Ernst Schulze
Cäcilie
Ernst Schulze

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Dritter Gesang.

1.
                      Indeß entschwand am fernen Himmelssaum
Der Wolke drohnder Flug, es schwieg des Sturms Gefieder,
Und friedlich wiegte bunter Schaum
Sich auf der stillen Fluth hellperlend auf und nieder;
Wie auferweckt aus bösem Traum,
Hob aus zerrißnen Wolken wieder,
Noch halb von Duft umwebt, der Mond sein Licht hervor –
Und fern am Himmel stieg die Dämmrung schon empor.
 
2.
Mit gläubigem Sinn die theure Last umschlingend,
Vertraute hoffnungsvoll sich Adalbert der Fluth
Und schwamm, mit starkem Arme ringend,
Durch's weite Meer dahin. Wie stählte kühner Muth
Ihm Kraft und Herz! Ruht nicht sein Glück, sein Leben
An seiner Brust? Darf liebend nicht sein Arm
Das zarte Bild umfahn? Fühlt er nicht bang und warm
Selbst in der Fluth ihr Herz an seinem Herzen beben?
 
3.
Und wenn auch oft des Kampfs Gewalt
Die letzte Kraft ihm raubt, und matt sein Athem schwindet,
Dann schaut er gläubig hin zur himmlischen Gestalt,
Die bang sich an ihn schmiegt, und neuer Muth entzündet
An ihrem Reize sich. Ach von dem sel'gen Blick,
Der ew'ge Lieb' ihm gab, scheint noch mit mattem Leben
In ihrem Aug' ein leiser Traum zu schweben;
Und mit der Sehnsucht kehrt auch Hoffnung ihm zurück.
 
4.
Noch lebt sie ja; wenn auch schon halb gebrochen
Ihr Auge sinkt, noch lächelt's still und schön,
Noch fühlt er schwach des Herzens Schläge pochen,
An seiner Wange noch den linden Athem wehn.
O güt'ger Gott! du läßt sie nicht verzagen;
Wenn auch der Liebe Glück ihm dein Beschluß verbeut,
Laß für der Liebe süßes Leid,
Für seinen letzten Trost die letzte Kraft ihn wagen!
 
5.
Und sieh, da stieg der frühe Tag
Im Morgenduft empor; die heißersehnte Helle
Umfloß das weite Reich der Welle,
Und fröhlich wiegte sich mit leisem Wogenschlag
Im frischen Hauch das Meer. O milder Strahl der Gnade,
Du Licht des Heils, von Himmelshöhn gesandt!
Schon zeigt Errettung sich, schon hebt ein nahen Land
Aus stillem Meer die friedlichen Gestade.
 
6.
O weile noch! Nur einen Augenblick
Umsäusle noch, du süßer Hauch des Lebens,
Ihr mattes Herz! O laß, allgütiges Geschick,
Dem Ziel des Kampfs mich nicht vergebens,
Mich nicht verzweifelnd nahn! So ruft in banger Lust
Der müde Held und blickt auf seine Liebe nieder;
Und horch, ein leiser Hauch entweht der zarten Brust,
Und staunend öffnen sich dem Licht die Augen wieder.
 
7.
Schon ist der Strand erreicht. In's weiche Blumengrün
Legt Adalbert die schwererrungne Beute
Und faltet fromm die Händ' und dankt auf seinen Knien
Dem großen Gott, der ihn im blut'gen Streite,
Im wilden Meer bewahrt. Wie rinnt im heißen Drang
Aus seinem freud'gen Blick der Quell der süßen Thränen,
Wie schwingt zum Himmel sich in halb erstickten Tönen,
Im raschen Hauch der Brust des Herzens glühnder Dank!
 
8.
Und als er jetzt der ew'gen Güte
Die fromme Schuld bezahlt, kehrt er zu ihr sich hin,
Die still im leisen Anbeginn
Erneuerten Gefühls gleich einer zarten Blüthe
Zum Leben auferwacht. Mit ungetrübtem Strahl
Hing jetzt des Ritters Blick am heißgeliebten Bilde,
Und keimend auf dem Glanz entblühnder Schönheit stahl
In seine Brust sich Ruh' und Milde.
 
