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Viertes Kapitel.

 

Das ist kein Wandermorgen, denn der graue Nebel
Liegt auf Berg und Thal, auf Feld und Wald
Gleich dem Trauerschleier einer jungen Wittwe,
Und, meiner Treu, obgleich mein Herz so weich
So möcht' ich doch den Schmerz der Wittwe lieber
Das Lob des theuren Abgeschied'nen preisen hören,
Als, wenn des Sturmes wilde Stimme pfeift,
Der Wuth desselben ausgesetzt zu sein.

 

Der Frühling war weit vorgerückt, als Mordaunt Mertoun, nach einer in Fröhlichkeit und Lust zugebrachten Woche zu Burgh-Westra, der Familie Lebewohl sagte und sich dabei auf die Nothwendigkeit berief, nach Jarlshof zurückzukehren. Sein Entschluß ward indessen von den Mädchen bestritten, und noch entschiedener als von ihnen, von Magnus selbst. »Er sähe keine Nothwendigkeit, weßhalb Mordaunt nach Jarlshof zurückkehren wolle: wünsche ihn sein Vater zu sehen, was er, Magnus, übrigens nicht glaube, so brauche Herr Mertoun sich nur in Sweyns Boot zu werfen, oder sich auf einen Gaul zu setzen – wenn er die Landreise vorziehe, – und er würde dann nicht allein seinen Sohn zu sehen bekommen, sondern auch noch zwanzig andere Leute, die sich herzlich freuen würden, zu hören, daß er während seiner langen Einsamkeit den Gebrauch der Sprache nicht ganz verlernt hätte; obgleich ich gestehen muß,« fügte Magnus hinzu, »daß, so lange er unter uns wohnte, Niemand davon weniger Gebrauch machte.«

Mordaunt gab Beides gern zu, sowohl was seines Vaters Schweigsamkeit, als dessen Abneigung gegen Gesellschaft betraf, bemerkte aber zugleich: daß der erstere Umstand seine augenblickliche Rückkehr um so eher erfordere, da er die gewöhnliche Mittelsperson zwischen seinem Vater und Andern sei, – und daß der zweite diese Nothwendigkeit noch dringender machte, da, des Umstandes wegen, daß Herr Mertoun keine andere Gesellschaft als die seines Sohnes habe, es gerade sehr wünschenswerth für ihn sei, daß dieser ohne Zeitverlust zu ihm zurückkomme. Was das Herüberkommen seines Vaters nach Burgh-Westra beträfe, so möchten sie wohl eher Caz Sumbourgh kommen sehen, als ihn.

»Und das dürfte wohl ein beschwerlicher Gast sein,« sagte Magnus; »aber wollt Ihr nicht wenigstens heute noch mit uns zu Mittag essen? Die Familien von Müneß-Quendale und Therelivoe kommen, und ich weiß nicht, wer sonst noch erwartet wird; und außer den Dreißig, die vergangene Nacht in unserm Hause waren, werden noch so Viele kommen, als in Stube und Kammer, Scheune und Borts-Haus in Betten schlafen oder auf Gerstenstroh liegen können, – und bei dem Allen wollt Ihr nicht sein?«

»Und der fröhliche Tanz am Abend,« fügte Brenda in einem halb vorwerfenden, halb neckenden Tone hinzu; »und die jungen Leute von der Insel Paba, die den Schwertertanz tanzen sollen; wer soll sich mit denen zur Ehre des Festlandes messen?«

»Es gibt noch manchen flinken Tänzer auf dem Festlande, Brenda,« antwortete Mordaunt, »selbst wenn ich nie wieder den Fuß zum Tanze heben sollte. Und wo es gute Tänzer gibt, da wird Brenda Troil immer der beste zu Theil werden. Ich muß heute Abend die Gelenkigkeit meiner Füße in der Wildniß von Dunroßnes versuchen.«

»Thue das nicht, Mordaunt,« sagte Minna, die während dieser Unterhaltung etwas ängstlich aus dem Fenster gesehen hatte; »geh' wenigstens heute nicht durch die Wildniß von Dunroßnes.«

»Und warum gerade heute nicht?« sagte Mordaunt lachend.

»O, der Morgennebel liegt schwer auf jener Inselreihe, und noch haben wir seit Tagesanbruch nicht einmal Fitful-Head sehen können, das hohe Vorgebirge, welches am Ende jener glänzenden Bergkette liegt. Die Vögel fliegen unruhig nach der Küste und die Fuchsgans sieht im Nebel so groß aus, wie der Kormoran. Sieh, selbst die Erdmöven und die Stoßmöven suchen Schutz zwischen den Klippen.«

»Und die halten wahrhaftig einen Sturm besser aus, wie eine Fregatte,« sagte der Vater; »es gibt ungestümes Wetter, wenn die so stechen und fischen.«

»Bleib' also hier,« sagte Minna. »Es wird einen furchtbaren Sturm geben, aber wir werden ihn hier von Burgh-Westra in seiner Größe bewundern, wenn wir keinen Freund draußen haben, der seiner Wuth ausgesetzt ist. Sieh, die Luft ist drückend und schwül, obgleich die Jahreszeit noch nicht so weit vorgerückt ist, und dabei so ruhig, daß sich kein Windhalm auf der Haide rührt. Bleibe bei uns, Mordaunt; der Sturm, welchen alle diese Anzeichen verkünden, wird gewiß furchtbar sein.«

»Desto eher muß ich gehen,« behauptete Mordaunt, der die Anzeichen nicht abläugnen konnte, die auch seinem scharfen Blicke nicht entgangen waren. »Wird der Sturm zu heftig, so kehr' ich für die Nacht in Stourbourgh ein.«

»Wie?« sagte Magnus; »Ihr wollt uns verlassen und bei des neuen Kämmerlings neuem schottischen Tacksmann bleiben, der uns shetländische Wilden neue Sitten lehren soll? Wenn du das Lied singst, Bursche, so geh' in Gottes Namen!«

»Nein,« sagte Mordaunt, »ich bin nur neugierig, die neuen Ackerbauwerkzeuge zu sehen, die er mit herübergebracht hat.«

