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Du stehst auf dem Zechenplatz: Da dreht sich pfeifend die Seilscheibe am Fördergerüst und entläßt den Förderkorb am armdicken Seil in den hunderte Meter tiefen Schacht. Seilfahrt! Du gehst weiter, siehst und hörst: Über die schräge Hängebank hinweg stolpern die eisernen Hunte der Grubenbahn, die knietschend unter dem Geknister der abrieselnden, zuviel geladenen Kohle in dem Gewirr der Schienen ihren Weg zur Lesebank rollen, wo die auf Bändern ausgekippte Ladung sortiert und von Steinen gesäubert wird. Mit Donnerkrachen stoßen zwei Wagen in einer Weiche aneinander. Dumpf und hohl tönen die Eisenplatten vor dem Förderkorb, wenn wieder ein Wagen anfährt, der in den Schacht soll. Dann setzt sich klirrend die Antriebskette aufs neue in Bewegung, die jeden Hunt fürsorglich mitnimmt.
Ein wüster Lärm herrscht am Zechenplatz; nichts für zarte Nerven! Reifen, Schreien, Rufen, Läuten, Fluchen, eine Kakophonie technischer Geräusche mit Menschenstimmen-Untermalung. Sinnverwirrend erscheint dir das Getöse, und dennoch ist es die akustische Auswirkung eines sinnvollen Prozesses.
Da hängt der Förderkorb in seinen Halteketten am Seil, zwei volle Hunte verlassen ihn selbsttätig an der einen Seite. Sie werden in den Umlauf dirigiert von Männern, die auf einer Brücke einen Hebel bewegen, als wären es Autolenker auf ihrem Führersitz. Im nächsten Augenblick, nachdem die vollen Wagen den in Etagen abgeteilten Korb verlassen haben, rollen zwei entleerte Kohlenkasten am Ende ihres Kreislaufes mit metallischem Klick-Klack an die leere Stelle im Korb. Der Anschläger – ein Mann auf einem wichtigen Posten – gibt ein Glockenzeichen, das ein Signal für den Fördermaschinisten ist; der Korb senkt sich bei dem jedesmaligen Zeichen so viel, daß in seine nächste Etage volle Wagen ab-, leere Wagen einrollen können. Das geht die drei bis vier Zwischenböden des Förderkorbes durch, immer in straffem Tempo. Dann wieder ein Glockensignal, und der Korb fällt in den Schacht. Seine Tiefenfahrt bringt die vollen Hunte hoch, die in der Zwischenzeit unten im Schacht am Füllort in den Gegenkorb geladen wurden. So arbeitet der Förderkorb den ganzen Tag, wenn er keine Menschen in seinen engen Käfigen zu befördern hat. Nur in der Nacht wird keine Kohle geschafft. Die Nachtschicht soll vorschriftsmäßig nur am Verbau der Querschläge und Stollen arbeiten.
Überall in den etwa 200 Schachtanlagen des Reviers wird die Kohle so an den Tag geholt. Der früher im Ruhrbezirk häufig betriebene Tagbau ist heute bis auf bedeutungslose Reste verschwunden.
Immer noch ist die Kohle unersetzbar und unentbehrlich für die Wirtschaft. Mit ihr steht und fällt das ganze heutige Produktionssystem. Wie es ohne Sonne kein Leben auf der Erde gäbe, ebensowenig gäbe es ohne die in den Steinkohlenwäldern akkumulierte Sonnenenergie die heutige Industrie und die aus ihr resultierende Gesellschaftsstruktur. Immerhin hat es hier im Ruhrgebiet noch keine Not mit Kohle. Da unten, in den verkohlten Torfmooren einer Vergangenheit, die Jahrmillionen zurückliegt, gibt es noch genug für etwa zweitausendfünfhundert Jahre, wie man ausgerechnet hat. Was dann kommt, wird sich zeigen ...
Vorläufig holt man mit den heutigen Mitteln der Technik soviel heraus, wie herauszuholen ist. Phantastische jährliche Förderziffern sind es, die da nach achtzig Jahren intensiven Ruhrbergbaus geschafft werden. Im Jahre 1929 hat man einhundertdreiundzwanzig Millionen Tonnen Ruhrkohle gefördert, eine Ziffer, die mit neun Millionen Tonnen die Förderung des Jahres 1913 mit ihren einhundertvierzehn Millionen Tonnen überragte. Das Erregende an diesen Zahlen ist, daß sie Menschenschicksal enthalten. 426 000 Arbeiter brauchte man im letzten Friedensjahr; 1929 beschäftigte man, trotz erheblicher Mehrförderung, nur noch 380 000 Bergarbeiter, und ihre Anzahl wird von Jahr zu Jahr noch geringer (300 000 Ende 1930), ohne daß die Kohlenproduktion mitsänke – im Gegenteil!
