Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Zwölfter Gesang.

1.
                      Doch ruhig sahn zu Frey's erhabnem Thron
Die Heiden in der Burg das Heer der Christen schreiten.
Wohl ahnen sie das Werk, das Jene dort bereiten,
Doch Jeder traut dem Gott und denkt im stillen Hohn:
Wohl wird der mächt'ge Frey für seinen Hügel streiten
Und wild die freche Schaar mit jähem Zorn bedrohn.
Doch sieh, schon sinkt der Herd, von Feindeshand zerschlagen,
Schon sieht man hoch das Kreuz auf seinen Trümmern ragen.
 
2.
Wie heimlich oft die rasche Flamm' entspringt
Im niedrigen Gebüsch, an dunklen Waldesstellen;
Noch schwimmt der Dampf umher in mannichfalt'gen Wellen,
Indeß nur hier und dort die Gluth hervor sich ringt;
Doch mächtig naht der Sturm, der Flamme Kraft zu schwellen,
Die wild und gierig bald von Baum zu Baum sich schlingt,
Es saust und kracht im Hain mit grimmigem Getümmel,
Und tausend Häupter hebt die rothe Gluth zum Himmel:
 
3.
So hört man jetzt zuerst der Heiden stille Wuth
Durch dumpfes Murmeln sich und leises Dräun verkünden,
Noch kann der irre Zorn den sichern Pfad nicht finden
Und wälzt sich hin und her mit ungewißer Fluth;
Doch heller stets beginnt der Grimm sich zu entzünden,
Ein Jeder faßt das Schwert, ein Jeder lechzt nach Blut,
Rings rennt und wogt das Volk in wildempörten Massen,
Auf, zu den Waffen! ruft's auf Mauer, Burg und Gassen.
 
4.
Zur Königshalle wälzt der wüste Schwarm sich fort,
Ein Jeder heischt die Schlacht und will die Götter rächen.
Vergebens sucht der Fürst ihr Zürnen zu besprechen,
Sein Rath ist flücht'ger Schaum, ein Hauch im Sturm sein Wort;
Schon will das Volk allein hinaus in's Lager brechen,
Schon reihn und rüsten sich die Haufen hier und dort,
Da läßt der König auch, die Menge zu versöhnen,
Lautschallend von der Burg den goldnen Schild ertönen.
 
5.
Nun rasselt's rings von lautem Waffenklang,
Nun bebt der Grund von Fußvolk, Roß und Reitern,
Ein jeder Held beginnt den kühnen Schlachtgesang
Und zieht einher, umringt von rüstigen Begleitern.
Hier naht gepanzert Volk mit dröhnend festem Gang,
Dort schweift in freud'ger Hast ein Schwarm von leichten Streitern,
Und wechselnd prangt nach Würde, Sitt' und Land
Die mannichfalt'ge Schaar in Waffen und Gewand.
 
6.
Wie schlank und stolz auf steilen Bergeshöhen
Mit schwarzem Haupt ein Tannenwald sich thürmt,
Wo eng vereint die hohen Stämme stehen,
Im trotz'gen Bund, wenn wild das Wetter stürmt:
So war die dichte Schaar der Dänen anzusehen,
Worin der Schild den Schild, der Held den Helden schirmt;
Hell blinkte jeder Mann im ehrnen Waffenglanze,
Zum festen Kampf bewehrt mit Axt und Schwert und Lanze.
 
7.
Auf hohem Wagen zog der alte Fürst einher:
Sein starker Arm gebot vier schwarzen Panzerrossen,
Die Glieder leuchteten in kriegerischer Wehr,
Dem ew'gen Felsen gleich vom starren Eis umschlossen,
Und wie ein Fichtenstamm, am moos'gen Thurm entsprossen,
Erglänzt in seiner Hand ein ungeheurer Speer,
Von Golde war der Schild, der seinen Leib beschützte,
Von Gold der hohe Helm, worauf die Krone blitzte.
 
8.
Doch mächtig hob, in dreifach Erz gehüllt,
Sich Skiold empor im Kreis der Waffenbrüder.
So schaut ein Heldenmahl, auf wüstem Schlachtgefild
Aus Steinen aufgethürmt, auf dunkle Gräber nieder.
Auf seinem Helme schwang ein Adler sein Gefieder,
Von Blitzen funkelte sein ungeheurer Schild.
Dem starken Freunde geht der tapfre Rolf zur Seite,
Im Rathe wohl geprüft und wacker auch im Streite.
 