9.
So spiegeln sich im zarten Thau
Des reinen Blüthenkelchs herab aus blauer Ferne
Mit freundlich hellem Licht die unbewölkten Sterne,
Wenn von des Himmels weiter Au
Der Ungewitter düstre Wogen,
Die lang verheerend rings die blaue Flur umzogen,
Zum fernen Horizont entschwebt,
Und jetzt ein sanftes Wehn die stillre Nacht belebt.
 
10.
Sie athmet tief und athmet leise;
Noch ist ihr Geist sich nicht des Lebens ganz bewußt,
Noch zieht die bunten Zauberkreise
Die Täuschung um sie her. Mit kindlich zarter Lust
Durchtändelt ihre Hand die weichen Blumenkräuter,
Womit ihr Lager sich bekränzt,
Und zu dem goldnen Licht, das ihre Wang' umglänzt,
Schaut träumend sie empor und lächelt fromm und heiter.
 
11.
Sie blickt umher, aus trüber Dämmrung lebt
Ihr Geist allmählig auf, zu ihrem Retter hebt
Ihr Auge sich und was in tiefster Fülle
Das herrliche Gemüth, das rein und innig liebt,
Was jungfräuliche Schaam und fromme Seelenstille,
Was heil'ger Glaub' und innrer Adel giebt,
Was jemals Göttliches das schöne Herz empfunden,
Das hat in einem Blick des Dankes sich verbunden.
 
12.
Und vor der leuchtenden Gestalt
Sinkt Adalbert mit frommem Triebe
Auf seine Knie hinab. O süße Allgewalt
Des Schönen! Heil'ger Strahl! O zarter Hauch der Liebe!
So ruft er aus; euch hat von ew'gen Höhn
Der Himmel mir geschickt, ich darf nicht widerstehn,
Ihr seyd mir Gottes Pfand; ihr sollt zum großen Werke,
Das er mir auferlegt, mir Muth verleihn und Stärke!
 
13.
O güt'ger Gott, wie sollt' es Sünde seyn,
Daß ich dein schönstes Bild im tiefsten Busen trage,
Daß ich die kühne That mit höherm Muthe wage,
Wenn du mir sichtbar bist? O nein,
Du willst es nicht, daß dein Geschöpf verzage.
Du gabst mir dies Gefühl, du wirst es auch verzeihn.
Entsagung hat dein Wink mir vorgeschrieben;
Ich folge gern; nur laß, Allgüt'ger, laß mich lieben!
 
14.
Und du, in deren Zauberbann
Sich Alles schmiegt, was je mein Herz empfunden,
Was sag' ich dir, der ich nur bittre Stunden,
Nur mein Gefühl und nicht mich selber bieten kann?
Nicht darf ich dich in mein Geschick verflechten,
Vergiß mich, tilge jede Spur
Von mir aus deiner Brust. Erinnrung laß mir nur
Und meinen Schmerz. Nie soll mit dir mein Kummer rechten!
 
15.
Tod ist mein Schicksal, kalter Tod
Im Lenz der Kraft, in blühnder Lebensfülle –
Ich klage nicht! Gepriesen sey der Wille
Der ew'gen Macht, die Großes mir gebot!
Doch dich, dich muß ich erst bewahren
Vor jedem Leid, erst dir ein sichres Loos verleihn,
Dann scheid' ich gern; mein Pfad geht durch Gefahren
Dem Grabe zu, und du mußt glücklich seyn!
 
16.
So ruft er aus. In himmlischer Verklärung
Und unentstellt von rascher Leidenschaft,
Durch Liebe schön, und groß durch gläub'ge Kraft,
Erhebt sie sich. Ihr Auge strahlt Gewährung,
Um ihre Lippen weilt das Lächeln süßer Huld,
Muth thront und freudige Geduld
Auf ihrer freien Stirn, und auf den hellen Wangen
Ist still das Morgenroth der Zartheit aufgegangen.
 
17.
Gieb mir die Hand, spricht sie mit sanftem Ton,
Wir sind vereint, uns soll kein Schicksal scheiden;
Ich will mit dir, was dir bestimmt ist, leiden,
Mit dir zugleich den schönen Lohn
Der frommen That empfahn! In frühen Tagen schon
Bestimmte Gottes Rath ein gleiches Loos uns Beiden.
Wollt' ich nicht gern dir mein Gefühl gestehn,
So würd' ich stolz die ew'ge Vorsicht schmähn!
 
