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Wie hell das weite Meer in glatter Stille ruht, Wenn athemlos die raschen Winde schweigen, Doch gaukelnd naht ein West, und schwankend wallt die Fluth Zum Strand und bebt zurück, und bunte Perlen steigen In flücht'gen Kreisen auf, erzitternd hüpft der Schaum Und bilderreich umher, doch friedlich noch entfaltet Der Tiefe grünes Reich den ungemeßnen Raum, Worin ein Zauberspiel rastloser Wunder waltet: |
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2. |
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So schwieg zuerst, als Adelheid Mit sanft verklärtem Blick geschlossen, Der Freunde stiller Kreis. Doch nach und nach ergossen, Vom wandelbaren Drang verschiedner Trieb' entzweit, Die freud'gen Herzen sich, und Aller Augen flossen Von süßer Lust, von süßem Leid. Ein bunter Zauberquell von wechselnden Gefühlen Schien tief und unverhüllt in jedem Blick zu spielen. |
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3. |
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Und schnell entschwand der Tag im traulichen Verein. Und als die Nacht mit schwarz bewölktem Schleier Sich aus dem Thal erhob, durchzog bei Fackelschein Die heitre Schaar das finstre Burggemäuer. Hell blitzte rings, bestrahlt vom regen Feuer, Im feuchten Tropfenglanz das ragende Gestein, Und seltsam, wie im Traum die Formen oft zerrinnen, Gestalteten im Licht sich Pfeiler, Thurm und Zinnen. |
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4. |
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Bald öffneten sich jetzt in schauerlicher Nacht Der Hallen hochgewölbte Bogen, Und öde Prunkgemächer zogen Sich durch die Trümmer hin in väterlicher Pracht. Mit feierlichem Ernst rings an den Wänden starrten Die Bilder alter Zeit, und drohend hob die Zahl Der Panzer sich umher, als ob im rost'gen Stahl Gestorbne Helden hier der nahnden Enkel harrten. |
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5. |
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Wohl hatte rings mit wildem Machtgebot Zerstörung hier den ehrnen Stab geschwungen. Gespalten war der Grund, der Wölbung Wand gesprungen, Vom Sturz der Pfeiler schien der wüste Raum bedroht, Zerrissen hing um moosbedeckte Mauern Der goldne Teppich her, der Tisch des Heldenmahls Stand halb verdeckt vom Schutt des hohen Saals, Und jedes Ahnenbild schien grauumflort zu trauern. |
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6. |
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Geschäftig mühten jetzt mit unverdroßner Hand Die Fraun und Ritter sich, das öde Graun zu mindern. Geebnet ward der Grund, gesäubert Deck' und Wand, Und von den ehrnen Waffenbildern Der schnöde Staub verscheucht; vom alten Herde schlug Die muntre Gluth der bunten Flammen Bald hell empor, und Jeder trug Des Sammts verblichne Pracht zum Lager sich zusammen. |
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7. |
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So wurde bald dem todten Graun Ein heitres Bild des Lebens abgewonnen, Und freundlich lächelten die fröhlich holden Fraun Die neue Schöpfung an. So sehn wir milde Sonnen Durch fliehendes Gewölk zur Erde niederschaun, Wenn kaum der starre Frost, der öde Schnee zerronnen, Und bandenfrei, obgleich noch ungeschmückt, Die sanfterwärmte Flur dem Lenz entgegenblickt. |
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8. |
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Und jetzt, als schon allmählig schwächer Die Gluth des Herdes glomm, und nach des Tages Mühn Die bilderreiche Welt der linden Ruh erschien, Da zogen sittiglich in ferne Schlafgemächer Die Fräulein sich zurück. Bald sank auf Adelheid Der süße Traum mit flatterndem Gefieder; Doch betend warf vor Gott Cäcilie sich nieder Und flehte so mit stiller Innigkeit: |
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9. |
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O Gott, allmächt'ger Gott, der du nach rauhen Stürmen Mit starker Hand die wilde Nacht zerstreust, Der du gewaltig bist, des Schwachen Haupt zu schirmen, Und unverhofftes Licht dem Zagenden verleihst – Du güt'ger Gott, wie hast du hell und heiter Den trostlos dunkeln Pfad des Schicksals mir verklärt Und zu der frühen Gruft als freundlichen Begleiter Mir den erfüllten Wunsch der tiefsten Brust gewährt. |
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10. |
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Ein schwaches Werkzeug hast du dir erkoren! Ja sie ist rauh und dornenvoll, die Bahn; Wohl fühl' ich's selbst. Verzeih dem ird'schen Wahn! Auch ich bin ja aus sünd'gem Staub geboren, Nicht bin ich rein wie du. Hast du nicht selbst in's Herz Mir Lieb' und Lust gelegt? O zürn' ihm nicht, dem Schmerz, Der Lieb' und Lust beweint! Ich will ja gern entsagen, O lehre du den Gram des Freundes mich ertragen! |
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11. |
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Du tränkst mit Thau den durst'gen Blüthenzweig, Du läßt den Strahl durch dunkle Wolken scheinen, O Gott, du bist an Lieb' und Huld so reich, Dich freut es nicht, wenn deine Kinder weinen! Ja, du wirst stark und tröstend bei mir stehn, Und sollt' ich einst – o laß ihn nimmer tagen, Den Tag der Schuld! – und sollt' ich einst verzagen, Nicht in's Gericht mit deinem Kinde gehn. |
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12. |
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So fleht sie still. Da träufelt milden Frieden Ihr Engel auf sie hin und wiegt sie leis' und süß In Schlummer ein. Ihr ist ein schöner Trost beschieden, Der Glaub' an Gott, der nie die Seinigen verließ. Er lächelt fromm auf ihren blühnden Wangen, Verklärt mit heiterm Glanz ihr stilles Angesicht, Kühlt mit der Hoffnung Thau ihr schmerzliches Verlangen, Verschmilzt zur Ruh den Sturm und wandelt Gluth in Licht. |
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13. |