9.
Dann naht mit Edelrad der Jüten rüst'ger Schwarm,
Mit ihm, für den im Kampf sein Bruder jüngst gefallen.
Wohl ruht er bald vielleicht im holden Liebesarm,
Wohl schmückt die Braut vielleicht dem Sieger schon die Hallen,
Doch ihn umschattet noch der stillgenährte Harm,
Nur Rache fühlt er jetzt, nicht Lieb' im Herzen wallen,
Wohl gäb' er gern mit wildverstörtem Sinn
Für seines Feindes Blut die Liebste selbst dahin.
 
10.
Dann sieht man Biorn vor seinen Schaaren prangen,
Und Torkill zieht mit ihm, sein treuer Kampfgenoß,
Er, der daheim, als Harald's Schilde klangen,
Die holde Braut verließ im väterlichen Schloß.
Wie hielt sie schweigend ihn und lang' und fest umfangen,
Wie zagte Wort und Blick, wie manche Thräne floß!
Allein wie bitter auch sich Lieb' und Pflicht entzweiten,
Er ging, für seinen Gott und für sein Volk zu streiten.
 
11.
So warfst auch du, mein Führer und mein Freund,
O Beaulieu, deutscher Held, als noch am Himmelsbogen
Die Waage schwankend hing, dich in des Krieges Wogen
Und drängtest ritterlich den übermächt'gen Feind.
Wie schwarz die Wetter auch um deine Liebe zogen,
Dir war das Vaterland noch inniger vereint.
Heil dir, der friedlich jetzt im Schatten seiner Eichen
Sich mit den Kränzen schmückt, die Lieb' und Ruhm ihm reichen!
 
12.
Doch wie des Nachts auf wüstem Brockenfeld,
Wenn schauerlich unholde Zauber walten,
Ein düstres Heer verworrener Gestalten
Sich grauenvoll zum frohen Fest gesellt;
Dumpf heult der Wind in tiefen Felsenspalten,
Die Haide seufzt, die Tanne saust und gellt,
Und tobend kommt der Schwarm durch's Moor herangefahren,
In wildverzerrter Form, mit grimmgesträubten Haaren:
 
13.
So nahte jetzt um Grombar rings zerstreut
Das rauhe Heer von Hekla's Eisgefilden.
Es prangte jeder Mann im seltsam fremden Kleid,
Die Helme starrten hoch von gräßlichen Gebilden,
Manch Scheusal zeigte sich auf ihren mächt'gen Schilden,
Wie dort ihr grimm Gezücht die Nebelinsel beut,
Und schaurig klang in ihren Waffenkreisen
Manch Lied der Schlacht in dunklen Sangesweisen.
 
14.
Wie sich ein Nachtgewölk' am heitern Himmel regt,
Zieht stolz ihr düstrer Fürst im hellen Sonnenstrahle.
Zwei Männer heben kaum die Keul' aus blankem Stahle,
Die er mit leichtem Schwung in starker Rechte trägt;
Ihn deckt des Bären Fell, den er im finstern Thale
Zum blut'gen Trank der KraftZum blut'gen Trank der Kraft – Die Sage erzählt von einem berühmten Kämpfer Biarko, der, als er einst einen Bären von ungewöhnlicher Größe erlegt hatte, seinem Diener Hialto befahl, von dem Blute desselben zu trinken, um stärker dadurch zu werden. Olaus Magn. L. V. C. 16. nach hartem Kampf erlegt;
Und grimmig bäumte sich dem Helm zur Zier und Wache
Hoch über seinem Haupt ein schwarzbeschwingter Drache.
 
15.
Mit wildem Klang und lautem Schlachtgeschrei,
Wie krächzend in der Luft viel Geier sich gesellen,
Zieht dann ein kühnes Volk, das Tolkar von den Wellen
Des eis'gen Meers geführt, zum raschen Kampf herbei.
Die lange Lanze weiß den Feind von fern zu fällen,
Auf ihren Helmen ragt manch hohes Hirschgeweih.
Ihr ries'ger König prangt gebietend vor dem Heere
Und schwingt in jeder Hand zwei ungeheure Speere.
 
16.
So reiht sich Harald's Volk. Doch nahn der blut'gen Schlacht
Die Männer nicht allein. Auf stolzen Rossen reiten
Viel holde Jungfraun auch in kühner Waffenpracht,
Zur edlen Heldenbahn die Liebsten zu begleiten.
Ihr Aug', in dem so mild die Liebe sonst gelacht,
Scheint mit den Blitzen jetzt an hellem Zorn zu streiten;
Doch ist der Waffenrock, der ihre Glieder drückt,
Mit mancher bunten Zier anmuthig ausgeschmückt.
 