An der Rentabilität der Gruben (nicht etwa der Sicherheit der Gruben) wurde gearbeitet und technisiert und maschinisiert und verbessert auf Deubel-komm-heraus. Wie neu stehen die Zechen da, daß es nur seine Art hat; mit Betonfördertürmen und schmucken Nebengebäuden – neue Sachlichkeit und Peter Behrenssche Materialechtheit bei den Industriebauten. Die große Ausstellung im Essener Folkwangmuseum über modernes technisches Bauen fand willige Schüler unter den deutschen Industriellen. Soviel hat man zumindest dort gelernt, daß man seine Betriebe auch bautechnisch so gut in Schwung gebracht hat, daß sie möglichst wenige Arbeitskräfte brauchen und durch intensivste Raum- und Kraftausnutzung größten Ertrag abwerfen.
Da ist zum Beispiel die Koksproduktion. Wie wird die in modernen Kokereien betrieben? Früher waren eine Menge Menschen nötig, um den Koks zu löschen, zu brechen, zu sortieren und zu verladen. Heute braucht man nur noch ganz wenig Koksarbeiter. Die Überzähligen müssen ihr Bündel schnüren oder sich resigniert in die Reihe der Stempelnden einordnen. Sie sind Opfer der permanenten Revolution der Technik, die dank der Hilflosigkeit des heutigen Wirtschaftssystems in allen anderen Fragen, außer in der Profitfrage, dem Volk ebenso tiefe Wunden schlägt wie ein richtiger Bürgerkrieg mit Pulver und Blei.
Koks ist nicht nur für die meisten Zentralheizungen, sondern auch für das Gichtgut der Hochöfen zur Verhüttung der Erze unentbehrlich. Der an der Ruhr hergestellte Koks ist besonders qualitätsvoll, weil die dortige Fettkohle sich in der Verkokung gut »backt«; so nennt man es, wenn die festen Residien der Kohle gut und fest ineinanderschmelzen, während die Kohle unter Luftabschluß bei hohen Hitzegraden in den bis zu sechs Meter hohen Öfen dem Prozeß der trockenen Destillation unterworfen wird. Nur wenn die Kohle gut backt, läßt sie sich vollständig in ihre festen, flüssigen und gasförmigen Bestandteile zerlegen. Nur dann bleibt der Koks als eine Masse zurück, die fast nur aus reinem Kohlenstoff besteht und unter der Erzlast nicht zerkrümmelt.
Eine mächtige und eindrucksvolle Anlage ist so eine moderne Kokerei. Ofen an Ofen steht in Reih und Glied, oft sind es hundert an der Zahl. Oben über diese Batterie kursiert der Verteilerwagen, der die zerkleinerte Kohle in die Öfen schüttet. Dann wird die durch die Erhitzung im Gärungsprozeß gewissermaßen entlaugte Kohle, eben der Koks, wieder durch eine rein maschinelle Vorrichtung aus den Öfen gedrückt und fällt in Kokswagen, die mit dem glühenden Kuchen gleich unter den Löschturm fahren, wo er ein Brausebad bekommt. Selbst diese Dusche wird ihm von Maschinen verabreicht, und zwar derart, daß der Koks gerade nur soviel Wasser bekommt, wie an seiner Glut verdampfen kann. Mehr Wasser würde seiner Qualität schaden. So gekühlt, fällt der Koks durch die geöffneten Seitenklappen des Löschwagens auf ein laufendes Band – das Sinnbild der Rationalisierung –, und das bringt ihn in die Aufbereitung, wo er – wieder alles maschinell – gebrochen und sortiert wird. Hat er an den Bruchstellen eine schöne mattsilbergraue Farbe, so ist er goldrichtig.
Alles geht glatt und ruhig und selbstverständlich vor sich. Die bis ins kleinste ausgetüftelte Mechanisierung macht immer mehr Menschen überflüssig. Ein Fachmann, Dr. Ing. Oswald Peitscher aus Essen, hat schon vor mehreren Jahren darüber geschrieben:
»Als Beispiel sei hingewiesen auf eine größere Kokerei-Anlage von 160 Koksöfen, die in den Jahren 1897 bis 1913 erbaut wurden. Die Öfen verarbeiteten in 24 Stunden 776 Tonnen Kohle, wozu 112 Arbeiterschichten für die Kohlenzufuhr zu den Öfen und für das Kokslöschen und -verladen sowie für den gesamten Koksofenbetrieb erforderlich waren. Im Jahre 1923 wurden auf dieser Anlage 60 neuzeitliche Koksöfen errichtet. Diese 60 Koksöfen verarbeiten nunmehr 800 Tonnen Kohle in 24 Stunden, also etwas mehr als die 160 Öfen älterer Bauart und mit Handarbeit. Zur Bewältigung dieser Arbeit sind 61 Arbeiterschichten, also etwas mehr als die Hälfte der früher benötigten Arbeiter erforderlich. Nebenbei sei bemerkt, daß diese neuen Koksöfen in ihrer Leistung je Ofen noch nicht das erreichbare Höchstmaß aufweisen.«
Zum größten Teil bleibt der Ruhrkoks in dem Land, das ihn erzeugte, und wandert in die Bunker der Hochöfen des Reviers. Da die im Ruhrgebiet geförderte Kohle zu zwei Dritteln die sich besonders gut für die Verkokung eignende Fettkohle ist (nur ein Drittel ist Anthrazit- und Magerkohle), so entfallen 85 Prozent der deutschen Kokserzeugung auf die Kokereien an der Ruhr.