»Ja ja, Wunderdinge machen Narren stutzen. Mich soll doch wundern, was sein neuer Pflug gegen einen shetländischen Felsen ausrichten wird?«

»Ich will meinen Weg über Stourbourgh nehmen,« sagte der Jüngling, um seines Gönners Vorurtheilen gegen alle Neuerungen nicht zu dreist in den Weg zu treten: »wenn dieses Wetter wirklich Sturm bringt; sollte es aber, wie es sehr wahrscheinlich ist, nur ein Regen werden, so werde ich wohl nicht davon zerfließen.«

»Es wird sich nicht allein in Regen auflösen,« sagte Minna, »sieh nur, wie sich mit jedem Augenblicke die Wolken dicker herabsenken, und sieh das Wetterleuchten, wie es die bleifarbige Masse mit einzelnen blaßrothen und purpurfarbnen Streifen erhellt.«

»Ich sehe das Alles sehr gut,« sagte Mordaunt, »aber eben das zeigt mir, daß ich keine Zeit zu verlieren habe. Leb wohl, Minna; ich schicke dir Adlerfedern, wenn ein Adler auf Fair-Isle oder Foulah gefunden werden kann; und du, meine schöne Brenda, gehab' dich wohl und behalte mich im Andenken, wenn auch die Männer von Paba noch so gut tanzen sollten.«

»So nimm dich wohl in Acht, da du doch einmal gehen willst« – sagten beide Schwestern zugleich.

Der alte Magnus schalt sie förmlich aus, daß sie glauben könnten, ein rüstiger junger Mann würde bei einem Frühlingssturme zur See oder zu Lande ernsthafte Gefahr laufen, schloß aber damit, daß er Mordaunt ebenfalls warnte, und ihm ernstlich rieth, entweder seine Reise aufzuschieben, oder wenigstens in Stourbourgh zu bleiben. »Denn,« sagte er, »guter Rath kommt nach, und da dieses Schotten Hof gerade auf deinem Wege liegt, so sehe ich nicht ab, warum du nicht im Sturme in jeden Hafen einlaufen solltest? Glaube indeß nicht, die Thüre nur eingeklinkt zu finden, wie heftig auch der Sturm wehen sollte; in Schottland gibt es Schloß und Riegel, wenn sie gleich, Sankt Ronald sei Dank, bei uns unbekannt sind, das große Schloß am alten Castell von Scalloway ausgenommen, zu dem Jedermann hinläuft, es zu sehen; – vielleicht gehört das zu des Mannes neuen Verbesserungen. Aber geh' in Gottes Namen, Mordaunt, da du einmal gehen willst. Wärest du drei Jahre älter, so solltest du noch den Valettrunk haben, aber Knaben müssen nur nach Tische trinken; ich werde ihn in deinem Namen thun, damit die alte gute Sitte nicht abkomme, oder es dir Unheil bringe. Wohlan denn, glückliche Reise!« und mit diesen Worten stürzte er einen Becher Branntwein so gelassen hinunter, als ob es Quellwasser wäre. So von allen Seiten bedauert und gewarnt nahm Mordaunt von der gastfreien Familie Abschied, und konnte einen schmerzlichen Seufzer nicht unterdrücken, als er auf die Behaglichkeit, welche sie umgab, zurückblickte, den dicken Rauch aus den Schornsteinen des Hauses emporsteigen sah, und nun an die unfreundliche, einsame Wohnung in Jarlshof dachte, und die finstere Schwermuth seines Vaters mit dem herzlichen Wohlwollen derer verglich, die er so eben verlassen hatte.

Die Zeichen der Annäherung des Sturmes bestätigten Minna's Prophezeihungen. Mordaunt war noch nicht drei Stunden weit gegangen, als die Luft, welche am Morgen todtenstill gewesen war, sich auf einmal erhob; der Wind fing an zu heulen und zu stöhnen, als ob er schon vorher das Unheil betraure, das er in seiner Wuth anrichten werde – wie ein Wahnsinniger in dem Zustande finsteren Trübsinnes, welcher dem Anfalle der Raserei vorausgeht. Bald aber nahm der Sturm zu und tobte und brüllte mit der ganzen Wuth eines nordischen Orkanes. Er war von Regenschauern, mit Hagel untermischt begleitet, der mit furchtbarer Gewalt gegen die Hügel und Felsen schlug, von denen der Reisende umgeben war, seine Aufmerksamkeit, ungeachtet seiner äußersten Anstrengung, störte, und es ihm sehr schwer machte, die Richtung des Weges zu verfolgen, besonders in einem Lande, in dem es keine gebahnten Straßen, ja nicht einmal die leiseste Spur gibt, welche die Schritte eines Wanderers leiten könnte, und wo er sich so oft von großen Wasserpfühlen, See'n und Morästen aufgehalten sieht. Aber diese Gewässer waren jetzt zu Strömen angeschwollen, deren Schaum, von der Wuth des Wirbelwindes gepeitscht, sich mit dem Sturme mischte, und der Salzgeschmack des Gestöbers, welches ihm in das Gesicht schlug, ließ Mordaunt schließen, daß der Schaum des entfernten Oceans, den der Sturm bis zur Wuth aufgeregt hatte, sich mit dem der inländischen See'n und Ströme vermische.

In diesem furchtbaren Aufruhr der Elemente bahnte sich Mordaunt kühn seinen Weg, wie Jemand, der mit einem solchen Kampfe vertraut ist, und die Anstrengungen, welche es erfordert, seiner Wuth zu widerstehen, nur als einen Beweis der Entschlossenheit und Männlichkeit betrachtet. Er fühlte sogar, wie es gewöhnlich bei denen der Fall ist, welche große Beschwerlichkeiten zu erdulden wissen, daß die Anstrengung, welche es erforderte, ihrer Meister zu werden, in ihm eine Art von stolzem Triumpfe erweckte. Seinen Weg finden und unterscheiden zu können, wenn das Vieh vom Felde vertrieben und selbst die Vögel aus der Luft herabgescheucht waren, das galt ihm als ein um so stärkerer Beweis seiner eigenen Tüchtigkeit. »Sie sollen auf Burgh-Westra von mir nicht hören,« dachte er bei sich selbst, »wie von des alten, albernen Ringan Ewersons Boot, das zwischen Rhede und Hafendamm verloren ging. Ich bin zu sehr Felsbewohner, als daß ich mich an Feuer oder Wasser, Welle und See und Sumpf kehren sollte.« So schritt er muthig weiter, mit dem Sturme kämpfend, wobei sein angeborener Scharfblick, den Mangel der gewöhnlichen Kennzeichen, nach denen Reisende ihren Weg richten (denn Fels, Berg und Vorgebirge waren in Nebel und Dunkelheit gehüllt), vertreten mußte, ein Scharfblick, mit dem seine lange Bekanntschaft mit diesen wilden Gegenden ihn selbst den kleinsten Gegenstand in's Auge fassen gelehrt hatte, der ihm unter solchen Umständen zur Richtschnur dienen konnte.«