17.
So ritten einst die göttlichen Walkyren,
Wie holden Truges voll die alte Sag' uns lehrt,
Zur Schlacht hinaus, die Helden heimzuführen
Aus blut'gem Thal zu Wallhalls heil'gem Herd.
Die Waffe schien zugleich zu schrecken und zu zieren,
Und sichern Tod und süßen gab ihr Schwert;
Doch war der Krieg vollbracht, dann dienten sie den Gästen
Mit minniglicher Huld bei Odin's Götterfesten.
 
18.
Thorilde führt die holde Schaar,
Ein silbern Panzerkleid umhüllt die schlanken Glieder,
Und leicht und lieblich wallt ihr dunkles Lockenhaar,
Vom Winde sanft gewiegt, zur hellen Rüstung nieder;
Doch regt's in ihrem Blick sich wild und wunderbar,
Als strahl' ein Fluchgestirn aus klaren Quellen wieder,
Und wechselnd schwebt um's ernste Angesicht
Der Ahnung Nacht, des Zorns erglühend Licht.
 
19.
Doch, wo die ersten Glieder schreiten,
Da geht im ernsten Kreis der Skalden edle Zahl.
Gleich rüstig ist ihr Muth zum Singen und zum Streiten,
Ihr Lied ergötzt das Herz, und Wunden schlägt ihr Stahl;
Im Kampfe rühren sie mit ehrnem Schwert die Saiten,
Doch süß mit leichter Hand am hochzeitlichen Mahl.
Und während laut umher die Harfen jetzt erdröhnen,
Beginnt aus tiefer Brust ihr heilig Lied zu tönen:
 
20.
Was schimmert dort an fernen Bergeshöhn?
Welch helles Licht umleuchtet Odin's Hallen?
Die Götter nahn, mit euch zum Kampf zu gehn,
Schon hör' ich fern ihr mächt'ges Wandeln schallen.
Schön ist der Sieg, und auch der Tod ist schön;
In Freuden prangt, wer siegt, und wer gefallen.
So tönt das Lied und facht in jedem Mann
Des wilden Muths unbänd'ge Flammen an.
 
21.
Jetzt öffnen sich des Thors gewalt'ge Gitter,
In Schaaren strömt das rüst'ge Volk hinaus,
Rasch sprengen hier und dort die rüst'gen Dänenritter
Und fordern schon von fern den Feind zum Kampf heraus,
Die weite Flur ertönt, als nah' ein Ungewitter,
Von Wiehern, Klang und Ruf und Stampfen und Gebraus,
Und furchtbar gellen oft durch's tobende Gedränge
Gleich lautem Schlachtgebot die ehrnen Saitenklänge.
 
22.
Schnell eilen jetzt vom hohen Lagerwall
Die Späher durch das Heer, die Kunde zu verstreuen.
Die Feinde nahn! so ruft es überall,
Auf, Krieger, auf, zu Roß! bewehrt euch! schließt die Reihen!
Von Zelt zu Zelt tönt lauter Hörnerschall,
Mit Waffenklang gemischt und Frag' und Ruf und Schreien;
Der setzt den Helm auf's Haupt, Der schnallt das scharfe Schwert
Und Der die Rüstung fest, und Jener steigt auf's Pferd.
 
23.
Indeß die Führer nun die Schaaren reihn und theilen,
Und Jeder sich zu seinem Banner stellt,
Tritt Adalbert, zum heil'gen Kampf zu eilen,
Mit ernstem Blick hervor aus seinem Zelt.
Nur kurze Zeit will er bei ihr noch weilen,
Mit der ihn Glaub' und Lieb' und Loos gesellt.
So geht er fort im hellen Waffenprangen,
Das Haupt allein vom Helm noch nicht umfangen.
 
24.
Und als er jetzt ihr Zelt betreten hat,
Da beugt er fromm und still sein Knie zur Erde.
Aus seinem Blick glänzt jede große That,
Sein hoher Sinn aus jeglicher Geberde;
Nicht weiß er, ob vielleicht schon jetzt der Tod ihm naht,
Das weiß er, daß er stets als Sieger sterben werde,
Da sichtbarlich von Gottes Hauch umweht
Ein solch Gebild vor seinem Auge steht.
 