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So schläft, vom Abendschein umflossen, Im Frühlingsthau die jugendliche Flur. Wohl regt sich wunderbar, durch jeden Stein ergossen, Der ahnungsvolle Trieb der knospenden Natur; Doch in dem linden Wehn, das jetzt mit Schlummer-Tönen Stillsäuselnd niederwallt, scheint sanft der heiße Drang, Womit zum Licht empor das junge Leben rang, Sich zur erfüllten Lust der Sehnsucht zu verschönen. |
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14. |
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Und hold entblühte jetzt bei'm nächsten Sonnenstrahl Ein schöner Kranz von friedlich heitern Tagen: Früh, wann im Nebelmeer noch Burg und Klüfte lagen, Durchzog das Ritterpaar nach Beute Wald und Thal; Doch ordnend walteten im alternden Gemäuer Die zarten Fraun mit sorglichem Gemüth; Und gern erheiterte des Sängers leichtes Lied Den trauten Kreis am abendlichen Feuer. |
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15. |
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Um Alle webte sich der Liebe Zauberband. Beglückend und beglückt und duldend ohne Zähren Und sehnsuchtsvoll und selig im Entbehren Belohnte Jeder sich mit dem, was er empfand. Ein zarter Abendschein der Wehmuth und der Milde Verklärte jedes Wort und schmückte jede That, Und freundlich schien dem Kreis der irdischen Gebilde Ein himmlisch Licht aus ew'gen Höhn genaht. |
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16. |
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O zartes Leid, ihr stillgeweinten Thränen, Du Schmerz, der durch's Gefühl sich mit sich selbst versöhnt, Du heiliges, du hoffnungsloses Sehnen, Das sich im Wiederschein des fremden Glücks verschönt, Entsagung, Siegesschmuck der heldenmüth'gen Seelen, Die werth zu dulden sind, ihr Kränz' aus Dämmerlicht, Womit das Schicksal stets die heitre Welt umflicht, Euch ließ die Liebe nie in meinem Leben fehlen! |
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17. |
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Ein holdes Labyrinth von süßen Bildern hielt Den nord'schen Helden jetzt und seine Braut umschlossen, Und Alles, was schon einst ihr zweifelnd Herz gefühlt, Das schien, vom Sonnenschein beglückter Lieb' umflossen, Lebend'ger aufzublühn. Wie wurden Wort und Blick Verstohlen jetzt belauscht! wie hing am Blüthenrande Der Lust das trunkne Herz und sah in jedem Pfande Der längst bewährten Huld ein unbekanntes Glück! |
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18. |
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So lauscht, vom goldnen Saum der Wolken halb umkleidet, Der Lenz zur Flur hinab, wenn seine holde Braut Zum Fest sich kränzt. An jeder Knospe weidet Sein lüstern Auge sich, in jedes Blümchen thaut Sein Fittig bunten Glanz, er sieht im Licht der Quellen Sein lächelnd Bild und staunt, auf leisem Frühlingshauch Schwebt er hinab zum Spiel mit leichten Wellen Und flüstert sehnsuchtsvoll im duft'gen Blüthenstrauch. |
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19. |
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Noch scheinen beide nur das sel'ge Glück zu ahnen, Das ihnen längst im hellen Glanz erschien; Durch zarte Sorg' und freundliches Bemühn Sucht Jeder sich den Pfad zum schönen Ziel zu bahnen, Das längst errungen war. Wie herrlich auch und licht Beglückte Lieb' aus Beider Augen spricht, So denkt doch jedes Herz mit heimlich süßem Bangen: Ist's auch kein holder Traum, der schmeichelnd dich umfangen? |
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20. |
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O Blüthenzeit der jungfräulichen Lust, Wenn kaum die Lieb', aus ihrer Knosp' entkeimend, Halb zweifelnd noch und halb des Sieges sich bewußt, Von hellem Glück umglänzt, von hellerm Glücke träumend, Die neue Welt erblickt; wie hebt sich dann die Brust So bang und doch so kühn, wie sprudelt leicht und schäumend Des Lebens frischer Quell, wie schwebt der Bilder Spiel So ahnungsvoll um's dämmernde Gefühl! |
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21. |
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Indeß die Liebe nun mit ihren reinsten Freuden In's Herz der Glücklichen vom Himmel niederstieg, Und jeder fremde Wunsch in ihrem Busen schwieg, Bekämpfte Folko's Sohn mit starkem Sinn die Leiden Der hoffnungslosen Brust. Wohl trübte Wort und Blick Sich oft vom bittern Schmerz, der sein Gefühl entzweite, Wohl drängt' er mühsam nur nach langem Widerstreite Die laute Klag' in's tiefe Herz zurück. |
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22. |
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Doch wenn er dann empor zu seiner Heil'gen schaute, Die stark durch Gott mit ernster Freudigkeit Auf sich, auf ihn und auf den Herrn vertraute, In Liebe schön und groß im stillen Leid; Wenn sie so mild die düstre Ferne Der Zukunft ihm mit heiterm Schmuck umwand Und freundlich ernst, gleich einem hellen Sterne, Im nächtlichen Gewölk des rauhen Lebens stand: |
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23. |
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Dann fühlt' er hoch sein Herz von edlem Muth erhoben, Zerrissen sank der Schleier dann hinab, Ein göttlich Licht erschien ihm dann von oben, Ein goldner Blüthenkranz umleuchtete sein Grab; Dann zürnt' er still dem unbeständ'gen Zagen, Das ihm so lange schon den köstlichen Gewinn Der großen That entzog, und schwur mit festem Sinn, Den siegreich kühnen Kampf mit Schmerz und Tod zu wagen. |
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24. |
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Einst zog das Ritterpaar zur frühen Jagd hinaus. Bergauf, bergab, durch Wald und Fels und Niederungen War ohne Rast ihr Fuß schon lange vorgedrungen, Doch dehnte weiter stets der dichte Hain sich aus. Und jetzt, als immer mehr die Zweige sich verwirrten, Und jede leise Spur des Pfades sich entstahl, Da hemmt' ein dunkles Klippenthal Mit schroffgespaltner Wand die Bahnen der Verirrten. |
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25. |
