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Achtes Kapitel.

 

Schön war der Jüngling von Gestalt,
Der Panther in dem dichten Wald
War nicht so schön, als er.
Und wenn dem Scherz er sich gelieh'n,
So war nicht froher der Delphin
Auf fernem weitem Meer.

Wordsworth.

 

Der leichte Fuß Mordaunt Mertouns zögerte nicht lange, ihn nach Jarlshof zu tragen. Hastig trat er in das Haus; denn was er diesen Morgen selbst bemerkt hatte, stimmte mit den Besorgnissen überein, die Swertha's Nachrichten zu erregen berechnet waren. Er fand indessen seinen Vater in seinem Zimmer, wohin er sich zurückgezogen hatte, um sich nach seinen Anstrengungen zu erholen; und seine erste Frage überzeugte ihn, daß die ehrliche Frau eine kleine Lüge ersonnen hatte, um sie Beide los zu werden.

»Wo ist der Sterbende, zu dessen Rettung du deinen eigenen Hals gewagt hast?« sagte der ältere Mertoun zu dem jüngeren.

»Norna hat ihn unter ihrer Obhut, Sir,« antwortete Mordaunt; »sie versteht sich auf solche Dinge.«

»Sie ist also Quacksalberin und Hexe zugleich?« sagte der ältere Mertoun; »desto besser, das erspart Anderen die Mühe. Aber ich war auf Swertha's Aussage nach Hause geeilt, um Scharpie und Bandage zu suchen, da sie von gebrochenen Gliedern sprach.«

Mordaunt schwieg, da er wohl wußte, daß sein Vater nicht weiter über den Gegenstand nachforschen würde; und da er weder der alten Haushälterin zu nahe treten, noch seinen Vater zu einem der Ausbrüche der Leidenschaft reizen wollte, denen er sich so leicht überließ, wenn er es gegen seine Gewohnheit für nöthig hielt, seiner Dienerin einen Verweis zu geben.

Es war schon spät, als Swertha von ihrem Gange, sehr ermüdet und mit einem ziemlich großen Bündel versehen, zurückkam, der, wie es schien, ihren Antheil an der Beute enthielt. Mordaunt suchte sie sogleich auf, um ihr Vorwürfe über die falschen Nachrichten zu machen, mit denen sie ihn und seinen Vater hintergangen hatte; allein die angeklagte Matrone blieb ihm die Antwort nicht schuldig.

»In der That,« sagte sie, »hätte sie geglaubt, es sei Zeit, daß Mr. Mertoun nach Hause ginge und Bandagen hole, als sie gesehen hätte, mit ihren eigenen zwei Augen, wie Mordaunt die Klippen wie eine wilde Katze hinabkletterte, sie hätte gedacht, er würde sich alle Glieder zerschmettern, und es würde ein Glück sein, wenn am Ende Bandagen noch hülfen; und eben so hätte sie auch ihm, Mordaunt, wohl sagen können, sein Vater sei unwohl und habe kreideweiße Backen, da man dieß noch jetzt nicht läugnen könnte.«

»Aber Swertha,« sagte Mordaunt, sobald ihre lärmende Vertheidigung ihm Zeit zur Antwort ließ, »wie kamst du, die du im Hause und bei deinem Spinnrade hättest beschäftigt sein sollen, heute Morgen nach den Erichs-Stufen? Und machst dir um meinen Vater und mich alle diese unnöthige Mühe? Und was ist in dem Bündel, Swertha? Ich fürchte sehr, du hast wider das Gesetz gesündigt und bist hinausgegangen, um aus dem Schiffbruche etwas für dich zu retten.«