25.
Die Sonne blickt mit goldnem Strahlenscheine
In's offne Zelt und röthet ihr Gesicht,
Und lieblich scheint's, als ob in heil'ger Reine
Aus ihren Augen erst der helle Schimmer bricht.
So stehst du jetzt im Paradieses Haine,
Du sel'ges Bild, verklärt in eignem Licht,
Und sendest hold auf deines Sängers Lieder
Zum großen Werk Begeistrungsstrahlen nieder
 
26.
26. Und sanft beginnt der Ritter dieses Wort:
Die Feinde nahn, ich muß zum Kampfe gehen;
Der Muth, die Pflicht, der Himmel ruft mich fort.
Nicht wird vielleicht mein Blick dich wiedersehen,
Doch bleibt mir ja die Liebe hier und dort.
Drum sprech' ich: Herr, dein Wille mag geschehen!
Ich klage nicht; selbst dieser Augenblick,
Ein bittrer sonst, ist reich an sel'gem Glück.
 
27.
Denn soll ich nicht der ew'gen Güte danken,
Daß sie durch dich, du reines Heil'genbild,
Der Wünsche Streit, des Willens feiges Schwanken,
Den eitlen Wahn in meiner Brust gestillt?
Durch dich mein Herz mit heiligen Gedanken,
Mit Gottvertraun und sel'ger Ruh' erfüllt?
Daß sie durch dich des Busens wildre Triebe
Gereinigt hat zu Glauben, Muth und Liebe?
 
28.
Hätt' ich auch einmal nur in's Auge dir geschaut,
Wohl achtet' ich mich schon beglückt und hochgeboren;
Jetzt hast du selbst mich liebend auserkoren,
Der Himmel selbst hat dich mir angetraut,
So bist du mein und gehst mir nie verloren.
Leb wohl, geliebtes Bild, leb wohl, du holde Braut.
Verzage nicht und laß voran mich schreiten,
Dir deinen Sitz dort oben zu bereiten!
 
29.
So spricht der Held. Und wie von Gott gesandt,
Ein Engel niedersteigt zum irdischen Gefilde
Und still durch's Leben wallt, von Menschen unerkannt,
Doch plötzlich sich verklärt in heil'ger Kraft und Milde;
Schon leuchten Sterne rings am luftigen Gewand,
Und Strahlen sprühn umher vom göttlichen Gebilde,
Und der noch kaum am Spiel der Kindlein sich erfreut,
Steht hoch und prangend da in lichter Herrlichkeit.
 
30.
So scheint Cäcilie sich sichtlich zu erheben
Mit höherer Gestalt und hellerm Angesicht,
Um ihre Lippen scheint das Wehn des Herrn zu schweben,
Sie legt die zarte Hand auf seine Stirn und spricht:
Ich segne dich. Das hat mir Gott gegeben.
Hell blitzt durch meinen Geist mir jetzt sein ew'ges Licht.
Auf deinem Schwert ist Sieg, und Heil auf deinen Bahnen,
Und Gottes Engel ziehn voran den Kreuzesfahnen.
 
31.
Geh hin, ich zage nicht, geh hin zur heil'gen Schlacht!
Nicht halt' ich dich zurück mit bangen Liebesbitten.
Viel hab' ich sonst im Wahn gerungen und gestritten,
Doch jetzt ist Himmelsruh' in meiner Brust erwacht,
Ja selig ist mein Herz, daß es für Gott gelitten,
Für Gott sein einz'ges Glück zum Opfer dargebracht;
Doch sel'ger noch, daß Gottes Lieb' und Gnade
Mich dir zum Trost gesellt auf deinem dunklen Pfade.
 
32.
Wenn dir vielleicht auch jetzt schon dein Verhängniß droht,
Mir bleibt der Trost, daß ich im Glück und Leide
Dich tief und treu geliebt bis in den Tod,
Daß nur ein kurzer Raum die gleichen Seelen scheide.
Die gleiche Nacht umfing, erweckt ein Morgenroth,
Ein Pfad ist uns bereit, ein Himmel für uns beide.
Leb wohl, leb wohl! Doch nein, nicht dieses Scheidewort!
Willkommen, theurer Freund, hienieden oder dort.
 
33.
So ruft sie aus. Da naht mit ernstem Schweigen
Auch Reinald sich, zum tapfern Kampf bewehrt,
Er reitet still heran und grüßt mit tiefem Neigen
Sie ritterlich und senkt das blanke Schwert;
Dann zieht er lächelnd fort, und seine Blicke zeigen,
Daß er für sie den Sieg, für sie den Tod begehrt.
Und auch der Ritter drückt den Helm auf's Haupt und reitet
Zum Kampf hinaus, noch lang von ihrem Blick begleitet.
 