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Gewaltig ragten hier die finstern Höhn empor, Und kühn am steilen Fels, der rings die Berge krönte, Sprang zackiges Gestein mit drohndem Schwung hervor, Worauf im Sturm die Nacht der schwarzen Fichten tönte, Lautzürnend ließ der Strom der Wellen trotz'ge Macht Durch's enge Bett zerrißner Klippen schallen, Und ernst erhob in grüner Pracht Die dichte Wölbung sich der alten Eichenhallen. |
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26. |
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Mühselig klomm das edle Paar, Um einen sichern Pfad zur Rückkehr aufzufinden, Die schroffe Wand hinan. An grausen Felsenschlünden Schwankt ungewiß ihr Fuß, und drohende Gefahr Gähnt aus der Tief' empor. Doch als der steile Rücken Des Berges ebner wird, da lichtet sich der Hain, Und heiter liegt im Sonnenschein Ein weitgedehntes Thal vor ihren freud'gen Blicken. |
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27. |
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Fern drängten dort, wie zahllos rings im Meer Die weiße Woge schäumt, sich schimmernde Gezelte, Und Krieger flogen rings auf hohem Roß umher, Trompeten schmetterten, in blanke Reihen stellte Zur Heerschau sich das Volk. Und als sie staunend stehn, Sieht Adalbert mit freudig raschem Zagen In blauer Luft, vom Winde leicht getragen, Den heil'gen Schmuck der deutschen Banner wehn. |
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28. |
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Heil dir, mein Volk! Dort flattern deine Fahnen! So ruft er jetzt mit froher Ungeduld. O Vaterland, du kamst, an seine Schuld Den Zögernden mit lautem Ruf zu mahnen! Dank dir, ich bin bereit! O Freund, was zaudern wir? Dort ist die Hülf' uns nah, dort ist uns Noth zu streiten; Bald soll das siegende Panier Zu deinem Throne dich, und mich zum Tode leiten! |
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29. |
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Wohl hat der Kaiser jetzt den längstbeschloßnen Krieg Mit Harald's trotz'gem Volk begonnen, Schon dämmern fern die himmlisch reinen Sonnen, Die Odin's Nacht zerstreun, bald lohnt ein heil'ger Sieg Des Glaubens tapfern Kampf! Sieh, wie sie wehn und winken, Die Banner unters Heils, wie hell zur kühnen That Des Erzes Klang uns ruft! Dorthin geht unser Pfad! Mit uns ist Gott, er läßt das Recht nicht sinken! |
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30. |
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So ruft er aus und eilt voran, Das freudige Gesicht dem Fräulein zu verkünden, Und Biarko folgt ihm schnell. Durch Dorn und Distel winden Die raschen Helden sich und klimmen Höhn hinan Und Höhn hinab; nicht hält auf Felsentrümmern Der jähe Spalt, nicht hält der wilde Lauf Des flücht'gen Stroms im dunkeln Thal sie auf, Und bald schon sehn sie fern die graue Warte schimmern. |
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31. |
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Und als sie jetzt erzählt, was sie im Thal gesehn, Da wird als bester Rath befunden, Das Paar der Ritter soll hinab in's Lager gehn, Den Führer und den Zug des Heeres zu erkunden. Indeß wird Reinald's gutem Schwert Die Hut der Frauen anbefohlen, Bis zu dem öden Thurm die Helden heimgekehrt, Mit schützendem Geleit die Theuren abzuholen. |
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32. |
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Schnell waffnen beide sich, und zagend stehn die Fraun, Den letzten Gruß den Scheidenden zu geben; Bang hebt der Busen sich, und ihre Herzen beben, Als sollt' ihr Auge nie die Theuren mehr erschaun. Doch als die fürstlichen Gestalten So ernst, so mild und kühn, im hellen Silberlicht Der Waffen, hoch zu Roß am finstern Thore halten, Da schmilzt die starre Furcht zur heitern Zuversicht. |
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33. |
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Die Ritter ziehn hinweg, und Arm um Arm gewunden Sitzt jetzt das Schwesterpaar in stiller Einsamkeit. Da naht der Sänger sich im Graun der Dämmerstunden; Er hatt' ein altes Buch aus längst verblichner Zeit Im Schutt des Waffensaals gefunden. Bunt war die Runenschrift, von Silber Spang' und Kleid, Und grell gefärbt von glänzenden Tincturen Gestalteten am Rand sich mancherlei Figuren. |
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34. |
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Er, der als Sänger früh die weite Welt gesehn, Verstand viel fremde Schrift und ferner Völker Zungen, Und jetzt auch war's ihm bald gelungen, Den dunkeln Sinn der Zeichen zu erspähn. Und, um vom trüben Trennungstage Den finstern Nebel zu zerstreun Und schnellre Fittige der Dämmrung zu verleihn, Begann er so die alte Wundersage: |
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35. |
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Zur Zeit, als durch das Licht des HerrnZur Zeit, als durch das Licht des Herrn – Das Christentum wurde in den nordischen Reichen schon früher von Einzelnen angenommen, da das Volk nicht sehr intolerant war. Auch manche Könige widersetzten sich der neuen Lehre nicht, wenn sie ihr auch nicht zugethan waren. Nur einige unter diesen zeichneten sich als eifrige Heiden aus und verfolgten die Christen mit Feuer und Schwert. S. Suhm über die leichte Verdrängung der Odinischen Religion.
– – – Da hatt' ein mächtiger Jarl – Dies war der Name kleinerer nordischer Fürsten, etwa unserer Grafen. Sie waren freilich Vasallen der Könige, regierten aber doch in der frühern Zeit in ihren Besitzungen ziemlich unumschränkt. Das blinde Heidenthum zu dämmern schon begonnen, Und bei des wahren Glaubens Stern Den Pfad zur Seligkeit manch frommes Herz gewonnen, Da hatt' ein mächt'ger Jarl, im Lande weit geehrt, An Gütern reich, aus hohem Stamm geboren Und kühn im Kampf mit Lanz' und Schwert, Dies stolze Felsenschloß zur Wohnung sich erkoren. |
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Dem hatte Gott ein trefflich Weib Zum ehlichen Gemahl beschieden. Die lebte sittiglich in Ehr' und Zucht und Frieden Und war gar wohl gethanDie war gar wohl gethan an Sinnesart und Leib. – Wohlgethan in der alten Sprache für wohl gemacht, wohl gebildet, so wie gethan für gemacht.