Die Verkokung der Ruhrkohle ist aber nicht nur wegen des Kokses wichtig. Der Prozeß liefert unter anderem den Teer, auf dem sich die ganze große Industrie der Teerderivate aufbaut, dann dem Ammoniak, ohne den die Landwirtschaft die künstliche Düngung nicht durchführen könnte. Auch das Benzol, der vielverwendete Treibstoff für Motoren aller Art, ist ein Nebenprodukt der Verkokung von Kohle. Die Nebenerzeugnisse der Verkokung sichern der deutschen chemischen Industrie ihre wichtige Vormachtstellung. Ihre Rohstoffe entstammen zu neunzig Prozent der trockenen Destillation der Kohle, deren beherrschende Stellung als Rohstoff einer Schlüsselindustrie sich schon daran klar nachweisen läßt.
Besondere Rohre fangen auch das Rohgas, entteeren es und führen es gleich wieder zu den Koksöfen zurück, wo gerade dieses für den gewöhnlichen Gebrauch nicht geeignete Gas zur Erzeugung der erforderlichen Hitze von 1000 bis 1200 Grad Celsius die besten Dienste leistet. So hoch muß die Temperatur schon sein, damit die Kohle die in ihr gebundenen Schätze freigibt. Das gleiche Gas treibt auch Maschinen und beheizt die Kesselhäuser der Zechenanlagen und ihre sonstigen Einrichtungen. Aber damit sind seine Verwendungsmöglichkeiten längst noch nicht erschöpft. Neun Milliarden Kubikmeter Gas werden jährlich an der Ruhr bei der Verkokung der Kohle gewonnen. Die Ruhrgas-AG. übernimmt das Rohgas aus den Ruhrkokereien. Die Ferngasversorgung marschiert und wird der Industrie ein neues Monopol in die Hand geben, das ihr noch mehr Macht sichern wird.
Wie lange wird es noch dauern in Deutschland, bis die Gaspreise von einer einzigen Stelle diktiert werden? Diese neue Festung des Kapitalismus hört auf den Namen: Aktiengesellschaft für Kohleverwertung (Ruhrgas-AG.) in Essen. Sie beherrscht das Riesenreservoir der Ruhrindustrie, und ihre Leitungsrohre liegen heute schon unter der Decke der deutschen Landstraße bis nach Köln, nach Hannover und Siegen hin. Entfernungen sind für unsere Technik, wenn es um den Profit geht, keine Hindernisse mehr. Es ist ein leichtes für die Ruhrgas-AG., ihr Gas über ganz Deutschland zu verteilen.
Man glaube ja nicht, daß die Rohrlegung noch ein schwieriges Problem ist. Auch hierbei ist Mechanisierung und Maschinisierung der große Trumpf, bei dem die Montangewaltigen sämtliche Atouts in den Händen haben. Ihre Rohrleger-Kolonnen bestehen aus wenigen Menschen und einem großen Maschinenpark. Die notwendige menschliche Arbeit muß sich dem Parforcetempo der Maschinen anpassen. Da ist ein Grabenbagger, der schaufelt in einer Stunde achtzig Meter Graben aus. Die an verschiedenen Punkten der Strecke eingesetzten Kolonnen arbeiten nach einem ausgeklügelten strategischen Plan, der bis in seine letzten Einzelheiten vorgeschrieben ist. Der Kalkül ist fehlerlos, besonders was die Arbeitszeit der Leute betrifft. Die Rohre, die gelegt werden sollen, erwarten die Arbeiter an dem ihrer Arbeitsstelle zunächst liegenden Bahnhof auf besonderen Transportwagen, die eine Beschädigung der Rohre so gut wie ausschließen. Besonders geschulte Schweißer schweißen das angerollte Rohrmaterial zu 100 Meter langen Stücken zusammen. Dieses 100 Meter lange Rohr wird nun nicht gleich versenkt, sondern erst einer besonderen Druckluftprobe unterworfen, die dafür bürgt, daß es gasundurchlässig ist. Dann erfolgt erst die maschinelle Versenkung in den Graben und die Vereinigung mit dem Hauptstrang. Eine Verfüllmaschine tritt in Aktion, nachdem den Rohren ein gutes und haltbares Bett unter ihrer Rundung gestampft wurde. Alles das mit beinahe selbsttätigen Maschinen, versteht sich! Bald ist der Graben zu. Eine Walze rollt noch über die Bodenerhöhung hinweg, die sich durch das überschüssige Erdreich ergibt, dessen Platz das Rohr jetzt einnimmt – und die Landstraße ist wieder glatt.
Zehn solcher Menschentrupps, mit diesen Maschinen ausgestattet, schaffen in zehn Tagen an die hundert Kilometer Rohrleitung.
