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Doktor Eggebrecht hatte auf seiner Abteilung vorwiegend mit zwei Pflegeschwestern zu tun gehabt, die miteinander im Dienst abwechselten; ihn selbst vertrat während seiner Abwesenheit vom Hause in dringenden Fällen der Chefarzt.
Es waren Schwester Anna und Schwester Magda, mit ihrem bürgerlichen Namen Anna Hofer und Magdalene Fromann.
Beide erhielten Vorladungen vor den Untersuchungsrichter, an verschiedenen Tagen.
Anna Hofer war ein kleines, niedliches Persönchen, flink in ihren Bewegungen, recht hübsch von Gesicht und, wie es bei den Mitschwestern hieß, nicht auf den Mund gefallen.
Sie erschien in ihrer Schwesterntracht, trotz der ernsten Gewandung betont gepflegt, blütenweiß, was daran weiß war; auch ein Schmuck fehlte nicht.
Karsten sah mit Wohlgefallen auf das adrette Mädchen; er hatte sich an dieser Stelle schon mit anderen Gestalten abfinden müssen.
Er stellte die Personalien fest; sie war zweiundzwanzig Jahre alt.
»Sie sind in der städtischen Frauenklinik angestellt und haben unter Doktor Eggebrecht gearbeitet«, begann er. »In welchem Verhältnis standen Sie zu dem Arzt?«
Anna Hofer bekam eine kleine Falte zwischen den Augen. Sie hatte anscheinend nur ein Wort der Frage gehört. »Verhältnis?« sagte sie rasch. »Ich verstehe nicht. Von einem Verhältnis kann hier keine Rede sein.«
Karsten hatte, kaum daß sie ihm entfahren war, die etwas unklare Frage bedauert; aber er beschloß, sich von dem jungen Ding nicht verblüffen zu lassen.
»Sie verstehen allerdings nicht«, sagte er ruhig, aber überlegen in seinem Ton. »Zwei Menschen, die miteinander zu tun haben, stehen immer in einem gewissen Verhältnis zueinander, und wenn es das der Feindschaft ist. Mit einem Liebesverhältnis oder dergleichen hat das nicht im mindesten zu tun; von diesem Sinn kann in meiner Frage gar keine Rede sein.«
Anna Hofer sah trotzig zur Seite, hörte die Zurechtweisung aber wortlos an.
Der Richter übersah die Geste. »Ich will mich anders ausdrücken. Wie kamen Sie mit Doktor Eggebrecht aus? Wie behandelte er Sie? Wie beurteilte er Ihre Arbeit? Hatte er Vertrauen zu Ihnen? Sprach er gelegentlich auch außerdienstlich zu Ihnen? Hatten Sie einen gewissen Einblick in seine privaten Verhältnisse? Sprach er zu Ihnen gelegentlich darüber, oder machten Sie darauf bezügliche Beobachtungen? Alles, auch das Unscheinbarste, kann für die Beurteilung des Falles von Bedeutung werden. Sprechen Sie sich also frei und ausführlich darüber aus.«
Schwester Anna ließ sich die Aufforderung nicht wiederholen. Sie fing sogleich zu sprechen an. Sie erzählte gewandt und wortreich von ihrer Tätigkeit und merkte offenbar nicht, daß sie bald die Hauptperson dabei wurde und daß der arme Doktor immer mehr im Hintergrunde verschwand. Karsten ließ sie erzählen und unterbrach sie nicht. Er wußte die kleinen Pointen herauszuhören, die ihn interessierten; es war wenig genug. Das Beiwerk nahm er mit in Kauf.
Anna Hofer sprach viel Gutes über den Arzt. Sie habe ihn verehrt, das könne sie offen sagen; ob er für sie etwas fühlte, wisse sie nicht; es sei jetzt ja auch zu spät dazu. Nie hatte es eine Differenz gegeben. Daß ihn jetzt jemand erschossen habe, könne sie sich einfach nicht denken.
Ueber des Doktors Privatleben und seine Beziehungen zu anderen verlief das Verhör ergebnislos. Vielleicht wisse Schwester Magda mehr darüber, sagte sie; Doktor Eggebrecht habe sie vor nicht langer Zeit in einem Privatfall untergebracht; sie habe aus diesem Anlaß mehr mit ihm zu tun gehabt.
Also dann Schwester Magda. Sie war auf den nächsten Tag zum Verhör geladen. Man konnte auf das Ergebnis beinahe gespannt sein.
Zuletzt ließ sich Karsten über den Verlauf der Abendstunden des siebzehnten November berichten. Es gab freilich auch darüber nicht viel zu erzählen. Auch Schwester Anna wußte, der Doktor hatte bis sechs Uhr Dienst getan, gemeinsam mit Schwester Magda, sie selbst war kurz vor sechs Uhr zum Dienst erschienen, Schwester Magda war offenbar in ihr Zimmer gegangen; jedenfalls hatte sie sie in den Diensträumen nicht mehr gesehen. Vom Doktor wisse sie nichts.
Anna Hofer verließ den Untersuchungsrichter ein wenig enttäuscht darüber, daß es so wenig Sensation gegeben hatte. Karsten hatte nicht mehr erwartet. Vielleicht entschädigte Magda.