Ungeachtet Mordaunts Erfahrung und Entschlossenheit war aber seine Lage dennoch sehr bedenklich, ja sogar mißlich; nicht weil seine Matrosenjacke und Beinkleider, der gewöhnliche Anzug junger Leute auf diesen Inseln, wenn sie auf Reisen sind, ganz durchnäßt waren – denn das hatte bei diesem nassen Klima in derselben kurzen Zeit, an jedem gewöhnlichen Tage geschehen können – sondern die eigentliche Gefahr bestand darin, daß er, trotz seiner äußersten Anstrengung, nur sehr langsam vorwärts kommen konnte, da er durch ausgetretene Bäche und doppelt tiefe Moräste gehen und häufig einen bedeutenden Umweg machen mußte. Seiner Jugend und Stärke ungeachtet oft gehemmt, war daher Mordaunt, nachdem er einen hartnäckigen Kampf mit Wind, Regen und den Beschwerlichkeiten einer verlängerten Reise ausgehalten hatte, sehr glücklich, als er, nur ein Mal vom rechten Wege abgekommen, endlich das Haus von Stourbourgh oder Harfra vor sich sah, mit welchem Namen man, ohne Unterschied, den Aufenthalt des Herrn Triptolemus Yellowley bezeichnete, welcher der erwählte Abgeordnete des Kämmerlings von Orkney und Shetland war, eines sehr berechnenden Mannes, der durch den Triptolemus in das ultima Thule der Römer einen Geist der Vervollkommnung bringen wollte, wie er sich in dieser frühen Zeit kaum in Schottland selbst zu äußern anfing.

Endlich und mit vieler Mühe erreichte Mordaunt das Haus dieses würdigen Landwirthes – den einzigen Zufluchtsort vor dem wüthenden Sturme, den er auf mehrere Meilen zu finden erwarten konnte – war aber nicht wenig erstaunt, als er, mit dem vollsten Vertrauen auf unmittelbaren Einlaß gerade auf die Thür zugehend, diese nicht allein eingeklinkt (was das Wetter entschuldigen konnte) sondern sogar verriegelt fand, eine Sache, die, wie Magnus Troil schon erwähnt hatte, auf den Inseln beinahe unbekannt war. Anzuklopfen, zu rufen, und endlich mit dem Stocke gegen die Thür zu schlagen und mit Steinen zu werfen, waren die natürlichen Hülfsmittel des Jünglings, der sowohl durch den Ungestüm des Wetters, als durch die unerwarteten und ungewöhnlichen Hindernisse seiner Aufnahme in das Haus, ungeduldig geworden war. Da er indeß seiner Ungeduld mehrere Minuten lang durch Lärm und Schreien Luft machen mußte, ohne irgend eine Antwort zu erhalten, wollen wir diese Zeit dazu benutzen, den Leser zu unterrichten, wer Triptolemus Yellowley war, und wie er zu einem so sonderbaren Namen kam.

Der alte Jasper Yellowley, der Vater des Triptolemus (obgleich am Fuße des Roseberry-Gipfels geboren), war von einem gewissen schottischen Grafen verleitet worden (da der Ort für den listigen Yorkshire-Bewohner selbst zu weit nördlich lag), einen Pacht in den Mearns zu übernehmen, wo er es, wie beinahe kaum erwähnt zu werden braucht, sehr verschieden von dem fand, wie er es erwartet hatte. Vergebens machte sich der rüstige Pächter an die Arbeit, um durch seine Kenntnisse des Ackerbaues dem kalten Boden und dem feuchten Klima die Spitze zu bieten. Wahrscheinlich würde ihm dieß dennoch gelungen sein, aber seine Nähe an dem Grampischen Gebirge setzte ihn unaufhörlich den Einfällen der Leute mit dem Plaid aus, welche in dessen Bereiche wohnten, und so wurde Jasper Yellowley, während der junge Norval ein Krieger und ein Held wurde, bald zum armen Manne. Dieß Unglück wurde dadurch etwas gemildert, daß seine rothen Wangen und sein starker Körperbau einen tiefen Eindruck auf Miß Barbara Clinkscale, die Tochter des verstorbenen und Schwester des jetzt lebenden Mannes dieses Namens, machten.