»Der Himmel behüte Euer liebes Antlitz, und der Segen des heiligen Ronald sei mit Euch!« sagte Swertha in einem halb schmeichelnden, halb muthwilligen Tone. »Ihr werdet einem armen Geschöpfe doch nicht verargen, sich etwas zu verbessern, und werdet nicht haben wollen, daß so vieles Gut auf dem Sande unangerührt liegen bleiben soll? – Hört, Mr. Mordaunt, ein gestrandetes Schiff ist ein Anblick, der den Prediger mitten in der Predigt von der Kanzel herablocken könnte, geschweige denn ein altes, ungelehrtes Weib von ihrem Rocken und ihren Faden fort. Und ich habe wahrhaftig nicht viel von meiner Mühe gehabt! Einige Lumpen Kammertuch und ein oder zwei Stück grobes Zeug und dergleichen – die Starken und Dreisten bekommen ja in der Welt Alles.«

»Ja, Swertha,« erwiderte Mordaunt, »und das ist um so schlimmer, da du in dieser wie in jener Welt doch eben so gut deine Strafe dafür erhalten wirst, daß du die armen Seeleute beraubt hast.«

»Wer wird denn aber ein altes Weib, wie mich, um einiger Lumpen willen strafen? Die Leute sprachen viel Böses von dem Grafen Patrick, aber er beschützte das Strandrecht und gab weise Gesetze dagegen, daß irgend Jemand Schiffern, welche in die Brandung geriethen, Beistand leiste. – Und die Seeleute verlieren – wie Bryce, der Hausirer, sagt – ihr Recht von dem Augenblicke an, wo der Kiel den Sand berührt; und übrigens sind sie mausetodt, die armen Leute, mausetodt und kümmern sich wenig um den Reichthum dieser Welt, – wahrhaftig, nicht mehr, als die großen Grafen und Könige des Meeres zu den Zeiten der Norweger um die Schätze, die sie in ihren Gräbern und Grabstätten vergruben. Habe ich Euch, Mr. Mordaunt, wohl vom Olaf Tryguarson erzählt, der fünf goldene Kronen mit in sein Grab nahm?«

»Nein, Swertha,« sagte Mordaunt, der nun ein Vergnügen darin fand, die listige alte Diebin zu quälen. »Du erzähltest mir das nie, aber ich sage dir dagegen, daß der Fremde, den Norna mit in den Ort genommen hat, morgen wohl genug sein wird, dich zu befragen, wohin du das aus dem Schiffbruche geborgene Gut gebracht hast.«

»Aber wer wird ihm etwas davon sagen, Kind?« sagte Swertha, indem sie ihrem Gebieter schlau in das Gesicht sah. – »Und was noch mehr ist, ich muß Euch nur sagen, ich habe noch ein schönes Stück Seidenzeug übrig, das für die Lustbarkeit, zu der Ihr geht, eine gar schöne Weste für Euch abgeben kann.«

Mordaunt konnte sich nicht länger des Lachens über die listige Art enthalten, mit der die Alte ihn durch einen Theil ihres Raubes zu bestechen suchte; und indem er ihr befahl, Alles zum Mittagsessen bereit zu halten, kehrte er zu seinem Vater zurück, den er noch auf derselben Stelle und beinahe auch in derselben Stellung, wie vorher, sitzen fand. Als ihr kurzes und mäßiges Mahl beendigt war, sagte Mordaunt zu seinem Vater, daß er jetzt in die Stadt oder das Dorf hinabgehen wolle, um sich nach dem schiffbrüchigen Seemann zu erkundigen.

Der ältere Mertoun stimmte durch ein Kopfnicken bei.