Doch heller leuchtete als Gold und Sammt und Seide Und vielmal köstlicher als köstliches Gestein In ihres Herzens keuschem Schrein Des wahren Christentums Geschmeide. |
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37. |
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Wohl mußte sie mit stillem Sinn Am tiefverborgnen Glanz des edlen Schmucks sich letzen. Denn eifrig hing ihr Herr am Dienst der falschen Götzen Und achtete das Kreuz für kärglichen Gewinn; Auch schwur er oft vor seinen Dienstvasallen: Wer je in meinem Gau vom alten Glauben weicht Und knechtisch seine Knie dem Kreuzesgotte beugt, Der soll vor meinem Grimm durch Schwertes Schärfe fallen. |
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38. |
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So kämpfte denn die edle Frau Mit harter Furcht und bittern Seelennöthen. Da neigte Gott sein Ohr den brünstigen Gebeten Der treuen Magd und spendete den Thau Der Gnad' auf ihren Weg. Und einst am frühen Morgen, Da kaum der erste Strahl durch graue Nebel brach, Und sie, erweckt von frommen Sorgen, Mit heißem Flehn vor Christi Bilde lag: |
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39. |
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Da schien mit rosenrothen Schwingen Ein goldnes Duftgewölk am Himmel aufzugehn, Und fernher nahte sich ein liebliches Getön, Wie wenn im leichten Wind viel Silberglöcklein klingen; Und näher wiegte stets das Wölkchen sich heran, Ein wunderbar Gedüft schien vor ihm her zu fließen, Und an der dunkeln Wand begann Viel fremder Blumenschmelz buntfarbig aufzusprießen. |
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40. |
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Und aus der Wolke trat ein Knäblein hold hervor, Das war wie Morgenroth und Frühlicht anzuschauen: Sein schimmernd Kleid war heller Silberflor, Sein Auge leuchtete, wie blaue Blumen thauen, Gar zierlich floß um's Haupt sein goldnes Lockenhaar, Um das ein lichter Glanz sich leis' und zitternd wiegte, Und an das Elfenbein der zarten Schultern schmiegte Sich buntgefärbt ein leichtes Flügelpaar. |
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41. |
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Und eine Rose hielt der Knab' in seinen Händen, Die schien ein Purpurstern, umhüllt von Quellenlicht. So helle Strahlen kann die Sonne nimmer senden, So milden Schimmer trägt des Mondes Scheibe nicht, So röthet nie die ewig rege Welle Der junge Tag, so spielt am Blüthenkranz Im Thau die Farbe nicht, als Mild' und bunter Glanz Die Himmelsros' umfloß und Reiz und Gluth und Helle. |
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Und züchtig neigte jetzt das wunderbare Kind Sich vor der Frau und sprach: Dir biet' ich Glück und Frieden. Der Herr beschützt, die reines Herzens sind, Und wer auf ihn vertraut, dem ist das Heil beschieden. Wohl hast du treu und unverzagt Für ew'ge Seligkeit mit ird'scher Noth gerungen; Drum sey getrost, du fromme Magd, Denn zu dem Thron des Herrn ist dein Gebet gedrungen. |
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Und seinen Engel hat dir Gott herabgesandt, Im heißen Kampf dein zagend Herz zu trösten. Nimm hin dies wunderbare Pfand, Das Christi Blut gefärbt zum Heile der Erlösten. So lang dein gläub'ges Herz den edlen Schmuck bewacht, Wird List und Macht umsonst sich gegen dich vereinen; Denn Schaum ist nur vor Gott die List, und Staub die Macht, Und er ist stark, und siegreich sind die Seinen. |
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Und wenn die Könige der Welt mit stolzem Heer, Und wenn mit glühndem Zorn des Abgrunds Geister kämen Zum Raub des Heiligthums, sie raubten's nimmermehr; Denn was dir Gott geschenkt, das kann auch Gott nur nehmen. Doch wagst du einst um ird'schen Glückes Schein Mit eigner Hand das ew'ge zu verschwenden, Dann wird der Herr im Grimm sein Antlitz von dir wenden, Und Kraft der Welt, der Hölle Sieg verleihn. |
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So sprach das zarte Bild und bot die lichte Blüthe Der frommen Frau und neigte sich und schwand. Und sieh, vom Glanz der heil'gen Rose glühte Wie Morgenroth die hochgewölbte Wand. Und freundlich schwamm in wunderbarer Röthe Die holde Frau und hell im goldnen Licht, Und auf dem Duft der Himmelsblume wehte Ihr Ruh und Kraft in's Herz und gläub'ge Zuversicht. |
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46. |
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Da sank sie still auf's Antlitz nieder Und ruhte lang vor Gott im Staub' und schwieg. Schon schmolz der Thau, und höher stieg Die Sonne schon empor; da hob ihr Blick sich wieder, Und selig stand sie da. Wohl hatte Gottes Wehn Lebendig um sie her mit Frühlingskraft gewaltet, Denn höher war ihr Leib und fürstlicher gestaltet, Und schöner ihr Gesicht und heller anzusehn. |
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Und wohl verwahrt bei güldenem Geschmeide Stand jetzt die Ros' im stillen Schlafgemach Und blühte frischer stets, und nie verging ein Tag, Daß nicht die edle Frau mit frommer Seelenweide Das Kleinod angeschaut. Und wenn der Abend sank, Und leis' im nahen Hain die Blüthen sich bewegten, Umweht' es oft ihr Ohr wie holder Stimmen Klang, Als ob den theuren Schatz viel zarte Engel pflegten. |
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Wohl prangte jetzt das Haus im fröhlichen Gedeihn, Und was die Frau begann, das ließ der Herr gerathen. Nie stahl die Seuche sich in ihre Hürden ein, Kein schneller Räuberzug verheerte Wies' und Saaten, Nie raubte Hagelschlag und Sturm und gift'ger Thau Des Herbstes Frucht, nie riß aus sicherm Damme Der Strom sich wild hervor, nie traf den starken Bau Der hochgethürmten Burg des Blitzes rothe Flamme. |
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49. |
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Einst zog der mächt'ge Jarl in fernes Land hinaus, An hoher Thaten Ruhm sein kühnes Herz zu laben. Und züchtig hütete die fromme Frau das Haus Und wartete getreu die holden Zwillingsknaben, Die Gott ihr kaum verliehn; auf ihre Pfleg' allein Ging all' ihr Dichten, all' ihr Trachten, Und süßer war es ihr als Thau und Sonnenschein, Wenn ihr in's Angesicht die zarten Knäblein lachten. |