Diese Verbindung wurde in der Nachbarschaft für höchst abscheulich und unnatürlich gehalten, da das Haus Clinkscale einen eben so großen Antheil von schottischem Stolze, als von schottischer Sparsamkeit erhalten hatte. Allein Miß Babie hatte ein schönes Vermögen von zwei Tausend Mark, über das sie schalten und walten konnte, war ein entschlossenes Frauenzimmer, seit wenigstens zwanzig Jahren major und sui juris (so versicherte wenigstens der Notar, welcher den Contract aufsetzte), und bot daher allen Folgerungen und Nachreden Trotz, und heirathete den wackern Freisassen aus Yorkshire. Ihr Bruder und ihre reicheren Verwandten entfernten sich unwillig von ihr und sagten sich beinahe gänzlich von ihrer entehrten Verwandtin los. Doch das Haus Clinkscale war (wie jede andere schottische Familie zu jener Zeit), mit einer Menge anderer Leute verwandt, welche nicht so eigen waren, – Vettern im zehnten und sechzehnten Grade, welche nicht nur ihre Verwandte Babie nach ihrer Heirath mit Yellowley eben so wie vorher anerkannten, sondern sich auch herabließen, mit ihrem Manne Bohnen und Speck zu essen, obgleich die Schotten diese Speise damals eben so verabscheuten, wie die Juden. Auch würden sie die Freundschaft mit ihm gern durch ein Darlehn an Gelde noch enger geknüpft haben, hätte nicht seine gute Ehehälfte, welche sich auf Fallen so gut verstand, wie irgend eine Frau in den Mearns, es abgeschlagen, sich auch so noch mit ihnen zu verbinden. Eben so verstand sie es sehr gut, den jungen Deelbelicket, den alten Dougald Varesword, den Laird von Bandybrawl und Andere, für die Gastfreundschaft, mit welcher sie dieselben dem Gebote der Klugheit zufolge, aufnehmen zu müssen glaubte, sehr wohl zu benutzen, indem sie sich ihrer bei ihren Unterhandlungen mit den schnellhändigen Leuten jenseits des Cairn bediente, welche, sobald sie fanden, daß die, welche sie sonst ungestraft geplündert, jetzt mit »wohlbekannten und in der Kirche und auf dem Markte begrüßten Leuten« verwandt seien, sich dazu verstanden, weitere Beraubungen gegen eine mäßige jährliche Abfindungssumme zu unterlassen.

Dieser auffallend glückliche Erfolg machte Jasper die Herrschaft erträglich, welche seine Frau sich jetzt über ihn anzumaßen begann und welche dadurch sehr befestigt wurde, daß sich fand, sie sei – guter Hoffnung. Bei dieser Gelegenheit hatte Frau Yellowley einen merkwürdigen Traum, wie es bei schwangeren Müttern vor der Geburt eines ausgezeichneten Sprößlings gewöhnlich der Fall ist. Sie träumte, daß sie glücklich von einem Pfluge entbunden würde, welcher von drei Joch Ochsen aus Angushire gezogen würde; und da sie gern über solche Anzeichen brütete, so setzte sie sich mit drei Gevatterinnen hin, um in Ueberlegung zu ziehen, was das Ding wohl bedeuten möchte. Der alte Jasper wagte, mit vielem Zögern seine Meinung dahin zu äußern, daß das Gesicht sich wohl mehr auf vergangene, als auf gegenwärtige Begebenheiten beziehe und daher entstanden sein möge, daß die Nerven seiner Frau dadurch ein wenig erschüttert worden wären, daß sie auf dem Viehwege, oberhalb des Hauses, seinem eigenen großen Pfluge mit den sechs Ochsen, der Freude seines Herzens, begegnet sei. Aber die guten Gevatterinnen erhoben gegen diese Auslegung ein solches Geschrei, daß Jasper die Finger in die Ohren stecken und aus dem Zimmer laufen mußte.

»Da hör' ihn 'mal Einer an,« sagte eine Alte aus Nord-Schottland, »da hör' ihn 'mal Einer an, mit seinen Ochsen, die seine Götzen sind, wie das Kalb von Bethel! Nein, nein – 's ist kein Pflug des Fleisches, hinter dem der Knabe (denn ein Knabe wird's) hergehen wird; 's ist der geistige Pflug, – und ich hoffe noch, daß er ihn auf der Kanzel führen wird, oder wenigstens am Abhange eines Hügels.«

»Ihr seid des Teufels mit Euren Freiheitsgedanken,« sagte die alte Frau Glenprosing; »wollt Ihr, daß er sich um seinen Kopf predigen soll, wie Euer Mann Gottes, James Guthrie, daß Ihr solchen Lärm davon macht? – Nein, nein, er soll einen sichern Pfad wandeln und ein ordentlicher Pfarrer werden; und wenn er nun gar noch ein Bischof würde, wie dann?«

Der Handschuh, welchen hiermit die eine Sybille hinwarf, wurde von einer andern sogleich aufgenommen und der Streit von Augenblick zu Augenblick heftiger (wobei das umhergehende Zimmtwasser wie Oel auf die Flamme wirkte), als Jasper mit der Pflugreute herein kam, und seine Gegenwart, so wie der Gedanke, sich vor dem fremden Mann so zu betragen, den Streitenden für einige Zeit Stillschweigen auferlegte.

Ich weiß nicht, ob es die Ungeduld war, ein Wesen, welches zu einem hohen und geheimnißvollen Berufe bestimmt zu sein schien, an das Licht der Welt zu bringen, oder ob die arme Dame Yellowley über das Getöse erschrocken war, das in ihrer Gegenwart entstand, genug, sie wurde plötzlich unwohl, und bald hieß es, ganz gegen die Formel, die man in solchen Fällen gewöhnlich hört und braucht: »daß sie bei weitem schlechter sei, als sich den Umständen nach erwarten ließe.« Sie ergriff diese Gelegenheit (da sie noch ihr Bewußtsein hatte), um von ihrem theilnehmenden Gatten zwei Versprechen zu erhalten, erstens: daß er dem Kinde, dessen Geburt ihm so theuer zu stehen kommen würde, einen Namen beilegen möge, der sich auf den von ihr gehabten Traum bezöge, und zweitens: daß er ihn für das geistliche Leben erziehen wolle. Der kluge Yorkshireman, welcher meinte daß sie unter diesen Umständen allerdings ein Recht habe, Vorschriften zu machen, willigte in Alles. Wirklich kam ein Knabe zur Welt; aber die Mutter war mehrere Tage lang zu schwach, sich zu erkundigen, in wiefern man ihrem Verlangen Genüge geleistet habe. Als sie sich einigermaßen wieder erholt hatte, sagte man ihr, daß das Kind, welches man unverzüglich zu taufen für gut befunden hatte, den Namen Triptolemus erhalten, da der Pfarrer, ein Mann von einiger Belesenheit in den Classikern, der Meinung gewesen sei, daß dieser Name eine wohlgewählte und klassische Anspielung auf den geträumten Pflug mit dem dreifachen Joche Ochsen enthalte. Mrs. Yellowley war mit der Art, wie man ihr Verlangen erfüllt, nicht so ganz zufrieden; da aber Brummen hier eben so wenig mehr half, als in dem berühmten Falle von Tristram Shandy, so ließ sie sich den heidnischen Namen gefallen und suchte den Wirkungen, welche er auf den Geschmack und die Ansichten des Benannten hervorbringen konnte, dadurch vorzubeugen, daß sie ihm eine Erziehung zu geben bemüht war, welche ihn über alle Gedanken an Säcke, Pflugeisen, Pflugsterze, Strichbretter oder andere, mit der sklavischen Plackerei des Pfluges in Verbindung stehende Dinge, weit emporheben sollte.