Die Ferngasversorgung bietet also keine besonderen Schwierigkeiten mehr. Dafür wird sie im Zeitalter des Kapitalismus und der Monopole bereits in ihren Anfängen zu einer Gefahr. Was nützen den Städten ihre Selbstverwaltung und ihre unter großen Opfern geschaffenen gemeinwirtschaftlichen Betriebe der kommunalen Gasversorgung, deren Preisgestaltung auf dem Wege über die Stadtverordnetenversammlungen unter Kontrolle der Verbraucher steht, wenn die industrielle Gasfernversorgung vom Ruhrgebiet aus sie niederkonkurrieren und sie zu botmäßigen Abnehmern der Ruhrgas-AG. machen kann? Vorläufig schafft sich die Ruhrgas-AG. hauptsächlich in den noch nicht für den Gaskonsum erschlossenen ländlichen und kleinstädtischen Wohnbezirken Abnehmer und drosselt schon dadurch die Entwicklung der kommunalen Werke.
Das ist so eine Methode unter vielen, wie die Herren der Produktionsmittel der verhaßten Gemeinwirtschaft auf die Hacke treten. Es geht aber auch mit anderen Methoden. Man kann auch, dank des bei der sogenannten Gemischtwirtschaft obwaltenden Kuddelmuddels, die Position ganz langsam für sich erobern. Für diese Methode liefert die Arbeit des Rheinisch-Westfälischen-Elektrizitätswerkes ein ganz illustratives Beispiel. »Durch Beteiligung von Reich, Ländern, Provinzen, Landkreisen und Städten«, so schreibt er offiziell von sich selbst, dieser Großlieferant des elektrischen Stromes für über hundert Stadt- und Landkreise, »werden einmal die öffentlichen Interessen gewahrt, während andererseits auch noch die heimische private Wirtschaft am RWE. beteiligt ist und so mit ihren Erfahrungen im Wirtschaftsleben das Unternehmen unterstützt.«
Das klingt sehr großmütig, aber man ist mit seiner Großmut und seinen Erfahrungen im heimischen Wirtschaftsleben noch nie zu kurz gekommen. So sichert man sich auch hier üppige Aktienpakete als Entgelt für eine fragliche Unterstützung und macht nicht nur fette Profite, sondern bezieht auch billigen Kraftstrom. Dem kleinen Verbraucher diktiert man dafür Preise, die das Vierzigfache und mehr des Gestehungspreises betragen.
Man sitzt ohnehin dick drin in der Gemeinwirtschaft, und außerdem hat man natürlich auch seine Beziehungen im Aufsichtsrat. Oder sind so sehr viele dieser Landräte und Regierungsräte, die die Kreise und Provinzen im Aufsichtsrat vertreten, so sehr viele dieser Oberbürgermeister, die die Belange ihrer Kommunen wahren, wesentlich Besseres als kapitalfromme Karrieregäule der Zentrumspartei oder der Deutschen Volkspartei?
Das RWE. hat es jedenfalls erreicht, daß die Ruhrindustrie auf 45 000 qkm deutschen Landes das RWE.-Licht zu RWE.-Preisen leuchten lassen kann. Man liefert nach Saarburg und Trier, nach Worms und Kreuznach, nach Cleve und Wesel, nach Ibbenbüren und Osnabrück. Das Spinnennetz der Leitungen überspannt mit einer Gesamtlänge von 4000 km einen großen Teil rheinischen und westfälischen Landes. Die Essener Stammzentrale holt mit ihrer Höchstspannungsleitung für 220 000 Volt den Strom aus den Alpen, aus dem Gebiet der weißen Kohle, wie man so sinnig die Wasserkräfte nennt. Vom Fuß des Scesaplana in Vorarlberg schickt man den heimwehrländischen Starkstrom ins Gebiet der schwarzen Kohle, wo die Hämmer dröhnen und die Bessemerbirnen ihr Brillantfeuerwerk in das nächtliche Dunkel spritzen. Hier mischt er sich mit der Kraft rheinischer Braunkohle aus dem Kölner Gebiet und mit den Energien der Ruhr.
Das Ineinanderverflechten der verschiedenen Stromerzeugungsgebiete sichert dem Ruhrbezirk die Kraftspritze, die er braucht, wenn sein Organismus voll in Tätigkeit ist. Die Schwungräder der Dynamos sausen, und die anderthalb Millionen Pferdekräfte arbeiten mit Anspannung ihrer ganzen Energien. Man ist in der Lage, schon jetzt jährlich mehr als zwei Milliarden Kilowattstunden an die kleineren Verbraucher abzugeben. Wie die Ruhrgas-AG. die Wärmewirtschaft zu monopolisieren versucht, so bemüht sich das Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerk um die elektrische Kraft.
So werden Kraft und Wärme gebändigt, gespeichert und rationell (vom Blickpunkt der Kapitalgeber aus angesehen) bewirtschaftet. Aber erst Eisen und Stahl schaffen dazu die nötigen Maschinen, die Rohre, die Drähte, das Gerät. Und da schließt sich der Kräftekreislauf. Denn wären Kraft und Wärme nicht so zahm gemacht, wie sie es sind, dann fände man auch an dem Erz keinen so fügsamen Knecht.