18.
Nicht darf mein Mund die Botschaft dir erzählen,
Die mir vom Himmel kam; was dich vielleicht betrübt,
Das will ich treu und sorgsam dir verhehlen,
Dir, dem mein Herz, das nie geliebt,
In reiner Kraft jungfräulich sich ergiebt;
Dir, den sich selbst der Vorsicht Mächt' erwählen
Zum Herold ihres Ruhms, dir darf um ird'schen Wahn
Kein feiger Schmerz und keine Sorge nahn.
 
19.
Mit keuschem Sinn will ich dein Bild verwahren
In reiner Brust, du sollst mein einz'ges Glück
Im Leben seyn, durch drohende Gefahren
Will ich mit dir dem nächtlichen Geschick,
Dem Tode nahn! O, auch in meinem Herzen
Ist stolzer Muth, auch mich hat Gott geweiht,
Das zu verschmähn, wonach der Streit
Der ird'schen Wünsche ringt, und mit dem Schmerz zu scherzen.
 
20.
Wird nicht ein Land der sel'gen Ruh
Die Auserwählten einst vereinen?
Führt uns nicht einst dem Kreis der Heiligen und Reinen
Um Gottes Thron ein lichter Engel zu?
Wie werden dort so schön die goldnen Siegerkronen
Um unsre Stirn sich ziehn! Wie werden rein und hell
Die Geister sich umfahn! Wie wird der ew'ge Quell
Der Lieb' aus Gottes Blick für unsre Treu' uns lohnen!
 
21.
Sie spricht's mit frommer Zuversicht
Und blickt empor und glänzt in sel'gen Zähren;
Ach! Alles, was sie einst vom Himmel sich verspricht,
Es scheint schon jetzt ihr Auge zu verklären.
Bewundernd steht der Held und widerstrebt ihr nicht
Und scheint in ihrem Wort des Himmels Ruf zu ehren,
Und Jeder fühlt, von freud'gem Muth entbrannt,
Ein Band, das Gott geknüpft, das sey ein ew'ges Band.
 
22.
Indeß erhob der Tag im waldumkränzten Thale,
Zu dessen stillem Schooß die Wogen sie gebracht,
Sich leuchtender empor; und was im Sturm der Nacht
Das edle Paar erlitt, das schwand im wärmern Strahle
Der höhern Sonne bald. Und friedlich im Gebüsch,
Wo aus dem Felsen klar und frisch
Ein rascher Quell entspringt, den duft'ges Grün umschattet,
Ruht jetzt das Fräulein aus, vom langen Kampf ermattet.
 
23.
Doch spähend streift der Paladin
Im nahen Wald umher, ein Mahl für sie zu pflücken;
Und reich beschwert von wilden Früchten, nicken
Die Zweig' ihm zu, rings glänzt im Wiesengrün
Der Beeren bunter Schmuck, und breite Blätter bieten
Zur Schüssel sich ihm an; und um die Dürftigkeit
Des kargen Mahls durch Schönheit zu vergüten,
Hat er es bunt mit Blumen überstreut.
 
24.
Froh kehrt er jetzt zurück, als eben
Cäcilie dem weichen Arm
Des Schlummers sich entwand. Wie glänzt' im frischern Leben
Ihr heller Blick, wie spielte zart und warm
Der Stärkung Rosenhauch um ihre heitern Wangen!
Ihr Lächeln war so rein und jeder Zug so mild,
Als war' ihr blühendes Gebild
Aus schöpferischer Hand erst jetzt hervorgegangen.
 
25.
Und mit dem lichten Rosenglanz,
Der ihre Wang' umwob, schien auch ein neuer Morgen
Um ihren Geist zu blühn, und was im Strahlenkranz
Der Hoheit sich vorher mit schwächerm Licht verborgen,
Das keimte jetzt hervor. Ihr leicht beschwingter Mund
Verstand so süß die Sorgen fortzuspielen,
Und arglos gab sich jetzt in kindlichen Gefühlen,
In Scherz und Tändelei die zarte Jungfrau kund.
 