Jasper, der weise Yorkshireman, lachte aber schlau in's Fäustchen und meinte, daß der kleine Trip doch noch ein Apfel vom Stamme werden und eher nach dem wackern Yorkshireschen Freisassen arten, als etwas von dem zwar edeln aber scharfen Blute des Hauses Clinkscale in sich haben würde. Er bemerkte mit heimlicher Freude, daß die Melodie, welche das beste Wiegenlied war, die zu dem Liede: »der Landmann hat viel Freude« sei, und daß die ersten Worte, die das Kind lallen konnte, die Namen der Ochsen waren; noch mehr, daß der Knabe eigen gebrautes Ale dem Schottischen Zweipfennigs-Bier vorzog, und nie den Krug so ungern losließ, als wenn, durch einen von Jasper angewendeten Kunstgriff, doppelt so viel Malz bei dem Brauen gebraucht worden war, als es die sparsame Hausfrau sonst zugab. Außerdem bemerkte der Vater, daß Trip, wenn kein anderes Mittel, sein Geschrei zum Schweigen zu bringen, mehr anschlagen wollte, dadurch verstummte, daß man ihm einen Zaum vor dem Ohre klingeln ließ. Nach allen diesen Kennzeichen schwur er, im Geheim, jedes Mal hoch und theuer: der Knabe würde ein ächter Yorkshireman werden und Mutter und Mutters Sippschaft gewiß wenig Antheil an ihm haben.

Ein Jahr nach der Geburt des Triptolemus brachte Mrs. Yellowley eine Tochter zur Welt, welche nach ihrem Namen Barbara genannt wurde, und an der schon in frühester Kindheit die spitzige Nase und die dünnen Lippen zu erkennen waren, wodurch die Familie der Clinkscale sich unter den Bewohnern des Mearns auszeichnete; und als sie größer wurde, bemerkten aufmerksame Beobachter bald, daß die Begierde, mit der sie nach Allem griff, und die Hartnäckigkeit, mit der sie die Spielsachen des Triptolemus festhielt – neben der Neigung bei der geringsten oder vielleicht bei gar keiner Veranlassung zu beißen, zu kneifen oder zu kratzen – ganz deutlich darauf hindeuteten, daß Miß Baby einst »die zweite Mutter« werden würde. Boshafte Leute meinten sogar, daß die Schärfe des Blutes der Clinkscale's in diesem Falle durch die Mischung mit dem alt-englischen durchaus nicht versüßt worden sei; daß der junge Deelbelicket viel im Hause, und daß es ganz eigen sei, daß Mrs. Yellowley, welche sonst nicht leicht etwas umsonst gebe, so ungewöhnlich achtsam sei, den Teller und den Becher eines faulen Taugenichts zu füllen. Sobald aber die Leute nur einmal die strengen und ehrwürdig tugendhaften Gesichtszüge der Mrs. Yellowley näher betrachtet hatten, hegten sie gegen die Anständigkeit ihrer Ausführung und Deelbelicket's Zurückhaltung keinen Verdacht mehr.

Der junge Triptolemus hatte unterdessen von dem Pfarrer den Unterricht erhalten, welchen ihm derselbe zu geben vermochte, und wurde zu gehöriger Zeit nach Saint-Andrew's geschickt, seine Studien zu vollenden. Er ging dahin, aber nicht ohne wehmüthige Erinnerungen an seines Vaters Pflug, seines Vaters Eierkuchen und seines Vaters Ale, für welches das Dünnbier des »College,« dort gewöhnlich »Schnell-durch« genannt, nur einen schwachen Ersatz gewährte.

Indessen machte er Fortschritte in seinen Kenntnissen, wobei man aber zu bemerken glaubte, daß er eine besondere Vorliebe für diejenigen alten Schriftsteller hege, welche die Bearbeitung des Bodens zu einem Hauptgegenstande ihrer Untersuchungen gemacht hatten. Er mochte die Bucolica des Virgil leiden, die Georgica wußte er auswendig – aber die Aeneide konnte er nicht ausstehen, und schalt besonders immer über die berühmte Zeile, welche einen Angriff der Reiterei malt, weil er, nach seiner Auslegung des Wortes putrem Quadrupedumque putrem sonitu quatit ungula campum. , annahm, daß die Reiterei, in ihrer unbesonnenen Hitze, über ein frisch gedüngtes, gepflügtes Feld hinweggalopirt sei. Cato, der römische Censor, war sein Liebling unter den Helden und Philosophen des Alterthumes, aber nicht wegen der Strenge seiner Sitten, sondern wegen seiner Abhandlung de re rustica. So hatte er auch immer die Worte Cicero's im Munde: jam neminem antepones Catoni. Er hielt Etwas von Palladius und Terentius Varro, aber Columella kam nie aus seiner Tasche. Neben diesen Alten verehrte er auch die Neueren, Tusser, Hartlieb, und andere Schriftsteller über den Landbau – die Arbeiten des Schäfers von der Salisbury-Ebene nicht zu vergessen, so wie die der besser unterrichteten Philomathen, welche, statt ihre Kalender mit eitelen Voraussagungen politischer Ereignisse anzufüllen, die Aufmerksamkeit der Leser auf die Art der Bearbeitung des Bodens hinlenkten, von welcher eine gute Ernte erwartet werden kann, und die, unbesorgt um das Aufblühen und den Fall der Staaten, sich damit begnügten, die beste Zeit zum Säen und Ernten anzugeben, mit einem ungefähren Schluß auf das Wetter, das in jedem Monat zu erwarten sein dürfte: wie z. B., daß wenn es dem Himmel gefällt, wir im Januar Schnee haben werden, und daß der Verfasser seinen Ruf verpfänden will, daß es im Juli, im Ganzen, Sonnenschein geben wird.