Hier im Ruhrgebiet gibt es die modernsten Hochofenanlagen Europas, wenn man den Fachleuten glauben will. Jeder dieser Kolosse schafft am Tage seine 600 Tonnen Roheisen. In einem Hochbunker wird das Futter für die gefräßigen Ungeheuer zusammengemischt. Das alles besorgen Maschinen. Nach der Rationalisierung sieht man kaum noch Menschen im Hüttenbetrieb. Da läuft der Koks selbsttätig auf einer Bandtransportanlage in die Hochbunker, das kostet nur ein bißchen Maschinenkraft, während man in den alten Werken eine Menge Arbeiter auf Verladebrücken und Waggons stehen sah, die Koks schaufelten. Das Band entleert seine Last in den Bunker. Der Greifer eines Kranes holt die Erze, die schön bunt anzuschauen sind: lila, blau, rot oder braun. Auch Kalkstein als Zuschlag wird zu dem Erz in Riesenkübel gefüllt. Diese gefüllten Kübel führt dann ein Schrägaufzug automatisch nach oben zum Gichtverschluß des Hochofens. »Möller« nennen die Fachleute solche Ladung, die oben in das Hochofenmaul gekippt wird, über eine vorher hinaufgeschickte Lage Koks, die eine sinnreiche Trichteranlage gleichmäßig über den Hochofenquerschnitt verteilt. Koks und die Erzmischung ergeben zusammen eine Gicht. Der Koks gerät in der Höllentemperatur des Hochofens in Weißglut und schmilzt das Erz. Immerwährend und automatisch wird dem Hochofen sein Futter nachgefüllt. Irgendwo sitzt ein Maschinist in einem Steuerhäuschen und reguliert die Beschickung. Das geht so Tag und Nacht, an die 20 Jahre durch. Dann ist die »Reise« des Hochofens zu Ende, und er muß neu ausgemauert werden.
Um den Hochofen herum windet sich ein kompliziertes Röhrennetz, gruppiert sich ein vielfältiges Maschinenwerk. Da arbeitet der Staubabscheider, in dem die Hochofengase von dem ersten dicken Dreck befreit werden, bevor sie in die elektrische Gasreinigung kommen, um so sauber und zivilisiert zu werden, daß sie nur den Bruchteil eines Grammes Staub auf einen Kubikmeter Gas enthalten und ein vorzügliches Brenn- und Antriebsmaterial ergeben. In den Winderhitzern neuesten Systems, die Sauerstofflaschen ähneln, natürlich ins Überdimensionale gesteigert, wird der Gebläsewind erhitzt, der dann in den Hochöfen jenes Feuerchen anbläst, In dem das harte und spröde Erz ins Laufen gerät wie Butter am Äquator.
Man bekommt das Roheisen in diesem flüssigen Zustand auch zu sehen; wenn es mit drohendem Zischen und Reifen aus dem Abstichloch herausquillt und sprühend in feuerfest ausgemauerte Stahlpfannen, die transportabel auf Schienen stehen, herunterknallt. Der feurige Strom teilt fauchend die kältere Luft und prasselt in sein Gefäß mit knisterndem Funkenregen – eine gigantische Weihnachts-Wunderkerze.
Es ist ein fürchterlicher Beruf, Hochofenarbeiter zu sein. Die Luft ist tropisch heiß; zu den Füßen der Arbeiter, in einem Glutbach, rinnt fortwährend die Schlacke ab. Die Leistung dieser Männer ist verantwortungsvoll und nervenzerreißend, ihre Hände, die das Abstichloch des Hochofens mit Preßluftapparaten öffnen und schließen, sind krebsrot und zeigen tiefe Risse. Ihre Wangen sind fahlgelb und von der Hitze wie gegerbt.
Das sind die Geburtshelfer des Roheisens, das die Basis aller Industrie und Technik ist, und diesen Leuten will der Unternehmerverband – vom angenehm temperierten Büro aus – ständig die Löhne senken, und ihnen rechnet er die achtstündige Arbeitszeit als paradiesische Faulheit vor!
Die Gichtgase des Hochofens zirkulieren in den gemischten Werken – das sind solche, die Hochöfen, Gießereien und Walzwerke in sich vereinigen –, und die Heizkraft des Gichtgases ist es, die dem Eisenerz zu seinen vielfältigen Wandlungsprozessen verhilft, vom Roheisen bis zum Halbfabrikat oder Fertigprodukt, als das es über den eigenen Güterumschlagboden das Werk verläßt. Die Riesenkraftmaschine, die den Strom erzeugt, der die komplizierte Apparatur einer Walzenstraße in Betrieb setzt, wird mit gereinigtem Gichtgas gespeist, und Gichtgas heizt auch die Mischer, in denen das flüssige Eisen wie Bouillon im Kochtopf brodelt und darauf wartet, in der Bessemerbirne zu Flußstahl verwandelt zu werden.
Flußstahl ist erst dann einwandfrei, wenn alle Bestandteile des Roheisens, die seine Bruchfestigkeit herabsetzen, ausgesondert sind. Das geschieht mittels komplizierter Blaseprozesse. Der Gebläsewind wird unter hochatmosphärischem Druck durch die Birne voll flüssigen Eisens gejagt, um durch Sauerstoffzufuhr Schlackenreste, Kohlenstoff und Phosphor zu verbrennen.
