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Hamishs Schlaf an diesem verhängnisvollen Abend war tiefer, als es der Natur gemäß ist, aber die Mutter fand keine Ruhe. Kaum schloß sie von Zeit zu Zeit einmal die Augen, so schreckte sie auch schon auf, von Furcht erfüllt, ihr Sohn möchte aufgewacht und weggegangen sein. Dann trat sie an sein Lager heran und lauschte den tiefen, regelmäßigen Atemzügen, bis sie sich wieder beruhigt hatte darüber, daß er noch immer fest schlafe.
Aber als der Morgen dämmerte, beschlich sie die Furcht, er möge aufwachen, trotz der ungewöhnlichen Stärke des Tranks, den sie ihm gereicht hatte. Daß er es versuchen würde, Dunbarton, sein Quartier, zu erreichen, wenn ihm noch irgend eine Hoffnung blieb, es pünktlich zur festgesetzten Zeit erreichen zu können, das wußte sie, und wenn er laufen sollte, bis er vor Müdigkeit zusammenbräche. Unter dem Eindruck dieser neuen Besorgnis suchte sie das Tageslicht fernzuhalten und verstopfte alle Spalten und Ritzen, durch welche die Strahlen der Frühsonne leichter als auf anderem Wege Zugang in ihre elende Behausung finden konnten. Und das alles tat sie, um ein geliebtes Wesen in Mangel und Elend festzuhalten, für das sie mit Freuden die ganze Welt hingegeben hätte, wenn sie ihr zur Verfügung stände.
Es war unnötige Angst gewesen. Schon stand die Sonne hoch am Himmel und der schnellste Hirsch von ganz Breadalbane hätte vor der Meute nicht schneller um sein Leben rennen können, als Hamish hätte rennen müssen, um zu der Zeit, da sein Urlaub ablief, noch bis Dunbarton zu kommen.
Sie hatte ihren Zweck erreicht. Die Rückkehr zum festgesetzten Termin war unmöglich, und für ebenso unmöglich hielt sie es, daß er es sich je einfallen lassen würde, auf die Gefahr einer schimpflichen Strafe hin zurückzukehren. Es war ihr langsam klar geworden, welches Schicksal seiner wartete, wenn er zum festgesetzten Tage ausbliebe, und welche geringe Hoffnung er sich auf gelinde Behandlung zu machen habe.
Der Gedanke des großen und klugen Grafen Chatham, die tapferen Hochländer zur Verteidigung der amerikanischen Kolonie für England aufzubieten, ist bekannt. Es traten aber mancherlei Hindernisse der Ausführung dieses vaterländischen Planes entgegen, die ihre Gründe in dem seltsamen Charakter dieses Bergvolkes haben. Natur und Gewohnheit bestimmten jeden Hochländer, Waffen zu tragen, entfremdeten ihn aber gleichzeitig jeder bei regulären Truppen unumgänglich notwendigen Disziplin. Sie bildeten eine Art Miliz, die kein Kriegslager außer ihrer Heimat kannten und gelten lassen mochten. Verloren sie eine Schlacht, so liefen sie auseinander, indem jeder auf seine persönliche Rettung und auf die Sicherung seiner Sippe bedacht war. Gewannen sie eine Schlacht, so kehrten sie in ihre Berge zurück, um dort die gemachte Beute aufzuhäufen, nach wie vor für ihr Vieh zu sorgen und ihre Äcker zu bestellen. Das Vorrecht, zu gehen und zu kommen, wie es ihnen beliebte, ließen sie sich von ihren Häuptlingen, denen sonst so große Macht zustand, niemals kürzen. Daß die in den Hochlanden neugeworbenen Rekruten eine militärische Kapitulation nicht begreifen konnten, die den, der sie abgeschlossen hatte, für die Zeit ihrer Dauer zum Dienst bei den Waffen zwang und nicht bloß so lange, wie es ihm gerade beliebte, war durchaus natürlich. Vielleicht wurde manchmal auch nichts getan, sie in entsprechender Weise über die Dauer der Kapitulation zu unterrichten, wenn eine solche abgeschlossen wurde, um sie durch solchen Bescheid nicht erst auf andere Gedanken zu bringen. Desertion war deshalb bei diesen neugeworbenen Regimentern keineswegs eine Seltenheit, und so hatte der greise Oberst, der in Dunbarton kommandierte, sich nicht anders Rat gewußt, als daß er an einem Soldaten, der aus einem englischen Korps desertierte, ein Exempel ungewöhnlicher Strenge statuierte.
Das junge Hochländer-Regiment war zu der Exekution kommandiert worden, um ein Volk, das so hoch auf persönliche Ehre hält, mit Schrecken und Abscheu zu erfüllen. Aber es übte auch noch eine andere Wirkung, indem es ihm alle Lust zum Kriegsdienste unter englischer Fahne benahm.
Der alte Oberst, von Jugend auf in deutschen Kriegen an strenge Disziplin gewöhnt, wich von seiner Ansicht nicht ab, sondern gab Befehl, den ersten Hochländer, der seine Fahne verließe oder nach Ablauf seines Urlaubs nicht pünktlich wieder einträfe, öffentlich auspeitschen zu lassen, gleichwie jenen ersten Deserteur, von dessen Züchtigung sie Zeugen gewesen waren. Daß der Oberst sein Wort auch halten werde, daran zweifelte niemand, und deshalb war Elspat auch überzeugt, daß ihr Sohn, wenn er die Bedingung rechtzeitigen Eintreffens vom Urlaub nicht erfüllen könne, auf die Rückkehr zum Regiment ganz verzichten werde.
Als es Mittag wurde, ohne daß sich in der Situation etwas änderte, stiegen in der Brust des einsamen Weibes neue Besorgnisse auf. Ihr Sohn schlief noch immer, wie betäubt von dem Tranke, den sie ihm gereicht hatte. Wenn der Trank zu stark gewesen wäre? Wenn er die Gesundheit oder den Verstand des Sohnes angegriffen hätte? Dann kamen ihr, trotz der hohen Meinung, die sie von ihrer mütterlichen Gewalt über ihr Kind hatte, noch schrecklichere Gedanken. Sie fragte sich, wie sie ihrem Hamish, den sie doch, wie ihr Herz ihr sagte, betrogen hatte, gegenübertreten solle, wenn er zum Bewußtsein zurückkäme? Schon längst hatte sie ja die Wahrnehmung gemacht, daß er ihr nicht mehr recht gehorchen wollte, daß er es liebte, seine Entschlüsse frei und unabhängig zu fassen und unerschrocken auszuführen. Hatte er das doch sattsam bewiesen gelegentlich seiner freiwilligen Stellung zu dem Regimente der Hochschotten! Es fiel ihr ein, welchen unbezähmbaren Starrsinn sein Vater besessen hatte, sobald er irgendwie merkte, daß Mißbrauch mit ihm getrieben werden solle oder gar getrieben worden war, und nun kam sie Furcht an, ihr Sohn möchte, wenn er der List inne würde, die sie gegen ihn gebraucht habe, unbändig werden, sie ganz im Stich lassen und in die weite Welt hinausflüchten.
Und diese Besorgnisse ängstigender Natur wichen nun nicht mehr von der unglücklichen Frau.