Obgleich der Rector von St. Leonhard im Ganzen mit dem ruhigen, arbeitsamen und fleißigen Wesen des Triptolemus Yellowley sehr zufrieden war und ihn, in so fern, des viersylbigen Namens mit der lateinischen Endung wohl für würdig hielt, gefiel ihm doch seine ausschließliche Aufmerksamkeit auf seine Lieblingsschriftsteller durchaus nicht. Es schmeckte, sagte er, nach der Erde, wenn nicht nach etwas noch Aergerem, wenn des Menschen Geist immer im Boden, gedüngt oder ungedüngt, wühle, und er wies ihn deshalb, wiewohl vergebens, auf Geschichte, Dichtkunst und Gottesgelahrheit, als weit erhabenere Gegenstände der Beschäftigung. – Triptolemus Yellowley beharrte indessen eigensinnig bei seiner einmal genommenen Richtung, und die Schlacht von Pharsalia war ihm nicht deßwegen merkwürdig, weil sie über die Freiheit der Welt entschieden hatte, sondern weil ihm die reiche Ernte vorschwebte, welche die emathischen Gefilde im nächsten Jahre gegeben haben mußten. Nie konnte man ihn dahin bringen, von vaterländischer Dichtkunst auch nur eine einzige Zeile zu lesen, ausgenommen den alten Tusser, dessen »hundert Regeln« und »gute Landwirthschaft« er auswendig wußte, so wie Piers, des Pflügners, Vision, die er, durch den Titel angezogen, begierig von einem Hausirer kaufte, die er aber, nachdem er die ersten zwei Seiten gelesen hatte, als eine unverschämte und einen ganz unpassenden Namen führende Schmähschrift in das Feuer warf. Was die Gottesgelahrtheit betraf, so offenbarte er seine ganze Ansicht darüber, indem er seinen Lehrern sagte: daß die Erde zu bearbeiten und sein Brod im Schweiße seines Angesichts zu verdienen, einmal das dem gefallenen Menschen zu Theil gewordene Loos sei, und daß er sich seines Theils dahin entschieden habe, diesen zum Dasein so augenscheinlich nothwendigen Beruf zu erfüllen, und es Anderen überlasse, über den verborgeneren Geheimnissen der Theologie so viel zu brüten, als sie wollten.

Bei einem auf die Geschäfte des Landlebens so sehr beschränkten Geiste konnten wohl die Fortschritte des Triptolemus in der Gelehrsamkeit oder der Gebrauch, den er von seinen Kenntnissen machen zu wollen schien, den ehrgeizigen Hoffnungen seiner Mutter nicht sehr schmeicheln. Es ist wahr, daß er keinen Widerwillen äußerte, ein Geistlicher zu werden, ein Beruf, welcher sich mit der angewöhnten persönlichen Trägheit, die sich zuweilen zu einer Neigung zur Speculation gesellt, ganz wohl vertrug. Er nahm sich, um frei heraus zu reden, vor (und ich wünschte, er hätte nur das gethan), sechs Tage in der Woche das Feld zu bauen, am siebenten mit gehöriger Regelmäßigkeit zu predigen, und dann mit irgend einem fetten Voigt oder Laird zu Mittag zu essen, mit dem er nach Tische eine Pfeife rauchen, einen Krug Bier trinken, und sich dann ganz insgeheim über das unerschöpfliche Thema:

» Quid faciat laetas segetes

verbreiten könnte. Zur Ausführung dieses Planes gehörte, abgerechnet, daß er, was man damals die Wurzel der Sache nannte, eine Pfarre haben mußte, und um diese zu erhalten, war es nöthig, daß sich der Bewerber in die Lehren der bischöflichen Kirche und andere Entsetzlichkeiten der Zeit fügte. Ob nicht Pfarre und Feld, Besoldung, Naturalien und Geld – der Hinneigung der guten Frau zum Presbyterianismus die Wage gehalten haben würden, ist die Frage; es war indessen bestimmt, daß ihr Eifer nicht auf eine so harte Probe gestellt werden sollte. Sie starb, ehe ihr Sohn seine Studien vollendet hatte; ein Verlust, der ihren Gatten so tief betrübte, als man es erwarten konnte. Der erste Schritt, welchen der alte Jasper nach erlangter ungetheilter Herrschaft that, war, seinen Sohn von St. Andrews zurückzurufen, damit er ihm bei seinen häuslichen Geschäften zur Hand gehe. Jetzt hätte man also glauben sollen, daß unser Triptolemus, welcher nun ausüben sollte, was er in der Theorie so emsig studirt hatte, sich (um ein Gleichniß zu brauchen, das er gewiß für sehr treffend gehalten hätte) wie ein Füllen auf der Weide befinden würde. Doch, was sind die Gedanken der Menschen; was ihre trügerischen Hoffnungen!