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50. |
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Nun hauste zu derselben Zeit In ihrem finstern Waldgebiete, Nicht fern von diesem Schloß, die Zauberin Swanwithe: Die war zu allem Dienst der Hölle stets bereit, Verstand mit grausem Lied die Leichen zu beschwören, Den lauten Sturm der Wetter zu bedrohn, Und jach durch gift'gen Hauch und dumpfen Runenton Des Feindes wachen Geist zum Wahnsinn zu bethören. |
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51. |
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Die merkt' es lange schon, daß sich von Odin's Pfad Die fromme Frau zum Herrn des Heils gewendet, Und heimlich sann ihr Herz, von Rach' und Groll verblendet, Mit unfruchtbarer Müh' auf Unheil und Verrath. Denn wenn die Flammen schon vom Giebel sich erhoben, Dann senkte Gottes Thau sich löschend auf den Brand, Und wenn ein Sturmgewölk den Himmel schwarz umwoben, Dann nahte Gottes Strahl, und Sturm und Wolke schwand. |
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52. |
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Und zürnend sang sie jetzt die dumpfe Zauberweise Und rief mit mächt'gem Stab das Höllenheer empor. Und schnaubend nahten sich die Geister ihrem Kreise, Und einer trat mit diesem Wort hervor: Nie wird der Herr der Nacht den Herrn des Lichts bezwingen, Wenn nicht auf Odin's Herd die Kreuzesrose prangt, Durch List nur kann der Sieg gelingen, Gebunden ist der Feind, sobald sein Glaube wankt. |
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53. |
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Er sprach's. Da freute sich im tückischen Gemüthe Das zauberische Weib und dacht' im frechen Sinn: Und wenn auch Gluth und Gift der Kelch der Rose sprühte, Mich reizt der herrliche Gewinn. Bald ist sie mein, die stolze Kreuzesblüthe, So wahr ich Odin's Magd und Christi Feindin bin! Und täglich sann sie jetzt auf List und böse Tücke, Wie sie das gläub'ge Herz der frommen Frau berücke. |
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54. |
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Und einst begab es sich, daß alle Dienerschaar Schon längst in Schlummer sank, und nur die Herrin wachte. Wohl schien der Mond so still und klar In's bunte Fensterlein, und leis' im Traume lachte Von Silberschein verklärt das zarte Zwillingspaar, Und selig lag die Frau und sah sie an und dachte An manch vergangnes Leid, an manche künft'ge Lust, Und drückte warm und mild die Kindlein an die Brust. |
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55. |
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Da schien in blut'gen Duft das Mondlicht zu zerrinnen, Fern rauscht' es her, und gellend stieg ein Sturm Aus tiefem Thal empor und peitschte Dach und Zinnen, Und kläglich wimmerten die Fähnlein auf dem Thurm, Und wolkigt ward die Nacht, und aus den Wolken blickten Viel Bilder bleich und grell, und durch die Windesbraut Scholl kreischend Wehgeschrei, und Fledermäuse pickten An's Fensterlein, und Eulen riefen laut. |
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56. |
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Und als im Lager jetzt sich bang die Frau erhoben Und lauschend saß, von starrer Furcht gebannt, Da raste gräßlicher des Sturmes lautes Toben, Und krachend sprang, gesprengt von starker Hand, Der Riegel des Gemachs. Und wie Cometen wandern Durchs finstre Reich der Nacht, so bot mit wildem Haar, In einer Hand das Schwert und Flammen in der andern, Swanwithens grauses Bild der bangen Frau sich dar. |
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57. |
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Von blut'gem Schaum war ihr Gewand geröthet, Am Gürtel bäumte sich der Schlangen Haupt empor, Und wie des Drachen Zorn, der fern durch Blicke tödtet, So schoß ein grimmer Blitz aus ihrem Aug' hervor. Und Wahnwitz, grasse Wuth und Angst und eis'ges Schauern Schien, tief im Furchenkreis der Stirne, stumm und kalt Mit sinnverwirrender Gewalt Auf seinen sichern Raub zu lauern. |
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58. |
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Sie nahte sich, und mitten im Gemach Umschrieb sie mit dem Schwert, das hell im Dunkel blitzte, Den zauberischen Kreis, und Flammen folgten nach, Wohin der Stahl sich zog, und gift'gen Geifer spritzte Das Schlangenpaar hinein. Schon war der Kreis gefüllt, Und aus dem trüben Schall, der wirbelnd aufwärts zischte, Wenn mit der Gluth das Gift sich mischte, Erhob sich trügerisch ein luft'ges Gaukelbild. |
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59. |
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Denn ach, die Kindlein, die ihr an dem Herzen ruhten, Sie sah die Mutter jetzt, von falschem Wahn bethört, Im Arm der Zauberin, umringt von rothen Gluthen, Vom gelben Gift benetzt, bedroht vom blanken Schwert, Schon schien die zarte Haut vom scharfen Stahl zu bluten, Die goldne Locke schon vom heißen Dampf verzehrt; Und bei der Eule Ruf und bei des Sturms Gestöhne Erschallten fremd und wild des Zaubers dumpfe Töne: |
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60. |
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Sieh, wie die Kindelein so lang hinüber sehn, Wie zu der Mutter sie die kleinen Arme strecken! Ihr Auge scheint um Schutz dich anzuflehn, Gern möcht' ihr Häuptlein sich an treuer Brust verstecken. Denn sieh, schon will die Gluth die zarten Füße lecken, Schon bräunt die Wange sich von gift'gen Dampfes Wehn. Fort murmle, Lied, die matte Gluth zu laben! Gieb mir die Rose, Frau, so schenk' ich dir die Knaben! |
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61. |