»Er muß es dort sehr unbequem haben, Sir,« fügte sein Sohn hinzu; eine Bemerkung, die nichts weiter als ein zweites Kopfnicken zur Folge hatte. »Es schien, dem Aeußern nach,« fuhr Mordaunt fort, »ein Mann von gutem Herkommen zu sein, und wenn auch jene armen Leute alles Mögliche gethan haben, ihn bei seinem jetzigen schwachen Zustande gut aufzunehmen, so« –

»Ich weiß, was du sagen willst,« unterbrach ihn sein Vater; »wir sollten, meinst du, etwas zu seiner Hülfe thun. Wohlan, so geh' zu ihm, fehlt ihm Geld, so laß ihn die Summe nennen, und er soll sie haben, aber den Fremden in mein Haus zu nehmen und Verkehr mit ihm zu haben, das kann und mag ich nicht. Ich habe mich auf die äußerste Gränze der brittischen Inseln geflüchtet, weil ich keine neuen Freunde haben und keine neuen Gesichter sehen will, und Niemand soll mich belästigen, weder mit seinem Glücke noch mit seinem Unglücke. Wenn du die Welt ein Jahrzehnt länger kennst, so werden deine ältern Freunde sich dir werth gemacht und ihr Untergang dich dazu bestimmt haben, die neuen für den übrigen Theil deines Lebens zu vermeiden. Jetzt geh', – warum gehst du nicht? Mache, daß der Mann aus der Gegend kommt; ich will Niemand um mich sehen, als diese gemeinen Gesichter, deren Art und Weise, mich zu betrügen, ich kenne, und als ein Uebel dulde, das zu klein ist, um mich darüber zu ärgern.« Mit diesen Worten warf er seinem Sohne seine Börse hin und gab ihm ein Zeichen, sich schnell zu entfernen.

Mordaunt hatte das Dorf bald erreicht. In der düstern Wohnung Neil Ronaldsons, des Ranzelmannes, fand er den Fremden, der auf derselben Kiste, welche die Raubgier des frommen Bryce angezogen hatte, am Torffeuer saß. Der Ranzelmann selbst war nicht zu Hause, sondern mit der unparteiischen Theilung der Güter des gestrandeten Schiffes unter die Bewohner des Ortes beschäftigt, wobei er ihre Klagen über ungleiche Vertheilung anhörte und beseitigte, und (wenn die ganze Sache von Anfang bis zum Ende nicht höchst ungerecht und auf keine Weise zu entschuldigen gewesen wäre) das Amt einer weisen und wohlbedächtigen Magistratsperson in allen kleinen Obliegenheiten derselben treulich verwaltete.

Margery Bimbister, die ehrwürdige Ehehälfte des Ranzelmannes, welche die Aufsicht über das Haus hatte, führte Mordaunt zu ihrem Gaste und sagte ohne weitere Umstände: »Hier ist der junge Tacksmann, vielleicht werdet Ihr ihm Euern Namen sagen, obgleich Ihr ihn uns nicht nennen wollt. Wenn es nicht seinetwillen gewesen wäre, würden wir auch wohl wenig genug von Euch gehört haben.«

Der Fremde stand auf und schüttelte Mordaunt die Hand, indem er sagte, er hätte gehört, daß er der Retter seines Lebens und seiner Kiste gewesen sei. »Das Uebrige,« sagte er, »ist, wie ich sehe, in die weite Welt, denn die Leute sind hier so flink dabei, wie der Teufel beim Sturme.«

»Und wozu half Euch denn Eure Steuermannskunst, wenn Ihr nicht von Sumburgh-Head bleiben konntet?« sagte Margery. »Sumburgh-Head würde lange nicht zu Euch gekommen sein.«

»Laß uns einen Augenblick allein, gute Margery,« sagte Mordaunt; »ich habe mit dem Herrn Etwas zu reden.«

» Herrn!« sagte Margery mit besonderer Betonung; »nicht, daß der Mann nicht gut genug aussähe« – fügte sie hinzu, indem sie ihn abermals von oben bis unten ansah – »aber ich glaube nicht, daß viel von einem Herrn an ihm ist.«

Mordaunt sah den Fremden an und dachte anders. Er war über Mittelgröße und von gefälligem und kräftigem Wuchs. Mordaunts Verkehr mit der Welt war nicht bedeutend, aber er glaubte an seinem neuen Bekannten, bei einem kecken, sonnverbrannten, schönen Gesichte, welches manchen Himmelsstrich gesehen zu haben schien, das freie und offene Wesen eines Seemannes zu erkennen. Er antwortete auf die Fragen Mordaunts nach seinem Befinden ganz munter, und versicherte, daß eine Nacht Ruhe ihn von den Folgen des erlittenen Mißgeschickes ganz wieder herstellen würde. Mit Erbitterung sprach er dagegen von der Habsucht und Neugier des Ranzelmannes und seiner Ehehälfte.