26.
Mit leisen Zauberschwingen schwebte
Die rege Phantasie um jeden Blüthensaum,
Und jedes ird'sche Bild belebte
Ihr warmer Frühlingshauch und schuf zum geist'gen Traum
Bedeutungsvoll es um; und was der Geist dem Herzen,
Und was das Herz dem Geist zum schönern Schmuck verliehn,
Das ließ sie jetzt in zarterfundnen Scherzen,
In tändelndem Gefühl auf ihren Lippen blühn.
 
27.
Unglaublich schien's, daß solche große Seele
So anspruchslos verhüllt in stillen Reizen sey,
Daß jungfräuliche Lust mit kühner Schwärmerei,
Mit heiterm Scherz sich heil'ger Ernst vermähle,
Und Muth mit weichem Sinn. Vor jedem raschen Laut,
Vor jedem Tropfen, der vom Zweige niederthaut,
Erbebt sie scheu mit mädchenhaftem Zagen;
Wenn Gott befiehlt, wird sie ihr Leben wagen.
 
28.
O zartes Wesen! ruft der Held
Wehmüthig aus, so willst du jetzt schon scheiden,
Schon jetzt den Glanz der schönen Welt,
Den warmen Hauch des frischen Lebens meiden?
Vernimm, noch hab' ich ja nicht Alles dir erzählt,
Was meiner harrt, vernimm mein ganzes Leben;
Wenn dann dein Herz kein andres Loos erwählt,
Dann darf ich Gottes Wink nicht länger widerstreben.
 
29.
Nicht kann ich dir mein Vaterland,
Nicht mein Geschlecht, nicht meinen Namen sagen.
Schon in den frühsten Kindertagen
Hat aus der Aeltern Schooß mein Schicksal mich verbannt.
Ein edler deutscher Graf, der tapfre Folko, fand
Mich früh Verlaßnen einst, als er, den Ur zu jagen,
Den wildern Forst durchstrich, und trug mit mildem Sinn
Zu seinem Schloß den zarten Säugling hin.
 
30.
Der Himmel hatt' ihm keine Erben
Des edlen Stamms gewährt. In früher Liebeszeit
Sah er die holde Gattin sterben,
Und traurig schlich in trüber Einsamkeit
Sein später Herbst ihm hin. Der älternlose Knabe
Schien ein Geschenk des Himmels ihm zu seyn,
Denn nimmer wähnt' er noch, so nahe schon dem Grabe,
An väterlicher Lust sein Alter zu erfreun.
 
31.
Nie konnt' ein Vater wohl so treu die Liebespflichten
Für seinen eignen Sohn vollziehn.
Er selbst verpflegte mich mit zärtlichem Bemühn,
Ließ mich im Ritterthum und Glauben unterrichten,
Und suchte stets durch Wort und That,
Durch eignes Beispiel bald und bald durch weisen Rath,
Und durch die Sagen alter Zeiten
Zu allem Guten nur mein junges Herz zu leiten.
 
32.
Der edle Mann! Schon ist er längst dahin;
Doch nie vergeß' ich seine Lehren,
Stets wird mein Herz durch frommen Sinn,
Durch ritterliches Thun sein theures Bild verehren.
Er hat mir Geld und Gut und Rang,
Hat eine Heimath mir, ein ehrlich Schild gegeben.
Wohl dank' ich's ihm; doch was mein innres Leben
Ihm schuldig ist, das fordert größern Dank.
 
33.
In tiefer Einsamkeit entschwanden
Die frühern Jahre mir. Ein altes Felsenschloß,
Wo seine Aeltern einst der Gattin ihn verbanden,
Wo ihm der Mai der sel'gen Lieb' entfloß,
War Folko's Lieblingssitz. Nur wenn in blut'gen Kriegen
Dem Kaiser beizustehn ihm seine Pflicht befahl,
Zog er in's Land hinab, um an dem späten Strahl
Des alten Ruhms sein Herz noch einmal zu vergnügen.
 
34.
Ich blieb indeß in stiller Burg allein.
Der kind'schen Lust war früh mein Herz verschlossen;
Gern mied ich stets den Kreis der wilden Spielgenossen
Und irrte träumerisch durch Klippen, Thal und Hain.
Mir war's die größte Lust, auf hohen Felsenspitzen,
Vom Sturm umsaust, in dunkler Nacht zu sitzen,
Und ahnend zu des Himmels Höhn
Und in das dunkle Grau der Ebne hinzusehn.
 