34.
Nur einen Helden hielt der Liebe süßes Band
Noch fern vom Schlachtgewühl. Mit lieblich glühnden Wangen
Saß neben ihm die Braut und flocht mit leisem Bangen
Ihm manche holde Zier um Waffen und Gewand.
Ihr Auge lächelte; doch helle Thränen drangen
Verstohlen oft hervor und netzten ihre Hand,
Die hier und dort bemüht selbst in der hast'gen Eile
Nur neue Zögrung fand, damit der Freund noch weile.
 
35.
Doch als gewalt'ger nun der Ruf des Horns gebeut,
Da fährt sie auf und spricht nach kurzem Sinnen:
Horch, Biarko, horch den Klang! Er ruft dich fort zum Streit.
Selbst dich nicht möcht' ich je durch deine Schmach gewinnen.
Zieh hin! Hat meine Hand doch deinen Stahl geweiht,
Ist doch gerecht und kühn und rühmlich dein Beginnen.
Und kämpft die Lieb' auch oft mit Ehr' und Pflicht,
Verzeihlich ist der Kampf, doch ist ihr Sieg es nicht.
 
36.
So ruft sie aus und reicht zum letzten Scheiden
Mit hellem Blick die zarte Hand ihm dar.
Er springt empor, ergreift das Schwert mit Freuden
Und sprengt vom Kreis der Lust zum Kreise der Gefahr.
Schon liegt der Wall, die Ebne zwischen Beiden,
Schon mischt der Held sich in die erste Schaar,
Er küßt den theuren Speer, geschmückt von ihren Händen,
Dann eilt er muthig ihn in Feindesbrust zu senden.
 
37.
Durch wenig Raum nur sind die Heere noch getrennt,
Schon hört die deutsche Schaar der Feinde Ruf und Dräuen,
Und Torkill, dessen Muth in hellen Flammen brennt,
Zieht schon mit Biorn heran und führt die ersten Reihen.
An holden Bildern scheint sein Geist sich zu erfreuen,
Er denkt an sie, die stets sein treues Herz ihm nennt,
Und späht schon jetzt umher, an wem sein Schwert sich übe,
Um durch gewalt'ge That zu zeigen, daß er liebe.
 
38.
Doch Biarko sprengt dem deutschen Heer
Im Sturme jetzt voran; er sendet gleich dem Blitze
Den kühnen Blick voraus und hebt und wirft den Speer;
Auf Torkill's Busen schwingt sich rasch die ehrne Spitze,
Nichts frommt des Schildes blanke Wehr,
Kein Panzer ist so fest, der vor dem Tod ihn schütze,
Es gellt der Schild, die helle Rüstung klingt,
Schon fühlt das Herz den Stahl, der Held erseufzt und sinkt.
 
39.
So mußtest du als erstes Opfer fallen,
Den kaum so süß die Hoffnung noch gewiegt!
Doch wählte dir das Glück den würd'gen Feind vor Allen,
Von allen Waffen hat die schönste dich besiegt;
Das Band, das jetzt sich färbt von deines Blutes Wallen,
Hat zarte Liebeshand an jenen Speer gefügt,
Und er, der freudig prangt, daß er den Feind erschlagen,
Er würde, kennt' er dich, an deiner Leiche klagen.
 
40.
Im bittern Schmerze springt zur Rache Biorn hervor;
Doch sterbend hält mit matten Händen
Ihn Torkill jetzt zurück: O hebe mich empor,
O laß mich, stammelt er, an deinem Busen enden!
Durch dich nur, den ich früh zum Bruder mir erkor,
Will ich der Liebsten jetzt die herbe Kunde senden,
Dir sey mein Grab, mein Ruhm und meine Pflicht vertraut:
Sey Herrscher meines Volks und schütze meine Braut!
 
41.
Er spricht's und stirbt. Doch näher schon befiedern
Die Schweizer jetzt der Pfeile rasche Saat.
Des Feindes Schleuder saust, dies Grüßen zu erwidern,
Schnell eilt und kehrt der Tod zurück auf luft'gem Pfad.
Schon schwindet hier und dort ein Streiter in den Gliedern,
Ruhmlos gefällt durch ruhmlos dunkle That;
Doch als der Raum sich füllt, da läßt die Hand der Schützen
Für Schleuder und Geschoß die blanken Schwerter blitzen.
 