»Dieses geschwätzige alte Weib,« sagte der Fremde, »hat mich den ganzen Tag über mit ihrem Fragen nach dem Namen des Schiffes verfolgt. Ich dächte, sie könnte mit dem Antheile zufrieden sein, den sie daran erhalten hat. Ich war der Haupteigenthümer des Schiffes, das dort unterging, und es ist mir nichts übrig geblieben als meine Kleider. Gibt es denn keine obrigkeitliche Person, keinen Friedensrichter in diesem wilden Lande, der Jemanden zu Hülfe kömmt, wenn er in solcher Noth ist?«

Mordaunt nannte Magnus Troil, den vornehmsten Grundbesitzer, so wie den Faud oder Bezirksrichter, als die Personen, von denen er am ersten Hülfe erhalten könnte, und bedauerte, daß seine eigene Jugend und die Lage seines Vaters, eines in der Zurückgezogenheit lebenden Fremden, es nicht gestatteten, ihm den gewünschten Schutz angedeihen zu lassen.

»Ihr habt für Euer Theil genug gethan,« erwiderte der Seemann; »hätte ich aber nur noch fünf von den vierzig handfesten Kerlen, die jetzt den Fischen zur Speise geworden sind, so sollte mich der Teufel nicht dahin bringen, da um Gerechtigkeit zu bitten, wo ich sie mir selbst verschaffen könnte.«

»Vierzig Leute!« sagte Mordaunt; »eine starke Bemannung für die Größe des Schiffes.«

»Und doch nicht so stark, als sie hätte sein sollen. Wir führten zehn Kanonen, die Jagdstücke ungerechnet; aber unser Kreuzzug auf dem großen Ocean hatte unsere Mannschaft geschwächt und uns mit Gütern überladen. Sechs von unsern Kanonen waren als Ballast am Bord. Hände! Hätte ich nur genug Hände gehabt, so würden wir nie so höllisches Mißgeschick erduldet haben. Die Leute waren durch das Arbeiten an den Pumpen erschöpft, und so warfen sie sich in die Boote und ließen mich auf dem Schiffe zurück, mit ihm zu sinken oder über dem Wasser zu bleiben. Aber die Hunde wurden dafür bezahlt, und ich kann es ihnen jetzt immer vergeben. Die Boote schlugen in der Strömung um – Alle ertranken – und hier bin ich.«

»Ihr kommt vom Norden her, von Westindien?«

»Ja wohl, das Schiff war die gute Hoffnung, von Bristol, ein Kaper. Er hatte auf dem spanischen Meere gutes Glück, sowohl im Handel, als beim Kapern, aber das Glück ist jetzt mit dem Schiffe zu Ende. Mein Name ist Clement Cleveland, Capitain und zum Theil Eigenthümer des Schiffes, wie ich vorher sagte. Ich bin aus Bristol gebürtig, mein Vater war auf dem Zollhause wohl bekannt – der alte Clem Cleveland von College-green.«