35.
Wohl ahnet' ich, daß in der weiten Ferne
Mein Vaterhaus und meine Heimath sey,
Und sehnsuchtsvoll in weicher Träumerei
Verfolgt' ich oft den stillen Zug der Sterne
Zum letzten Himmelssaum. Sie ziehn vielleicht dahin,
So seufzt' ich dann, zur Wohnung deiner Lieben;
Du bist allein, mit fremdem Sinn,
Im fremden Volk zurück geblieben.
 
36.
Und wenn ich dann im kühlen Thau
Die heiße Brust verbarg, und häuf'ger von den Wangen
Die Sehnsuchtsthräne floß, dann sah im Nebelgrau
Ich oft ein zartes Licht mit stillem Schimmer prangen;
Und freundlich fühlt' ich mich von einer holden Frau
Mit leisem luft'gen Arm umfangen,
Und immer war mein Herz, so oft ich sie erblickt,
Wehmüth'ger zwar, doch wunderbar erquickt.
 
37.
Bei ihr empfand ich nie das Grauen,
Das sonst der Menschen Brust bei Geisternahn erfüllt;
Mein ganzes Wesen hing mit kindlichem Vertrauen,
Mit frommer Lieb' an ihr. Sie war so still, so mild,
Gab mir zum Spiel so oft die schönsten Wunderblüthen,
Erschien dem Irrenden, wenn ihm der Pfad entschwand,
Und sucht' in dunkler Nacht vor jedem Felsenrand,
Vor jeder Kluft den Fuß des Strauchelnden zu hüten.
 
38.
Nach ihrem Namen fragt' ich nie
Und strebte nie, warum sie kam, zu wissen.
Mir war's, als hätte sie mir stets erscheinen müssen,
Als wär' aus frühster Zeit mit meiner Phantasie
Ihr zartes Bild vermählt. Still wohnt' im tiefsten Herzen
Die Holde mir gleich einer süßen Braut,
Und frevelnd wähnet' ich mit meinem Glück zu scherzen,
Hätt' ich es je der fremden Brust vertraut.
 
39.
So träumt' ich in den Jünglingsjahren,
Dem Leben fern, in einer fremden Welt,
Als Eberhard, der kühne Frankenheld,
Zum Aufruhr sich erhobAls Eberhard, der kühne Frankenheld, / zum Aufruhr sich erhob – Eberhard, Herzog von Franken, ein unruhiger und tapferer Fürst, verband sich mit Heinrich, dem Bruder, und Thankmar, dem Halbbruder des deutschen Königs, gegen diesen. Der vierte Bundesgenosse war Giselbert, Herzog von Lotharingen. Der Krieg fiel indeß unglücklich aus. Otto schlug seine Feinde in mehreren Schlachten, und Eberhard, Thankmar und Giselbert verloren ihr Leben. Nach Wittekind Annal. Lib. II. blieben in der Schlacht bei Anderbach nur Eberhard und Giselbert, nachdem Thankmar schon früher umgekommen war. Das Chronic. Australe in Freher script. rer. Germ. T. I. setzt die Schlacht bei Anderbach in's Jahr 940. und rasch mit mächt'gen Schaaren
Den Kaiser überfiel. Des Reiches Edle waren
Mit ihren Bannern schon in's blut'ge Kriegesfeld,
Dem Kaiser der, dem Herzog der gewogen,
Ein Jeder zu dem Heer des Freundes hingezogen.
 
40.
Da trat der biedre Graf mit diesem Wort zu mir:
Jetzt gilt es, Adalbert! jetzt kannst du Ruhm erwerben.
Mir ward kein Kind, des Vaters Glanz zu erben;
Mein schwaches Alter ruht, mein edler Stamm auf dir.
Mit Freuden will ich jetzt und redlich streitend sterben,
Kann ich mein ehrliches Panier,
Mein unbescholtnes Schwert mit meinem Vatersegen
In deine Hände niederlegen.
 
41.
Der Aufruhr tobt am Rhein. Mich rufen Pflicht und Eid
Für meinen Lehensherrn zum Streit;
Du sollst die Rittersporn in dieser Fehd' erringen.
Wohl lehrt' ich dich den Speer, das breite Schwert zu schwingen,
Das Roß zu bändigen. Zieh hin, mein einz'ger Sohn!
Dein Ruhm soll mir den süßen Lohn
Der treuen Vatersorge geben,
Und Folko's alte Kraft in dir noch einmal leben.
 