Der Wind heult und jault wie ein Frühlingsfön. Das Metall faucht auf wie eine gereizte Riesenkatze, und durch die Füllöffnung der Stahlmantelbirne spritzen Millionen kleiner Metallfünkchen in die Halle und stieben knisternd durch die Luft. Es ist wie der Ausbruch eines kleinen, unter menschlicher Aufsicht stehenden Vulkans. Grün, blau und gelb leuchten die brennend mitgerissenen Partikelchen als Funkenregen. Die Arbeiter im Arbeitsraum ducken sich vor diesem Segen oder kehren die Gesichter ab von dem Feuerschein – ihre so ausdrucksvollen Gesichter, die bei der Arbeit schön sind in ihrer scharflinigen Konzentration. Von der Galerie rings um die Birne (der auch Konverter genannte Riesenkochtopf läßt sich um seine eigene Achse kippen) kann man durch ein Blauglas in die siedende Charge sehen, ob sie fertiggekocht und auskippbar ist. Man läßt mit sachlicher Liebenswürdigkeit auch den besichtigenden Laien einen Blick riskieren. Es wallet und siedet und brauset und zischt, muß er denken, von der Schule her mit klassischen Verszeilen geimpft. Auf den Schienen der Werkbahn kommt der feurige Elias unter die Bessemerbirne herangerumpelt; das ist der Transportwagen für den flüssigen Stahl und wohl das einzige Gerät, das inmitten der modernden Realität des Hüttenwerkes seinen Namen aus dem Alten Testament bezogen hat. Die vertrackte Flüssigkeit kippt in das Gerät hinein und fährt mit ihm los. Jetzt wird der glucksende Stahl in viereckige Blockformen, Kokillen genannt, gefüllt, wo er bis zur äußerlichen Erstarrung verbleibt, auf daß er eine Bramme werde, ein in seinem Innern noch glutheißer Stahlblock.
Diese ungeformte Materie wird dann im Produktionsgang wie Kuchenteig verarbeitet. Zwar hat sie schon metallische Farbe und Oberfläche angenommen, aber sie ist doch noch knetbar wie Lübecker Marzipan zur Festeszeit, bloß ein klein wenig hitziger, so daß kein Konditor sich mit den Händen an sie heranwagen kann. Ungestüm lärmend ist die Geburt ihrer endgültigen Gestalt. Noch wehrt sich der zähe Stoff in seinem Beharrungsvermögen mit wilden Schreien in vieloktavigen Tönen, Geräuschen, Mißklängen gegen die von Menschen ihm aufgezwungene Umformung. Da ist die Stahlwalze, die tonnenschwere, meterdicke Stahlblöcke zwischen ihre kreischenden Rohre nimmt, sie in die Länge walzt und daraus Stahlplatten oder Knüppel preßt. Das vergewaltigte Metall stöhnt auf, schreit und ächzt; dumpf donnert und rollt die Walze, das Kühlwasser zischt und versprüht. Frische Birkenreiser werden beim Walzen des Kruppschen nichtrostenden Stahles an Stelle des Kühlwassers verwandt. Das grüne Holz versengt brutzelnd am glühenden Metall.
Da ist die Metallsäge, die armdicke Eisenstangen in wenigen Sekunden wie eine Bockwurst zerschneidet. Schon im Leerlauf singt sie ihr ohrenbetäubendes klirrendes schrilles Lied. Im Arbeitsgang beißt sie mit zerreißendem Knirschen, mit Brüllen und Kratzen in Metall, während das Rollenlager, das die Eisenstangen bis zur nächsten Schnittstelle weiterschiebt, eine bollernde, polternde Begleitung dazu klopft.
Da ist das Drahtwalzwerk. Wie glühende Schlangen flitzt das Metall, das zu Drähten ausgezogen werden soll, scharf zischend durch die Maschinen. Der Arbeiter starrt wachsamen Auges auf die Austrittöffnung, packt mit der Zange den herausjagenden Glutfaden und biegt ihn mit schneller Wendung in die nächste dünnere Formungsöffnung. Manchmal ist so ein glühender Draht auch schon einem Arbeiter durch den Bauch geschossen. Dann riecht es sengerig nach verbranntem Fleisch, und am nächsten Morgen wird dem Werkdirektor Bericht erstattet. Auch in der Zeitung steht, wenn's hoch kommt, irgendeine kleine Notiz über den Unfall; aber sicher nicht unter dem Titel: »Vom Schlachtfeld der Arbeit.« Sonst würde weder der Werkdirektor noch sonst ein Gutgesinnter solch hetzerisches Blatt halten. Es ist süß und ehrenvoll – nicht nur für das Vaterland – auch für die deutsche Industrie zu sterben.
