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Der Mord an Doktor Eggebrecht erregte großes Aufsehen, um so mehr, als der Fall in völligem Dunkel lag. Der Doktor war außer in seinem Wirkungskreis zwar wenigen bekannt gewesen, aber der Kreis des Krankenhauses selbst war groß genug, um die Erörterungen darüber lange nicht verstummen zu lassen, und die Furchtbarkeit der Tat trug das ihre dazu bei.

Landgerichtsrat Karsten wurde als Untersuchungsrichter mit der Aufklärung des Falles betraut. Karsten war ein erfahrener Richter, der in seinem Leben bis ins fünfte Jahrzehnt schon vielerlei unter den Händen gehabt hatte. Er galt in eingeweihten Kreisen als kluger Kopf und geschulter Logiker, obwohl sein Äußeres, eine beginnende Beleibtheit und sein joviales Wesen auf eine gewisse Harmlosigkeit schließen ließen. Man rühmte ihm nach, er habe die schöne Gabe, eine harte Pflicht menschlich zu umkleiden; er war übrigens auch Junggeselle und ging in seinem Dienst völlig auf.

Die Obduktion der Leiche Doktor Eggebrechts förderte nichts wesentlich Neues zu Tage. Er war ohne Zweifel von fremder Hand getötet worden. Es handelte sich um einen Nahschuß, Augenbrauen und Wimpern waren unverkennbar angesengt. Wie der Polizeiarzt vermutet hatte, steckte das Geschoß innen in der Schädeldecke. Es war ein Nickelmantelgeschoß von Kaliber 6,5 mm, nach dem Urteil des Schießsachverständigen aus einem Browning bester Konstruktion abgefeuert. Eine Kugel aus einem der üblichen billigen Revolver hätte diese Durchschlagskraft nicht gehabt.

Die Richtung des Schußkanals und der Einschuß stellten einen Selbstmord, abgesehen davon, daß keine Waffe bei dem Toten gelegen hatte, als durchaus unwahrscheinlich hin.

Die Leiche wurde darauf vom Gericht freigegeben und auf Kosten der Anstalt eingeäschert. Ein Berg von Blumen bedeckte den Sarg, Palmenzweige von der Anstalt und von Kollegen und mit Farben einer studentischen Verbindung, Kränze von Menschen, denen er als Arzt geholfen hatte, ein großer Lorbeerkranz, auf dessen Schleife zu lesen war: »Letzter Gruß« und von dem man sagte, daß er von einer Krankenschwester sei, die unter ihm gearbeitet hatte und von dem jähen Ende so erschüttert war, daß sie sich außerstande fühlte, an der Feier teilzunehmen. Aber sie war nicht die einzige, die dem Toten ehrlich nachtrauerte.

Er war nach aller Ueberzeugung ein netter, harmloser Mensch gewesen, offen, natürlich und ohne jeden Dünkel auch dem letzten Angestellten gegenüber, wenn auch festgestellt werden mußte, daß er zu niemand in ein engeres kameradschaftliches Verhältnis getreten und seelischer Annäherung gegenüber recht zurückhaltend gewesen war.

Von Verwandten des Toten wußte man nichts. Die Amtsblätter brachten einen Aufruf an die Erben, und es blieb abzuwarten, ob er Erfolg haben werde.


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