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Am siebzehnten November, abends ein Viertel vor sieben Uhr, wurde der Assistenzarzt Doktor Eggebrecht im Vorgarten seines Hauses, wenige Schritte vor dem Eingang zu seiner Wohnung, tot aufgefunden.
Es war ein sturmdurchpeitschter Herbsttag, die Luft regennaß, der Himmel schwarz und drohend. Die Bäume, die die Straßen einsäumten, bogen fauchend ihre kahlen Äste.
Die Silhouetten der Häuser standen wie lauernde Gespenster im Dunkel. Durch die menschenverlassenen Straßen schlich die Schwermut.
Die Haushälterin, Frau Milan, wollte sich eben zu einer kurzen häuslichen Besorgung entfernen. Sie hatte bis jetzt auf den Doktor gewartet, da er hinterlassen hatte, daß er bis sechs Uhr Dienst habe und dann nach Hause kommen werde. Daß er nicht kam, war nicht sonderlich auffallend; sie wollte jetzt nur noch schnell vor Ladenschluß einkaufen gehen.
Sie war kaum die wenigen Stufen von der Haustür herabgekommen, da sah sie den Doktor auf dem Wege zwischen dem Haus und der Vorgartenpforte liegen.
Natürlich erschrak sie sehr und war anfangs nicht imstande, einen klaren Gedanken zu fassen. Trotz der Spärlichkeit des Lichts, das von dem erleuchteten Hausflur auf ihn fiel, erkannte sie ihren Herrn. Er lag quer über dem Weg, den Kopf auf den schön gemusterten grauen Steinfliesen. Auf der Stirn war ein dunkler Fleck, den sie für Blut hielt, und auch auf den Steinen waren schwärzliche Spuren.
Sie hielt ihn für tot, und ein Grauen packte sie. Es war so heftig, daß sie es nicht fertigbrachte, dicht an ihn heranzutreten oder ihn gar zu berühren. Erst später sagte sie sich, daß es doch ihre erste Pflicht gewesen wäre, sich zu überzeugen, ob er tot sei oder noch ihrer Hilfe bedürfe.
Aber sie tat dann doch instinktiv das Vernünftigste, was sie tun konnte: sie lief ins Haus zurück und telefonierte nach dem Krankenhaus, das nur wenige Häuser entfernt lag und in dem der Doktor als Assistenzarzt angestellt war.
Hastig verlangte sie den Chefarzt zu sprechen und hatte auch das Glück, daß er gerade im Büro anwesend war. Sie sprach aber so aufgeregt, daß Professor Althoff aus ihren Worten zunächst nicht recht klug werden konnte und erst durch Gegenfragen ein einigermaßen klares Bild erhielt.
»Wie? Doktor Eggebrecht tot vor seinem Haus? Was ist denn geschehen?«
Sie wisse nichts davon, schluchzte sie; vielleicht sei er gestürzt, denn die Stirn sei blutig, oder es sei gar eine Untat geschehen. Der Herr Professor möge um Gottes willen gleich herüberkommen.
Er werde sofort da sein, antwortete der Professor; sie möge unterdessen nichts vornehmen und insbesondere alles unberührt lassen. Wie es den Anschein habe, müsse man die Polizei benachrichtigen.
Das Krankenhaus lag mit seinen vielen Gebäuden auf einem hügligen Gelände draußen vor der Stadt und war selbst eine kleine Stadt für sich. Um die eigentlichen Gebäude herum standen Villen und in Gärten gebettete Einfamilienhäuser. Das waren die Wohnungen der Ärzte und des Verwaltungs- und Pflegepersonals. In einem wohnte Doktor Eggebrecht; der Weg zu seiner Dienststelle betrug kaum drei Minuten.
Nach kurzer Zeit traf Professor Althoff ein in Begleitung des Verwaltungsbeamten, der in seinem Büro den telefonischen Anruf aufgenommen hatte.
Die beiden Herren betraten das Gartengrundstück, Frau Milan erwartete sie unter der Tür. Der Professor erhellte den Schauplatz mit seiner Taschenlampe. Er leuchtete dem Doktor ins Gesicht, drückte seinen Daumen auf die Halsschlagader, schob ihm ein Augenlid empor und sagte leise und erschüttert:
»Tot. Schußwunde in der Stirn über dem linken Auge. Nichts mehr zu machen.«
»Mein Gott, ermordet?« rief Frau Milan von der Tür her.
»Das ist noch nicht gesagt«, antwortete der Professor. »Es kann auch ein Selbstmord sein, die Waffe ist in der Dunkelheit nur nicht gleich zu sehen. Jetzt nach ihr zu suchen, kommt uns nicht zu. Wir könnten wertvolle Spuren verwischen und müssen deshalb die Feststellung der Polizei überlassen.«
Zu seinem Begleiter sagte er dann mit gedämpfter Stimme:
»Würden Sie an einen Selbstmord Eggebrechts glauben können, das heißt – von den äußeren Umständen abgesehen – lediglich aus inneren Gründen?«
»Schwer.«
»Es würde mir auch so gehen.«
»Der Doktor war ein sonniger Mensch, grübeln und etwas schwer nehmen lag ihm fern, und seine äußeren Verhältnisse waren, soweit uns bekannt ist, vollständig geordnet. Es würde das Motiv fehlen.«
»Sicher. Obgleich die letzten Gründe bei Selbstmorden meist dunkel bleiben. Was man so angibt, trägt immer den Stempel der Oberflächlichkeit an sich.«