Mordaunt hatte kein Recht, sich genauer zu erkundigen, obgleich er wohl fühlte, daß er nur halb befriedigt sei. Es lag eine gewisse Rauhheit, eine Art von Trotz in dem Benehmen des Fremden, zu welchem die Umstände berechtigten. Capitain Cleveland war von den Inselbewohnern beeinträchtigt worden, Mordaunt aber hatte ihm nur Wohlwollen bewiesen und Schutz gewährt, und doch schien es, als ob er Alles, ohne Ausnahme, der Ungerechtigkeit anklage, deren man sich gegen ihn schuldig gemacht. Mordaunt sah vor sich hin und schwieg, ungewiß, ob er besser daran thäte, sich zu entfernen, oder die Versicherungen seines Beistandes zu wiederholen. Cleveland schien seine Gedanken zu errathen, denn er fügte augenblicklich in einem entschuldigenden Tone hinzu: »Ich bin ein schlichter Mann, Mr. Mertoun, denn das ist, wie ich höre, Euer Name, und zu Grunde gerichtet obendrein, und so etwas verbessert eben nicht eines Menschen feinen Ton. Aber Ihr habt gegen mich wohlwollend und freundlich gehandelt, und es kann wohl sein, daß ich eben so viel denke, als ob ich Euch mehr dankte. Und so will ich Euch, ehe ich von hier weggehe, meine Jagdflinte schenken, sie schießt auf achtzig Schritte hundert Schrotkörner durch die Mütze eines Hochländers; sie trägt auch Kugeln, ich selbst habe einen Stier auf hundert und fünfzig Yards damit erlegt; aber ich habe noch zwei eben so gute oder noch bessere, und so mögt Ihr diese als ein Andenken von mir behalten.«

»Das hieße ja einen Antheil am Strandgute nehmen,« antwortete Mordaunt lachend.

»Keineswegs!« sagte Cleveland, indem er einen Kasten öffnete, in welchem mehrere Flinten und Pistolen lagen; »Ihr seht, ich habe meine Privat-Gewehrkiste so gut wie meine Kleider gerettet, das habe ich der großen alten Frau in der dunkeln Takelage zu danken. Und unter uns, dieß wiegt Alles auf, was ich verloren habe; denn,« fügte er mit gedämpfter Stimme, und nachdem er sich vorsichtig umgesehen, hinzu; »wenn ich in Gegenwart dieser Landgauner von ruinirt sein spreche, so meine ich doch nicht ganz und gar. Nein, hier ist noch Etwas, womit man mehr thun kann, als Seevögel schießen.« Bei diesen Worten zog er einen großen Schrotbeutel hervor, auf welchem » grobes Schrot« stand, und zeigte Mordaunt flüchtig, daß er mit spanischen Pistolen und Portugalesen (wie man damals die großen portugiesischen Goldstücke nannte) angefüllt war. »Nein, nein,« fügte er mit einem schlauen Lächeln hinzu; »ich habe noch Ballast genug, mein Schiff wieder in See zu bringen, und nun, wollt Ihr das Gewehr nehmen?«

»Da Ihr es mir einmal geben wollt,« sagte Mordaunt lachend, »von Herzen gern. Ich wollte Euch so eben in meines Vaters Namen fragen« – fügte er hinzu, indem er die Börse vorwies – »ob Ihr etwa von dem Ballast etwas brauchen könntet.«

»Ich danke Euch, aber, wie Ihr seht, bin ich versorgt. Nehmt meine alte Gefährtin hin, und möge sie Euch so gut dienen, wie sie mir gedient hat; aber Ihr werdet nie eine so gute Reise mit ihr machen. Ihr könnt doch schießen, wie ich vermuthe?«

»So ziemlich,« antwortete Mordaunt, der die Flinte bewunderte. Es war ein schönes spanisches Rohr, mit Gold ausgelegt, von kleinem Kaliber und ungewöhnlicher Länge, von der Art, wie man sie gewöhnlich braucht, um Seevögel und nach der Scheibe damit zu schießen.