Es gibt verschiedene in der Ruhrindustrie angewandte Verfahren, das Roheisen in die stählernen Brammen umzuwandeln. In jedem Fall baut sich auf diesem ersten nicht mehr flüssigen Produkt der ganze weitere Produktionsvorgang der stahlerzeugenden und stahlverarbeitenden Industrie auf. Aus den Brammen werden Knüppel, Blöcke, Draht und jedes sonstige Halb- oder Fertigfabrikat gezogen oder gewalzt oder gepreßt oder geschmiedet. Das alles entsteht im kontinuierlichen Arbeitsprozeß der gemischten Werke, ohne daß der Rohstoff erkaltet; »in einer Hitze«, wie der technische Ausdruck lautet, auf dem Weg vom Hochofen, über die Gießerei bis zum Walzwerk. Aus den Knüppeln, Blöcken und Drahtrollen entsteht dann bei der weiterverarbeitenden Kleineisenindustrie wenige Bahnstunden entfernt in Iserlohn, Hagen, Schwerte, Solingen alles jene Gerät, das in die privatesten Lebensfunktionen jedes einzelnen Zeitgenossen eingefügt ist: Scheren, Messer, Nägel, Spaten, Zangen, Hämmer und dergleichen mehr.
Nur im Ruhrgebiet hat Deutschland eine nennenswerte Roheisen- und Rohstahlerzeugung. Sie liefert rund 80 Prozent der deutschen Gesamtproduktion und hat somit das ganze Übergewicht der Unersetzlichkeit und Unentbehrlichkeit. Darum ist auch an der Ruhrfront das Generalstabsquartier des Kleinkrieges, den das Unternehmertum um die Verteilung der Lasten führt. Hier legt man die Hand an die Gurgel der gesamten deutschen Wirtschaft. Die Schlotgewaltigen wissen genau, daß vom Rauche ihrer Schornsteine Leben, Arbeit und Gedeihen von Millionen Menschen abhängen. Und diese Position nützen sie mit all der frischen unbekümmerten Rücksichtslosigkeit aus, die in ihren Kreisen und besonders an der Ruhr gute alte Tradition ist.
Die Ruhrkapitalisten haben das Volk in der Inflation bettelarm gemacht und sich selbst dabei dick und fett gemästet; sie haben mit ihren Subventionen den Staat ausgepowert und den arbeitenden Massen den Lohnabbau diktiert. Sie marschieren an der Spitze einer Rationalisierung, die die Menschen wie Unrat auf die Straße wirft; und sie sind, wie der selige Stinnes, nie davor zurückgeschreckt, auch mit dem Erbfeind zu paktieren, um die Massen noch besser unter das kaudinische Joch ihrer profitsüchtigen Pläne pressen zu können.
»Die Zeiten sind schwer. Die Zeiten sind hart; man muß sich gegen die Konkurrenz des Auslandes behaupten. Die schmachvollen Ketten des Versailler Vertrages, die Dawes-Gesetze und der Young-Sklavenpakt drosseln die deutsche Industrie.« War dieses abgeleierte Lied nicht auch der Text, mit dem Albert Vögler die Pariser Konferenz in Stich ließ? Dieser geniale Organisator der rücksichtslosen Rationalisierung der Ruhrindustrie hat den Riesentrust der »Vereinigten Stahlwerke« mitgeschaffen, der seinem verstorbenen Herrn und Lehrer Hugo Stinnes immer vorschwebte. Selfmademan, stiernackiger Unternehmertypus brutalster Observanz ist der Bergmannssohn aus Essen-Borbeck und Ehrendoktor der Technischen Hochschule Aachen heute nicht nur Geschäftsführer des Stahltrusts, sondern auch der politische Führer der ganzen Ruhr-Schwerindustrie.
Vögler ist einer von denen, die die Wirtschaftsfriedlichen immer anführen, um zu zeigen, daß auch heute noch jeder kleine Ingenieur-Korporal den Marschallstab des Generaldirektors in der Aktentasche trägt. Wie zielsicher und unbarmherzig solch Korporal für seinen Aufstieg die Ellenbogen zu gebrauchen verstehen muß, erwähnen sie dabei nicht. It's a long way to Tipperary, und er führt nur über Arbeiterunterdrückung und Behördendüpierung, über mörderisch gedrosselte Akkordlöhne, Verlängerung der Arbeitszeit und verhungernde Erwerbslose bis in das Direktionsbüro, wo die Fäden des Konzerns zusammenlaufen. Ist man erst da angelangt, dann lassen auch die äußeren Ehren nicht mehr länger auf sich warten; es kommt der Vorstandsplatz im Reichsverband der Industrie, die überaus lohnenden Pöstchen in den Aufsichtsräten und das selbstverständliche Reichstagsmandat.
