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Magda hat die Nervenerschütterung überwunden. Der Anstaltsarzt ist noch einmal gekommen, nach ihr zu sehen; er hat sie unbesorgt verlassen können.
Frau Thiessen weicht nicht von ihrer Seite. Sie hält Magdas Hände in den ihren und spricht ihr gütig zu wie eine tröstende Mutter. Aber sie überredet sie nicht und täuscht sie nicht mit ablenkenden, sinnlosen Worten über den Ernst der Stunde hinweg. Draußen wartet das Schicksal mit gnadenlosen Augen; es entspräche nicht dem gesunden Sinn dieser Frau, den Blick davor zu verschließen. Sie läßt Magda erzählen; sie bittet sie, ihr Herz der mitfühlenden Schwester und Mutter auszuschütten, der Frau, die das Leben verzeihen lehrte, weil es sie mit der Gabe des Verstehens beschenkte. Und während drinnen im Saal der Verteidiger aus den Blättern liest, die sie hinter den Fenstergittern des Krankensaales mit ihrem Herzblut niederschrieb, um sich vor der Welt von schwerer Beschuldigung zu reinigen, spricht hier wie im Beichtstuhl des stillen Kirchenwinkels eine bedrückte Seele dieselben Worte, um auch vor den Augen der gütigen Frau wieder rein zu werden.
Frau Thiessen sagt nicht viel; sie sagt nur, als die Beichtende endet: »Ich wußte es.«
Und dann kommt der Augenblick – es sind zwei Stunden vergangen, seit die Frauen allein geblieben sind –, wo sich die Tür öffnet und Doktor Hiller in ihrem Rahmen steht. Auf seinem Gesicht ist so viel Glück, daß er eigentlich gar nicht zu sprechen braucht; aber er eilt auf Magda zu und faßt ihre Hände, und seine Stimme zerbricht fast, als er sagt, wenn es auch nur ein Wort ist:
»Freigesprochen!«
Magda schreit nicht auf; sie spricht auch kein Wort, ihre Kehle ist zugeschnürt. Sie bückt sich nur auf des Mannes Hand nieder und drückt ihre Lippen darauf. Dann hört man nichts als ein stilles, erschüttertes Weinen.
Doktor Hiller erklärt und kann das Beben in seiner Stimme nicht ganz unterdrücken, daß die Geschworenen die Schuldfragen verneint haben; das Gericht hat den Freispruch verkündet. Auch er hat heute seinen großen Tag.
Draußen ist der Wachtmeister gegangen; auf dem Korridor warten Freunde aus dem Krankenhause. Bei ihnen steht Herbert Thiessen. Auch Irene Herwegh ist zurückgeblieben. Bevor die Frauen das Zimmer verlassen, zögert die Ältere mit dem Schritt; sie zwingt die Schwester, ein gleiches zu tun.
»Das Leben beginnt wieder, Magda, und nicht wahr, es soll schöner werden, als es gewesen ist? Vielleicht ist der Tag gekommen, wo du, mein Kind, anders denkst. Wir alle sind schuldhafte Menschen; sühnen wir und säen wir Liebe, solange wir es können. Nicht wahr, Kind, das willst du doch auch?«
Magda greift nach ihren Händen und steht ihr lange in die Augen:
»Sühne? Sprich nicht von Sühnen, Mutter; es soll keine Sühne sein. Wir wollen es anders nennen: Es soll ein Dank werden an das Leben. Komm, man erwartet uns. Laß uns gehen!«
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