»Schrot,« sagte der Geber, »hält keine Flinte besser zusammen, und mit der Kugel könnt Ihr einen Seehund auf zweihundert Yards in der See von der höchsten Spitze Eurer eisenumgürteten Küste schießen. Aber, ich wiederhole es, die alte Donnerbüchse wird Euch nie die Dienste leisten, die sie mir geleistet hat.«

»Ich werde sie vielleicht nicht so geschickt brauchen können,« sagte Mordaunt.

»Hm! vielleicht nicht,« antwortete Cleveland; »jedoch davon ist nicht die Rede. Was sagt Ihr aber dazu, den Mann vom Steuerrade wegzuschießen, gerade als wir einen Spanier enterten? So faßten wir den Don von hinten, legten ihn quer vor die Klüsen, und nahmen ihn mit dem Säbel in der Hand. Und wohl war es der Mühe werth; es war eine starke Brigantine, el Santo Francisco – nach Portobello bestimmt, und mit Gold und Negern beladen. Das kleine Stückchen Blei war zwanzigtausend Pistolen werth.«

»Ich habe bis jetzt noch kein solches Wildpret erlegt,« sagte Mordaunt.

»Nun, Alles zu seiner Zeit, man kann nicht die Anker lichten, so lange Ebbe ist. Aber Ihr seid ein rüstiger, hübscher, thätiger, junger Mann. Was würde es Euch schaden, wenn Ihr 'mal eine Fahrt nach solchem Zeuge machtet?« Mit diesen Worten legte er die Hand auf den Geldsack.

»Mein Vater spricht davon, daß ich bald reisen soll,« erwiderte Mordaunt, der sich, an große Achtung vor Seeoffizieren gewöhnt, durch diese Einladung eines Mannes, der so ganz ein ächter Seemann zu sein schien, sehr geschmeichelt fühlte.

»Der Gedanke macht ihm Ehre,« sagte der Capitain, »und ich werde ihn besuchen, ehe ich die Anker lichte. Ich habe noch einen Gefährten bei diesen Inseln, und bin verdammt begierig, ihn zu sehen. Das Schiff wird mich wohl, obgleich der Sturm uns trennte, irgendwo aufsuchen; es müßte denn auch zu Davie Jones gegangen sein. – Nun, es war in besserem Stande, als wir, und nicht so schwer beladen, es muß den Sturm überstanden haben. Wir wollen Euch eine Hängematte an Bord geben, und auf einer Fahrt einen Mann und einen Seefahrer aus Euch machen.«

»Ich hätte nichts dawider,« erwiderte Mordaunt, der gern mehr von der Welt gesehen hätte, als die Einsamkeit, in der er lebte, ihm bisher kennen zu lernen gestattet hatte – »aber mein Vater muß darüber entscheiden.«

»Euer Vater! Bah!« sagte Capitain Cleveland; »doch Ihr habt recht,« fügte er hinzu, indem er sich schnell zusammennahm. »Wahrhaftig, ich bin so lange zur See gewesen, daß ich mir kaum denken kann, daß außer dem Capitain und dem Steuermann noch Jemand ein Recht hat zu denken. Aber Ihr habt recht. Ich will sogleich zu dem alten Herrn hingehen und mit ihm reden. Er wohnt in dem schönen, neumodisch aussehenden Hause, das ungefähr eine Viertelmeile von hier liegt, nicht wahr?«

»In dem alten, halbzertrümmerten Hause wohnt er allerdings,« sagte Mordaunt; »aber er nimmt keine Besuche an.«

»Dann müßt Ihr selbst die Sache ausmachen, denn ich kann nicht länger unter dieser Breite bleiben. Da Euer Vater keine obrigkeitliche Person ist, so muß ich wohl zu dem Magnus – wie heißt er? – gehen, der nicht Friedensrichter ist, aber etwas Anderes, das eben so gut ist. Jene Kerle haben zwei oder drei Sachen genommen, die ich zurückhaben will und muß – das Uebrige mögen sie in des Teufels Namen behalten! Wollt Ihr mir einen Brief an ihn mitgeben, nur so als Auftrag?«