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Und ihre Hände ringt die Frau in wilder Pein Und stöhnt und starrt und sinkt zur Erde nieder. O nimm mein Gold, mein köstliches Gestein, Nur gieb die Kinder mir, gieb mir die Theuren wieder! Erbarme dich! O send' auf meinen Leib Die Gluth! mir gieb den Tod, ich will an Gottes Throne Dich nie des Mordes zeihn! die Kindlein nur verschone! So rief sie aus. Doch lachend sprach das Weib: |
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62. |
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Mich lockt kein Gold, mich sühnen keine Schätze, Mir frommt kein Dank, mich labt der Knäblein Blut. Schau, wie ich jetzt mit Gift die rothen Mündlein netze, Bald bleichen sie beschäumt von stiller Wuth! Schau, wie ich mit dem Schwert den zarten Leib zerfetze! So rinnt der rothe Thau, ihn trinkt die durst'ge Gluth. Fort murmle, Lied, die matte Gluth zu laben! Gieb mir die Rose, Frau, so schenk' ich dir die Knaben! |
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63. |
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Und höher loderte der Flammen lust'ger Brand, Den holden Raub begierig zu verzehren, Und zappelnd fuhr der Kindlein kleine Hand Bald hier, bald dort umher, dem grimmen Schmerz zu wehren. Schon schien ihr Aug' in Leid sich gräßlich zu verkehren, Rasch zuckte Wang' und Mund, der zarte Körper wand Sich ringend auf und ab, die trockne Zunge lechzte, Indeß aus tiefer Brust grausamer Jammer ächzte. |
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64. |
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Da sprang die Frau empor und rief in Wahnsinnsangst: Laß ab, laß ab, daß nicht die Kindlein sterben In glühnder Qual! Nimm hin, was du verlangst! Fluch sey dem Gott, der zum Verderben Mir seine Gaben bot! Ich tilg', ich reiß' ihn fort Aus meiner Brust; und wenn auch ew'ge Qualen Die rasche That bedrohn, kein Himmel kann den Mord Der holden Knäblein mir bezahlen. |
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65. |
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Sie rief's, sie stürzte fort und brach mit starker Hand Das goldne Schloß, den Schutz der heil'gen Blüthe. Da wandte sich der Herr, unsel'ger Wahnsinn glühte In ihrer Brust, fort warf sie Gottes Pfand In schnöden Staub. Und glühnde Funken sprühte Die Rose nach ihr aus, rasch bebte Dach und Wand, Und dumpfer Donner scholl. Doch nach dem theuren Lohne Griff schnell das Zauberweib und sprach mit bitterm Hohne: |
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66. |
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Heil mir! Wohl ist's ein schwacher Gott, Dem sich dein Knie gebeugt, und kann sein Volk nicht schützen. Ohnmächtig spielt sein Zorn mit unfruchtbaren Blitzen Und trägt in feiger Ruh der Feinde kecken Spott. Schau, wie dein Gott dir hilft! schau hin, du bist betrogen. Was deinen Glauben brach, hat meine List erdacht! Verstumme, Lied! zerrinnt, ihr Dampfeswogen! Stirb, Gluth! Gebild, entflieh! Der Zauber ist vollbracht. |
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67. |
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Sie rief's und lacht' und schwand. Und mit der bunten Welle Des regen Dampfs zerfloß der falsche Zauberschein, Und friedlich stahl die milde Helle Des Mondes wie zuvor sich in's Gemach hinein. Zufrieden ruhten noch an ihrer alten Stelle Mit lächelndem Gesicht die holden Kindelein, Und kosend schien auf leisen Athemzügen Um ihren Mund der Schlaf sich auf und abzuwiegen. |
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68. |
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Da hüllte stumm und starr die Frau ihr Angesicht In ihr Gewand und ruhte still im Staube. Sie betete, sie klagt' und weinte nicht, Ihr Herz war kalt, erstorben Furcht und Glaube. Nur kämpften dann und wann, wie tief versenkt in's Grab Das wache Leben stöhnt, sich dumpfe Jammerlaute Aus ihrer Brust, und keine Thräne thaute Zur Linderung des starren Grams herab. |
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69. |
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Schon stieg das Morgenroth, vom Duftgewölk getragen, Schon rollte feierlich aus goldnem Himmelsthor Das Lichtgespann des Herrn in blauer Luft empor, Und schweigend lag sie noch und wollte nimmer wagen Zu Gott empor zu sehn. Da flog vom Meeresrand Ein dunkles Wölkchen her; doch hell und zuckend lohte Der Blitz aus seinem Schooß, schon naht' es sich, schon stand Zornmüthig vor der Frau des Herren heil'ger Bote. |
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70. |
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Nicht tröstend war sein Aug' und freundlich anzusehn; Nein, wie auf wilden Meereswogen, Wenn ungestüm die Winde wehn, Und nächtliches Gewölk den schwarzen Pol umzogen, Ein scheuer Sonnenstrahl mit rothem Glanz sich bricht, Hoch schäumt die dunkle Fluth und wälzt das grelle Licht Beweglich hin und her und hebt's und senkt es wieder, So schoß des Engels Blick zur bangen Frau hernieder. |
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71. |
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Kleingläub'ges Herz! so sprach mit ernstem Ton Die Lichtgestalt, wohl ziemt dir Furcht und Grauen. Mild ist der Herr, zu lohnen, die ihm trauen, Doch schnell sein Zorn und nicht umsonst sein Drohn. Wer treu ihm folgt, der soll sein Antlitz schauen, Wer ihn verräth, der erntet bittern Lohn. Hör' an mein Wort, denn dies ist Gottes Stimme! So spricht der Herr zu dir in seinem Grimme: |
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72. |
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Wähnst du, mein Wort sey Schaum und Spreu, Die schnell entfliehn, wenn Wog' und Wind sie jagen? Wähnst du, daß schwach mein Arm und blind mein Auge sey, Daß Gott dein Herr, dem Erd' und Himmel zagen, Sich beuge fremdem Hohn? Warum denn hat so kühn Sich gegen Gottes Kraft der niedre Staub erhoben Und hat dem Herrn geflucht, den Sonn' und Sterne loben, Und das Geschenk verschmäht, das meine Huld verliehn? |
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73. |