Ein lachender Philosoph, der Demokrit unserer Zeit, verglich einst das menschliche Leben mit einer Tafel mit einer Menge von Löchern, wo für jedes ein Stift vorhanden sei, der genau darein passe. Diese Stifte würden indeß sehr schnell und ohne Auswahl eingesteckt, und so verursachte dann der Zufall oft die allerseltsamsten Mißgriffe. »Denn,« schließt der Redner mit großer Erhabenheit, »wie oft sehen wir nicht, daß der runde Mensch in einem dreieckigen Loche steckt?« Diese neue Erklärung der Launen des Zufalls erregte bei jedem Anwesenden ein krampfhaftes Gelächter, einen fetten Aldermann ausgenommen, der die Sache zu seiner eigenen zu machen schien und versicherte, mit so Etwas sei gar nicht zu spaßen. Um aber dieß ganz vortreffliche Gleichniß weiter durchzuführen, muß ich sagen, daß es mir klar ist, Triptolemus sei aus dem Sacke mit Stiften wenigstens um ein Jahrhundert zu früh ausgeschüttet worden. Wäre er zu unserer Zeit auf die Weltbühne gekommen, d. h. hätte er während der letzten dreißig oder vierzig Jahre geblüht, so würde er offenbar die Stelle des Vicepräsidenten irgend einer bedeutenden Ackerbau-Gesellschaft bekleidet und die sämmtlichen Geschäfte derselben unter dem Schutze eines Herzogs oder Lords geführt haben, der vielleicht kaum den Unterschied zwischen einem Karren und Pferde und einem Karren-Pferde kennt. Eine solche Stelle hätte ihm nicht entgehen können, denn er verstand sehr viel von allen solchen Einzelnheiten, welche, obgleich in der wirklichen Ausübung von gar keiner Bedeutung, doch in jeder Kunst, und vorzüglich bei dem Ackerbau, den Charakter eines Kenners verleihen. Aber ach! Triptolemus Yellowley war, wie wir schon vorher bemerkt haben, wenigstens um ein Jahrhundert zu früh auf die Welt gekommen. Statt in einem Lehnstuhle, den Hammer in der Hand und ein volles Glas Portwein vor sich, da zu sitzen und die Gesundheit auszubringen: »Der Viehzucht in allen ihren Zweigen!« wurde er von seinem Vater an den Pflug gestellt und mußte die Ochsen führen, über deren Schönheit er sich in unseren Tagen weitläufig würde ausgelassen haben, und deren Rücken er, statt mit der Peitsche, mit – dem Vorlegmesser bearbeitet hätte. Der alte Jasper beklagte sich bitterlich darüber, daß, obgleich Niemand so gut von Gemeindestücken und Theilungen, Waizen und Raps, von Brache und Koppel zu sprechen wisse, als sein gelehrter Sohn (den er immer Tolimus nannte), unter seinen Händen doch Nichts gedeihe. Noch ärger aber wurde es, als Jasper, alt und gebrechlich, die Zügel der Regierung nach einigen Jahren dem akademischen Jünger allmählig überlassen mußte. Als ob die Natur einen Groll gegen ihn hegte, hatte er eine der schlechtesten, undankbarsten Pachtungen in den Mearns bekommen, kurz, ein Fleck, der Alles hervorzubringen schien, nur nichts von dem, was der Landmann brauchen kann. Denn da waren eine Menge Disteln, welche dürres Land verkünden; – Farnkraut, welches tiefgehendes Land verrathen soll; – Nesseln, welche zeigen, wo Kalk angewendet wurde; – und tiefe Furchen an den unpassendsten Stellen, was verrieth, daß das Land früher, wie die Volksüberlieferung sagte, von den Peghs bebaut worden war. Auch Steine gab es genug, um, nach dem Glauben gewisser Pächter, den Boden warm zu halten; und eine große Menge von Quellen, um ihn, nach der Theorie Anderer, abzukühlen. Vergebens trachtete der arme Triptolemus, bald nach dieser, bald nach jener Vorschrift handelnd, sich diese Eigenthümlichkeiten des Bodens zu Nutze zu machen. Keine Art von Butter konnte je auf sein eigenes Brod geschmiert werden, so wenig wie auf das des armen Tusser, dessen »hundert Regeln« und »gute Landwirthschaft«, so nützlich sie auch in seinen Tagen Andern sein mochten, doch ihm selbst nie eben so viele Pfennige einbrachten. In der That, etwa hundert Morgen eingehegtes Land – auf das der alte Jasper seine Anstrengungen schon früh beschränkt hatte – ausgenommen, war nicht ein Winkel der ganzen Pachtung zu etwas Anderem nutz, als Ackerbaugeräthe darauf zu zerbrechen oder Vieh zu tödten. Das, was der Theil, der wirklich noch mit Vortheil bebaut werden konnte, einbrachte, ging für die Kosten der Unterhaltung der Pachtung und zu Versuchen auf, zu denen Triptolemus eine große Neigung hatte.

In unsern Tagen würde es unter solchen Umständen mit Triptolemus bald ein Ende gehabt haben. Er hätte einen Bank-Credit bekommen, Wechsel in's Gelag ausgestellt, sehr hoch gelebt, und bald hätte er seine Ernte und seinen Viehstand von dem Sheriff mit Beschlag belegt gesehen; aber damals konnte sich ein Mann nicht so leicht zu Grunde richten. Sämmtliche schottische Pächter standen, hinsichtlich der Armuth, so ziemlich auf einer und derselben Linie, so daß es schwer war, sich bedeutend zu erheben, um sich nachher mit einigem Aufsehen den Hals brechen zu können. Sie waren so ziemlich in der Lage von Leuten, welche, ohne allen Credit, vielleicht große Noth leiden, aber nie bankerott werden können. Ueberdieß hielt den Kosten, welche das Mißlingen der Pläne des Triptolemus verursachte, doch noch Etwas die Wage; das waren die Ersparnisse durch die außerordentliche Haushaltung seiner Schwester Barbara, deren Anstrengungen in der That wunderbar waren. Sie würde, wenn es möglich gewesen wäre, den Gedanken des gelehrten Philosophen verwirklicht haben, welcher die Meinung aufstellte: Der Schlaf sei nur eine Idee und Essen nur eine Gewohnheit, – und von welchem man glaubte, daß er beiden entsagt habe, bis man unglücklicherweise entdeckte, daß er ein Verständniß mit dem Küchenmädchen unterhalte, das ihn für seine Entbehrungen dadurch entschädigte, daß es ihn heimlich in die Speisekammer ließ und das eigene Lager mit ihm theilte. Ein solcher Betrug war indeß fern von Barbara Yellowley. Sie war früh auf, ging spät schlafen, und schien nach der Behauptung ihrer überwachten und mit Arbeit belasteten Mägde so wachsam zu sein, wie die Katze. Was das Essen betraf, so schien die Luft für sie ein Gastmahl zu sein, und sie hätte es gern gesehen, wenn ihre Leute derselben Meinung gewesen wären. Ihr Bruder, der, neben seiner angeborenen Trägheit, auch etwas schwelgerisch im Essen war, hätte gern dann und wann einen Mundvoll Fleischspeise genossen, wäre es auch nur darum gewesen, zu sehen, wie seine Schafe gefüttert wurden; aber Mrs. Barbara hätte bei dem Ansinnen, ein Kind zu schlachten, nicht mehr erschrecken können, und da Triptolemus von sehr nachgiebigem und leicht zu leitendem Gemüthe war, gewöhnte er sich bald daran, in einer immerwährenden Fastenzeit zu leben, nur zu glücklich, zu seinem Haferkuchen ein Stückchen Butter zu erhalten, oder der täglichen Nothwendigkeit zu entgehen, da die Wohnung an den Ufern des Esk lag, unter den sieben Tagen der Woche immer sechs Lachse essen zu müssen.