»Das wird nicht nöthig sein,« erwiderte Mordaunt; »es ist genug, daß Ihr Schiffbruch gelitten habt, und seiner Hülfe bedürft; indessen kann ich Euch einen Empfehlungsbrief geben.«

»Hier,« sagte der Seemann, indem er ein Schreibzeug aus seiner Kiste nahm, »sind Schreibmaterialien. – Unterdessen will ich, da einmal zu löschen angefangen worden ist, die Luken zunageln und die Ladung sichern.«

Während Mordaunt an Magnus Troil einen Brief schrieb, in welchem er die Umstände aus einander setzte, unter denen Capitain Cleveland an die Küste der Insel geworfen worden war, ergriff der Capitain – nachdem er einige Kleidungsstücke und so viel nothwendige Sachen herausgenommen hatte, als ein Ränzel fassen konnte – Hammer und Nägel, schloß den Deckel der Kiste auf eine kunstgerechte Weise, und befestigte sie dann noch mit einer Schnur, die er mit seemännischer Geschicklichkeit zusammendrehte und knotete. »Ich lasse das Alles unter Eurer Aufsicht,« sagte er, »Alles, dieß ausgenommen,« indem er auf einen Hirschfänger und Pistolen zeigte, »was vielleicht der Gefahr, von meinen Portugalesern getrennt zu werden, vorbeugen könnte.«

»Ihr werdet in diesem Lande Eure Waffen nicht brauchen, Capitain Cleveland,« erwiderte Mordaunt; »ein Kind könnte mit einem Beutel voll Geld vom Sumburgh-Head nach dem Felslande von Unst gehen, und Niemand würde ihm etwas zu Leide thun.«

»Das ist, in Rücksicht auf das, was in diesem Augenblicke draußen vorgeht, junger Mann, wirklich eine sehr dreiste Behauptung.«

»O,« erwiderte Mordaunt etwas verlegen, »was mit der Fluth an das Land kommt, halten diese Leute für ihr rechtmäßiges Eigenthum. Man sollte glauben, sie hätten unter Sir Arthegal studirt, der da sagt:

Denn gleiches Recht in gleichen Dingen ruht,
Und was der mächt'ge Ocean besessen,
Was aus des Eigners Hand er riß in wilder Wuth,
Was Denen er entwand, die sich mit ihm gemessen,
Das gibt er, in der Fülle seiner Macht,
Als ein verlornes Gut, wem er es zugedacht.

»Ich werde wegen dieser Worte künftig von Schauspielen und Balladen besser denken,« sagte der Capitain; »und doch habe ich sie zu meiner Zeit auch gern gehabt. Aber das ist eine ganz gute Lehre, und mehr als Einer würde wohl thun, seine Segel nach einem solchen Winde zu drehen. Was das Meer uns sendet, ist allerdings unser. Indessen sollten Eure guten Leute hier etwa der Meinung sein, daß das Land sie eben so gut, wie die See, mit Heimfällen und unerworbenem Besitzthum versehen kann, so werde ich mich meines Hirschfängers und meiner Pistolen zu bedienen wissen. Wollt Ihr meine Kiste wohl in Eurem Hause aufbewahren, bis Ihr von mir hört, und mir einen Führer verschaffen, der mir den Weg zeige und mein Bündel trage?«

»Wollt Ihr zu Wasser oder zu Lande gehen?« fragte Mordaunt.

»Zu Wasser?« rief Cleveland aus. »Was? In dieser Nußschale, und noch dazu in einer zerbrochenen? Nein, nein, Land, Land, wenn ich nicht meine Mannschaft, mein Schiff und meinen Strich kenne.«

Damit trennten sie sich. Capitain Cleveland erhielt einen Führer, ihn nach Burgh-Westra zu bringen, und seine Kiste wurde sorgfältig nach dem Herrenhause von Jarlshof geschafft.


 


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