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So will ich denn auch dein nicht ferner achten Und stoße dich hinweg aus meiner Diener Zahl. Vergebens soll in bittrer Qual Dein rastlos irrer Geist nach meiner Freude schmachten Und immer fern mir seyn. An dunkeln Wolkenhöhn, Wo sich um's reine Licht die trüben Schleier winden, Soll einsam dein Gebild durch blasse Nebel gehn Und meine Wonne schaun und seinen Fluch empfinden. |
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74. |
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Und aus des Lebens heil'gem Buch Vertilg' ich dein Geschlecht und schütze, die dich hassen. Nie sollst du liebevoll den Gatten mehr umfassen, Und strafen soll kein Arm den Feind, der ihn erschlug. Und sie, die Kindelein, um die du mich verlassen, Sie trenne bis in's Grab des ew'gen Hasses Fluch; Was deine Furcht gefehlt, das soll ihr Zürnen büßen, Und durch des Bruders Schwert das Blut des Bruders fließen. |
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75. |
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So send' ich meinen Zorn auf dein belastet Haupt Und will nicht lindern noch verzeihen, Bis wiederum das Pfand, das dir der Feind geraubt, Das jetzt mit schnödem Dienst unheil'ge Händ' entweihen, In heil'ger Erde blüht. Des Wankelsinnes Schmach Kann nur durch starken Muth Vergebung sich verdienen, Und was die Liebe jetzt im schwachen Wahn verbrach, Das kann auch Liebe nur durch gläub'ge Kraft versühnen. |
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76. |
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Wohl mag nur Lieb' und Muth den großen Kampf bestehn; Denn in des trotz'gen Volkes Mitte Prangt jetzt der Rosenkelch, und Todesschauer wehn Den kühnen Sieger an, wenn er mit tapferm Schritte Dem Kleinod sich genaht. So lang das Gnadenpfand In Odin's Tempel blüht, kann nie sein Stamm erliegen; Denn mächt'ge Kraft verlieh dem Kleinod Gottes Hand, Und nie kann Gottes Wort sich wandeln noch betrügen. |
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77. |
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Der Engel sprach's und schwand; und zagend saß die Frau Und harrte, daß der Zorn des Rächers sich erfülle. Wohl hob die Sonne sich, wohl sank der späte Thau, Sie klagt' und weinte nicht und schwieg in dumpfer Stille. Nur wenn die holden Kinder sich So freundlich und so fromm an ihren Busen schmiegten, Dann seufzte tief sie auf und weinte bitterlich, Bis im erschöpften Blick die Thränen ganz versiegten. |
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78. |
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Und als ihr ohne Schlaf der neue Morgen kam, Da flog ein Knecht heran und sprach mit bitterm Leide: O Frau, ich künd' euch harten Gram! Erschlagen liegt mein Herr auf blut'ger Kampfeshaide. Gekämpft war mancher wilde Krieg Und mancher edle Schatz gewonnen, Da kam ein fremdes Volk und raubt' uns Beut' und Sieg, Und ich allein nur bin entronnen. |
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79. |
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Da neigte mit zerknirschtem Sinn Die Frau ihr Haupt und sprach: Dein Wille, Gott, geschehe! Und horch, im nahen Hain erscholl ein kläglich Wehe, Und jammernd flog die Wärterin Der Knäblein in's Gemach. O Frau, was müßt ihr hören! Das eine Knäblein ward vom Arme mir geraubt Mit frevelnder Gewalt! Nicht ruht auf meinem Haupt Die Schuld der That! Ich konnt's nicht wehren! |
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80. |
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Sie sprach's. Da sank die Frau auf's feuchte Bett zurück Und weinte laut und rief: O Gott, dein Kelch ist bitter! Und als sie seufzend lag, da kam vom Feld ein Schnitter Zur Burg im raschen Lauf und sprach mit bangem Blick: Geschwollen ist der Strom und hat den Damm bezwungen, Die Wiese ward zum See, vernichtet liegt die Frucht, Und Heerd' und Hirt ertrank! Kaum ist die rasche Flucht Aus tödtlicher Gefahr mir Einzigem gelungen! |
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81. |
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Noch war ihm kaum das Wort entflohn, Da schwärzte sich die Luft, und wilde Hagelschauer Zerschmetterten das Dach, dumpf scholl der Donner Drohn, Und Blitz und Sturm begann, und krachend sank die Mauer Der Burg in's Thal hinab. Da packte wildes Graus Die Dienerschaft, bang zagten sie zu büßen Die Sünden ihrer Herrn, und Knecht und Magd verließen Wehklagend das verfluchte Haus. |
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82. |
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Nur ich, der Knecht des Herrn, der dieses Buch geschrieben, Ich bin getreu bis in den Tod Bei meiner edlen Frau in dieser grimmen Noth Als Diener, Arzt und Trost und Beichtiger verblieben. Stumm ruhte sie. Und als die Sonne schwand, Da hat sie reuevoll mir ihren Fehl bekannt Und hat ihr Haupt geneigt und ist dahin geschieden. Der Herr erbarme sich und schenk' ihr seinen Frieden. |
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83. |
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So schloß die Schrift, und schweigend saß und bang Der stille Kreis von kaltem Graun erschüttert. Oft hatte Adelheid mit scheuem Blick gezittert, Wenn feindlich ihr in's Ohr der wilde Name klang, Der sie schon einst geschreckt. Und wenn mit hohlem Brausen Der Sturm an's Fenster schlug, und wenn die Flamme sich Lautknisternd hoch erhob, dann schlich ein stilles Grausen In ihrer Brust empor, und ihre Wang' erblich. |
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84. |
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Doch rascher wechselten Gedanken und Gefühle In ihrer Schwester Brust. Schon zeigte halb erfüllt Sich zum verhängnißvollen Ziele Des Schicksals dunkler Pfad, und dämmernd stieg das Bild Verschwundner Zeit empor. Und gleich dem Flammenspiele, Das neue Farben stets und neue Form enthüllt, War Lieb' und Glaub' und Muth und freudiges Vertrauen Mit wandelbarem Glanz in ihrem Blick zu schauen. |
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85. |