42.
Ich küßte dankbar seine Hand;
Er segnete den Sohn, und eine stille Zähre
Benetzte meine Stirn. Bald zogen wir zum Heere
Des Kaisers jetzt hinab in's schöne Frankenland.
Willkommen, rief der Fürst, du schlugst schon manche Schlachten
Für Otto's Recht, du altes treues Schwert,
Du redlicher Vasall! wer Folko's Haupt nicht ehrt,
Der wird des Kaisers Haupt verachten.
 
43.
Bald trafen wir bei Andernach
Den stolzen Feind. Es war ein heißer Tag,
Und viele tapfre Helden sanken
In's blut'ge Gras dahin. Wohl kämpfte rasch und kühn
Der wilde Eberhard mit seinen muth'gen Franken;
Schon wich des Kaisers Heer, und schon begann's zu fliehn,
Nur Folko sammelte die flücht'gen Schaaren wieder,
Und flammend schlug sein Schwert den Frankenherzog nieder.
 
44.
Von Zorn und Rachbegier erhitzt
Drang Gieselbert von Lotharingen
Auf meinen Vater ein, und Thankmar's Lanze blitzt,
Um auf den tapfern Greis, der mühsam nur sich schützt,
Weil manche Wund' ihn hemmt, durchbohrend sich zu schwingen.
Schon ist sein Schild zerhaun, und immer mächt'ger dringen
Die Franken ein; sein Banner weicht zurück,
Und zwischen Schwert und Brust weilt nur ein Augenblick
 
45.
Mich hielt indeß im andern Streite
Ein starker Krieger auf; da sah ich Folko's Noth.
Rasch stürz' ich hin, auf meinem Schwert ist Tod,
Schon dring' ich durch, schon steh' ich ihm zur Seite,
Schon hat den Sinkenden mein Arm emporgerafft,
Die Rechte schwingt das Schwert, fest schützet in der Linken
Den theuren Greis mein Schild, der Himmel giebt mir Kraft,
Und Gieselbert und Thankmar sinken.
 
46.
Und schnell vertrau' ich jetzt der sichern Freundeshand
Das liebe, schwererkämpfte Pfand,
Und eile fort, sein edles Blut zu rächen.
Die flücht'gen Schaaren stehn, sie ziehn mir nach, sie brechen
Wuthschnaubend in den Feind, der jetzt sich nicht mehr hält,
Da seine tapfern Führer sanken;
Schwach kämpfen seine Reihn, ihr Banner sinkt, sie wanken,
Der stolze Heinrich flieht, und unser ist das Feld.
 
47.
Als nun mit frohem Siegsgepränge
Die Krieger sich gereiht, in's Lager heim zu gehn,
Entstahl ich mich dem lärmenden Gedränge
Und eilte fort, den theuren Greis zu sehn;
Doch Otto ließ schon längst in's eigne Zelt ihn tragen;
Die Wund' in seiner Brust, die Gieselbert ihm schlug,
Sie gab dem Tod ihn hin; kaum kam ich früh genug,
Mein letztes Lebewohl dem edlen Mann zu sagen.
 
48.
Schwachathmend lag er da. Mit seinen Rittern stand
Der Kaiser um sein Bett, des Helden Tod zu ehren.
Matt winkt' er mir; mit heißen Zähren
Kniet' ich dahin und küßte seine Hand,
Die liebend mich erzog. Leb wohl, mein junger Degen,
So sprach er leis', ich sterbe gern;
Sey deinem Glauben treu und deinem edlen Herrn
Und stirb wie ich; das ist mein bester Segen.
 
49.
Sein Athem schwand. Ich hielt den Schmerz nicht mehr,
Ich weinte laut und gab in Klagetönen
Dem bittern Leide Raum. Mit ehrerbiet'gen Thränen
Stand still die Heldenschaar um seine Leiche her.
Er war ein Held, Gott segn' ihn droben,
Begann der Kaiser jetzt; wenn unser Ende naht,
So mag's ein solches seyn; nicht kann für seine That
Mein Mund ihm dankbar seyn, drum soll mein Werk ihn loben.
 