42.
Gewaltig sprengt Vinzenz, der Schweizerheld,
Die Dänen an und schwingt den scharfen Degen:
Schon mancher Schild und mancher Helm zerschellt,
Vergebens starrt ihm mancher Speer entgegen;
Schon liegen Dannebold und Boldewin gefällt,
Er spaltet Othurs Haupt mit zwei gewalt'gen Schlägen.
Der laute Lärm des nahen Kampfs erwacht,
Und wilder mischt sich schon die rasch entbrannte Schlacht.
 
43.
Bald treffen jetzt sich auch die ganzen Heere,
Es klirrt und braust und donnert durch's Gefild,
Am Schwert erklingt das Schwert, der Speer am Speere,
Dem Helme droht der Helm, der Schild dem Schild.
Die weite Fläche gleicht dem hochempörten Meere,
Vom Donnersturm durchbraust, von Wetternacht umhüllt,
Wo Wolkenbrüche rings und Hagelschauer regnen,
Und Well' und Welle sich und Blitz und Blitz begegnen.
 
44.
Hier starrt gefällt ein dichter Lanzenwald,
Hoch funkelt dort das Schwert im Sonnenscheine,
Zum Rosse drängt das Roß sich mit Gewalt
Und kämpft ergrimmt dem Reiter im Vereine,
Es schwirrt der Pfeil, es sausen Speer' und Steine,
Der Helm zerbricht, der Schild, die Rüstung schallt,
Das Horn ertönt, die Kriegstrompeten schmettern,
Wie Adlerruf in lauten Sturmeswettern.
 
45.
Noch fällt in jedem Heer dem Tode gleiche Saat,
Noch Keiner dringt voran, noch Keinen sieht man weichen;
Wie Schwert um Schwert sich hebt, so wechseln That um That,
Wer kaum den Feind erlegt, erliegt von Feindesstreichen.
Da bricht zuerst sich Adalbert den Pfad,
Er sprengt durch Blut, durch Waffen, Wund' und Leichen
Dem Orte zu, wo Islands Heldenreihn
Mit grimmigem Gefecht die deutsche Schaar bedräun.
 
46.
Wie riesenhoch sich eine Wassersäule
Mit dunklem Haupt aus wildem Meer erhebt,
So zieht ihr Fürst voran und schwingt die ehrne Keule,
Bei deren Fall die Luft, der Grund, nur er nicht, bebt.
Ihm folgt die Kriegerschaar mit lautem Schlachtgeheule,
Auf ihren Helmen scheint der grause Schmuck belebt:
Die Flügel schwingt der Aar, weit gähnt des Wolfes Rachen,
Des Greifen Kralle droht, und Flammen spein die Drachen.
 
47.
Kaum naht sich jetzt von fern der deutsche Held,
Da hebt sein Feind die mächtige Keul' aus Eisen
Und schwingt sie leicht um's Haupt in raschen Kreisen,
Daß laut die Luft von ihrem Schwunge gellt.
Und dumpf beginnt er dann die alten Väterweisen
Und geht mit trotz'gem Schritt durch's blutbedeckte Feld.
Sein Riesenleib erhebt sich über alle Streiter,
Und höhnisch schaut sein Blick herab auf Roß und Reiter.
 
48.
Der Ritter spornt sein Roß und senkt den Lanzenschaft,
Doch Jener hebt die Wehr zu ungeheuren Hieben
Und trifft des Feindes Spieß mit so gewalt'ger Kraft,
Daß Erz und Splitter rings in alle Lüfte stieben.
Schnell hat indeß der Held das Roß vorbeigetrieben,
Daß er sein Thier und sich dem zweiten Schlag entrafft,
Der, als er hinter ihm zur Erde niederwettert,
Gesunkne Schild' und Helm' und Leichen nur zerschmettert.
 
49.
Doch Jener hat indeß sein rasches Roß gewandt,
Er zückt das gute Schwert, indeß der wilde Heide
Die Waffe wieder hebt, und trennt mit scharfer Schneide
Durch einen Schlag vom Arme Keul' und Hand.
Dann zuckt er's noch einmal und stößt, von Zorn entbrannt,
Den Stahl durch's Waffenkleid ihm tief in's Eingeweide.
Er fällt und mordet noch in letzter Todeswuth
Ein sterbend Kriegerpaar, das ihm zur Seite ruht.
 