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Noch sitzen sie verstummt im traulichen Gemach, Wo Dämmerlicht und Grabesschweigen An Wand und Wölbung schläft. Die matten Gluthen steigen Nur einzeln noch empor und sinken nach und nach Mit flücht'gem Zittern hin, ein ungewißer Schimmer Füllt grell und grau, halb Licht, halb Nacht, den Thurm, Und nur zuweilen heult der Sturm Um Thür und Fenster her mit kläglichem Gewimmer. |
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86. |
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Da regt sich's wunderbar im Hain, Als ob in banger Hast viel fremde Stimmen flüstern, Und durch die Trümmer schleicht ein Rauschen und ein Knistern, Und manches Nebelbild und mancher bleiche Schein Durchirrt Gebüsch und Thal, die alten Fenster klirren Jetzt leis' und lauter jetzt, und bunte Funken schwirren In wunderbarer Form aus trüber Gluth empor, Und aus dem Dampfe ringt manch Scheusal sich hervor. |
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87. |
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Und wie im Fiebertraum ein kaum vernehmlich Sausen Eintönig erst vor unserm Ohr verweilt, Doch steigt es nach und nach und wird zum Sturmesbrausen Und lacht und gellt und zischt und brüllt und heult Im vielfach wilden Chor, und gräßlich wächst das Grausen, Laut klopft das Herz, der irre Geist zertheilt In tausend Schrecken sich, und tausend Ungestalten Sieht regungslos der Blick in rascher Mischung walten: |
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88. |
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So regt zuerst vom leisen Wind Unheimlich sich der Wald; bei nahnder Geister Schweben Schmiegt Blatt an Blatt sich an, und alle Wipfel beben, Und jedes Vöglein lauscht. Doch nach und nach beginnt Ein lautres Wehn, gewalt'ger tobt das Beben Des nächt'gen Spuks und reißt sich pfeilgeschwind Durch Tannen und Gesträuch, und durch des Sturmes Dröhnen Schallt gellend ein Gemisch von seltsam fremden Tönen. |
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89. |
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Und jetzt, als mächtiger des Sturms unbänd'ge Wuth Dahin sich rafft durch Wald und Trümmer, Da springt die Thür. Noch einmal schlägt die Gluth Gewaltig auf den Herd und füllt mit rothem Schimmer Das bebende Gemach. Und sieh, im grellen Schein, Durch den ein Funkenheer in bunten Strömen sprühte, Stürzt grimm und wild die schreckliche Swanwithe, Ein Bild des Fluchs, sich in's Gemach hinein. |
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90. |
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So hebt aus Hekla's tiefen Schlünden, Wenn lange schon mit dumpfe Schall, Den nahen Ausbruch zu verkünden, Der innre Kampf gegrollt, sich jetzt mit lautem Knall Ein rascher Feuerstrom. Die breiten Flammen winden Wie Schlangen sich empor, und aus dem dunkeln Schwall, Der um die Gluth sich thürmt, gestalten im Gefilde Der röthlich hellen Luft sich gräuliche Gebilde. |
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91. |
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Da springt der Sänger auf und zückt das scharfe Schwert Und stürmt mit mächtig drohnden Schlägen Zum Kampf heran. Doch sieh, von eigner Schneide fährt Ein rückwärts glühnder Strahl dem Zürnenden entgegen, Und zischend schmilzt das Erz. Mit kaltem Hohn erhebt Die Zauberin den Stab, und Wand und Decke bebt Beim starken Schwung, und helle Flammenwogen Entglühen, wo der Stab sich durch die Luft gezogen. |
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92. |
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Und zürnend ruft sie aus: Was ringst du, schwacher Wurm, Mit mir, die aus dem Stamm der WanenMit mir, die aus dem Stamm der Wanen / In Götterkraft entsproß – Ueber die Wanen oder Vanen äußert sich die Voluspaa und die jüngere Edda nur dunkel. S. Volusp. Str. 14. Edda 21. und 31. Sie scheinen ein mächtiger Stamm von Riesen oder Halbgöttern gewesen zu seyn, vielleicht die Urbewohner des Landes. Die Edda erwähnt ihrer Kriege mit den Göttern, und daß bei'm Frieden aus ihrer Mitte Niord den Göttern zur Geißel gegeben und dann zum Rang der Götter erhoben sey, da sie hingegen von den Göttern den Häner oder Höner erhielten, den sie darauf zum König erwählten. In Götterkraft entsproß? Kannst du aus luft'gen Bahnen Den Mond herunter ziehn und bändigen den Sturm, Worauf der Donner fährt? Ich steige kühn hernieder Zum Bauch der Erd' und wandle durch die Höhn Der Luft im Nordlichtsglanz, die Wolk' ist mein Gefieder, Der Blitz mein Schwert; und du willst mich bestehn? |
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93. |
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Mich trifft kein Stahl; denn meine Brust ist Eisen, Mein Athem Gift, und helle Gluth mein Kleid, Die Erd' erbebt in meinen Zauberkreisen, Mein Zorn ist Tod, und Schrecken mein Geleit. Verbirg dich fern dem Licht in tiefen Felsenschlünden – Fest stampft mein Fuß den Grund, und deine Kluft zerspringt; Flieh' über's Meer – ich fahr' auf schnellen Winden Durch's Meer dir nach, und deine Barke sinkt. |
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94. |
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Und dennoch wähntet ihr mit unbefugtem Sinne Der Rache zu entfliehn, die grimmig mich verzehrt? Hast du nicht jüngst nach meinem Kampfgewinne Den kühnen Arm gestreckt, und du nicht meinem Schwert Und meinem Fluch getrotzt? Euch hat mein Zorn gerichtet. Fahrt hin in's Reich der Nacht, zur tiefgewölbten Kluft, Und harrt, im Leben todt, und lebend in der Gruft, Bis euch nach langer Qual mein mildrer Haß vernichtet. |
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95. |
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Sie ruft's und hebt den Stab und stampft den harten Grund, Die Erde bebt, und alle Mauern zittern, Und unten tobt's gleich fernen Ungewittern Und stöhnt und kracht, und gräßlich thut der Schlund Der Nacht sich auf. So weit die Augen schauen, Ist Fels und Finsterniß und wüst Geklüft und Grauen Und jäher Tod – und schnell in's weite Grab Sinkt mit den zarten Fraun der treue Freund hinab. |