Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Einundzwanzigstes Kapitel.

Auf einen Wink Haidar Alis stieg Tippu vom Throne herab, den nun der Vater einnahm, der an Stelle des zerrissenen Kaftans einen purpurnen Mantel und den königlichen Schmuck anlegte.

Rings in der Versammlung und in der Menge wurde der Zuruf laut:

»Heil dem Guten, dem Weisen, dem Entdecker verborgener Dinge, der unter die Seinen tritt, wie die Sonne durch die Wolken bricht.«

Der Nawwab gebot zuletzt Schweigen, dann schaute er majestätisch um sich und sah auf Tippu, der mit zu Boden gesenktem Blick und gekreuzten Armen, wie eines Urteils harrend, vor ihm stand. Seine Haltung bot jetzt einen starken Gegensatz zu dem stolzen Herrscherwesen, daß er eben noch zur Schau getragen hatte.

»Du hast die Sicherheit,« sagte der Nawwab zu ihm, »die Sicherheit deiner Hauptstadt verkauft um den Besitz einer weißen Sklavin, allein auch Salomo hat die Schönheit eines Weibes zum Straucheln gebracht. Wie hätte der Sohn Haidar Alis der Versuchung widerstehen können? – Damit aber die Menschen hell sehen, müssen wir das Licht entfernen, das ihnen die Augen blendet. – Das Feringi-Weib muß mir überlassen werden.«

»Hören ist gehorchen«, antwortete Tippu.

»Übergebt es dort dem Feringi Hartley, der es zurückbringen mag in sein Land. Das Geleit, das ich ihnen mitgebe, bürgt mit den Köpfen für ihre Sicherheit. – Was dich betrifft, Tippu, so bin ich nicht gekommen, vor dieser hohen Versammlung dir das Wort zu nehmen. Was du dem Feringi versprochen hast, sollst du erfüllen. Die Sonne nimmt den Glanz nicht zurück, den sie dem Mond gegeben, der Vater verdunkelt nicht die Würde, die er dem Sohne übertragen. Was du verheißen hast, vollbringe!«

Die Feierlichkeit der Amtserteilung nahm ihren Fortgang. Middlemas unterzog sich ihr mit klopfendem Herzen und hegte noch die geheime Hoffnung, daß er den Vater wie den Sohn hintergehen könnte.

Die Höflinge brachten dem neuernannten Killedar ihre Glückwünsche dar, und priesen die kluge Wahl Tippu Sahibs.

Nun kam das bei solchen Gelegenheiten in Indien übliche Geschenk, ein Elefant, den der neue Kommandant besteigen sollte.

Das gigantische Tier stand vor dem Pavillon, schüttelte den riesigen, runzligen Kopf und hob und senkte ungeduldig den gewaltigen Rüssel.

Richard Middlemas, sehr zufrieden mit der Audienz, war im Begriff, den Elefanten zu besteigen und wartete, am Halses des Tieres stehend, daß der Führer es niederknien ließe, als Haidar Ali die Hand hob.

»Halt, Feringi,« sagte er, »dir ist alles geworden, was die Güte Tippus dir verheißen. Empfange nun auch den wohlverdienten Lohn Haidars.«

Mit diesen Worten winkte er mit dem Finger, und der Führer des Elephanten ließ dem so gegebenen Befehle sogleich die Tat folgen.

Das Ungetüm schlang den mächtigen Rüssel um den Hals des unglücklichen Europäers, hob ihn empor, schleuderte ihn zu Boden, stampfte ihm den großen unförmigen Fuß auf die Brust und machte so mit eins seinem Leben und seinen Freveltaten ein Ende.

Der Schrei, den das Opfer ausstieß, fand ein Echo in dem Kreischen, das hinter dem Schleier der Begum hervordrang.


 << zurück weiter >>