Aber dieser eine Herr Vögler ist nicht der einzige Scharfmacher von Berufung. Irgendwo lebt auf seinem Gut, das bezeichnenderweise »Streithof« heißt, der über achtzig Jahre alte Emil Kirdorf, der fast zum Industriellen-Heiligen gewordene Begründer des Ruhrkohlen-Syndikats, der große Geldgeber der Hitler-Leute im Ruhrgebiet. Da lebt noch der Geheime Kommerzienrat Reusch in Oberhausen, dem alle Sozialpolitik ein Greuel ist, den er mit Stumpf und Stiel auszurotten versucht. Da leben noch die Industriellen christkatholischer Couleur, wie der Zentrumsabgeordnete Klöckner, der genau so unbedenklich wie die andern Brüder der Zunft ein paar tausend Bergarbeiter entläßt und seinem warm und fromm empfindenden Herzen dann durch eine Stiftung zum Bau einer katholischen Kirche in einer Bergarbeiterkolonie Genüge tut. Und da leben noch – und sie leben gut – der ganze Stab der Syndizi mit weißgestärkten hohen Festungsmauern um den Hals und mit Mensurnarben im Gesicht, und mit so sorgfältig gescheitelten Frisuren, die leicht von feinster Brillantine spiegeln; und es lebt die ganze Elite der General-, Werk- und Zechendirektoren, von denen mancher dem Aussehen und der leichten Burgunderröte seines Gesichtes nach eher auf einen märkischen Rittergutsbesitzer taxiert werden könnte als auf den Herrn über das Schicksal von ein paar tausend Arbeitern. Man merkt, daß heute noch Hugo Stinnes das Vorbild für diese ehrpußlig in Schlichtheit verkleideten, rücksichtslos gierigen, alles fressenden Haifische der Wirtschaft ist. Auch der große Stinnes trug Anzüge, die ihm am Leib saßen wie nach Augenmaß von der Stange, und hat doch die deutsche Währung geschlachtet. Er nannte sich auf seinen Visitenkarten: Hugo Stinnes, Kaufmann aus Mülheim an der Ruhr, und hielt die puritanisch biedere Tradition der Industriellen dieser Stadt hoch.
Und alle diese »Wirtschaftsführer« sind einer Meinung mit dem alten Krupp und haben das auch in unzähligen kleinen und großen Schlachten, die sie gegen die Arbeiter geschlagen haben, bewiesen; bewiesen auch dann, selbst wenn sie ihren Standpunkt weniger klar und eindeutig formulieren, als es der bärbeißige Kanonenkönig getan hat, der im Februar 1870, als er von der Arbeitseinstellung auf der Essener Maschinenfabrik hörte, an seine Firma schrieb:
»Wir sind wohl einverstanden, daß weder jetzt noch künftig irgendeiner der Beteiligten auf der Fabrik engagiert werden darf, und wenn es noch so sehr an Händen fehlte. – Hoffentlich ist im stillen stets bei uns eine Beobachtung des Geistes der Arbeiter geübt, so daß es nie entgehen kann, ob irgendwo eine Gärung beginnt, und ich bitte ohne Rücksicht auf Entbehrlichkeit den geschicktesten und besten Arbeiter oder Meister so rasch wie immer tunlich zu entfernen, der nur Miene macht, opponieren zu wollen oder einem derartigen Verbande angehört. Einem solch niederträchtigen Verfahren gegenüber muß die äußerste Energie entgegengesetzt werden und eher alles in die Luft gehen, als nachgegeben werden. Wir werden durch Sorge für unsere Leute und Vorsicht im Überwachen uns wohl gesichert wissen, daß dergleichen Ereignisse uns nicht berühren können; indessen sollte diese Epidemie bei uns auch aufzutreten drohen, so darf keine Schwäche gezeigt werden, und keine Rücksicht auf einen momentan großen Verlust darf uns erweichen, abzugehen von dem im voraus Beschlossenen.« So der alte Krupp.
Und wie stets, so haben sich auch heute wieder die Herren der Wirtschaft ihre nutzbringende historische Mission und ihre angenehme patriotische Rolle zurechtgelegt. Sie wollen Deutschland retten. Es soll wieder aufsteigen in die Region imperialistischer Politik, wo man im großen schieben kann. Da hindern uns die Reparationen und Abgaben von jenem Kriege her, an dem man so gut verdiente. Was liegt näher, als die Lasten dem Volk auf den Buckel zu wälzen? Weil es doch diesen anspruchsvollen Leuten ohnedies viel zu gut geht!
Dieser Geist der forschen Attacke und des frischen Gefechts lenkt die Geschehnisse im Ruhrbezirk schon beinahe hundert Jahre zielbewußter denn je, und er lenkt sie heute. Ob es nun die Aussperrung aller in der Ruhrindustrie beschäftigten Metallarbeiter im Jahre 1928 ist, die 213 000 Metallarbeiter wochenlang hungern ließ, oder der Oeynhausener Schiedsspruch, der das Jahreseinkommen des Metallarbeiters um 200 Mark verkürzt. Eine kleine Gruppe Menschen darf so mit dem Schicksal der Massen spielen. Mit einem festen Tritt auf die gebeugten Nacken der Arbeitenden beginnt der Wiederaufstieg der deutschen Wirtschaft. »Durch eine zeitweilige Stillegung der Werke erwartete die eisenschaffende Industrie eine Entlastung auf dem übersättigten europäischen Eisenmarkt.« Eine Erwartung, die sich durch die Aussperrung erfüllte. Die Menschen, die darunter leiden ... Hat sich schon je ein patriotischer Profitmacher um solche Lappalien gekümmert?
Um die Erkenntnis, daß die Wirtschaft für das Volk da ist, und nicht das Volk für die Wirtschaft, um diese Erkenntnis geht der weitere Kampf. Die Arbeiterheere an der Ruhr werden lernen müssen, ihn zu führen.