?«

»Sage mir nichts von Zapfen und Knappenschaft!« rief der Landwirth unwillig aus. »Besser doch, dem Müller das halbe Korn geben und das Uebrige auf christliche Art gemahlen bekommen, als gutes Korn durch ein solches Kinderspielzeug zu verderben. Sieh es nur einen Augenblick an, Baby ... Ruhig, du verwünschter Satan!« – Dieser Ausruf galt seinem Klepper, der sehr unruhig zu werden anfing, während sein Reiter bemüht war, die schwachen Seiten einer shetländischen Mühle auseinanderzusetzen: »sieh sie nur einmal an – sie ist nicht viel besser als eine Handmühle; sie hat weder Rad noch Drehling, weder Kammrad noch Trichter – sei ruhig, mein gutes Thier – du kannst nicht eine Tasse voll Mehl in einer Viertelstunde darauf mahlen; und das wird mehr wie Schroot für die Pferde, als wie Mehl für Menschen aussehen, deßwegen – sei ruhig, sage ich dir – deßwegen – deßwegen. – Der Teufel sitzt in dem Thiere, glaube ich, und nichts Gutes!«

Während dieser letzten Worte bekam das Pferd, das sich schon seit einiger Zeit sehr ungeduldig gebäumt hatte, den Kopf zwischen die Beine, warf seinen Reiter in den kleinen Bach, der die verachtete Maschine trieb, befreite sich aus dem Mantel und flog in seine Wildniß zurück, indem es zornig wieherte und aller zehn Schritte hinten ausschlug.

Mordaunt, der über den Unfall herzlich lachte, half dem alten Manne aufstehen, während seine Schwester ihm spöttisch Glück wünschte, daß er nur in einen seichten, shetländischen Bach und nicht in einen tiefen schottischen Mühlgraben gefallen sei. Triptolemus würdigte diesen Spott keiner Antwort, sondern rief, sobald er wieder auf den Füßen stand, sich geschüttelt und überzeugt hatte, daß ihn die Falten seines Mantels in dem spärlichen Bache vor dem Durchnäßtwerden geschützt hatten, ganz laut: »Ich will Hengste aus Lanarkshire, Zuchtstuten aus Ayrshire kommen lassen. Nicht eine von diesen verwünschten Mißgeburten soll mir auf den Inseln bleiben, ehrlichen Leuten die Hälse zu brechen; ich sage dir, Baby, ich will das Land von ihnen säubern.«

»Du thätest besser, deinen Mantel auszuringen, Triptolemus,« antwortete Baby.

Mordaunt war während dessen damit beschäftigt, ein anderes Pferd aus einer Heerde zu greifen, welche in einiger Entfernung umherlief, und nachdem er aus zusammengedrehten Binsen einen Strick gewunden hatte, setzte er den erschreckten Landwirth auf einen ruhigeren, obgleich nicht so tüchtigen Klepper, als der war, den er früher ritt.

Mr. Yellowley's Fall hatte indessen als ein gutes Niederschlagsmittel auf seinen Geist gewirkt, so daß er fünf ganzer Meilen lang kaum ein Wort sagte, und die Klagen und Bemitleidungen seiner Schwester Baby über den Verlust des alten Zaumes (den der Klepper auf seiner Flucht mitgenommen, und der, nachdem er kommenden St. Martinstag achtzehn Jahre gehalten, nun als rein verloren anzusehen sei) durchaus nicht unterbrach. Da die alte Dame fand, daß sie freies Spiel hatte, hielt sie bei dieser Gelegenheit, nach ihrer Ansicht von dieser Tugend, eine Predigt über die Sparsamkeit, welche ein System von Entbehrungen umfassen sollte, die, wenn auch nur zur Geldersparniß auferlegt, in der Geschichte als religiöse Büßung hochgepriesen worden wären, hätte man sich denselben aus andern Gründen unterworfen.

Sie wurde nur selten durch Mordaunt unterbrochen, der jetzt, wo er Burgh-Westra immer näher kam, sich mit Vermuthungen über die Art seiner Aufnahme bei den beiden schönen, jungen Mädchen weit mehr, als mit dem Gewäsch eines alten beschäftigte, so gründlich dieses auch beweisen mochte, daß Dünnbier gesünder sei, als starkes Ale, und daß, wenn ihr Bruder sich bei seinem Falle den Knöchel geschunden hätte, Schwarzwurzel und Butter besser wären, ihn zu heilen, als alle Doctoren-Tropfen der ganzen Welt.

Die traurigen Moore, über welche der Weg bis jetzt geführt hatte, wichen nun einer freundlicheren Aussicht. Man sah einen vom Meer gebildeten See, oder vielmehr einen Arm des Meeres vor sich, der weit in das Land hineinlief und von ebenen und fruchtbaren Ländereien umgeben war, die Getreide trugen, so gut, wie Triptolemus Yellowley's Auge es in Shetland noch nicht gesehen hatte. In der Mitte dieses Goschen stand das Herrenhaus von Burgh-Westra, das gegen Norden und Osten durch eine Reihe haidebewachsener Hügel, welche hinter demselben lagen, geschützt wurde, und von dem man eine schöne Aussicht auf den See und das Meer, so wie auf die Inseln und entfernten Berge hatte. Aus dem Hause selbst, so wie aus beinahe jedem Bauernhause im benachbarten Dörfchen, stiegen so dicke Rauchsäulen auf, daß man wohl sehen konnte, die Zurüstungen zu dem Feste beschränkten sich nicht allein auf Magnus Troils Wohnung, sondern die ganze Nachbarschaft nehme Theil daran.

»Wahrhaftig,« sagte Mrs. Barbara Yellowley, »man sollte denken, der ganze Ort stände in Flammen! Selbst der Abhang des Hügels riecht nach dem Ueberflusse, und ein hungriges Herz könnte einen Gerstenkuchen nicht schmackhafter machen, als wenn es ihn in den Rauch hielte, der aus jenen Essen aufsteigt.«


 


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