50.
Doch wüthend naht, um Grombar's Tod zu rächen,
Das Inselvolk mit grimmigem Geschrei,
Sie drohn und schwärmen rings, sie werfen, haun und stechen.
Noch hält des Ritters Schild vor Hieb und Wurf ihn frei,
Doch muß er bald von harten Schlägen brechen,
Und nur sein gutes Schwert bleibt noch dem Helden treu;
Das schwingt er ohne Rast in unverzagten Händen,
Bald Tod umherzustreun und bald ihn abzuwenden.
 
51.
Indeß beginnt mit leichter Reiterschaar
Der Sänger durchs Gefild bald hier bald dort zu sprengen,
Und wie sein freud'ger Geist in irrenden Gesängen,
So schweift sein Muth umher durch lust'ge Kampfgefahr.
Da sieht er fern das Volk im wilden Streit sich drängen,
Er nimmt des Freundes Noth, die Wuth der Feinde wahr.
Auf, ruft er, auf, dort gilt's! und fliegt heran zum Streite,
Und rasselnd sprengt die Schaar der Reiter ihm zur Seite.
 
52.
Sein leichtes Rößlein scheint die Erde zu verschmähn,
Der seidne Mantel wallt, entführt vom flücht'gen Winde,
Es lacht der blanke Schild, des Hutes Federn wehn,
Um seine Schultern glänzt die goldne Waffenbinde;
Sein Wesen ist so mild und freundlich anzusehn,
Sein Schmuck so festlich hell, als ob er Frieden künde;
Und selbst sein scharfer Stahl, auf den die Sonne blickt,
Scheint mehr zur Lust, als zum Gefecht gezückt.
 
53.
Doch wie ein Blitz vom heitern Himmel nieder
Sich zündend senkt in's dichte Dorngesträuch:
Das Feuer sprüht empor und schwingt sich hin und wieder,
Umzittert jedes Blatt und hüpft von Zweig zu Zweig,
In tausend Farben spielt's, regt tausend schnelle Glieder,
Zerstörend zwar, doch lieblich auch zugleich:
So bricht mit Reinald jetzt die freud'ge Schaar der Reiter
Mit raschem Schwertesschlag in Islands wilde Streiter.
 
54.
Den mächt'gen Hjelm, der schon die Lanze schwingt,
Um Adalbert im Rücken zu durchstechen,
Ereilt des Sängers Schwert, daß Helm und Haupt zerspringt,
Und Herz und Augen ihm im raschen Tode brechen;
Auch Suerting, der sich naht, des Freundes Fall zu rächen,
Erliegt dem Stahl, der noch von theurem Blute blinkt,
Er stürzt auf Hjelm herab und nagt mit bleichem Munde
Im wilden Todeskrampf an seines Freundes Wunde.
 
55.
Noch weiß der Ritter nicht, wer ihn so rasch befreit,
Doch hört er Schwerterklang und Jauchzen hinter'm Rücken;
Er wendet sich und grüßt mit freud'gen Blicken
Den lieben Freund, der treu die Hand ihm beut.
Dann wählt er Lanz' und Schild sich aus den Waffenstücken,
Die rings der wilde Krieg am Boden ausgestreut,
Und eilt mit neuer Kraft die Feinde zu bestürmen,
Die, kaum so trotzig noch, sich jetzt nur mühsam schirmen.
 
56.
Schon färbt sein mächt'ger Speer von Hakon's Blut sich roth,
Und Haldan ächzt durchbohrt und stützt sich matt auf Leichen,
Dann senkt auf Haquin sich und Ringo rascher Tod,
Der fällt vom Roß zerstampft, und Der von Schwertesstreichen,
Auch Halgo, der dem Feind mit schwerer Kolbe droht,
Und Hort, der nie gelernt im Heldenkampf zu weichen,
Sie, deren kühnes Schwert in mancher Schlacht erklang,
Sie leben künftig nur in Sag' und in Gesang.
 
57.
Da nahte Gunnar sich, aus Niflungs Stamm entsprungenDa nahte Gunnar sich, aus Niflung's Stamm entsprungen – Die Nibelungen-Sage zieht von Deutschland durch den ganzen skandinavischen Norden bis nach Island, freilich mit wesentlichen Veränderungen, aber doch sichtbar aus einem Stamm entsprungen, hinauf. S. M. C. Grimm über die Entstehung der altdeutschen Poesie u. s. w. in den Studien von Daub und Creuzer. B. 4. ,
Der einst am edlen Rhein die mächt'gen Wurzeln schlug.
Von ihren Thaten ward manch altes Lied gesungen,
Das weit der Helden Ruhm durch alle Länder trug;
Doch Gunnar's Name war auf Erden nie erklungen,
Schwer lag auf seinem Haupt der Rache dunkler Fluch,
Er lebt' auf Islands Aun verwaist und abgeschieden,
An Muth den Ahnen gleich, vom Siege stets gemieden.
 