Aber obgleich Mrs. Barbara alle Ersparnisse, welche ihre gewaltige Sparsamkeit zurücklegen konnte, zu der Wirthschaftsmasse schlug, und der Brautschatz ihrer Mutter allmählig in Fällen der äußersten Noth aufgegangen war, so näherte sich doch endlich der Augenblick, wo es unmöglich schien, daß der Kampf gegen die ungünstigen Gestirne des Triptolemus (wie er selbst immer die natürliche Folge seiner albernen Speculationen nannte) sich länger fortsetzen lassen könne. Glücklicherweise stieg in diesen bösen Augenblicken ein Gott zu ihrer Hülfe vom Himmel herab, oder, um ohne Metapher zu reden, der edle Lord, welchem die Pachtung eigenthümlich gehörte, kam in seinem Wagen mit sechs Pferden und Läufern, im vollen Glanze des siebzehnten Jahrhunderts, auf seinem Landsitze an.

Diese Standesperson war der Sohn des Edelmannes, welcher den alten Jasper aus Yorkshire in das Land gezogen hatte, und, wie sein Vater, ein Mann voller Pläne und Entwürfe. Er hatte indeß im Wechsel der Zeit für sich selbst am besten gesorgt, indem er auf eine gewisse Reihe von Jahren die Verwaltung der entfernten Orkney- und Shetland-Inseln, gegen Entrichtung eines gewissen Pachtes, zu erhalten gewußt hatte, mit der Befugniß, unter dem Titel eines Lord-Kämmerlings, das Eigenthum und die Einkünfte der Krone so zu verwalten, wie es dem Vortheil derselben am zuträglichsten wäre. Seine Herrlichkeit hatte nun die Ansicht, welche an und für sich ganz richtig war, daß es, um diese Verleihung wirklich zu etwas Ersprießlichem zu machen, ein großer Schritt sein würde, den Anbau der Kronländereien auf den Orkney-Inseln und auf Shetland zu verbessern, und da er mit unserem Freunde Triptolemus einigermaßen bekannt war, fiel es ihm ein, daß dieser wohl der Mann wäre, seinen Plänen größeren Nachdruck zu geben. Er ließ ihn also nach dem großen Herrenhause holen, und war mit der Art, wie unser Freund jeden Gegenstand besprach, so zufrieden, daß er keine Zeit verlor, sich eines so wichtigen Beistandes zu versichern.

Die Bedingungen wurden sehr zur Zufriedenheit des Triptolemus gestellt, der durch die Erfahrung einer langen Reihe von Jahren einen dunklen Begriff bekommen hatte, daß es, ohne seine eigene Geschicklichkeit herabsetzen oder nur einen Augenblick in Zweifel ziehen zu wollen, am Ende doch besser sein dürfte, wenn die Mühe und Gefahr lediglich auf Kosten des Unternehmers gingen. Die Aussichten auf den zu erwartenden Vortheil, welche er seinem Gönner eröffnete, waren in der That so lachend, daß der Lord-Kämmerling gar nicht mehr daran dachte, seine Unterbeamten an dem erwarteten Nutzen Theil nehmen zu lassen, sondern sich diesen, nach Abzug eines guten Gehaltes für seinen Verwalter Yellowley, selbst zueignen wollte. Außerdem bewilligte er dem Verwalter ein Haus nebst einem eigenen dazu gehörigen Grundstücke zum Unterhalt seiner Familie. Freude bemeisterte sich des Herzens der Mrs. Barbara, als sie von dem glücklichen Abschlusse eines Geschäftes hörte, das eben so schlecht für sie auszufallen drohte, als die bisherige Pachtung von Cauldshouthers. »Wenn wir,« sagte sie, »jetzt nicht unser eigenes Haus erhalten können, da Alles hinein- und Nichts herausgeht, so sind wir wahrlich schlechter, als die Ungläubigen.«

Triptolemus war nun eine Zeitlang sehr geschäftig, blies und keuchte, aß und trank in jedem Wirthshause, während er die nöthigen Ackerbauwerkzeuge bestellte und zusammenbrachte, welche er bei den Bewohnern der Insel einführen wollte, deren Geschick mit dieser furchtbaren Veränderung bedroht war. Diese Geräthschaften würden sonderbar aussehen, legte man sie irgend einer neueren Ackerbau-Gesellschaft vor; aber Alles ist relativ, und die schwere Karrenladung von Geräthschaften, der alte schottische Pflug genannt, würde einem schottischen Pächter dieser Zeit nicht minder sonderbar vorgekommen sein, als Helm und Harnisch eines Soldaten unter Cortez den Regimentern unsrer Armee. Dennoch eroberte der Erstere Mexiko und der Letztere würde für den Ackerbau in Thule keine unwesentliche Verbesserung gewesen sein.

Wir haben nie erfahren können, weßhalb Triptolemus den Aufenthalt in Shetland dem auf den Orkney-Inseln vorzog. Vielleicht hielt er die Bewohner dieses Archipels für einfältiger und lenksamer; oder vielleicht fand er auch das Haus und die Pachtung, – die in der That ganz leidlich war – der vorzuziehen, die er in Pomona hätte wählen können. In Harfra oder Stourbourgh, wie man es zuweilen nach den Ueberbleibseln einer Picter-Festung nannte, welche beinahe dicht bei dem Wohnhause lagen, ließ sich der Factor selbst, in der Fülle seiner Machtvollkommenheit, nieder, entschlossen, seinem Namen dadurch Ehre zu machen, daß er die Shetländer durch Vorschrift und Beispiel civilisire und ihre sehr beschränkten Kenntnisse von den ersten Künsten des menschlichen Lebens ausbilde.


 


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