50.
Und schnell ergriff er Folko's Schwert
Und sprach zu mir, der noch am Lager kniete:
Komm her, mein junger Held, daß ich an dir vergüte,
Was mir der Vater that; du bist des Vaters werth.
Gern zähl' ich dich zu meinen Lehnsvasallen,
Nimm diesen Schlag von meiner Hand,
Und keinen zweiten mehr, und was an Ehr' und Land
Dein Vater jetzt besaß, sey dir anheimgefallen.
 
51.
Er sprach's und gab mir dann – er soll es nie bereun,
Was er gethan – den heil'gen Schlag der Weihe;
Auf Folko's Schwert schwur ich den Eid der Treue,
Versprach des Glaubens Hort, der Waisen Schutz zu seyn.
Und freundlich grüßte jetzt den neuen Kampfgesellen
Mit Wort und Händedruck die graue Heldenschaar,
Und Mancher sprach: Sey du, wie Folko war,
Dann wird kein Rost dein adlich Schild entstellen!
 
52.
Und als ich jetzt mit nassem Blick
Den theuren Mann zur Gruft geleitet,
Da zog ich still, von meiner Schaar begleitet,
Mit trüber Brust zu meiner Burg zurück.
Ach, Alles mußte hier den bittern Gram erneuen,
Rings zeigte sich des theuren Vaters Spur;
Ich floh die Welt; mein eigner Kummer nur,
Er konnte Lust und Lindrung mir verleihen.
 
53.
Er war der Einz'ge ja, der auf der neuen Welt
Mich sein genannt; nun war ich ganz verlassen!
Wen durft' ich jetzt mit zarter Lieb' umfassen,
Wem kindlich mich vertraun? Mit süßem Glauben hält
Des Jünglings Herz so gern sich an den Kreis der Seinen,
Der traulich ihn mit sicherm Band umzieht;
Mir hatte nie dies ganze Glück geblüht,
Und was Ersatz mir gab, das mußt' ich jetzt beweinen.
 
54.
Einst, als die Burg schon längst in tiefen Schimmer sank,
Und nur mein schwacher Schmerz auf ödem Lager klagte,
Da weht' es sanft, wie leiser Harfenklang
Auf Dämmrungswehn, und lichter Schimmer tagte
Vom ros'gen Saum umkränzt; und sieh, das holde Bild,
Das sonst so oft des Knaben Sehnsuchtsthräne
Mit leiser Hand gehemmt, das lang sich jetzt verhüllt,
Es nahte mir mit wunderbarer Schöne.
 
55.
Sanft wallten, rings von goldnem Licht umhaucht,
Gleich einem Heil'genschein der Locken weiche Wogen.
Wie reine Himmelsblumen zogen
Lichthelle Sterne sich, in bunten Schein getaucht,
Um ihre zarte Brust. Rasch schwamm der irre Schimmer,
Der sie umgab, und wob zur sichern Form sich nimmer.
Nur friedlich lächelte der Augen stiller Glanz,
Dem klaren Monde gleich im flücht'gen Wellentanz.
 
56.
Was weinst du, Adalbert, mit unfruchtbaren Zähren?
So tönte süß ihr ernstes Wort herab;
Der Sterbliche muß Gottes Wink verehren
Und freudig niedersehn auf seiner Lieben Grab.
Nur fromme Ruh' und gläubiges Vertrauen,
Nur Thaten für die Welt und für des Ew'gen Ruhm,
Sie sind in Gottes Heiligthum
Mit heller Flammenschrift zu schauen.
 
57.
Du bist zum Großen ausersehn:
Du kannst die Welt und mich kannst du beglücken,
Kannst dir den Kranz des ew'gen Ruhmes pflücken
Und unter blindem Volk das heil'ge Kreuz erhöhn.
Sieh auf zum Herrn und trockne von den Wangen
Der Schwachheit Thränen ab – dir thut durch meinen Mund
Der große Gott den ew'gen Willen kund –
Nicht darf, wen Gott erkor, nach Irdischem verlangen.
 
58.
Fern, wo ein trotzig Volk vor falschen Göttern kniet,
Im Königssitz der nord'schen Räuberschaaren,
Dort prangt ein Heiligthum auf heidnischen Altaren,
Der schöner einst in gläub'ger Hand geblüht.
Der zarten Rose gleicht's, doch strahlt in ew'gem Glanze
Der Kelch, den Engel einst von jenem Strauch gepflückt,
Der schmerzenreich im bittern Dornenkranze
Am Tage des Triumphs das Heil der Welt geschmückt.
 