58.
Noch einmal hatt' er jetzt dem Heere sich gesellt,
Durch Kühnheit oder Tod den alten Fluch zu enden.
Er schreitet weit hervor und zückt mit beiden Händen
Der Väter mächt'ges Schwert, das rasselnd niederfällt.
Doch weiß des Ritters Schild den raschen Schlag zu wenden,
Indeß sein guter Stahl des Feindes Helm zerschellt;
Er sinkt. Kein Hügel wird, kein Mahl dem Enkel sagen:
Hier liegt der letzte Sproß des Heldenstamms erschlagen.
 
59.
So liegt umstrickt vom dichten Dorngerank
Das Hünengrab auf schauerlicher Haide.
Wohl focht hier einst ein Held in muth'ger Kampfesfreude,
Die Feinde zitterten, wenn fern sein Schwert erklang,
Und manches treue Herz verging im bittern Leide,
Als auch der Kühnste hier zum Tode niedersank.
Jetzt ist am morschen Stein sein Name längst verwittert,
Ihn weiß das Lüftchen nur, das um den Hügel zittert.
 
60.
So kämpft der deutsche Held. Doch stets zur Schlacht bereit,
Hält Archimbald indeß am andern Heeresflügel
Mit seiner Ritterschaar auf einem wald'gen Hügel,
Der hoch empor gethürmt der nahen Flur gebeut.
Die Panzer funkelten wie hellgeschliffne Spiegel,
Noch unbefleckt vom blutig wilden Streit;
Denn weise hemmt der Greis den Muth der edlen Schaaren
Und will den günst'gen Ort zum Schutz des Heers bewahren.
 
61.
Skiold kämpft indeß im blut'gen Wiesenthal,
Wo am gewaltigsten des Krieges Stürme toben;
Da hebt er seinen Blick und sieht den Hügel droben
Mit Speeren dicht bepflanzt und hell vom blanken Stahl.
Jetzt will sein Arm den kühnsten Kampf erproben,
Er sammelt schnell der Seinen rüst'ge Zahl
Und naht im raschen Sturm sich mit verhängtem Zügel
Und lautem Schlachtgeschrei dem wald'gen Felsenhügel.
 
62.
Mit starren Klippen sind die Höhen dort bewehrt,
Wo Skiold und seine Schaar dem Feind entgegendringen.
Doch früh geübt versteht das leichte Dänenpferd
Auf unwegsamem Pfad sich kletternd aufzuschwingenDoch früh geübt, versteht das leichte Dänenpferd / Auf unwegsamem Pfad sich kletternd aufzuschwingen. – Die nordischen Pferde sind nicht blos wegen ihrer Ausdauer, sondern auch wegen ihrer Sicherheit und Behendigkeit auf beschwerliehen Wegen berühmt. Olaus Magn. L. XVII. Cap. 16. führt neunzehn Ursachen ihrer Vorzüglichkeit vor andern Racen an. ;
Bald sieht man's ohne Furcht am steilen Rande springen,
Der schmale Pfade kaum dem Wanderer gewährt,
Und bald an schroffen Felsenecken
Zum ungeheuren Satz die schlanken Glieder strecken.
 
63.
Nicht ohne Blut gelingt die hoch vermeßne That,
Dicht reihn am Bergeshang sich Archimbald's Genossen
Und drängen unverzagt mit sausenden Geschossen
Den kühnen Feind, der nur mit Müh sich naht.
Bald sinken hier und dort die Reiter von den Rossen,
Bald stürzt das Roß durchbohrt auf rettungslosem Pfad;
Man sieht sie grausenvoll von Fels zu Felsen fallen
Und hört noch fern empor die Rüstung brechend schallen.
 
64.
Auch manches deutsche Roß empfängt aus Feindes Faust
Den scharfen Speer. Wo steil die Felsen ragen,
Da steigt es wild empor und wiehert laut und braust
Und reißt den Reiter mit, den es so treu getragen.
Man sieht's im raschen Fall sich gräßlich überschlagen,
Indeß die Luft vom Schwung der schweren Bürde saust.
Oft stürzt es auf den Feind, der es getroffen, nieder
Und giebt für jähen Tod den jähen Tod ihm wieder.

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