59.
Mit schnöder List den edlen Schmuck zu rauben,
Verlieh den Heiden einst der Vorsicht weise Hand.
Nie lenkt das kühne Volk sein Herz zum wahren Glauben,
So lang dies hochbegabte Pfand
Ihm Schutz und Muth gewährt. Dich hat der Herr erkoren
Zum Rächer seines Ruhms. Sey gläubig, fromm und kühn!
Noch einmal soll der Schmuck, den schwacher Wahn verloren,
Durch deinen Muth in heil'ger Erde blühn.
 
60.
Nicht darf dich niedres Glück verführen,
Nicht Lieb' und träge Lust und Wahn und Eitelkeit
Mit ird'schem Hauch dein reines Herz berühren,
Du bist dem Tod' und Gott bist du geweiht!
Wer kühn den Rosenkelch aus Feindeshand errungen,
Den hält der Tod mit kaltem Arm umschlungen;
Doch herrlich hebt ihn dann zum Chor
Der frommen Märtyrer sein schöner Sieg empor.
 
61.
Sie sprach's und sah mit einem Blick der Liebe,
Mit einem Blick wehmütiger Lust mich an;
Ihr Auge ward von leisen Thränen trübe
Und hob zu Gott mit hellerm Glanz sich dann.
Sie nahte mir, mich freundlich zu umfangen,
Auf ihren Lippen schien ein letztes süßes Wort
Emporzublühn; doch rasch mit flücht'gem Bangen
Erbebte sie und hob auf lichtem Pfad sich fort.
 
62.
Und auf die Knie' in Demuth hingebogen,
Hob ich die Hand' empor mit brünst'gem Flehn
Und dankte Gott, der meinen Arm gewogen
Und auf den schwachen Staub voll Huld herabgesehn.
Von gläub'gem Muth war meine Brust durchdrungen,
Mich hatte Gott mit heil'ger Kraft erfüllt;
Und aus des Grabes Dämmerungen
Erhob sich schön und klar des Himmels heitres Bild.
 
63.
Als jetzt der Morgenstrahl die Zinnen hell verklärte,
Berief ich meine Schaar mit lautem Hörnerklang
Und gürtete mich mit dem guten Schwerte,
Das Folko einst in heißen Schlachten schwang.
Und freudig sank ich jetzt vor seinem Bilde nieder
Und rief: O Vater, sieh auf deinen Sohn herab!
Er scheut wie du das dunkle Grab
Für Recht und Glauben nicht und findet bald dich wieder.
 
64.
Nach Norden zogen wir und kämpften manche Schlacht,
Bis dich der Herr durch meinen Arm befreite.
Weh mir, vergebens war's, daß ich im blut'gen Streite
Für dich die Heiden schlug; noch einmal droht die Nacht
Des Todes dir! O sprich, wie kann ich jetzt dich schützen?
Die Schaar, die kühn und treu an meiner Seite stand,
Sie sank dahin vor Gottes Blitzen,
Und Alles ruht allein in dieser schwachen Hand.
 
65.
So schloß der deutsche Held, und seine Blicke sanken
Mit düsterm Schmerz zu Boden jetzt zurück.
Das Fräulein schwieg, in wechselnde Gedanken
Mit irrem Geist vertieft. Erst hob ihr klarer Blick
Zum Himmel sich mit freud'gem Sehnen,
Mit stiller Lust; doch plötzlich schien
Sich um den heitern Strahl ein trüber Duft zu ziehn,
Und tief im zarten Aug' entblühten leise Thränen.
 
66.
Und ihre Hand ergriff mit tief bewegter Brust
Der Paladin und rief: O nein, du darfst nicht leiden,
Der Blühenden gebührt des Lebens blühnde Lust;
Du mußt noch lang' im Kranz der heitern Freuden
Die schönste Blume seyn. O fliehe weit von hier!
Mir laß den Schmerz, den kalten Tod laß mir;
Mein Herz ist längst verwelkt für alle holden Spiele
Der Lust, im schwülen Hauch sehnsüchtiger Gefühle.

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